Adenokarzinome des Magens und ösophagogastralen Übergangs: Diagnostik und Therapie

Im August 2019 wurde die überarbeitete Version der S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Adenokarzinome des Magens und ösophagogastralen Übergangs“ veröffentlicht [1]. Im Vergleich zur alten S3-Leitlinie wurden die Testungen für Mikrosatelliteninstabilität (MSI), hereditäres kolorektales Karzinom ohne Polyposis (HNPCC, Lynch-Syndrom) sowie E-Cadherin als Parameter einer möglichen hereditären Ursache des Tumors verbessert – neben der sorgfältigen histopathologischen Diagnos-tik. Die Klärung der pathologischen Regression, die endoskopische Diagnostik und Therapie sowie die Chirurgie und Chemotherapie werden eindeutig hervorgehoben. Therapeutisch können nun Frühkarzinome in vielen Fällen endoskopisch mittels EMR (endoskopischer Mukosaresektion) und ESD (endoskopischer Submukosa-Dissektion) reseziert werden. Als perioperative Chemotherapie hat sich das „FLOT“-Regime etabliert. Ramucirumab mit Paclitaxel und Trifluridin/Tipiracil (TAS-102) sind als palliative Zweit- und Drittlinientherapie zugelassen. Es ist vorgesehen, die Inhalte der Leitlinie im Rahmen einer "Living-Guideline" jährlich auf Basis aktueller Studiendaten und auf Basis der Rückmeldungen der beteiligten Fachexperten und Anwender der Leitlinien zu prüfen und zu aktualisieren.

Schlüsselwörter: Adenokarzinom, Magen, ösophagogastraler Übergang, Leitlinie, Ramucirumab, Paclitaxel, Trifluridin, Tipiracil

Epidemiologie

Das Magenkarzinom stellt neben den Karzinomen des ösophagogastralen Übergangs eine der weltweit häufigsten tumorbedingten letalen Risiken dar. In Deutschland ist das Magenkarzinom bei Männern die fünft- und bei Frauen die sechsthäufigste tumorbedingte Todesursache. Etwa 1 % aller Todesfälle in Deutschland sind auf Magenkrebs zurückzuführen. Im Ergebnis liegt die – über alle Stadien hinweg – 5-Jahres-Überlebensrate bei Männern bei 30 % und bei Frauen bei 33 % [2].
Das Magenkarzinom ist eine multifaktorielle Erkrankung. Die Infektion mit Helicobacter pylori (H. pylori) stellt den wichtigsten Risikofaktor dar [3]. Seit 1994 ist H. pylori durch die Weltgesundheitsorganisation als Klasse-I-Karzinogen anerkannt.  Die Infektion mit H. pylori induziert eine chronisch-aktive Gastritis. Bei vielen Patienten entsteht das Karzinom über eine atrophische Gastritis und intestinale Metaplasie. Diese Sequenz ist nach ihrem Erstbeschreiber als Correa-Kaskade bekannt [4]. Diese mukosalen Veränderungen gelten primär als Vorläufer für Karzinome vom intestinalen Typ, doch ist das Risiko für die Entstehung eines Magenkarzinoms vom diffusen Typ bei Vorliegen einer H.-pylori-Infektion in vergleichbarem Maße erhöht.
Eine wirkungsvolle Prävention (Primärprophylaxe) ist derzeit nur über die H.-pylori-Eradikation gegeben. Ein Impfstoff ist nicht verfügbar. Goldstandard zur Früherkennung (Sekundärprophylaxe) ist die Endoskopie, die auch die Identifizierung von Individuen ermöglicht, denen eine endoskopische Überwachung angeboten werden soll. Der point of no return, ab dem eine Eradikationstherapie einen weiteren Progress prämaligner Veränderungen nicht mehr aufhält, ist unklar [5] (Abb. 1).

