Multiples Myelom: Neues zur Frühtherapie des "Smouldering Myeloma"
ASCO/EHA 2019
Die Therapie des Multiplen Myeloms ist in ständigem Fluss: Von Proteasom-Inhibitoren und Immunmodulatoren existieren mittlerweile bereits mehrere Generationen von Substanzen, und auch bei der Entwicklung von Antikörper-Therapien ist kein Stillstand zu beobachten. Die Kombinationsmöglichkeiten, die in klinischen Studien getestet werden, sind vielfältig, und für besonders schwere, therapieresistente Fälle kommen fortgeschrittene Immuntherapien wie BiTE-Antikörper und CAR-T-Zellen in Betracht. Besonders interessant: In das Management des „Smouldering Myeloma“, der asymptomatischen Vorstufe des Multiplen Myeloms, ist ebenfalls Bewegung gekommen. Wir bringen zu all diesen Themen eine Auswahl von Beiträgen von den Jahrestagungen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago und der European Hematology Association (EHA) in Amsterdam.
„Smouldering Myeloma“
Profitieren Hochrisiko-Patienten von der frühen Therapie?
Im Jahr 2014 wurden die diagnostischen Kriterien für das Multiple Myelom revidiert [1]. Damit einher ging die Reklassifizierung eines „Smouldering Myeloma“ mit ultrahohem Progressionsrisiko (≥ 60% Plasmazellen im Knochenmark, ≥ 1 in der Kernspintomographie sichtbaren Läsion und ein freies Leitketten-Verhältnis von > 100%) als aktives Myelom. Diese Subgruppe hat ein Risiko von mindestens 80% für eine Progression nach zwei Jahren und erhält daher definitiv bereits eine aktive Myelom-Therapie. Die Ausgliederung dieser Patienten erforderte eine Revision der Klassifizierung des „Smouldering Myeloma“ als Ganzes, weil es Hinweise gibt, dass auch hierin noch Patienten mit erhöhtem Progressionsrisiko enthalten sind, die hinsichtlich ihrer langfristigen Prognose signifikant von einer aktiven Therapie profitieren. Neue Ergebnisse dazu wurden beim ASCO-Kongress in Chicago vorgestellt.
Die International Myeloma Working Group (IMWG) sammelte in einer großen retrospektiven Studie in Europa und Nordamerika Daten von Patienten, bei denen seit dem 1. Januar 2004 ein „Smouldering Myeloma“ diagnostiziert worden war. Sie mussten mindestens in den sechs Monaten nach dieser Diagnose progressionsfrei gewesen und für mindestens ein Jahr nachbeobachtet worden sein und durften zudem an keiner Myelom-Therapiestudie teilgenommen haben. In einer multivariaten Regressionsanalyse der 2004 eingeschlossenen Patienten fanden sich drei Faktoren, die signifikant mit dem Risiko für eine Progression zum manifesten Multiplen Myelom korrelierten, so Maria-Victoria Mateos, Salamanca [2]: eine Serumkonzentration des M-Proteins von > 2 g/dl, ein Verhältnis der freien Leichtketten (FLC Ratio) von > 20 und ein Anteil von > 20% an Plasmazellen im Knochenmark. Jeder dieser drei Faktoren verdoppelte das Progressionsrisiko ungefähr, aber aus ihrer Kombination ließ sich ein Risikoscore konstruieren, der die Patienten sehr effektiv in drei Gruppen unterteilte:
In einer Niedrigrisiko-Gruppe (0 Faktoren) lag das Progressionsrisiko nach zwei Jahren bei lediglich 5%, bei Patienten mit intermediärem Risiko (1 Risikofaktor) war es mit 17% mehr als verdreifacht, und in der Hochrisiko-Gruppe (≥ 2 Faktoren) lag das 2-Jahres-Risiko bei 46%. Besonders interessant wurde es, wenn man in das Modell noch eine molekulargenetische FISH-Analyse von Hochrisiko-Varianten integrierte (t(4;14), t(14;16), 1q+ oder Deletion 13q) und für die einzelnen Variablen eine feinere Klassifizierung wählte: Damit ergaben sich vier Risikogruppen, die sich klar in ihrer Prognose unterschieden, nämlich eine Niedrigrisiko-Gruppe (0–4 Punkte) mit einem 2-Jahres-Progressionsrisiko von 3,7%, eine Gruppe mit niedrig-intermediärem Risiko (5–8 Punkte; 25,4%), eine mit hoch-intermediärem Risiko (9–12 Punkte; 48,9%) sowie eine Hochrisikogruppe (> 12 Punkte; 72,6%).
