Metastasiertes Pankreaskarzinom: Systemtherapie und molekulare Biomarker

Derzeit ist eine systemische Chemotherapie beim metastasierten Pankreaskarzinom die Therapie der Wahl. Diese kann – evidenzbasiert – sowohl das Gesamtüberleben verlängern als auch die Lebensqualität verbessern. Seitdem die bessere Wirksamkeit von Kombinations-Chemotherapien wie FOLFIRINOX oder Gemcitabin/nab-Paclitaxel gegenüber der Gemcitabin-Monotherapie berichtet wurde, gelten diese international als Standard für die Erstlinientherapie des metastasierten Pankreaskarzinoms. In der Zweitlinie, nach Versagen einer Gemcitabin-basierten Primärtherapie, haben sich sowohl das NAPOLI-Regime (5-FU/Folinsäure + nanoliposomales Irinotecan) als auch das OFF-Schema (Oxaliplatin, Folinsäure und 5-FU-Dauerinfusion) etabliert. Zukünftig könnten PARP-Inhibitoren und möglicherweise auch die Immuntherapie für selektionierte Subgruppen (z. B. BRCA 1/2, PALB2, Mikrosatelliteninstabilität) eine bedeutende Rolle in der personalisierten Therapie des Pankreaskarzinoms spielen. Noch gibt es in Deutschland hierfür jedoch keine Zulassung. Ebenso befindet sich die Etablierung einer flächendeckend verfügbaren Diagnostik auf Basis von Next Generation Sequencing (NGS) derzeit noch im Ausbau.

Schlüsselwörter: Metastasiertes Pankreaskarzinom, palliative Chemotherapie, FOLFIRINOX, Gemcitabin, nab-Paclitaxel, nanoliposomales Irinotecan, molekulare Marker

Seit 1990 hat sich die globale Inzidenz des Pankreaskarzinoms mehr als verdoppelt [1]. Epidemiologische Projektionen gehen von einer weiteren Zunahme der Todesfälle durch ein duktales Adenokarzinom des Pankreas in Deutschland aus [2]. Sollten diese Hochrechnungen zutreffen, würde das Pankreaskarzinom im Jahr 2030 in Deutschland die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache darstellen. Diese Entwicklung ist durch die steigende Inzidenz bei unverändert hoher Mortalitätsrate zu erklären. Während sich die 5-Jahres-Überlebensraten anderer Tumorerkrankungen in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert haben, lässt sich im selben Zeitraum für das Pankreaskarzinom lediglich eine geringe Verbesserung des 5-Jahres-Überlebens von 2,5 % auf 8,5 % feststellen. Bei über 80 % aller Patienten liegt zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bereits ein fortgeschrittenes Tumorstadium vor. Eine potentiell kurative Resektion ist dann nicht mehr möglich. In einer Metaanalyse von Carrato und Kollegen wurden Real-life-Daten zu Gesamtüberleben, Lebensqualität und wirtschaftlichen Auswirkungen des Pankreaskarzinoms aus 24 europäischen Ländern ausgewertet (Daten aus 91 verschiedenen Registerstudien). Es zeigte sich eine mediane Überlebens-dauer von nur 4,6 Monaten nach Diagnosestellung [3]. Im vorliegenden Artikel wird der aktuelle Kenntnisstand hinsichtlich der verschiedenen palliativen Chemotherapie-Optionen sowie klinisch relevanter molekularer Biomarker für eine mögliche, zielgerichtete Therapie des metastasierten Pankreaskarzinoms evidenzbasiert und praxisrelevant dargestellt.