Die chronisch-aktive Entzündung der Magenschleimhaut wird als Grundvoraussetzung für eine progrediente Schädigung und Transformation der Mukosa angesehen, sodass aktuell rund 90 % der Nicht-Kardia-Karzinome dem Einfluss einer H.-pylori-Infektion zugeschrieben werden [6–10].
Das Risiko, an einem Magenkarzinom zu erkranken, korreliert mit Ausdehnung und Schweregrad der Atrophie. Patienten mit fortgeschrittener Atrophie und intestinaler Metaplasie des Magens soll daher eine endoskopische Überwachung angeboten werden. Europäische Leitlinien empfehlen eine Endoskopie inklusive Biopsien nach dem Sydney-Protokoll (Proben von Antrum und Korpus jeweils von der kleinen und großen Kurvatur sowie Angulusfalte) alle 3 Jahre [1]. Die H.-pylori-Eradikation sollte bei Risikopersonen mit dem Ziel der Karzinomprävention erfolgen, bei vorliegender Risikogastritis (Pangastritis oder Korpus-dominante Gastritis), erstgradig Verwandten von Magenkarzinompatienten, früheren Magenneoplasien oder Atrophie und/oder intestinaler Metaplasie.
Adenokarzinome des gastroösophagealen Übergangs sind überwiegend nicht mit einer H.-pylori-Infektion, aber mit chronischer Entzündung durch gastroösophagealen Reflux assoziiert. Bei gas-troösophagealer Refluxerkrankung besteht ein erhöhtes Risiko für das Vorliegen eines Barrett-Ösophagus (metaplastische Veränderungen des distalen Ösophagus). Das mehrschichtige Plattenepithel- wird hierbei durch ein einschichtiges Zylinderepithel vom gastralen oder intestinalen Typ ersetzt. Der Barrett-Ösophagus gilt als Präneoplasie für Adenokarzinome des di-stalen Ösophagus und des gastroösophagealen Übergangs. Ob auch bei diesen Tumoren H. pylori eine Rolle spielt, wird diskutiert. Empfehlungen zur endoskopischen Überwachung von Patienten mit Barrett-Ösophagus gibt die Leitlinie Gastroösophageale Refluxerkrankung. Weitere Risikofaktoren für das Magenkarzinom sind Tabakrauchen und salzreiche Kost.

Familiär vererbtes Magenkarzinom

Ein frühes Erkrankungsalter, das Vorliegen eines diffusen Magenkarzinoms und eine familiäre Häufung sind Hinweise auf ein hereditäres diffuses Magenkarzinom. In diesem Fall soll eine genetische Beratung erfolgen. Das hereditäre diffuse Magenkarzinom ist eine seltene autosomal-dominante Erkrankung, welche für ca. 1 % aller Magenkarzinome verantwortlich ist. Heterozygote, inaktivierende Keimbahnmutationen im Gen für E-Cadherin (CDH1, kalziumabhängiges Adhäsionsmolekül epithelialer Zellen und Tumorsuppressorprotein) sind die Ursache der Erkrankung. Träger der Mutation haben ein Lebenszeitrisiko von 40–80 % für ein Magenkarzinom, Frauen zusätzlich ein Risiko 40–50 % für ein lobuläres Mammakarzinom. Die aktuelle S3-Leitlinie nennt Kriterien, wann Familien eine CDH1-Keimbahnmutationsdiagnostik angeboten werden sollte [1]. Die molekular-genetische Diagnostik sollte nach den "Richtlinien zur Diagnostik der genetischen Disposition für Krebserkrankungen" der Bundesärztekammer erfolgen. Bei nachgewiesener CDH1-Keimbahnmutation wird dem Patienten nach Aufklärung/Beratung zur prophylaktischen Gastrektomie geraten.