Mit diesem Risikoscore, so Mateos, kann man nun in prospektiven Studien die Frage klären, ob Patienten mit „Smouldering Myeloma“ und hohem Progressionsrisiko eine frühe Therapie erhalten sollten. In der randomisierten spanischen QuiRedex-Studie war bereits ein Vorteil bezüglich des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens gezeigt worden [3]. In Chicago nun präsentierte Sagar Lonial, Atlanta, eine Phase-II/III-Interventionsstudie der Eastern Cooperative Oncology Group (ECOG-ACRIN), in der Patienten mit „Smouldering Myeloma“ und hohem Risiko nach dem Mayo-Risikomodell von 2018 auf Lenalidomid (25 mg/d jeweils 21 Tage, gefolgt von einer Woche Pause) oder Placebo randomisiert wurden [4].
Die Ansprechrate lag nach median 35 Monaten Follow-up unter Lenalidomid bei 48,9%, unter Placebo bei 0%. Die progressionsfreien Überlebensraten für diese beiden Arme betrugen nach einem Jahr 98% versus 89%, nach zwei Jahren 93% versus 76% und nach drei Jahren 91% versus 66% (Abb. 1a). Das entspricht einer Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um 72% (HR 0,28; p = 0,0005). Die Risikoreduktion war vergleichbar für alle untersuchten Subgruppen, ausgenommen die Intermediär- und Niedrigrisiko-Gruppen entsprechend der Mayo-Risikoklassifikation (Abb. 1b). Bei der Lebensqualität zeigte sich kein nennenswerter Unterschied zwischen beiden Armen.


Die Autoren halten diese Ergebnisse für ausreichend, um bei Hochrisiko-Patienten mit „Smouldering Myeloma“ eine frühe Intervention zu rechtfertigen. Die ECOG führt gegenwärtig sogar bereits eine weitere Phase-III-Studie durch, in der bei Hochrisiko-„Smouldering Myeloma“ Kombinationstherapien aus Lenalidomid und Dexamethason mit oder ohne Daratumumab (Rd vs. DRd) randomisiert verglichen werden; letzteres Protokoll ist mittlerweile ein Standard beim symptomatischen Multiplen Myelom.
Heilung vom „Smouldering-Myeloma“ durch Transplantation?
Ermutigend ist auch eine weitere Phase-II-Studie der spanischen Myelom-Studiengruppe, deren erste Ergebnisse Frau Mateos präsentieren konnte [5]: Ziel der GEM-CESAR-Studie war eine definitive Heilung transplantationsfähiger Patienten mit Hochrisiko-„Smouldering Myeloma“, wobei ein hohes Risiko für eine Progression zum Multiplen Myelom definiert war, entweder nach den Mayo-Kriterien (≥ 10% Plasmazellen, ≥ 3 g/dl M-Protein) oder nach den spanischen Kriterien (einer der beiden genannten Faktoren plus > 95% aberrante Plasmazellen im Knochenmark und eine Immunparese). Die Therapie bestand aus einer Induktion mit sechs Zyklen aus Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason (KRd), gefolgt von einer Hochdosistherapie mit Melphalan und einer autologen Stammzelltransplantation, zwei Zyklen KRd zur Konsolidierung und einer Lenalidomid-Erhaltung für zwei Jahre. Primärer Endpunkt war die Rate an Patienten, die nach Induktion und Transplantation negativ für minimale Resterkrankung (MRD) waren; der Zielwert war mindestens 50%.
Eingeschlossen wurden 90 Patienten, von denen 71 zum Zeitpunkt der Auswertung bereits die Erhaltungstherapie bekamen. Nach 30 Monaten sind 98% der Patienten noch am Leben, davon 93% progressionsfrei. Die Rate an MRD-negativen Patienten lag nach der Induktionstherapie bei 30%, stieg nach der Stammzelltransplantation auf 52% und nach der Konsolidierung weiter auf 57% an. In einer Per-Protokoll-Analyse der 83 Patienten, die diese drei Therapiephasen beendet hatten, waren es 31%, 56% bzw. 63%. Von 40 Patienten, die bereits ein Jahr Erhaltungstherapie vollendet haben, waren am Ende sogar 68% MRD-negativ. Der primäre Endpunkt wurde damit erreicht, so Frau Mateos, und das bei insgesamt guter Verträglichkeit: Mehr als die Hälfte der Patienten war nach Abschluss der Induktions- und Transplantationstherapie MRD-negativ und hat damit gute Aussichten, nicht an einem symptomatischen Myelom zu erkranken.