Erstlinientherapie

In zahlreichen kontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass eine Chemotherapie bei Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom zu einer Verlängerung des Gesamtüberleben (OS) und einer Verbesserung der Lebensqualität gegenüber alleinigen supportiven Maßnahmen (Best supportive care, BSC) führt [4, 5]. Bereits Mitte der 1990er-Jahre verglichen Glimelius et al. eine 5-FU basierte Chemotherapie mit BSC in einer randomisierten Studie an 90 Patienten mit Pankreaskarzinom oder cholangiozellulärem Karzinom.
Das mediane OS  im Chemotherapiearm war dabei signifikant länger als im BSC-Arm (6 vs. 2,5 Monate; p < 0,01). Ebenso war die Lebensqualität  im Chemotherapie-Arm deutlich besser [4].
Allen Patienten mit metastasiertem Adenokarzinom des Pankreas und einem ECOG-Performance-Status von 0–2 sollte daher eine palliative Chemotherapie angeboten werden. Auch um seltene histologische Subtypen (wie neuroendokrine Tumoren, Azinuszellkarzinome oder seltene Pankreasmetastasen, etwa bei einem Nierenzellkarzinom) auszuschließen, sollte im Vorfeld immer eine histologische Diagnosesicherung aus Metastase oder Primärtumor erfolgen.
Nachdem Burris et al. 1997 nachweisen konnten, dass eine Gemcitabin-Monotherapie im Vergleich zu 5-FU-Bolusgaben ein signifikant besseres klinisches Ansprechen (weniger Schmerzen, Ver-besserung im Karnofsky-Index 23,8 % vs. 4,8 %, p = 0,0022) sowie ein längeres OS (5,65 vs. 4,41 Monate, p = 0,0025) erzielen kann, galt die Monotherapie mit Gemcitabin (Gemcitabin mono) viele Jahre lang als die Standardtherapie beim metastasierten Pankreaskarzinom [6]. Als erste zielgerichtete Substanz führte der Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Erlotinib kombiniert mit Gemcitabin zu einer statistisch signifikanten – klinisch allerdings moderaten – Verlängerung des OS. Im Median betrug der Unterschied im OS gerade einmal 2 Wochen, das 1-Jahres-Überleben lag bei 24 % für Gemcitabin/Erlotinib vs. 19 % für Gemcitabin mono [7]. Besonders gut sprachen Patienten an, die einen Erlotinib-assoziierten Hautausschlag (Rash) entwickelten.
Dieser Zusammenhang wurde auch in der prospektiven multizentrischen Phase-II-Studie RASH der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) durch Haas et al. untersucht. Insgesamt wurden 150 Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom rekrutiert, die in der Run-in-Phase 4 Wochen Gemcitabin plus Erlotinib erhielten. Bei Entwicklung eines Hautausschlages wurde die Therapie weitergeführt (n = 90) bzw. bei Rash-negativen Patienten auf eine
Systemtherapie mit FOLFIRINOX (n = 27) umgestellt. Die Rash-positiven Patienten erreichten eine 1-Jahres-OS-Rate von 40,0 %, ein medianes OS von 10,1 Monaten und ein Therapieansprechen von 23,3 %, Rash-negative Patienten im Vergleich dazu  eine 1-Jahres-OS-Rate von 48,1 %, ein medianes OS von 10,9 Monaten und eine radiologische Ansprechrate von 33,3%. Somit war die Effektivität einer Erstlinientherapie mit Gemcitabin/Erlotinib bei selektionierten (alle Patienten mussten Kriterien erfüllen, die eine Behandlung mit FOLFIRINOX ermöglichen würden), Rash-positiven Patienten vergleichbar zu den Daten, die mit FOLFIRINOX berichtet wurden [8]. Im klinischen Alltag spielt die Therapie mit Gemcitabin/Erlotinib, vor allem wegen der zwischenzeitlichen Etablierung neuerer Protokolle wie FOLFIRINOX oder Gemcitabin/nab-Paclitaxel (s. u.) mittlerweile nur noch eine untergeordnete Rolle.
Neben Erlotinib wurden in verschiedenen Studien weitere Chemotherapeu-tika als Addition zu Gemcitabin getestet. Während verschiedene Metaanalysen zwar einen Vorteil für eine Gemcitabin-basierte Kombinations-Chemotherapie zeigten, konnte bis zur Zulassung von nab-Paclitaxel im Jahr 2014 keine einzelne randomisierte Studie einen statistisch signifikanten Vorteil einer Gemcitabin-basierten Kombinations-Chemotherapie nachweisen [9].