Andere genetische Faktoren

Patienten mit hereditärem kolorektalem Karzinom ohne Polyposis (HNPCC, Lynch-Syndrom) sollten über ihr erhöhtes Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines Magenkarzinoms aufgeklärt werden. Eine Ösophago-Gastro-Duodeno-skopie kann angeboten werden. Bei
HNPCC-Patienten und Risikopersonen für HNPCC sollte diese ab dem 35. Lebensjahr zusätzlich zur Koloskopie regelmäßig durchgeführt werden.
In der Leitlinie wurde auch die genetische Klassifikation nach dem TCGA (The Cancer Genom Atlas) berücksichtigt [11] (Abb. 2). 

 

Besondere Bedeutung hat die Charakterisierung von Patienten mit Tumoren, die mit Mikrosatelliteninstabilität (MSI)/HNPCC und mit Epstein-Barr-Virus (EBV) assoziiert sind. Der Einfluss des EBV als Risikofaktor für Magenkarzinome gilt als gesichert. Der Nachweis von EBV im Magenkarzinomgewebe fällt in bis zu 9 % der Tumorpatienten positiv aus, und die EBV-positiven Tumoren stellen eine eigene Entität dar.
Klinisch sind diese Erkenntnisse im Hinblick auf Entscheidungen zur Therapie und Nachsorge der Patienten derzeit noch von untergeordneter Relevanz. Mit der Erweiterung palliativer Therapieoptionen (s. u.) ist es wahrscheinlich, dass die molekulare Charakterisierung individueller Magenkarzinome zukünftig mehr in die klinische Routine einbezogen wird.

Symptome und Diagnostik

Im Frühstadium hat die Mehrzahl der Patienten keine Symptome; wenn doch, dann sind diese meist unspezifisch und nicht von Beschwerden wie bei einem Magenulcus oder Dyspepsie zu unterscheiden. Anhaltende Alarmsignale wie abdominelle Schmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust oder Leistungsknick sind Zeichen eines fortgeschrittenen Krankheitsstadiums. Das Tumorleiden kann sich auch durch Hämatemesis, Teerstuhl oder eine okkulte gastrointestinale Blutung sowie durch rezidivierendes Erbrechen (Magenausgangsstenose) manifestieren.
In der Primärdiagnostik sollen Patienten mit Alarmsymptomen zu einer frühzeitigen Gastroskopie (ÖGD) mit Entnahme von zahlreichen Biopsien überwiesen werden. Diese sollen aus allen suspekten Läsionen genommen werden, um eine sichere Diagnostik maligner Veränderungen in Ösophagus und Magen zu gewährleisten (Tab. 1).

  • Endosonographie (bei Verdacht auf Infiltration) zur Beurteilung der Tiefeninfiltration und von radiologisch suspekten Lymphknoten
  • CT-Thorax immer zusammen mit CT-Abdomen
  • Laparoskopie (bei V. a. Peritonealkarzinose, zur Beurteilung der Resektabilität bei geplanter neoadjuvanter Therapie)
  • Tumormarker (CA 72-4, CA 19-9, CEA)
  • Evtl. gynäkologische Untersuchung zum Ausschluss eines Krukenberg-Tumors
  • Skelettszintigraphie bei fortgeschrittenen Tumoren oder im Falle von Beschwerden, bzw. bei erhöhter AP oder Knochenschmerzen
  • Magen-Brei-Passage in Doppelkontrasttechnik bei unklarem endoskopischem Befund, z. B. bei submukös oder bei Linitis plastica wachsendem Karzinom
  •  PET/PET-CT liefert keine gesicherte Indikation bei Diagnostik


Tab. 1 Primärdiagnostik des Magenkarzinoms. Nach [1].

Bei Nachweis eines Magenkarzinoms ist die weitere diagnostische Vorgehensweise direkt abhängig vom Tumorstadium (Abb. 3). 

 

Vor allem die Staging-Laparoskopie verbessert die Therapieentscheidungen beim lokal fortgeschrittenen Magenkarzinom und sollte vor Beginn der neoadjuvanten Therapie durchgeführt werden [1].