Erstlinientherapie transplantationsfähiger Patienten
Hohe Wirksamkeit für transplantationsfreie Strategie
Patienten mit neu diagnostiziertem, manifestem Multiplem Myelom werden weiterhin in der Regel mit Hochdosistherapie und autologer Stammzelltransplantation behandelt, wenn sie dieses Vorgehen tolerieren können. Trotz der Entwicklung immer effektiverer Substanzen ist es bislang nicht gelungen, die Transplantation durch weniger invasive Therapien zu ersetzen. Die randomisierte italienischen FORTE-Studie macht nun Hoffnung, dass man mit zwölf Zyklen KRd (KRd12) bei einem Teil der Patienten auf die Transplantation verzichten könnte.
In der Studie mit insgesamt 474 Patienten wurden zum einen zwei transplantationsbasierte Therapiestrategien randomisiert miteinander verglichen: vier Induktionszyklen mit KRd, gefolgt von der Hochdosistherapie mit Stammzelltransplantation und anschließend vier weiteren Zyklen KRd zur Konsolidierung auf der einen Seite (KRd-ASCT-KRd) und ein ähnliches Schema, in dem statt Lenalidomid Cyclophosphamid gegeben wurde (KCd-ASCT-KCd). Dabei hatte sich die Lenalidomid-basierte Therapie als erheblich wirksamer erwiesen, wie bereits beim ASH-Kongress 2018 gezeigt worden war [6].
In einem dritten Studienarm hatten die Patienten zwölf Zyklen KRd ohne Transplantation erhalten. Wie Francesca Gay, Turin, in Chicago und in Amsterdam berichtete [7, 8], waren nach median 25 Monaten Nachbeobachtung die beiden Lenalidomid-haltigen Therapieprotokolle (mit bzw. ohne Transplantation) gleich erfolgreich, was die Ansprechraten (sehr gute partielle Remissionen, Komplettremissionen, stringente Komplettremissionen) betraf (Tab. 1). Das galt auch für MRD-Negativität, bestimmt mithilfe von Zweitgenerations-Durchflusszytometrie und einer Empfindlichkeit von 10-5; die Raten an qualitativ hochwertigen Remissionen waren unabhängig vom Risiko-Score im revidierten International Scoring System (R-ISS: Stadium I versus II/III). Auch in den höheren Risikokategorien erreichte etwa jeder zweite Patient MRD-Negativität.
Gesamtpopulation | Subgruppenanalyse | |||||
R-ISS I | R-ISS II/III | |||||
KRd-ASCT-KRd (n = 158) | KRd12 (n = 157) | KRd-ASCT-KRd (n = 48) | KRd12 (n = 39) | KRd-ASCT-KRd (n = 92) | KRd12 (n = 94) | |
sCR | 44% | 43% | 46% | 49% | 39% | 38% |
≥ CR | 60% | 61% | 60% | 64% | 56% | 57% |
≥ VGPR | 89% | 87% | 92% | 79% | 86% | 86% |
MRD-negativ | 58% | 54% | 69% | 62% | 51% | 47% |
sCR: stringente Komplettremission; VGPR: sehr gute partielle Remission |
Tab. 1 Ansprechraten unter KRd-Therapie mit und ohne Transplantation. Nach [7, 8].
Allerdings sprechen Hochrisiko-Patienten mit Multiplem Myelom zwar manchmal sehr schnell und gut auf Therapien an, können dann aber ein frühes Rezidiv zeigen – weshalb auch die Rezidivraten analysiert wurden: Tatsächlich, so Gay, war das Risiko für ein frühes Rezidiv im Transplantationsarm nur etwa halb so hoch wie im KRd12-Arm (8% v. 17%; p = 0,015). Daran waren vor allem die Hochrisiko-Gruppen beteiligt: Während es im R-ISS-Stadium I keinen Unterschied gab (kein Rezidiv im KRd-ASCT-KRd-Arm vs. zwei Fälle im KRd12-Arm), war der Unterschied in den Stadien II/III deutlich ausgeprägt: 11 Fälle (12%) versus 22 Fälle (23%; p = 0,05).
Auch in einer multivariaten Analyse beeinflusste die Transplantationsstrategie mit KRd als Induktions- und Konsolidierungstherapie die Prognose günstig (Odds Ratio 0,42; p = 0,021); bei Vorliegen eines R-ISS-Stadiums II oder III war das Rezidivrisiko im Vergleich zum Stadium I signifikant erhöht (OR 3,6; p = 0,001 bzw. OR 4,85; p = 0,003).