Die ersten positiven Daten der randomisierten Phase-III-Studie Prodige 4- ACCORD 11/0402 zum Einsatz einer intensiven Kombinations-Chemotherapie bei 342 Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom wurden 2011 veröffentlicht. Von Dezember 2005 bis Oktober 2009 wurde dabei die Kombinationstherapie FOLFIRINOX (Oxaliplatin, Irinotecan, Leucovorin sowie 5-FU-Bolus, gefolgt von 5-FU-Dauerinfusion über 46 Stunden, Wiederholung alle 14 Tage) mit Gemcitabin mono verglichen. Das mediane OS (primärer Studienendpunkt) lag im FOLFIRINOX-Arm bei 11,1 Monaten vs. 6,8 Monaten im Gemcitabin-Arm (p < 0,001, Abb. 1). Ebenso konnte das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) von 3,3 Monaten im Gemcitabin-auf 6,4 Monate im FOLFIRINOX-Arm verbessert werden (p < 0,001; Abb. 1).

Insgesamt lag das radiologische Therapieansprechen im Vergleich zu Gemcitabin mono (9,4 %) unter FOLFIRINOX bei 31,6 % [10]. Die S3-Leitlinie zum exokrinen Pankreaskarzinom empfiehlt daher seit 2013 FOLFIRINOX als eine Standardtherapie für Patienten mit günstigem Risikoprofil (u. a. definiert anhand ECOG PS 0–1, Bilirubin < des 1,5-fachen oberen Normwerts und Alter < 75 Jahre) [11]. Allerdings lag die begleitende Toxizität durch FOLFIRINOX im Vergleich zu Gemcitabin mono signifikant höher (Grad 3/4 Neutropenie 46 vs. 21 %, Thrombozytopenie 9 vs. 4 %, Sensibilitätsstörungen 9 vs. 0 %, Erbrechen 15 vs. 8 %, Fatigue 23 vs. 18 % und Diarrhö 13 vs. 2 %) [11]. Viele Zentren begannen deshalb schon früh damit, FOLFIRINOX zu modifizieren: Die häufigsten Veränderungen waren der Verzicht auf die 5-FU- Bolusapplikation sowie Dosismodifikationen von Irinotecan und auch Oxaliplatin. Eine 2016 publizierte einarmige Phase-II-Studie der Yale School of Medicine konnte zeigen, dass eine Behandlung mit mFOLFIRINOX (hier mit nur moderater Dosisreduktion von Irinotecan und dem 5-FU- Bolus um jeweils 25 %) eine vergleichbare Effektivität wie das volldosierte Regime erzielen kann, bei signifikant reduzierter hämatologischer und nicht-hämatologischer Toxizität (z. B. Grad 3/4 Neutropenie 12 vs. 46 %, Fatigue 12 vs. 24 %, Übelkeit 3 vs. 15 %; als Cross-trial-Vergleich dienten die Toxizitätsdaten des FOLFIRINOX-Arms der Studie Prodige 4-ACCORD 11/0402 [12].
Als neuer Kombinationspartner für Gemcitabin erwies sich das an Albumin-Nanopartikel gebundene Taxan Paclitaxel (nab-Paclitaxel). Die Zulassungsstudie MPACT aus dem Jahre 2013 war eine globale, multizentrische, randomisierte Phase-III-Studie, die die Effektivität von nab-Paclitaxel und Gemcitabin (Tag 1, 8, und 15 alle 28 Tage; n = 431) gegenüber Gemcitabin mono in Standard-Dosierung (n = 430) verglich. Neben dem OS wurden die Tumoransprechraten und das PFS der 861 Studienteilnehmer untersucht. Insgesamt wurde ein medianes OS (primärer Endpunkt) im Kombinationsarm von 8,5 Monaten vs. 6,7 Monaten im Gemcitabin-Arm berichtet (p < 0,001; Abb. 2).