Histologie

Intraepitheliale Neoplasien (IEN; früher Dysplasien) des Magens und des gastroösophagealen Übergangs werden nach der WHO-Klassifikation in low-grade und high-grade unterschieden. Bei histologischer Diagnose jeder IEN/Dysplasie soll der Prozess einer kompetenten (dokumentierten) pathologischen Zweitmeinung im Sinne eines Vier-Augen-Prinzips durchgeführt werden. Nach negativer Histologie bei makroskopisch tumorverdächtiger Läsion oder V. a. Linitis plastica sollen kurzfristig erneut multiple Biopsien aus dem Rand und dem Zentrum der Läsion oder eine diagnostische endoskopische Resektion durchgeführt werden. In Fällen, in denen trotz eines hochgradigen klinischen und endoskopischen Verdachts auf eine Neoplasie des Magens bzw. des ösophagogastralen Übergangs ausgiebige Biopsien die Sicherung der Diagnose nicht erlauben, kann eine Endosonographie (EUS) zur primären Diagnosesicherung genutzt werden.
Die Stadieneinteilung und die histologische Klassifikation der Karzinome des Magens und des ösophagogastralen Übergangs sollen nach der jeweils aktuellen TNM-Klassifikation der UICC und nach der aktuellen WHO-Klassifikation erfolgen. Die pathologisch-anatomische Begutachtung soll daher vollständig und in standardisierter Form vorgenommen werden. Die Anzahl untersuchter und die Anzahl befallener regionärer Lymphknoten ist anzugeben. Für Patienten mit undifferenzierten Tumoren werden immunhistologische Untersuchungen zur weiteren Spezifizierung empfohlen [1].

Qualitätsindikatoren

Qualitätsindikatoren (QI) sind Maße, deren Ausprägung eine Unterscheidung zwischen guter und schlechter Qualität von Strukturen, Prozessen und/oder Ergebnissen der Versorgung ermöglichen sollen. Die Formulierung spezifischer Qualitätsindikatoren ist ein zentrales Element des Qualitätsmanagements mit dem Ziel, die Versorgungsprozesse kontinuierlich zu verbessern. Ein neuer QI der Leitlinie ist der standardisierte, vollständige Pathologiebericht.
Prognostisch relevante Faktoren des Adenokarzinoms sind die Tumorlokalisation, die lokale Tiefeninfiltration und der lokoregionäre Lymphknotenbefall. Die Resektionsränder sollen hinsichtlich der Tumorfreiheit untersucht und  beschrieben werden (R0, R1, R2). Weiterhin prognostisch relevant sind das Vorhandensein von Fernmetastasen, die Gefäßinvasion und die Tumorzelldissoziation an der Invasionsfront. Die Gefäßinvasion ist ein unabhängiger Prognosefaktor der Kardia-Karzinome und der distalen Magenkarzinome. Auch die Tumorzelldissoziation an der Invasionsfront und die Gefäßinvasion konnten als unabhängige Prognosefaktoren validiert werden [12].