Die Raten für das Ansprechen – gleich welcher Tiefe – sind also vergleichbar zwischen einer konventionellen und einer transplantationsbasierten Therapie mit KRd, aber bei den Patienten mit mittlerem oder hohem R-ISS-Risiko kann die Hochdosistherapie mit Transplantation das Rezidivrisiko immer noch erheblich reduzieren. Zur Beurteilung von progressionsfreiem und Gesamtüberleben, so Frau Gay, bedarf es noch längerer Beobachtungszeiten.
Daratumumab auch bei transplantablen Patienten wirksam
Daratumumab, ein monoklonaler humaner CD38-Antikörper, ist inzwischen fest im therapeutischen Repertoire für diejenigen Patienten mit Multiplem Myelom verankert, die sich nicht für eine autologe Stammzelltransplantation eignen: Zu gängigen Kombinationsregimes gegeben, konnte er in großen Phase-III-Studien das Ansprechen verbessern und vertiefen, und das progressionsfreie Überleben verlängern. Transplantationsfähige Patienten erhalten in vielen europäischen Ländern die Kombination aus Bortezomib, Thalidomid und Dexamethason (VTd), und dieser Standard wurde in der internationalen Phase-III-CASSIOPEIA-Studie mit 1.085 Patienten mit Daratumumab kombiniert (D-VTd) und randomisiert gegen VTd getestet.
Diese Randomisierung in der Induktions- (vier Zyklen D-VTd versus VTd vor der Stammzelltransplantation) und Konsolidierungstherapie (zwei Zyklen danach) war Gegenstand von Teil 1 der Studie; die Ergebnisse präsentierte Philippe Moreau, Nantes, beim ASCO- und beim EHA-Kongress [9, 10]. In Teil 2, der noch läuft, erfolgte eine weitere Randomisierung bezüglich einer Erhaltungstherapie (Daratumumab versus Placebo).
Primärer Endpunkt von Teil 1 war die Rate an stringenten Komplettremissionen (sCR) nach der Konsolidierung, genauer am Tag 100 nach der Stammzelltransplantation. Diese Rate war im D-VTd-Arm signifikant höher (28,9% vs. 20,3%; Odds Ratio 1,60; p = 0,0010). Das Gleiche galt für weitere Endpunkte: Mindestens eine Komplettremission erzielten 38,9% versus 26,0% der Patienten (OR 1,82; p < 0,0001), mindestens eine sehr gute partielle Remission 83,4% versus 78,0% (OR1,41; p = 0,0239), und MRD-negativ (bei einem Niveau von 10-5) waren 63,7% versus 43,5% der Patienten (OR 2,27 (p < 0,0001). Die Chance, mindestens eine Komplettremission bei gleichzeitiger MRD-Negativität zu erreichen, wurde durch Daratumumab etwa verdoppelt (33,7% vs. 19,9%; OR 2,06; p < 0,0001).
Bei einem medianen Follow-up von 18,8 Monaten, so Moreau, war außerdem das progressionsfreie Überleben im Daratumumab-Arm erheblich verlängert und das Risiko für Progression oder Tod halbiert (Hazard Ratio 0,47; p < 0,0001; Abb. 2). Der Medianwert war in beiden Armen noch nicht erreicht, die progressionsfreien Überlebensraten nach 18 Monaten betrugen 92,7% versus 84,6%. Bezüglich des Gesamtüberlebens sind die Daten noch unreif, aber es ist bereits ein deutliches Signal erkennbar mit nur 14 Todesfällen im Daratumumab- gegenüber 32 im Kontrollarm (HR 0,43; 95%-Konfidenzintervall 0,23–0,80).
An Grad-3/4-Nebenwirkungen traten Neutropenien und Lymphopenien im Daratumumab-Arm etwa doppelt so häufig auf wie im Kontrollarm (27,6% vs. 14,7% bzw. 17,0% vs. 9,7%), und auch Thrombozytopenien waren etwas häufiger (11,0% vs. 7,4%); Infusionsreaktionen wurden bei gut einem Drittel der Patienten nach der Gabe von Daratumumab beobachtet.
