Screening von Körperhöhlen-Ergüssen auf Tumorzellen mit automatischer DNA-Karyometrie
Körperhöhlen-Ergüsse müssen in der Regel mikroskopisch auf das Vorliegen von Tumorzellen hin untersucht werden. Das gelingt subjektiv im Mittel mit einer unbefriedigenden Sensitivität von 58% und einer Spezifität von 98%. Dafür speziell ausgebildetes Assistenz-Personal wird in Deutschland zusehends knapper, in vielen anderen Ländern ist es gar nicht verfügbar. Wir stellen hier ein automatisiertes Verfahren vor, welches in ca. zehn Minuten pro Präparat mikroskopisch Tumorzellen mit einer Sensitivität von 76,4% bei einer Spezifität von 100% finden kann.
In einem ersten Schritt werden dazu anhand morphologischer Kriterien Tumor-verdächtige Zellkerne identifiziert, deren DNA-Gehalt sodann gemessen wird. Ein spezifischer Marker für Malignität ist eine DNA-Aneuploidie. Das Verfahren ist auch zur Abklärung verschiedenster dysplastischer Zell- und Gewebsveränderungen sowie zur objektiven und validen Malignitäts-Gradierung des lokalisierten Karzinoms der Prostata anwendbar.
Schlüsselwörter: Körperhöhlen-Ergüsse, diagnostische Zytologie, DNA-Zytometrie, DNA-Bildzytometrie, DNA-Karyometrie, automatisierte Zytodiagnostik, Zellkern-Klassifikatoren
Ätiologie und Häufigkeit von Ergüssen
Herzbeutel, Thorax-, und Bauchhöhle sind von einer einschichtigen Mesothelzell-Lage ausgekleidet. Lymphgefäße leiten Lymphe in diese Höhlen, welche durch andere Lymphgefäße in Venen drainiert wird. Die Liste von Erkrankungen, die zu einer Zunahme des Volumens der Lymphflüssigkeit in diesen Höhlen und damit zu Ergüssen führt, ist lang: Metastasen maligner Tumoren oder solche der serösen Häute selbst (Mesotheliome) sind mit etwa 45% die häufigste Ursache [1]. Danach folgen verschiedenste Infektionen bzw. Entzündungen, Herzinsuffizienz, Lungeninfarkte und -embolien, Leberzirrhose und andere Ursachen. In etwa 20% der Fälle stellt der Nachweis von Tumorzellen in einem Erguss den ersten Beleg für eine Krebserkrankung dar.
Diagnostische Fragestellungen
Neben einer groben Klärung der Ätiologie eines Ergusses (entzündlich, Stauung, maligne Tumoren) sollte eine histogenetische Klassifikation nachgewiesener Tumorzellen versucht werden, um die Suche nach dem jeweiligen Primärtumor zu erleichtern.
Klinische Relevanz
Nur eine sichere Abklärung der Ätiologie eines Körperhöhlen-Ergusses erlaubt dessen spezifische und erfolgreiche Therapie. Eine rasche Diagnosestellung spart dem Patienten Unannehmlichkeiten und der Klinik Kosten.
Konventionelle Methodik
Nach Zentrifugation eines Aliquots, Anfertigung von Sediment-Ausstrichen, deren Färbung (Pappenheim und/oder Papanicolaou) und Eindeckelung erfolgt eine sorgfältige mikroskopische Durchmusterung mindestens eines ganzen Objektträgers. Die Suche nach verdächtigen Zellen geschieht bei mittlerer Vergrößerung mit einem 10x-Objektiv, deren definitive Beurteilung bei hoher Vergrößerung (40x- oder 63x-Objektiv). Die Befundung erfolgt in die Kategorien: Tumorzell-negativ, zweifelhaft, dringend verdächtig und sicher positiv. Wenn möglich, wird der histogenetische Typ der Tumorzellen benannt (z. B. kleinzelliges Karzinom, Non-Hodgkin-Lymphom, Mesotheliom etc.).
Screening-Personal
Das vollständige Durchmustern zytologischer Präparate auf das Vorliegen von Tumorzellen ist zeitaufwendig (5–10 Minuten pro Probe) und benötigt speziell ausgebildetes Personal.
Die eigenständige, zweijährige Ausbildung zur Zytologie Assistentin (ZTA) wurde in Deutschland in den 1990er-Jahren zugunsten einer optionalen Spezialisierung von Medizinisch-Technischen Assistentinnen (MTA) in zytologischer Diagnostik aufgegeben. Heute bieten nur noch vier MTA-Schulen in Deutschland eine Spezialisierung in Zytologie an. Damit ist die Ausbildung zur MTA Voraussetzung einer Weiterbildung zur ZTA geworden. Insofern dürfte es in naher Zukunft hierzulande zu einem drastischen Mangel an zytodiagnostisch hinreichend ausgebildetem Screening-Personal für zytologische Präparate kommen.