Auch das mediane PFS war mit 5,5 Monaten vs. 3,7 Monaten unter der Kombination signifikant verbessert
p < 0,001) [13]. Bei Patienten mit meta-stasiertem Pankreaskarzinom in gutem Allgemeinzustand ist seitdem auch die Kombination Gemcitabin/nab-Paclitaxel als Erstlinientherapie etabliert und zugelassen. Seit Ende 2019 ist nab-Paclitaxel auch als Generikum verfügbar.
Ein direkter Head-to-head-Vergleich von FOLFIRINOX und Gemcitabin/nab-Paclitaxel wurde bis heute nicht durchgeführt. Beide Therapien sind daher als gut etablierte Optionen für die Erstlinientherapie anzusehen. In einer Metaanalyse von 16 retrospektiven Studien mit insgesamt 3813 Patienten mit fortgeschrittenem Tumorstadium wurde ein Vergleich von FOLFIRINOX (n = 2.123) und Gemcitabin/nab-Paclitaxel (n = 1.690) hinsichtlich Therapieerfolg und Sicherheit angestrebt. Sowohl in der Auswertung des OS als auch des PFS und der Gesamtansprechrate (ORR) konnte kein signifikanter Unterschied nachgewiesen werden, jedoch zeigten sich Unterschiede in der Toxizität. Gemcitabin/nab-Pacli-taxel ging mit verminderter Neutropenie, febriler Neutropenie und Übelkeit einher, während FOLFIRINOX weniger Neurotoxizität und Anämie verursachte [14]. Die Therapiewahl sollte daher auch nach Allgemeinzustand und Risikoprofil des Patienten erfolgen.
Hegewisch-Becker et al. untersuchten erst kürzlich im Rahmen einer Registerstudie die aktuelle Therapielandschaft des fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms in Deutschland. Anhand von Real-world-Daten von 1.174 Patienten im Rahmen einer prospektiven Kohortenstudie des TPK (Tumorregisters Pankreaskarzinom) wurde festgestellt, dass als Erstlinientherapie gegenwärtig vor allem 3 Therapieregime (89 % der Fälle) eingesetzt werden: Gemcitabin mono (23 %), Gemcitabin/nab-Paclitaxel (42 %) und FOLFIRINOX (24 %). Insgesamt waren 90 % der ins Register eingeschlossenen Patienten zum Zeitpunkt des Therapiestarts bereits metastasiert. Patienten der Gemcitabin-mono-Gruppe waren im Durchschnitt älter (medianes Alter 78 Jahre), litten an mehr Komorbiditäten und hatten einen erniedrigten Performance-Status (73 % ECOG ≥ 1); Patienten in der Gemcitabin/nab-Paclitaxel Gruppe waren im Median 71 Jahre alt und klinisch in besserem Allgemeinzustand (64 % ECOG ≥ 1), und Patienten der FOLFIRINOX-Gruppe waren im Median 60 Jahre alt und klinisch am fittesten (52 % ECOG ≥ 1). Nach Zuordnung zur Wahl der Erstlinientherapie überlebten Patienten im Median 6,8 Monate mit Gemcitabin, 9,1 Monate mit Gemcitabin/nab-Paclitaxel und 11,3 Monate mit FOLFIRINOX. Die hier berichteten OS-Daten aus dem Real-
world-Setting sind damit recht gut mit den Effektivitätsdaten aus den entsprechenden Phase-III-Studien (s. o.) vergleichbar. Die Daten zeigen zudem, dass die drei Therapie-Regime im klinischen Alltag für jeweils unterschiedliche Patientengruppen Anwendung finden. Ältere und Patienten mit Komorbiditäten erhalten demnach eher Gemcitabin mono, jüngere und klinisch fitte Patienten eher eine Kombinations-Chemotherapie [15].