Therapie

Endoskopische Therapie

Der Endoskopiker arbeitet mit dem Ziel, den Tumor als Ganzes zu entfernen ohne residuales Tumorgewebe zurückzulassen. Daher ist immer eine Mukosaresektion mit kurativer Intention und R0-Resektion anzustreben. Die endoskopische Resektion von Magenfrühkarzinomen soll als komplette En-bloc-Resektion erfolgen, die eine vollständige histologische Beurteilung der lateralen und basalen Ränder erlaubt. Oberflächliche Magenkarzinome, die auf die Mukosa begrenzt sind (T1a N0 M0), können unter Berücksichtigung folgender Kriterien mit einer endoskopischen Resektion behandelt werden (basierend auf der japanischen Klassifikation der Magenkarzinome):
• Läsionen von < 2 cm Größe in erhabenen Typen
• Läsionen von < 1 cm Größe in
flachen Typen
• Histologischer Differenzierungsgrad: gut oder mäßig (G1/G2)
• Keine makroskopische Ulzeration
• Invasion begrenzt auf die Mukosa
• Keine verbleibende invasive Erkrankung nach ER
Zur Resektion soll hier die ESD eingesetzt werden. Liegt mehr als ein erweitertes Kriterium vor, soll eine onkologisch-chirurgische Nachresektion erfolgen. Die erweiterten Kriterien sind für die ESD wie folgt definiert: ein differenziertes Mukosakarzinom (G1/2) ohne Ulzeration und Größe > 2 cm  oder ein differenziertes Mukosakarzinom mit Ulzeration und Größe < 3 cm oder gut differenzierte Karzinome mit Submukosa-Invasion < 500 µm und Größe < 3 cm  oder ein undifferenziertes Mukosakarzinom < 2 cm Durchmesser (sofern bioptisch kein Nachweis von Tumorzellen im Abstand ≤ 1 cm besteht).
Bei Nachweis eines positiven horizontalen Resektionsrandes oder im Falle einer Piece-Meal-Resektion ist das Lokalrezidiv-Risiko sehr hoch. Die lokale Rezidivrate nach dieser endoskopischen Resektion liegt bei 10–15 %, während sie bei En-bloc-ESD bei < 1 % liegt. Wird residuales Tumorgewebe nachgewiesen, sollte eine endoskopische Resektion mit kurativer Zielsetzung erfolgen. Lokalrezidive nach endoskopischer Resektion eines Magenfrühkarzinoms können erneut endoskopisch behandelt werden, wenn ein mukosaler Befall (rT1a N0 M0) vorliegt. Eine erneute, kurativ intendierte endoskopische Resektion mit dem Ziel einer R0-Resektion nach initialer En-bloc-Resektion mit lateraler R1-Situation ist gerechtfertigt und in ca. 90 % der Fälle möglich. Alternativ soll ein chirurgisches Vorgehen gewählt werden.
Die klinische Aufarbeitung des endoskopischen Resektats soll nach der aktuellen „Anleitung zur pathologisch-anatomischen Diagnostik des Magenkarzinoms“ des Berufsverbandes Deutscher Pathologen e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Pathologie e. V. erfolgen.
Patienten, die mit endoskopischer Resektion behandelt wurden, sollen eine endoskopische Überwachung erhalten. Im Fall einer makroskopisch kompletten Piece-meal-Resektion soll ein regelmäßiges Follow-up mit multiplen Biopsien erfolgen, um residuales Tumorgewebe frühzeitig zu erkennen. Nach einer Piece-meal-Resektion ohne Indikation für eine chirurgische Nachoperation soll nach 3 Monaten endoskopisch-bioptisch kontrolliert werden. Bei Vorliegen erweiterter Kriterien (s. o.) sollten in der Nachsorge zusätzlich bildgebende Verfahren eingesetzt werden. Patienten mit einer R1-Resektion sollen nachreseziert werden.
Bei nicht endoskopisch behandelten Magenfrühkarzinomen kann eine laparoskopische subtotale distale Resektion oder Gastrektomie erfolgen; sie ist einer offenen Resektion onkologisch gleichwertig. Neue Bewertungen gibt es auch für die Tumoren des ösophagogastralen Übergangs: Hier kann eine transthorakale subtotale Ösophagektomie mit proximaler Magenresektion nach Ivor Lewis durchgeführt werden, alternativ eine transhiatal erweiterte Gastrektomie mit distaler Ösophagusresektion [1].

