Non-Hodgkin-Lymphome: neue Therapiestrategien auf dem Prüfstand

ASCO/EHA 2018

Die Entwicklung der Therapie von Non-Hodgkin-Lymphomen erfährt zurzeit einen neuen Schub: Zwei Jahrzehnte nach der Einführung von Rituximab wird derzeit mit einer Vielzahl neuer, molekular begründeter Therapiestrategien experimentiert. Mit ihnen werden nicht nur die toxischen Chemotherapien immer mehr zurückgedrängt und die Überlebenschancen der Patienten verbessert, sondern es steht zu hoffen, dass bei bisher unheilbaren Erkrankungen wie dem follikulären Lymphom oder der chronischen lymphatischen Leukämie zumindest für einen Teil der Patienten ein Langzeitüberleben ohne Therapie möglich wird. Beim Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago ebenso wie bei der Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) in Stockholm wurden im Juni spannende Ergebnisse präsentiert, die diese Hypothese stützen.


Schlüsselwörter: Follikuläres Lymphom, Marginalzonen-Lymphom, Mantelzell-Lymphom, aggressive Non-Hodgkin-Lymphome, chronische lymphatische Leukämie


Indolente Lymphome

Follikuläres Lymphom: ohne Chemotherapie behandeln?

Die Immunchemotherapie mit einer anschließenden zweijährigen Rituximab-Erhaltungstherapie ist seit Jahren der Behandlungsstandard beim neu diagnostizierten und therapiebedürftigen follikulären Lymphom. Im Bestreben, eine Chemotherapie-freie Therapiestrategie zu entwickeln, wird eine Reihe von Kombinationen getestet, darunter die mit Rituximab und dem Immunmodulator Lenalidomid („R2“), die in einer Phase-II-Studie vielversprechende Aktivität gezeigt hatte [1, 2]. Fest etabliert werden sollte diese Kombination in der Phase-III-Studie RELEVANCE, in der 1.030 Patienten mit follikulärem Lymphom und hoher Tumorlast randomisiert wurden, entweder eine klassische Immunchemotherapie (Rituximab in Kombination mit CHOP, Bendamustin oder CVP) oder die Kombination aus Rituximab und Lenalidomid zu erhalten. Wie Nathan Fowler, Houston, in Chicago und Frank Morschhauser, Lille, in Stockholm, berichteten [3, 4], wurde Lenalidomid für sechs bis zwölf vierwöchige Zyklen (mit jeweils einer Woche Pause) in einer Dosierung von 20 mg/d gegeben. Rituximab erhielten alle Patienten in der üblichen Dosierung von 375 mg/m2 während der Induktionstherapie und anschließend für bis zu zwei Jahre alle zwei Monate als Erhaltungstherapie.

Nach median 38 Monaten Nachbeobachtungszeit konnte für keinen der beiden ko-primären Endpunkte der Komplettremissionsrate nach 120 Wochen (48% vs. 53%); p = 0,13) und des progressionsfreien Überlebens (77% vs. 78% nach drei Jahren; Hazard Ratio 1,10; p = 0,48) eine Überlegenheit eines der beiden Protokolle bestätigt werden (Tab. 1). Diese Ergebnisse waren konsistent für alle untersuchten Subgruppen. Auch beim Gesamtüberleben ist zumindest bisher kein Unterschied zu verzeichnen (nach drei Jahren jeweils 94%). Die beiden Regimes unterschieden sich aber hinsichtlich der Häufigkeit von Grad-3/4-Nebenwirkungen: Unter der Immunchemotherapie gab es mehr Neutropenien (50% vs. 34%) und febrile Neutropenien (6% vs. 2%) und auch einen häufigeren Gebrauch von Wachstumsfaktoren, während unter der Lenalidomid-Therapie kutane Reaktionen vom Grad 3 oder 4 öfter auftraten (7% vs. 1%). Neue Primärmalignome wurden bei 7% der Patienten unter R2 und bei 9% unter Immunchemotherapie diagnostiziert, und Todesfälle durch Toxizitäten traten in beiden Armen bei 1% der Patienten auf. Rund 70% aller Patienten in beiden Gruppen beendeten die gesamte Therapie wie geplant.