Treffsicherheit
Die mittlere Sensitivität der subjektiven mikroskopischen Untersuchung von Körperhöhlen-Ergüssen liegt mit 58% ebenso unbefriedigend niedrig wie deren Spezifität mit 98% [2]. Die Inter-Observer-Reproduzierbarkeit entspricht mit einem Kappa-Wert von 0,514 [3] lediglich einer mittleren Übereinstimmung. Die Treffsicherheit hängt in besonderem Maße von der Erfahrung des Untersuchers, der Menge gescreenter Zellen und der dabei aufgewandten Aufmerksamkeit ab.
Adjuvante Methoden
Verschiedene Methoden stehen zur Verfügung, um Tumorzellen sowohl als solche zu identifizieren als auch histogenetisch zu klassifizieren: Immunzytochemie (Sensitivität 82,2%, Spezifität 100%; [4, 5], Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH; Sensitivität 79%, Spezifität 100%; [6]), quantitative Methylierungs-spezifische Polymerase-Kettenreaktion (QMSP; Sensitivität 49,4%, Spezifität 98,4%; [7]), AgNOR-Analyse (Sensitivität 97,5%, Spezifität 100%; [8]) und DNA-Bildzytometrie (Sensitivität 75%, Spezifität 100%; [9]). In Kombination angewendet, verbessern diese Methoden die diagnostische Treffsicherheit der Erguss-Zytologie weiter [5, 7].
Prinzipien der diagnostischen DNA-Karyometrie
Diese Methode, bei der es sich um eine Weiterentwicklung der DNA-Bildzytometrie handelt, stellt eine Kombination aus automatisierter morphometrischer Klassifikation Feulgen-gefärbter Zellkerne mit der Messung des DNA-Gehaltes in morphologisch malignitätsverdächtigen Kernen zum Zweck einer zytologischen Diagnostik dar [8]. Bei der automatischen DNA-Karyometrie wird entweder das in der Routinediagnostik bereits durchgesehene Präparat oder ein zusätzliches, Luft-getrocknetes Ausstrichpräparat mit Pararosanilin oder Thionin spezifisch für DNA gefärbt (Feulgen-Färbung). Die Diagnostik kann auch an sogenannten Zytozentrifugations-Präparaten durchgeführt werden. Allerdings sollte aus Gründen der Repräsentativität der Durchmesser der kreisförmigen Zellbelegung einen Wert von 2 cm nicht unterschreiten.
Digitale Slide-Scanner
Scanner für zytologische Präparate müssen zwei Besonderheiten dieser Präparate gewachsen sein: Sie müssen sowohl mit häufig in verschiedenen Ebenen des Präparates liegenden Objekten und mit Zell-freien Stellen zurechtkommen, ohne die Fokusebene des Präparates zu verlieren.
Während die nachfolgend berichteten Treffsicherheiten mit einem automatisierten Mikroskop Motic BA610 und 40x-Objektiv (NA 0,65) und einer MotiCam CCD Kamera 285A (1.360 x 1.024 Pixel) erreicht wurden [8], ist die Software mittlerweile auf den digitalen Scanner EasyScan von Motic (Xiamen, P.R. China) mit 20x-Objektiv (N. A. 0,65 bzw. 0,75 im MoticEasyScan Pro) übertragen worden. Dieser verfügt über drei TV-Kameras, eine davon zum schnellen Auffinden Zellkern-reicher Fokus-Ebenen. Eine CE-Konformitäts-Erklärung hierfür ist in Bearbeitung. Während das erstgenannte Mikroskop (Motic BA610) etwa 30 Minuten für den digitalen Scan eines Quadratzentimeters zellhaltiger Objektträger benötigte, erledigt das EasyScan dies in fünf Minuten (Abb. 1). Das Gerät ist mit einem Slide-Feeder ausrüstbar, der entweder sechs oder 30 Präparate fassen kann. Damit wird auch ein vollautomatisches Scannen der Präparate über Nacht ermöglicht, was wiederum den Durchsatz erhöht.