Zweitlinientherapie

Insgesamt erhielten ca. 40% der Patienten des TPK eine weiterführende Zweitlinientherapie [15]. Die deutsche CONKO-Studiengruppe der Berliner Charité um Pelzer et al. berichtete bereits 2011 in der Zweitlinie nach Gemcitabin-Versagen ein verlängertes medianes OS mit einer Kombinationstherapie nach dem OFF-Schema (Oxaliplatin, Folin-säure und 5-FU-Dauerinfusion, n = 23) gegenüber BSC (n = 23). Das mediane OS lag im OFF-Arm bei 4,8 Monaten vs. 2,3 Monaten im BSC-Arm (p = 0,008) [16]. In der randomisierten Phase-III-Studie CONKO-003 wurde dann das OS der Kombinations-Chemotherapie mit OFF (n = 76) vs. einer platinfreien Therapie mit Folinsäure + 5-FU (FF, n = 84) bei Patienten mit Progress nach Gemcitabin mono untersucht. Das mediane OS und PFS waren dabei im OFF-Arm mit 5,9 bzw. 2,9 Monaten signifikant länger als im FF-Arm mit 3,3 bzw. 2,0 Monaten (p = 0,010 bzw. p = 0,019) [17]. Die kanadische Phase-III-Studie PANCREOX hingegen stellte beim Vergleich der modifizierten Version des FOLFOX-6-Schemas (mFOLFOX-6, n = 54) mit Folinsäure + 5-FU (n = 54) fest, dass die Hinzunahme von Oxaliplatin zu 5-FU in der Zweitlinie keinen Überlebensvorteil erbrachte, und dies möglicherweise durch die signifikant erhöhte Toxizität im mFOLFOX-6- Arm hervorgerufen wurde [18].
In der globalen, randomisierten Phase-III-Studie NAPOLI-1 wurde gezeigt, dass in der Zweitlinie nach Gemcitabin-haltiger Vortherapie beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom durch die Systemtherapie mit nanoliposomalem Irinotecan (nal-IRI) zusammen mit Folinsäure + 5-FU (n = 117) mit median 6,1 vs. 4,2 Monaten (p = 0,012) ein signifikant besseres OS erreicht werden konnte als mit Folinsäure + 5-FU alleine (n = 149). Dagegen zeigte sich in dieser dreiarmigen Studie kein OS-Unterschied zwischen einer Monotherapie mit nal-IRI und der Kombination Folinsäure + 5-FU (medianes OS 4,9 vs. 4,2 Monate; p = 0,94) [19]. Im Oktober 2019 gab es noch eine relevante Änderung in der zugelassenen Dosierung von nal-IRI: Die Dosis wird nun als Irinotecan-freie Base, und nicht mehr als Irinotecan-Hydrochlorid ausgedrückt. Damit ändert sich die empfohlene Anfangsdosis auf jetzt 70 mg/m2 (Irinotecan als freie Base berechnet) anstelle von 80 mg/m2 , wie in der initialen Zulassung angegeben.
Basierend auf der dargestellten Datenlage gilt daher, dass nach Gemcitabin-basierter Erstlinientherapie eine Systemtherapie mit OFF oder 5-FU/nal-IRI als Zweitlinientherapie unseren Patienten (mit ausreichend gutem AZ und adäquaten Organfunktionen) angeboten werden kann. Einen direkten Vergleich der beiden Therapieschemata gibt es bis dato nicht. Bei Patienten mit Tumorprogress nach FOLFIRINOX in der Erstlinie ist es möglich, eine Gemcitabin-basierte Zweitlinientherapie anzuschließen. Bei dem Einsatz von Gemcitabin/nab-Paclitaxel in der Zweitlinie handelt es sich (für nab-Paclitaxel) formal um einen Off-label-Use, da die Zulassung auf die Erstlinienbehandlung begrenzt ist. Dennoch findet sich diese Therapieoption in aktuellen Leitlinien (Abb. 3) und wird auch von vielen Zentren so eingesetzt.