Damit konnte erstmals in einer randomisierten Phase-III-Studie die Nicht-Unterlegenheit einer Chemotherapie-freien Behandlungsvariante gegenüber einer klassischen Immunchemotherapie mit Rituximab beim neu diagnostizierten follikulären Lymphom bestätigt werden. Im Falle einer Zulassung von Lenalidomid für diese Indikation könnten die unterschiedlichen Sicherheitsprofile möglicherweise als Entscheidungshilfe für oder gegen eine der Therapien dienen. Die Ergebnisse sind mittlerweile auch voll publiziert [5].

Die Histon-Methylierung beeinflussen

Ebenfalls von Frank Morschhauser wurde in Stockholm eine Phase-II-Studie präsentiert, in der ein neues Therapieprinzip beim rezidivierten oder refraktären follikulären Lymphom erprobt wurde, für das neue Behandlungsformen dringend gesucht werden: Die Histon-Methyltransferase EZH2 spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation der Keimzentrumsreaktion, durch die die terminale Differenzierung von B-Lymphozyten im Keimzen­trum verhindert wird. Aktivierende Mutationen von EZH2 sind beim follikulären Lymphom gar nicht selten und stehen im Verdacht, onkogene Treibermutationen zu sein. Deshalb wurde mit Tazemetostat ein potenter, selektiver und oral verfügbarer Inhibitor dieses Enzyms entwickelt, der in einer Phase-I-Studie bereits Aktivität bei verschiedenen Erkrankungen, darunter auch Non-Hodgkin-Lymphomen, gezeigt hatte – unabhängig davon, ob das EZH2-Gen mutiert war oder nicht.

In einer multizentrischen Phase-II-Studie waren Patienten mit rezidivierten oder refraktären follikulären oder diffus-großzelligen B-Zell-Lymphomen eingeschlossen worden – sowohl solche mit mutiertem als auch solche mit Wildtyp-EZH2. Sie hatten Tazemetostat in einer Dosierung von zweimal täglich 800 mg erhalten. Morschhauser stellte in Stockholm die Ergebnisse der bisher 76 Patienten mit follikulärem Lymphom vor, die zuvor im Median bereits drei Therapien bekommen hatten [6]. Primärer Endpunkt war die Gesamtansprechrate: Kein Patient in der Kohorte mit mutiertem EZH2 (n = 22) war progredient, die Ansprechrate lag bei 82% mit einer Komplettremission (5%). Das progressionsfreie Überleben beträgt im Median mehr als 48 Wochen, die Dauer der Remissionen mehr als 32 Wochen. Zehn der 18 Patienten, die angesprochen hatten (56%), sind unter der Therapie weiterhin in Remission, so Morschhauser.

Bei den 54 Patienten mit Wildtyp-EZH2 lag die Gesamtansprechrate mit 35% deutlich niedriger, mit drei Komplettremissionen (6%); 16 dieser Patienten (30%) waren unter Tazemetostat progredient, aber auch hier sind elf der 19 ansprechenden Patienten (58%) weiterhin in Remission.

Die häufigsten Nebenwirkungen von Tazemetostat waren Nausea, Anämie, Fatigue, Diarrhö und Asthenie, aber sie waren lediglich bei 12% der Patienten vom Grad 3 oder höher. Angesichts dieser guten Verträglichkeit und der ausgezeichneten Wirksamkeit bei diesen stark vorbehandelten Patienten – insbesondere bei denen mit EZH2-Mutationen – erscheint es lohnend, diese Therapieoption in weiteren Studien für das fortgeschrittene follikuläre Lymphom zu evaluieren.