Damit, so Moreau, ist CASSIOPEIA die erste große Phase-III-Studie, in der gezeigt werden konnte, dass der CD38-Antikörper auch in der Transplantationssituation Ansprechen und progressionsfreies Überleben verbessert, wenn man ihn zusätzlich zu einer der bisherigen Standardtherapien gibt. Ob eine Erhaltungstherapie mit Daratumumab diesen Vorteil noch vertiefen kann, wird sich zeigen, wenn die Daten der zweiten Randomisierung zur Auswertung bereit sind.

Neue Substanzen auch bei älteren transplantierten Patienten
Es gibt kaum prospektiv erhobene Daten zur Behandlung älterer Patienten (bis zu 70 Jahre) mit Hochdosistherapie, autologer Stammzelltransplantation und neuen Substanzen. Das Verhalten älterer Patienten in einer solchen Therapiesituation war daher Gegenstand einer Subgruppenanalyse unserer Phase-III-Studie GMMG-MM5, die Elias Mai, Heidelberg, beim EHA-Kongress vorstellte [11]: In der Studie waren 601 Patienten im Alter von bis zu 70 Jahren auf eine Induktion mit Bortezomib, Doxorubicin und Dexamethason (Pad) oder Bortezomib, Cyclophosphamid und Dexamethason (VCD) randomisiert, anschließend transplantiert und mit einer Lenalidomid-Therapie konsolidiert worden, und hatten darüber hinaus Lenalidomid als Erhaltungstherapie bis zum Erreichen einer Komplettremission, aber für höchstens zwei Jahre erhalten.
Für die Subgruppenanalyse wurden die Patienten in drei Altersstrata unterteilt (≤ 60, 61–65, 66–70 Jahre). Die Ergebnisse bezüglich Sicherheit, Durchführbarkeit und Erfolg der Therapie – insbesondere im Hinblick auf die Anwendung von Lenalidomid – unterschieden sich, wie Tab. 2 zeigt, nicht wesentlich zwischen den drei Altersgruppen: Die einzigen signifikanten Unterschiede betrafen eine Einschränkung der Nierenfunktion, einen höheren Anteil an Patienten in der ISS-Risikogruppe III (nicht aber bezüglich des R-ISS) und etwas häufigere Nebenwirkungen bei den über 60-Jährigen gegenüber den Jüngeren.
Die Hochdosistherapie ebenso wie die Lenalidomid-Erhaltungstherapie können also bei Patienten in einem Alter von bis zu 70 Jahren sicher angewendet werden, sofern keine medizinischen Gründe dagegen sprechen. Die zeitabhängigen Überlebensparameter fallen nicht schlechter aus als bei jüngeren Patienten.
≤ 60 Jahre (S1, n = 353) | 61–65 Jahre (S2, n = 107) | 66–70 Jahre (S3, n = 141) | p-Wert S2/3 vs. S1 | |
Niereninsuffizienz | 12,50% | 15,90% | 15,60% | p = 0,54 |
GFRBaseline | 103,9 ml/min | 81,9 ml/min | 75 ml/min | p < 0,001 |
ISS-Score III | 24,40% | 31,80% | 31,90% | p = 0,04 |
R-ISS-Score III | 13,20% | 16,00% | 11,40% | p = 0,15 |
Vorzeitiger Studienabbruch | 14,1 Monate | 18,0 Monate | 13,6 Monate | p = 0,79 |
Erste HD-Therapie(ASCT | 85,30% | 89,70% | 87,20% | p = 0,52 |
≥ VGPR nach Lenalidomid-Konsolidierung | 75,80% | 84,70% | 79,80% | p = 0,20 |
Start einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie | 61,80% | 61,70% | 56,00% | p = 0,49 |
≥ 12 Monate Lenalidomid-Erhaltung | 64,70% | 66,70% | 59,50% | p = 0,61 |
≥ 1 unerwünschte Nebenwirkung | 81,70% | 90,70% | 87,90% | p = 0,04 |
Zeitabhängige Überlebensparameter | ||||
Progressionsfreies Überleben | Hazard Ratio | p-Wert | ||
S2/3 vs. S1 | p 0 0,73 | |||
S2 vs. S1 | 1,11 | p = 0,43 | ||
S3 vs. S1 | 1,01 | p = 0,94 | ||
Gesamtüberleben | ||||
S2/3 vs. S1 | p = 0,54 | |||
S2 vs. S1 | 1,22 | p = 0,32 | ||
S3 vs. S1 | 1,15 | p = 0,45 | ||
Nicht rezidivbedingte Mortalität | ||||
S2/3 vs. S1 | p = 0,25 | |||
Zeit bis zur Progression | ||||
S2/3 vs. S1 | p = 0,83 |
Tab. 2 GMMG-MM5: Vergleich der Altersgruppen < 60, 61–65 und 66–70 Jahre. GFR: Glomeruläre Filtrationsrate. Nach [11].