Chirurgische Therapie

Bei höheren Stadien stellt die chirurgische Resektion die einzige Möglichkeit zur kurativen Behandlung dar und ist die Standardtherapie für alle potentiell resektablen Magenkarzinome. Ziel der kurativen Chirurgie des Magenkarzinoms ist die vollständige Entfernung des Tumors und der regionären Lymphknoten mit histologisch bestätigten tumorfreien proximalen, distalen und zirkumferentiellen Resektionsrändern (R0). Um tumorfreie Resektionsränder bei chirurgischer Resektion zu erzielen, sollte ein proximaler Sicherheitsabstand am Magen von 5 cm (intestinaler Typ nach Laurén) bzw. 8 cm (diffuser Typ nach Laurén) in situ angestrebt werden. Bei Unterschreitung des Sicherheitsabstandes nach oral soll ein Schnellschnitt erfolgen. Das Resektionsausmaß wird bestimmt durch Tumor-lokalisation, TNM-Kategorien und histologischen Typ (intestinal vs. diffus nach Laurén). Es gibt keinen allgemein anerkannten Standard zur Rekonstruktion nach Gastrektomie oder subtotaler distaler Magenresektion. Weltweit wird die ausgeschaltete Roux-Schlinge bevorzugt.
Die Entfernung der regionären Lymphknoten von Kompartiment I und II (D2-Lymphadenektomie) soll bei der operativen Behandlung in kurativer Intention erfolgen. Bei der D2-Lymphaden-ektomie ohne Splenektomie/Pankreaslinksresektion sollten > 25 regionäre Lymphknoten entfernt und histopathologisch untersucht werden. Für die Klassifikation von pN0 sind die Entfernung und die histologische Untersuchung von mindestens 16 regionären Lymphknoten erforderlich. Kliniken mit hoher Fallzahl haben eine geringere perioperative Letalität als solche mit niedriger Fallzahl. Patienten sollte daher die Überweisung an Kliniken mit hoher Fallzahl angeboten werden.

Perioperative Chemotherapie – neue Standards

Patienten mit Tumoren, die aufgrund ihres lokal fortgeschrittenen Wachstums kurativ reseziert werden können, aber dennoch langfristig eine schlechte Pro-gnose haben, profitieren hoch signifikant von einer neoadjuvanten Therapie zum “Downstaging” und zur Zerstörung von Mikrometastasen. Die neoadjuvante Therapie senkt die Rezidivrate und verlängert die Überlebenszeit. Beim nicht-fernmetastasierten Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs der Kategorien T3 und resektablen cT4-Tumoren soll daher eine neoadjuvante Radiochemotherapie oder eine perioperative Chemotherapie durchgeführt werden. Entgegen den Erfahrungen beim Ösophaguskarzinom hat sich beim Magenkarzinom distal des ösophagogastralen Übergangs eine neoadjuvante Radiochemotherapie nicht etabliert und die perioperative Chemotherapie mit dem FLOT-Regime gilt als alleiniger Standard. Bei lokalisierten Adenokarzinomen des Magens oder des ösophagogastralen Übergangs mit Kategorie cT2 kann eine perioperative Chemotherapie durchgeführt werden [1].
Nach Abschluss der präoperativen Therapie soll ein Restaging zur Bewertung des Ansprechens mittels CT und ÖGD durchgeführt werden. Bei Patienten mit Verschlechterung tumorbedingter Symptome oder des Allgemeinzustandes als seltener Hinweis auf Tumorprogress während präoperativer Therapie soll eine vorzeitige Re-Evaluation durch Endoskopie und Bildgebung erfolgen. Im Fall eines lokalen Progresses sollte eine frühzeitige Operation durchgeführt werden. Bei Nachweis eines systemischen Tumorprogresses soll die Entscheidung über die weitere Therapie interdisziplinär erfolgen.
Nach präoperativer Therapie und Operation soll eine histologische Bestimmung des Tumorregressionsgrades nach Becker erfolgen. Über die postoperative Chemotherapie soll interdisziplinär entschieden werden. In diese Entscheidung sollen Regressionsgrad, klinisches Ansprechen, Verträglichkeit der Chemotherapie und Allgemeinzustand des Patienten einfließen. Für Patienten mit R0-Resektion und adäquater D2-Lymph-
adenektomie ohne präoperative Chemotherapie kann bei Vorliegen von Risikofaktoren eine postoperative Radiochemotherapie oder Chemotherapie angeboten werden. Bei einer Lymphadenektomie
< D2 und in begründeten Risikosituationen sollte eine adjuvante Radiochemotherapie bei Patienten, die nicht neoadjuvant behandelt worden sind, nach interdisziplinärer Entscheidung im Tumorboard durchgeführt werden [1].
Nach R1-Resektion eines Adenokarzinoms des Magens oder ösophagogastralen Übergangs soll die Möglichkeit einer kurativen Nachresektion geprüft werden. Falls nicht möglich, kann eine postoperative Radiochemotherapie nach Konsens in der interdisziplinären Tumorkonferenz erfolgen. Nach makroskopisch inkompletter Resektion (R2) ohne Nachweis von Fernmetastasen soll zunächst die Möglichkeit einer kurativen Nachresektion geprüft werden. Falls nicht durchführbar, kann auch hier eine postoperative Radiochemotherapie nach Konsens durchgeführt werden.