Evidenz für dieses Vorgehen gibt es z. B. aus Kohortenstudien, die eine gute Wirksamkeit und auch Verträglichkeit von Gemcitabin/nab-Paclitaxel nach FOLFIRINOX-Versagen gezeigt haben [20].

Die Rolle neuer Biomarker

Die klinische Relevanz des Molecular Profiling wurde in einer US-amerikanischen retrospektiven Analyse des Know Your Tumor Registry (KYT) gezeigt: 1.856 Patienten wurden von Juni 2014 bis März 2019 im KYT-Register-Programm eingeschlossen, von denen bei 1.082 (58 %) eine erweiterte molekulare Diagnostik durchgeführt werden konnte. Insgesamt wurden in 282 Proben (26 %) molekulare Veränderungen mit möglicher therapeutischer Konsequenz detektiert (unter anderem homologe DNA-Damage-Response und Repair-(DDR)-Alterationen wie z. B.  BRCA1, BRCA2, PALB2 sowie Tumoren mit hoher Mikrosatelliten-Instabilität [MSI-H]). In die finale Analyse-Kohorte gingen 622 Patienten ein, davon 189 mit klinisch relevanten molekularen Alterationen und 488 Patienten ohne solche Veränderungen. 46 der 189 Patienten mit Alterationen erhielten eine gezielte Therapie (matched), während die restlichen 143 Patienten ungezielt (unmatched) behandelt wurden. Die Art der gezielten Therapie wurde durch ein Medical review panel vorgeschlagen, basierend auf Evidenz aus der Literatur. Ergebnis: Das mediane OS war in der matched-Gruppe mit 2,58 Jahren signifikant länger als in der unmatched-Gruppe mit 1,51 Jahren (p < 0,0004). Das mediane OS der 488 Patienten ohne nachgewiesene molekulare Veränderungen (no marker group) war mit 1,32 Jahren signifikant kürzer als in der matched-Gruppe (p < 0,0001). Zwischen den unmatched- und no marker-Armen konnte kein signifikanter Unterschied der medianen Überlebenszeit festgestellt werden [21].
Diese Daten suggerieren, dass molekular getriebene Behandlungsansätze bei Patienten mit nachgewiesenen genetischen Alterationen sinnvoll sein könnten, müssen aber dennoch noch mit Vorbehalt betrachtet werden. So konnten die Patienten etwa zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung, unabhängig von Stadium oder Vortherapie, in das Register eingeschlossen werden. Zudem erhielten die Patienten der matched-Gruppe die zielgerichtete Therapie teilweise kombiniert mit weiteren Therapiemodalitäten wie einer Operation oder einer Chemotherapie, sodass die verlängerte Überlebenszeit nicht immer allein der gezielten Therapie zugeordnet werden kann. Ebenso variierte die Zeit vom Studieneinschluss bis zur Biopsie für die molekulare Diagnostik und Therapiebeginn, da nicht alle Zen-tren eine molekulare Testung oder eine gezielte Therapie anbieten konnten.
Insgesamt wurde so letztlich nur eine kleine Patientenkohorte mit klinisch relevanten Veränderungen „maßgeschneidert“ behandelt. Der retrospektive Charakter und das Design der Studie schaffen hier womöglich einen zusätzlichen Bias zugunsten der matched-Patienten, die eine eher motivierte Gruppe mit gutem Performance-Status repräsentierten, die auch bereit waren, weitere Wege zu spezialisierten Zentren in Kauf zu nehmen.