Rezidiviertes/refraktäres Myelom
Zweiter CD38-Antikörper auf der Zielgeraden
Daratumumab ist mittlerweile in allen Therapielinien beim Multiplen Myelom zugelassen, aber mit Isatuximab befindet sich derzeit ein zweiter CD38-Antikörper in der klinischen Entwicklung: Beim ASCO- sowie beim EHA-Kongress gab es erste Daten der randomisierten Studie ICARIA-MM, in der Isatuximab mit Pomalidomid und Dexamethason kombiniert und bei Patienten mit refraktärem Myelom mit Pomalidomid/Dexamethason alleine verglichen wurde [12, 13].
Die 307 Patienten hatten zuvor mindestens zwei Myelom-Therapien erhalten – einschließlich Lenalidomid und einem Proteasominhibitor – und waren gegen die letzte Therapie refraktär gewesen. Sie erhielten alle Pomalidomid und Dexamethason (Pd) in den zugelassenen Dosierungen (4 mg/d Pomalidomid an 21 von 28 Tagen, 40 mg Dexamethason pro Woche, bei über 75-Jährigen 20 mg), eine Standardtherapie in der Lenalidomid-refraktären Situation. Die Hälfte von ihnen erhielt außerdem randomisiert Isatuximab i. v. (IsaPd: Isatuximab 10 mg/kg viermal im Wochenabstand, danach alle zwei Wochen). Die Patienten hatten im Median drei Vortherapien hinter sich, etwa ein Drittel hatte eine eingeschränkte Nierenfunktion, 92,5% waren refraktär gegenüber Lenalidomid, und etwa jeder fünfte wies eine zytogenetische Hochrisiko-Konstellation auf.
Nach median 11,6 Monaten Follow-up, so Paul Richardson, Boston, war die progressionsfreie Überlebenszeit von median 6,5 Monaten unter Pomalidomid-Dexamethason durch die Zugabe von Isatuximab auf 11,5 Monate beinahe verdoppelt worden (Hazard Ratio 0,596; p = 0,001). Das war in allen untersuchten Subgruppen erkennbar, und auch bei der Zeit bis zur nächsten Myelom-Therapie war der Verumarm deutlich überlegen (Abb. 3): Unter Isatuximab-PD ist der Medianwert noch nicht erreicht, unter Pd lag er bei 9,1 Monaten (HR 0,538; 95%-KI 0,382–0,758). Der Isatuximab-Arm schnitt außerdem beim Gesamtansprechen (60,4% vs. 35,3%; p < 0,0001), bei den Raten für sehr gute partielle Remissionen (31,8% vs. 8,5%) sowie bei denen für MRD-Negativität (5,2% vs. 0%) signifikant besser ab. Die Daten zum Gesamtüberleben waren zum Zeitpunkt dieser Analyse mit insgesamt 99 Ereignissen noch unreif, dennoch war bereits ein deutliches, wenn auch noch nicht signifikantes Signal für eine Überlegenheit der Antikörper-Kombination zu erkennen (HR 0,687; 95%-Konfidenzintervall 0,461–1,023). Die bessere Wirksamkeit von IsaPd spiegelt sich auch in der Behandlungsdauer, die in diesem Arm mit median 41 Wochen deutlich über der im Kontrollarm mit 24 Wochen lag.

Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 waren unter der Isatuximab-Kombination etwas häufiger (86,8% vs. 70,5%), ebenso Neutropenien (84,9% vs. 70,1%, davon 11,8% bzw. 2,0% febril) sowie Infektionen vom Grad 3/4 (42,8% vs. 30,2%). Das spiegelte sich aber nicht in den nebenwirkungsbedingten Therapieabbrüchen, die im Verumarm seltener auftraten (7,2% vs. 12,8%) oder in der Anzahl der Todesfälle (7,9% vs. 9,4%).
Mit deutlich verbessertem Ansprechen und progressionsfreiem Überleben bei gut handhabbarem Sicherheitsprofil stellt sich die Kombination aus Isatuximab, Pomalidomid und Dexamethason als eine attraktive neue Therapieoption beim rezidivierten/refraktären Multiplen Myelom dar, so Richardson.