Medikamentöse Tumortherapie

Seit den 1990er-Jahren ist die palliative Chemotherapie gegenüber rein supportiven Maßnahmen sehr gut etabliert. Die Studien zeigten einen klaren Überlebensvorteil und eine länger erhaltene Lebensqualität für chemotherapierte Patienten gegenüber alleiniger supportiver Therapie. Patienten in gutem und leicht reduziertem Allgemeinzustand (ECOG 0–1) soll daher eine systemische Chemotherapie angeboten werden. Therapieziel ist die Verlängerung des Überlebens und der Erhalt der Lebensqualität. Ein erhöhtes Alter stellt keine Kontraindikation dar. Unter laufender palliativer Chemotherapie sollte alle 6–12 Wochen eine klinische Re-Evaluation und geeignete Bildgebung erfolgen, um negative Entwicklungen der Erkrankung rechtzeitig zu erkennen und Patienten nicht unnötig lange unwirksamen Therapien auszusetzen bzw. um die Chance auf wirksamere Therapien zu ermöglichen. Das allgemeine Befinden des Patienten, Tumorsym-ptome und vitale Körperfunktionen sollen auch regelmäßig geprüft werden.
In der Palliativsituation sollte in der Erstlinie eine Platin-/Fluoropyrimidin-haltige Kombinationstherapie gegeben werden. Bei der Therapieentscheidung zwischen Oxaliplatin und Cisplatin sollen aufgrund vergleichbarer Wirksamkeit und unterschiedlicher Nebenwirkungen die Begleiterkrankungen des jeweiligen Patienten berücksichtigt werden [1]. Bei Vorliegen von Kontraindikationen gegen Platin kann alternativ eine Irinotecan-/Fluoropyrimidin-haltige Kombinationstherapie durchgeführt werden. Eine Docetaxel-haltige Dreifachkombination kann unter Berücksichtigung von Alter, Allgemeinzustand und Komorbidität erwogen werden. Wenn eine Taxan-basierte Dreifachkombination geplant ist, soll ein modifiziertes DCF-Schema
(z. B. FLOT) eingesetzt werden.

Karzinome mit HER-2-Überexpression/-Amplifikation

Bei metastasierten HER2-überexprimierenden Tumoren soll eine Cisplatin-/Fluoropyrimidin-basierte Erstlinienchemotherapie um Trastuzumab ergänzt werden. Die Antikörper Cetuximab, Panitumumab und Bevacizumab sollten gegenwärtig außerhalb klinischer Studien nicht eingesetzt werden [1].