Alterationen in DNA-Damage-Repair(DDR)-Genen

Eine Subgruppe der Pankreaskarzinome weist eine Mutation in DDR-Genen wie BRCA1, BRCA2 oder PALB2 auf. Die Prävalenz dieser Alterationen ist derzeit am besten für Keimbahnmutationen beschrieben, wobei die Häufigkeit des Auftretens von Deleterious germline mutations – je nach untersuchter Patientenpopulation – in aktuell publizierten Studien von < 5 % bis 20 % reichen kann [22]. Ineffektive DNA-Reparatur-Mechanismen durch Mutationen im DDR-System führen dabei zu erhöhter Platin-Sensitivität und gesteigerter Wirkungsentfaltung von PARP-Inhibitoren [23]. Daher untersuchten Golan et al. in der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie POLO das PFS unter einer Erhaltungstherapie mit dem oralen PARP-Inhibitor Olaparib (300 mg zweimal tgl.) bei 154 BRCA-Keimbahn-mutierten Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom (Olaparib n = 92, Placebo n = 62). Die Voraussetzung für den Studieneinschluss war eine Progressionsfreiheit von mind. 4 Monaten unter platinhaltiger Erstlinien-Chemotherapie (wie FOLFIRINOX). Das mediane PFS im Olaparib-Arm war mit 7,4 Monaten si-gnifikant länger als unter Placebo mit 3,8 Monaten (p < 0,004; Abb. 4). 

Allerdings wurde bisher kein Unterschied im OS berichtet. Darüber hinaus ging die Olaparib-Erhaltung mit erhöhter Toxizität einher, u. a. Fatigue (60 vs. 35 %), Übelkeit (45 vs. 23 %), Anämie (27 vs. 17 %) und Diarrhö (29 vs. 15 %) [24]. Basierend auf diesen Proof-of-concept-Daten der POLO-Studie wurde Olaparib im Dezember 2019 bereits von der FDA für die Erhaltungstherapie von Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom und BRCA-Keimbahnmutation zugelassen, deren Erkrankung nach mindestens 16 Wochen platinhaltiger Chemotherapie nicht progredient ist. Inwiefern die Daten auch auf Patienten mit somatischen BRCA-Mutationen übertragbar sind, ist derzeit unklar; ebenso muss betont werden, dass Olaparib hier gegen Placebo (und nicht gegen Fortführung einer Chemotherapie) getestet wurde; auch die finalen OS-Daten bleiben sicher noch abzuwarten.  
In einer Anfang 2020 veröffentlichen randomisierten Phase-II-Studie untersuchten O’Reilly und Kollegen den Einsatz von Cisplatin und Gemcitabin mit bzw. ohne den neuen PARP-Inhibitor Veliparib bei Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom und BRCA/PALB2-Keimbahnmutation. Die Zugabe von Veliparib zu Gemcitabin/Cisplatin führte nicht zur Verbesserung der radiologischen Ansprechrate oder des OS. Bemerkenswert war allerdings die Effektivität, die bereits allein mit der Gemcitabin/Cisplatin-Therapie in dieser Kohorte erreicht werden konnte: Die radiologische Ansprechrate lag bei 74 %, das mediane PFS bei 10,1 Monaten und das mediane OS bei 15,5 Monaten. Die Autoren schlussfolgerten, dass Gemcitabin/Cisplatin als neue (Standard-)Therapieoption bei Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom und BRCA/PALB2-
Mutation angesehen werden könne [25].