Weiterer Standard für Rezidivsituation
Eine weitere Kombination auf der Basis des Pd-Regimes nutzt den Anti-SLAMF7-Antikörper Elotuzumab, der neben der Markierung von Myelomzellen für das Immunsystem auch immunstimulierend wird und in diesem Kontext eine synergistische Wirkung mit Immunmodulatoren wie Pomalidomid ausübt. In der randomisierten Phase-II-Studie ELOQUENT-3 mit 117 Patienten mit rezidiviertem/refraktärem Myelom (vorher mit Lenalidomid und einem Proteasominhibitor behandelt) war Elotuzumab mit Pd kombiniert und gegen das alleinige Pd-Protokoll geprüft worden. Die ersten vorläufigen Überlebensdaten sind bereits publiziert [14]; wie Meletios Dimopoulos, Athen, nun in Amsterdam berichtete, streben die Kurven für das Gesamtüberleben weiter auseinander [15]: Der Medianwert ist im Epd-Arm noch nicht erreicht, im Pd-Arm liegt er bei 17,4 Monaten (HR 0,54; 95%-KI 0,30–0,96; Abb. 4). Die Überlebensraten liegen nach einem Jahr bei 79% versus 68% und nach 18 Monaten bei 68% versus 49%. Ähnlich überlegen war die Antikörpertherapie beim progressionsfreien Überleben (nach 12 Monaten 43% vs. 20%, nach 18 Monaten 34% vs. 11%). Die Kombination aus Elotuzumab und PD eignet sich also gut für Patienten, bei denen ein Proteasominhibitor und Lenalidomid versagt haben, so Dimopoulos, und kann in dieser Situation als ein Therapiestandard angesehen werden.

Bcl2-Inhibition: beim Myelom gemischte Resultate
Der Bcl2-Inhibitor Venetoclax hat sich in den letzten Jahren vor allem in der Therapie der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) etabliert, wird aber auch bei einer ganzen Reihe von weiteren hämatologischen Neoplasien untersucht. Darunter ist auch das Multiple Myelom, weil Venetoclax in den Myelomzellen eine Apoptose verursacht und sich außerdem ein Synergismus mit Bortezomib und Dexamethason gezeigt hat. Es wurde deshalb in der Phase-III-Studie BELLINI in einer Dosierung von 800 mg/d (bei der CLL werden nur 400 mg/d gegeben) mit Bortezomib und Dexamethason kombiniert, und diese Dreierkombination wurde in einer 2 : 1-Randomisierung mit der Doublette Bortezomib/Dexamethason verglichen. Wie Shaji Kumar, Rochester, in Amsterdam berichtete [16], schnitt das Triplett beim primären Endpunkt progressionsfreies Überleben sehr gut ab: Die mediane Dauer konnte so von 11,5 auf 22,4 Monate beinahe verdoppelt werden (HR 0,630; p = 0,01). Ebenso verbessert wurden die Gesamtansprechrate (82% vs. 68%; p < 0,01), die Rate an sehr guten partiellen Remissionen (59% vs. 36%; p < 0,01) und an MRD-negativen Patienten (auf dem 10-5-Niveau: 13% vs. 1%).
Weniger gut fiel das Bild hingegen beim Gesamtüberleben aus: In der Gesamtpopulation war das Mortalitätsrisiko im Venetoclax-Arm verdoppelt (HR 2,027; 95%-KI 1,042–3,945). Die meisten behandlungsbedingten Todesfälle traten früh während der Therapie auf, meist im Zusammenhang mit Infektionen bzw. mit einer Krankheitsprogression. Auch beim progressionsfreien Überleben schälten sich in der Subgruppenanalyse einige Gruppen heraus, die hier schlechter abschnitten: Patienten mit ISS-Score III, Hochrisiko-Zytogenetik und mit einer niedrigen Bcl2-Expression. Umgekehrt scheinen Patienten mit Translokation t(11;14) konsistent einen klinischen Nutzen aus der Dreiertherapie zu ziehen: Hier war auch beim Überleben kein Nachteil zu erkennen – bei allerdings nur sehr wenigen Ereignissen.
Im Augenblick, so Kumar, ist die Rekrutierung von Patienten in allen Myelom-Studien mit Venetoclax gestoppt. Als nächste Schritte sollen zum einen die Patienten mit t(11;14) näher untersucht und zum anderen soll ein zusätzliches Risikomanagement für solche Studien implementiert werden.