Rituximab-Erhaltungstherapie: auch beim Marginalzonen-Lymphom erfolgreich

Eine Erhaltungstherapie mit Rituximab nach Immunchemotherapie gehört heute – vor allem aufgrund der Daten der PRIMA-Studie [7] – zum klinischen Standard beim follikulären Lymphom, nicht jedoch beim Marginalzonen-Lymphom, wo es bislang noch nicht viele Daten dazu gab. In der NHL7-2008-Studie der Studiengruppe indolente Lymphome (StiL) waren neben Patienten mit follikulärem auch 119 Patienten mit nicht vorbehandeltem Marginalzonen-Lymphom (Lymphknoten- und Milz-Befall, nicht aber MALT-Lymphome) eingeschlossen worden, über die Mathias Rummel, Gießen, in Stockholm berichtete [8]: Von den 108 Patienten, die auf eine Induktions-Immunchemotherapie mit Bendamustin und Rituximab mit mindestens einer partiellen Remission angesprochen hatten, konnten 104 auf eine Rituximab-Erhaltungstherapie (alle zwei Monate für insgesamt zwei Jahre) oder Beobachtung randomisiert werden. 

Nach median 76 Monaten Nachbeobachtung zeigte sich bei vergleichbarer Toxizität in den beiden Armen ein deutlicher Vorteil bezüglich des progressionsfreien Überlebens für die Erhaltungstherapie: Der Medianwert war in diesem Arm noch nicht erreicht und betrug im Kontrollarm 92,2 Monate; die Hazard Ratio von 0,35 (95%-Konfidenzintervall 0,17–0,76) bedeutet eine geschätzte relative Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um etwa zwei Drittel, die auch signifikant ausfiel (p = 0,008). Bei einer Gesamtüberlebensrate nach sechs Jahren von 92% im Erhaltungs- versus 86% im Kontrollarm könnte auch das Mortalitätsrisiko etwa halbiert werden (HR 0,52), aber dieser Unterschied ist bisher noch nicht signifikant, so Rummel (95%-KI 0,20–1,39). Angesichts der beträchtlichen Verlängerung der Progressionsfreiheit sollte die Erhaltung damit aber auch beim Marginalzonen-Lymphom künftig zur Standardtherapie gehören.

Morbus Waldenström

iNNOVATE: BTK-Inhibitor und CD20-Antikörper

Der Morbus Waldenström stand lange Zeit im Schatten häufigerer Lymphom-Erkrankungen, aber in den letzten Jahren sind vor allem durch stärkere internationale Kooperation erhebliche Fortschritte zu verzeichnen. Überwogen bis vor Kurzem die Kombination des CD20-Antikörpers Rituximab mit Zytostatika oder zielgerichteten Substanzen wie Bortezomib, ist nun auch – aufgrund von hervorragenden Phase-II-Daten – Ibrutinib, der erste in die Klinik eingeführte Inhibitor der Bruton-Tyrosinkinase (BTK) in den USA und der Europäischen Union zur Behandlung der rezidivierten Waldenström-Makroglobulinämie zugelassen [9]. In einer Substudie der Phase-III-Studie iNNOVATE hatten Patienten mit Rituximab-refraktärem Morbus Waldenström einen deutlichen Nutzen von Ibrutinib erfahren [10]. In die Hauptstudie, die Meletios Dimopoulos, Athen, beim EHA-Kongress vorstellte, waren 150 therapienaive ebenso wie rezidivierte, aber nicht Rituximab-refraktäre Waldenström-Patienten eingeschlossen [11]; 45% der Patienten fielen in das therapienaive Stratum. Sie wurden randomisiert, achtmal Rituximab entweder mit Plazebo oder mit Ibrutinib als Dauertherapie zu erhalten. 

Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben, bestimmt durch ein unabhängiges Experten-Komitee, und hier konnte die Kombination aus dem Antikörper und dem BTK-Inhibitor das Risiko für Progression oder Tod um 80% reduzieren, so Dimopoulos: Der Medianwert war im experimentellen Arm noch nicht erreicht, im Plazeboarm lag er bei 20 Monaten, die Hazard Ratio betrug 0,20 (95%-KI 0,11–0,38; p < 0,0001; Abb. 1); nach 30 Monaten waren 82% bzw. 28% der Patienten noch progressionsfrei am Leben. Im Gegensatz zur Ibrutinib-Monotherapie war die Wirkung der Kombination unabhängig von molekulargenetischen Veränderungen in den Genen MYD88 und CXCR4. Auch die Ansprechrate war unter der Kombination mehr als verdoppelt (72% vs. 32%; p < 0,001), ebenso zeigten mehr Patienten einen nachhaltigen Anstieg der Hämoglobin-Werte (73% vs. 41%; p < 0,001). Drei von vier Patienten im Kombinationsarm wurden zum Zeitpunkt der Analyse noch behandelt. Beim Gesamtüberleben ist nach so kurzer Zeit bei einer relativ indolenten Erkrankung wie dem Morbus Waldenström noch kein Unterschied zu erwarten: Die 30-Monats-Raten lagen bei 94% versus 92%.