Mismatch-Repair(MMR)-Defekt und MSI

Das Mismatch-Repair(MMR)-System spielt eine wichtige Rolle bei der DNA-Reparatur während der Replikation. Ein Defekt in diesem System führt zu fehlerhafter DNA-Replikation und resultiert in einer erhöhten MSI. Insgesamt sind die Ergebnisse von immuntherapeutischen Ansätzen, vor allem mit Checkpoint-Inhibitoren, bei nicht-selektionierten Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom bisher ernüchternd [26]. In einer Studie durch Le et al. gab es initial Hinweise, dass ein MMR-Defekt (MSH2, MSH6, PMS2 und MLH1) als prädiktiver Biomarker für die Wirkung einer PD-1-Blockade durch Pembrolizumab (hier noch appliziert mit 10 mg/kg alle 14 Tage) in soliden Tumoren genutzt werden kann. Eingeschlossen wurden vortherapierte, solide Tumoren mit nachgewiesenem Progress (n = 86): In der Gruppe der Pankreaskarzinome mit MMR-Defekt (allerdings nur 8 Patienten) zeigten 25 % nach Pembrolizumab-Therapie eine komplette und 37 % eine partielle Remission, 12 % eine stabile Erkrankung. Die ORR lag damit bei 62 %, die Erkrankungskontrollrate bei 75 % [27].
Die nachfolgende Phase-II-Studie KEYNOTE-158 untersuchte die Effektivität von Pembrolizumab (200 mg alle 3 Wochen) in Patienten mit hoher MSI (molekularpathologische Diagnose) und/oder MMR-Defekt (immunhistochemische Diagnose) bei nicht-kolorektalen Karzinomen (n = 233, u. a. Endometrium-, Magen-, Cholangio-, Pankreas-, Dünndarm- und Ovarial-Karzinom). In der Subgruppe der Pankreaskarzinome (n = 22) lag die ORR nur noch bei 18,2 %, doch waren die Remissionen bei den Respondern überwiegend langanhaltend [28]. Aktuell gibt es, vor allem durch die immer breiter verfügbaren Verfahren des Next Generation Sequencing (NGS) die Möglichkeit, Patienten/Risikogruppen im klinischen Alltag molekular auf BRCA/MSI zu testen. Voraussetzung für eine Keimbahntestung sind derzeit meist noch eine familiäre Häufung von Pan-kreaskarzinomen und/oder eine Assoziation mit gynäkologischen Tumoren [29]. In Zukunft wird die Relevanz der Dia-gnostik von molekularen Veränderungen für die Therapie des Pankreaskarzinoms jedoch sicher weiter steigen.

Aktuelle AIO-Studien

Summary

Metastatic pancreatic cancer: systemic therapy and molecular biomarkers
Systemic chemotherapy is the standard treatment for patients with metastatic pancreatic cancer. There is sound evidence that systemic chemotherapy can improve quality of life and overall sur-vival in advanced pancreatic cancer patients. During the last decade, improvements have been made by using the combinational regimens FOLFIRINOX or gemcitabine plus nab-paclitaxel. Both regimens have superior efficacy over gemcitabine monotherapy in patients with adequate performance status and organ function. After failure of a gemcitabine-containing first-line therapy, second-line treatment options are 5-FU plus oxaliplatin (OFF-regimen) or 5-FU plus nanoliposomal irinotecan (NAPOLI-regimen).
In the future, PARP-inhibitors and immunotherapy might play an important role in selected patients (e.g. BRCA 1/2, PALB2, MSI). However, up to now, no EMA -approved targeted or immunotherapeutic drug is available for the treatment of advanced pancreatic cancer in Germany. The expected increase in next generation sequencing capabilities might help in identifying pancreatic cancer patients with actionable genetic alterations.
Keywords: Metastatic pancreatic cancer, palliative chemotherapy, gemcitabine, FOLFIRINOX, nab-Paclitaxel, nanoliposomal Irinotecan, molecular markers

Autoren
Prof. Dr. med. Stefan Böck
Pankreaszentrum München(LMU) Medizinische Klinik und Poliklinik III,
LMU Klinikum – Campus Großhadern, München
Danmei Zhang
Medizinische Klinik und Poliklinik III
LMU Klinikum – Campus Großhadern, München
Dr. med. Stephan Kruger
Medizinische Klinik und Poliklinik III
LMU Klinikum – Campus Großhadern, München
Prof. Dr. med. Volker Heinemann
Direktor CCC München(LMU) Medizinische Klinik und Poliklinik III
LMU Klinikum – Campus Großhadern
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