Neues Chemotherapeutikum für die letzte Therapielinie
Trotz aller Fortschritte in der medikamentösen Therapie des Multiplen Myeloms kommen die meisten Patienten irgendwann in eine Situation, in der es kaum mehr therapeutische Optionen gibt, weil alle Möglichkeiten – Immunmodulatoren, Proteasominhibitoren, Antikörper – bereits gegeben worden sind. Für diese Patienten wird zurzeit ein neues Chemotherapeutikum entwickelt, das Peptid-konjugierte Alkylans Melflufen, dessen Wirkung durch Aminopeptidasen potenziert wird, die in hohen Konzentrationen in Myelomzellen auftreten. In der Phase-II-Studie HORIZON wurde Melflufen in Kombination mit Dexamethason an 95 Myelom-Patienten getestet, die zuvor einen Immunmodulator und einen Proteasominhibitor erhalten haben und gegen Pomalidomid und/oder Daratumumab refraktär sein mussten, so Paul Richardson, Boston [17]. Melflufen wurde alle vier Wochen mit 40 mg gegeben. 65% der Patienten waren doppelt refraktär (IMiD, Proteasominhibitor und CD38-Antikörper), und zwei Drittel hatten mindestens eine autologe Stammzelltransplantation erhalten.
Die Gesamtansprechrate war mit 30% beachtlich, auch bei den besonders stark vorbehandelten Patienten, so Richardson (Abb. 5); ein Patient erzielte sogar eine stringente Komplettremission, 11% erreichten eine sehr gute partielle und weitere 18% eine partielle Remission. Das progressionsfreie Überleben lag bei median vier Monaten, das Gesamtüberleben bei zehn Monaten. Außerdem war die Verträglichkeit gut, mit wenigen nicht-hämatologischen Nebenwirkungen, und die Toxizitäts-bedingte Abbruchrate lag bei lediglich 14%. In der Phase-III-Studie OCEAN wird diese Kombination derzeit randomisiert mit dem Pd-Protokoll verglichen [18].

Neue Immuntherapie-Ansätze
Neuartige Immuntherapie-Modalitäten beim Multiplen Myelom umfassen zum einen bispezifische T-Zell-Engager-Antikörper (BiTE), zum anderen autologe T-Zellen mit chimärem Antigenrezeptor (CAR-T-Zellen). Zwei Studien zu diesen beiden Ansätzen, die bei den Sommerkongressen vorgestellt wurden, sollen das Gebiet hier repräsentieren; in beiden Fällen ist die Zielstruktur das BCMA-Antigen (B-Cell Maturation Antigen), das u. a. auf Myelomzellen stark exprimiert wird.
Der betreffende BiTE (AMG 420) ist ein gentechnisch hergestelltes Proteinkonstrukt, das sowohl BCMA als auch das CD3-Antigen auf zytotoxischen T-Lymphozyten bindet und diese beiden Zelltypen dadurch in engen physischen Kontakt zueinander bringt mit der Folge, dass die T-Zelle die Myelomzelle angreift und lysiert. Ein ähnliches Präparat, Blinatumomab, ist bereits zur Behandlung der CD19-positiven akuten lymphoblastischen Leukämie zugelassen. In der Phase-I-Studie, die Max Topp, Würzburg, in Chicago und Amsterdam vorstellte, wurde AMG 420 erstmals bei bislang 42 Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Myelom eingesetzt [19, 20]:
Von zehn Patienten, die AMG 420 in einer Dosierung von 400 mg/d erhalten hatten (die Dosis, die für die weitere Entwicklung benutzt werden soll), sprachen sieben auf die Behandlung an, davon fünf mit einer MRD-negativen stringenten Komplettremission und ein weiterer mit einer sehr guten partiellen Remission. Einige der Remissionen dauerten zum Analysezeitpunkt mindestens ein Jahr an.
Duale CAR-T-Zellen
Chinesische Kollegen haben in einer Weiterentwicklung des CAR-T-Zell-Konzepts Zellen geschaffen, die chimäre Antigenrezeptoren gegen zwei Zielantigene auf der Myelomzelle tragen – gegen BCMA und das CD38-Antigen [21]. Das könnte Sinn machen, weil sich unter Immuntherapien immer wieder Resistenzen zeigen, die durch das Verschwinden des Zielantigens auf den malignen Zellen verursacht werden. Der duale CAR-T-Zell-Ansatz konnte bei den zwölf bisher behandelten Patienten in zehn Fällen ein Ansprechen hervorrufen, in der Hälfte davon eine stringente Komplettremission. Zytokin-Release-Syndrome und hämatologische Toxizitäten wurden beobachtet, waren aber handhabbar, während es bislang keine Neurotoxizität mit diesem Ansatz gab.