Machine-learning bei der diagnostischen Zellkern-Klassifikation
Die Aufgabe für einen diagnostischen Zellkern-Klassifikator besteht darin, mit größtmöglicher Sicherheit gefärbte Kerne verschiedenen Zelltypen zuzuordnen (Lymphozyten, Granulozyten, Fibroblasten, Makrophagen, normale Epithel- oder Mesothelzellen, malignitätsverdächtige Epithel- oder Mesothelzellen, defokussierte Kerne und Artefakte wie überlappende Zellkerne, lytische Zellen oder Präparationsartefakte). Bei vergleichenden Untersuchungen an Zellkernen aus Prostata-Biopsien und Abstrichen von der Zervix uteri mit den Klassifikator-Modellen kNN, Neural Network, Decision Tree, SVM, Adaboost und dem Random-Forest-Classifier hatte letzterer besonders gut abgeschnitten [9]. Mithilfe eines von A. B. erstellten Lerndatensatzes von 54.374 Zellkernen aus neun verschiedenen Körperhöhlenergüssen konnte dann ein Random-Forest-Classifier trainiert werden, welcher bei der Erkennung von tumorverdächtigen Kernen eine Fehlerrate von nur 4,76% aufwies. 2,9% der Artefakte wurden als abnorme Kerne fehlklassifiziert. Dazu verwendet der Klassifikator 18 verschiedene morphometrische Features. Die Plausibilität der digitalen Zellkern-Klassifikation kann vom Arzt am Monitor in Zelltyp-spezifischen Galerien von Zellkernphotos kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert werden ([8]; Abb. 2 und 3).


Algorithmen der diagnostischen DNA-Zytometrie
Die Ergebnisse der nachfolgenden Zellkern-DNA-Messungen werden in Histogrammen Zelltyp-spezifisch dargestellt (Abb. 2 und 3). Nachdem mit gesunden Referenzzellen (Lymphozyten oder Fibroblasten) der DNA-Gehalt pro Zellkern intern kalibriert wurde, erfolgt eine algorithmische Suche nach DNA-Stammlinien und DNA-Aneuploidie als spezifischem Marker für Malignität. Einzelzell-Aneuploidie wurde beim Vorliegen von > 3 Kernen mit einem DNA-Gehalt > 9c angenommen. Diese Algorithmen sind als internationaler Konsens publiziert [10, 11, 12, 13].
Im Mittel wurden pro Präparat 3.743 Lymphozyten (maximal 32.106) als interne Referenzzellen und 303 Tumorzellen (maximal 7.942) gefunden. Wegen der gegenüber der subjektiven Inspektion in der Regel größeren Zahl analysierter Zellkerne ergibt sich eine höhere Repräsentativität der zytologischen Diagnosen.
Treffsicherheit der diagnostischen DNA-Karyometrie
An 121 Körperhöhlen-Ergüssen (77 pleurale, 3 perikardiale, 36 peritoneale, 5 bronchoalveoläre Lavagen), davon 62 ohne und 59 mit malignen Tumorzellen, wurden automatische diagnostische Scans durchgeführt. Bei 14 primär verdächtigen Probe haben wir weiterführende immunzytochemische Untersuchungen an Zweit-Präparaten (mit BerEP4 und HEA) durchgeführt und ein klinisches Follow-up eingeholt. Die übrigen Diagnosen wurden unabhängig voneinander von zwei Zytopathologen (A. B. und S. B.) gestellt.
Bei alleiniger Anwendung von DNA-Aneuploidie als Kriterium zellulärer Malignität betrug die Sensitivität 76,4%, die Spezifität 100%. Wurde eine Rate von > 0,75% abnormer Zellkerne als Schwellwert eines Malignitäts-Verdachtes angesetzt, so erhöhte sich die Sensitivität auf 100% zu Lasten einer Spezifität von 70,0% [8]. Da die klinische Follow-up-Diagnose den Goldstandard liefert und nicht der tatsächliche Nachweis von Tumorzellen im Erguss, ist bei Untersuchung einer einzigen Probe nicht mit einer 100%igen Sensitivität zu rechnen.
Parallelität mit konventionellen Färbungen
Die Methode der diagnostischen DNA-Karyometrie erscheint aus unserer Sicht inzwischen zum primären Screening ohne vorherige konventionelle Zytodiagnostik geeignet. Bei Vorliegen parallel angefertigter, gefärbter und ungefärbter Ausstrich-Präparate kann in zweifelhaften Fällen eine konventionelle subjektive Diagnostik aber stets zusätzlich durchgeführt werden. Außerdem können daran weiterführende adjuvante Untersuchungsmethoden, insbesondere immunzytochemische Methoden zur Tumortypisierung und Organzuordnung (s. o.), zur weiteren Abklärung angewendet werden.