Grad-3/4-Nebenwirkungen, die im Kombinationsarm häufiger auftraten, waren Vorhofflimmern (12% vs. 1%) und ein Hypertonus (13% vs. 4%), während Infusionsreaktionen (1% vs. 16%) und ein IgM-Flare (alle Schweregrade 8% vs. 47%) im Rituximab-Arm häufiger waren. Schwerere Blutungen waren in beiden Gruppen gleich oft zu sehen (4%). Lediglich in 5% bzw. 4% der Fälle musste die Behandlung wegen Nebenwirkungen unterbrochen werden. 

Die Zugabe von Ibrutinib zu Rituximab stellt damit für alle Waldenström-Patienten (neu diagnostiziert ebenso wie rezidiviert) einen wirksamen Therapieansatz dar, unabhängig vom Prognose-Score und vom Genotyp der Erkrankung. Die Daten wurden im Anschluss an den EHA-Kongress voll publiziert [12]. 

Auch wirksam: ein neuer BTK-Hemmstoff …

In einer einarmigen Phase-II-Studie wurde der neue BTK-Inhibitor Acalabrutinib ebenfalls bei therapienaiven (n = 14) und rezidivierten oder refraktären Patienten (n = 92; median zwei Vorbehandlungen) mit Waldenström-Makroglobulin­ämie getestet [13, 14]. Nach median 25 Monaten Nachbeobachtung waren die Hälfte der therapienaiven und drei Viertel der vortherapierten Patienten immer noch in Behandlung mit der Studienmedikation, so Roger Owen, Leeds. Die Ansprechraten (einschließlich „minor re­sponses“) lagen bei 93% bzw. 94%; wurden nur mindestens partielle Remissionen gewertet, so hatten 79% bzw. 78% der Patienten angesprochen. Bei sehr guten partiellen Remissionen schienen die rezidivierten/refraktären Patienten einen gewissen Vorteil zu haben (32% vs. 7%), die 2-Jahres-Rate für progressionsfreies Überleben fiel für die therapienaiven Patienten etwas günstiger aus (90% vs. 82%), beim Gesamtüberleben gab es mit 92% bzw. 89% keine nennenswerten Unterschiede.

Auch dieser Inhibitor scheint also beim Morbus Waldenström hochgradig wirksam zu sein, mit anhaltenden Remissionen und einem akzeptablen Sicherheitsprofil.

… und der BCL2-Inhibitor Venetoclax

Eine weitere hochwirksame neue Substanz, die immer mehr Eingang in die Therapie verschiedener hämatologischer Erkrankungen findet, ist der Apoptose-Induktor Venetoclax – bisher lediglich zugelassen bei der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL), aber in klinischer Erprobung bei einer Vielzahl anderer Indikationen, darunter auch beim Morbus Waldenström: In einer Phase-II-Studie, die Jorge Castillo, Boston, in Stockholm präsentierte, wurden 30 Patienten mit symptomatischer Waldenström-Makroglobulinämie mit dem BCL2-Inhibitor behandelt [15]. Dabei wurde eine höhere Dosierung gewählt als sie bei der CLL angewendet wird: Die Patienten erhielten zunächst 200 mg/d, die im Wochenabstand über 400 auf 800 mg/d erhöht wurden; in dieser Dosierung wurde die Substanz dann über maximal zwei Jahre gegeben.