Oligometastasierte Situation

Patienten mit synchron limitierten Metastasen oder limitierter Peritonealkarzinose sollte die Überweisung in eine Klinik mit hoher Fallzahl angeboten werden. In der Palliativsituation sollte bei asymptomatischen, nicht-blutenden Patienten eine Resektion des Primär-
tumors nicht durchgeführt werden. Auch eine Resektion von Primärtumor und Metastasen sollte außerhalb von Studien nicht erfolgen [1].
Im Einzelfall können erst intraoperativ entdeckte, limitierte Metastasen, falls R0-resektabel, reseziert werden. Gemäß der deutschen perioperativen AIO- FLOT-3-Studie hatten Patienten mit gutem Ansprechen auf 6–8 Zyklen intensiver Chemotherapie (wie FLOT) nach Resektion der Restmetastasen ein deutlich besseres 5-Jahres-Überleben. Daher testet aktuell die randomisierte AIO-„Renaissance“–Studie, ob auch prospektiv die Operation nach Induktionschemotherapie einer Fortführung der palliativen Chemotherapie überlegen ist.

Immuntherapie

Der Stellenwert einer Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren ist bei unselektierten Patienten unklar.
Bei Patienten mit nachgewiesener Mikrosatelliten-Instabilität kann nach Ausschöpfung zugelassener Therapien eine Checkpoint-Inhibition erwogen
werden [1].

Neue Drittlinientherapie

Seit Anfang September 2019 ist das orale Zytostatikum Trifluridin/Tipiracil (TAS-102) als Monotherapie für metastasierte Magen- und ösophagogastrale Übergangskarzinome zugelassen, sofern Patienten bereits mindestens zwei systemische Therapielinien erhalten hatten. Dieses Medikament ist bisher noch nicht in der Leitlinie erwähnt.
Die Zulassung basiert auf der internationalen Phase-III-Studie TAGS. 507 Patienten in gutem Allgemeinzustand und nach mindestens zwei Vortherapien wurden mit TAS-102 oder Placebo 2 : 1 randomisiert. Hier zeigte das Medikament bei guter Verträglichkeit eine Verbesserung des Überlebens um 2,1 Monate (5,7 versus 3,6 Monate), was in der Studie einem verminderten Sterblichkeitsrisiko um 31 % entsprach [13].

Nachsorge

Es sollte lebenslang eine regelmäßige parenterale Vitamin-B12-Substitution durchgeführt werden. Die Nachsorgeuntersuchungen sollten an Erkrankungsstadium, persönliche Lebenssituation und Bedürfnisse der Patienten angepasst werden. Die Nachsorge nach endoskopischer (R0)-Resektion sollte nach 3–6 Monaten
erfolgen, danach jährlich bis zum 5. Jahr. Zur Nachsorge gehört ebenfalls  eine endo-skopisch-bioptische Kontrolle.

Summary

Adenocarcinomas of the stomach and the gastro-oesophageal junction: diagnosis and therapy

In August 2019, the revised version of the S3 guideline "Diagnosis and treatment of adenocarcinomas of the stomach and the gastro-oesophageal junction" was published. In comparison to the old S3 guideline, improvements have been made with regards to testing for microsatellite instability (MSI), hereditary colorectal carcinoma without polyposis (HNPCC, Lynch syndrome) and E-cadherin as parameters of a possible hereditary cause of the tumor – as adjunct to careful histopathological assessment. The clarification of pathological regression, endoscopic diagnosis and therapy as well as surgery and chemotherapy are clearly emphasized. Therapeutically, early carcinomas can now be resected endoscopically in many cases using EMR (endoscopic mucosal resection) and ESD (endoscopic submucosal dissection). The “FLOT”
regimen has been established as perioperative chemotherapy. Ramucirumab with paclitaxel and triflurifin/tipiracil (TAS-102) are approved as palliative second and third line therapy. It is planned to review and update the content of the guideline annually as part of a 'living guideline' based on current study data and on the feedback from the experts involved and from users of the guidelines.
Keywords: adenocarcinoma, gastric, esophagogastral junction, guideline

Autoren
Prof. Dr. med. Markus Möhler
Universitätsmedizin Mainz
I. Medizinische Klinik und Poliklinik
PD Dr. med. Jan Bornschein
Translational Gastroenterology Unit
John Radcliffe Hospital Oxford
University Hospitals Oxford
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