Szenario der Anwendung in der Routine
Primär können alle Ausstrich- oder Zytozentrifugations-Präparate von Ergüssen spezifisch für DNA nach Feulgen gefärbt und vom Scanner bearbeitet werden. Die eindeutig Tumorzell-negativen und -positiven Diagnosen werden von einem zytodiagnostisch ausgebildeten Arzt nach Inspektion der Bildgalerie abnormer Zellkerne und Artefakte sowie der DNA-Histogramme als valide abgezeichnet. In unklaren Fällen können sowohl die parallel vorliegenden weiteren Ausstriche konventionell gefärbt und subjektiv begutachtet als auch weiterführende, adjuvante Verfahren angewendet werden. Es wird empfohlen, diese Abklärung an allen von der Maschine als verdächtig eingestuften Präparaten durchzuführen. Für die Beschickung des Scanners wie auch für die subjektive Kontrolle der Maschinenergebnisse rechnen wir im Mittel je fünf Minuten pro Präparat. Daraus ergibt sich eine Einsparung der Arbeitszeit von Screening-Personal um ca. 70%.
Andere Anwendungen
Dysplasien: Lässt sich in Zell- oder Gewebsproben einer Dysplasie DNA-Aneuploidie als zytometrisches Äquivalent chromosomaler Aneuploidie nachweisen, so handelt es sich um eine frühe Form von Malignität. Man kann in diesem Fall auch von prospektiver Malignität sprechen. Daher eignet sich die DNA-Karyometrie zur Abklärung der Dignität aller Formen von geringen, mittleren oder auch schweren Dysplasien. Gute diagnostische Ergebnisse liegen z. B. für Dysplasien der Mund- [14], Kehlkopf-, Bronchial- [7], Ösophagus-, Kolon- oder Gebärmutterhals-Schleimhäute [15] vor. Auch zur Abklärung verdächtiger zytologischer Urin-Befunde [16] oder von Boderline-Tumoren des Ovars eignet sich das Verfahren. Findet sich dabei DNA-Aneuploidie als früher und spezifischer Marker für Malignität, sollte die betreffende Läsion entfernt werden.
Malignitäts-Gradierung: Die subjektive Malignitäts-Gradierung des Prostatakarzinoms mit dem Gleason-Score weist bekanntermaßen eine schlechte interindividuelle Reproduzierbarkeit und eine mangelhafte prognostische Validität auf (Referenz). So treten beispielsweise bei gut 30% der lokal begrenzten Karzinome mit einem Gleason-Score von 6 unter aktiver Überwachung trotzdem innerhalb von fünf Jahren Progresse auf. Bei DNA-diploiden Karzinomen sind diese jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen [17].
Vergütung
Mit 8,98 € bei GKV-Patienten (EBM-Nummer 19310) und 18,25 € bei Privat-Patienten (GOÄ-Nummer 4852) pro Untersuchungsmaterial wird die außergynäkologische zytologische Diagnostik relativ dürftig entlohnt. Zusammen mit einer manuellen DNA-Messung können im EBM 30,95 €, in der GOÄ 50,94 € liquidiert werden.Für die technisch aufwendigere, repräsentativere DNA-Karyometrie wurde im Jahr 2015 für GKV-Patienten eine Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) eingeführt. Diese berechnet sich an Zellproben auf 152,94 € und an Gewebsproben, an denen noch als weiterer Schritt eine enzymatische Zellvereinzelung durchgeführt werden muss, auf 193,74 €. Für Privatpatienten betragen die entsprechenden Sätze 351,76 € bzw. 459,00 €.
Screening of body cavity effusions for tumor cells by automatic DNA karyometry
Summary
Effusions of the body cavities have to be microscopically checked for the existence of cancer cells. This can be done subjectively with an unsatisfactorily low sensitivity of 58% and a specificity of 98%. Specially trained personnel is needed, but is becoming increasingly rare in Germany and not available in many other countries. We here describe an automated microscopical procedure, that is able to identify cancer cells at a sensitivity of 76,5% and a specificity of 100%.
In a first step morphologically cancer-suspicious nuclei are identified, after which their DNA content is measured in a second step. A specific marker for malignancy is DNA aneuploidy. The procedure can also be applied to specify dysplastic cell- or tissue lesions or to objectively and validly grade the malignancy of localized cancers of the prostate.
Keywords: body cavity effusions, diagnostic cytology, DNA cytometry, DNA image cytometry, DNA karyometry, automatic cytodiagnostics, cellular nucleus classifiers