Die Patienten hatten vorher im Median zwei Therapien erhalten, bei der Hälfte waren darunter auch BTK-Inhibitoren gewesen. Nach sechs Monaten hatten sich alle Krankheitsparameter (Serum-IgM, Knochenmarksbeteiligung, Hämoglobin) hochsignifikant gebessert (p < 0,001). Die Ansprechrate (einschließlich „minor response“) lag bei 81%, 74% der Patienten erzielten mindestens eine partielle Remission, und die Wirkung war unabhängig in allen untersuchten Subgruppen. Allerdings scheinen Patienten mit vorheriger Exposition gegenüber BTK-Inhibitoren sowie diejenigen mit CXCR4-Mutationen langsamer und weniger tief anzusprechen. Eine Krankheitsprogression zeigte unter der Behandlung mit Venetoclax lediglich ein einziger Patient; bei ihm lagen Mutationen von MYD88, CXCR4 und TP53 vor. 

Die Therapie war gut verträglich; trotz der zehnmal höheren Start- und der doppelt so hohen Enddosis im Vergleich zur CLL (die bei allen Patienten erreicht und nur bei zwei auf 600 mg/d reduziert wurde) wurden lediglich bei einem Patienten Laborhinweise auf ein Tumorlyse-Syndrom gefunden, das aber klinisch nicht in Erscheinung trat.

Mantelzell-Lymphom

Venetoclax empfiehlt sich als Partner für Kombinationstherapien

Auch beim Mantelzell-Lymphom, das eine Mittelstellung zwischen indolenten und aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen einnimmt, besteht insbesondere im rezidivierten bzw. refraktären Stadium, wo die Überlebensdauer der nicht selten noch jungen Patienten bei rund zwei Jahren liegt, dringender Bedarf an neuen Therapien – auch wenn in den letzten Jahren bereits einige neue Medikamente für diese Indikation zugelassen wurden (Lenalidomid, Ibrutinib). Nach Versagen von Ibrutinib beträgt die mediane Überlebenszeit beispielsweise nur etwa vier Monate. In einer Phase-I-Basketstudie hatten von 28 Patienten mit Mantelzell-Lymphom, die zuvor keine BTK-Inhibitoren erhalten hatten, 21 angesprochen (75%), davon sechs (21%) mit einer Komplettremission. Darüber hinaus gibt es bisher keine Daten zum rezidivierten oder refraktären Mantelzell-Lymphom, weshalb Toby Eyre, Oxford, beim EHA-Kongress Ergebnisse von 20 Patienten präsentierte, die nach Versagen von BTK-Inhibitoren im britischen Compassio­nate-Use-Programm Venetoclax erhalten hatten – ebenfalls mit einer Zieldosis von 80 mg/d [16]. Die Patienten hatten zuvor median drei Therapielinien erhalten, 29% waren in der ersten Remission mit einer autologen Stammzelltransplantation konsolidiert worden.

Die Ansprechrate auf Venetoclax lag bei 60%; ein Drittel dieser Patienten erzielte eine Komplettremission. Das progressionsfreie Überleben betrug median 2,6 Monate, das Gesamtüberleben median 4,3 Monate. Patienten, die auf BTK-Inhibitoren zuvor angesprochen hatten, zeigten eine höhere Ansprechrate unter Venetoclax als jene mit primärer Resistenz gegenüber den BTK-Hemmern (72,7% vs. 44,4%), aber das wirkte sich nicht positiv auf das progressionsfreie Überleben aus.

Die Verträglichkeit des BCL2-Inhibitors war gut, insbesondere kam es zu keinem klinischen Tumorlyse-Syndrom. Damit dürfte Venetoclax sich als Partner für künftige Kombinationsansätze beim Mantelzell-Lymphom anbieten.

Aggressive Lymphome

Wenn man sich die Programme der entsprechenden Sitzungen beim EHA-Kongress ansieht, kündigt sich auch bei den aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen etwa 20 Jahre nach der Einführung von Rituximab wieder eine neue Ära an. Dieses Mal geht es allerdings nicht um ein Medikament, sondern um eine Vielzahl verschiedener Substanzklassen, zu denen in Stockholm vielversprechende Ergebnisse vorgestellt wurden, darunter Immuncheckpoint-Inhibitoren, Antikörper-Toxin-Konjugate und CAR-T-Zellen:

Vielversprechende Therapieansätze: ein PD-L1-Checkpoint-Inhibitor, …

Der Anti-PD-L1-Antikörper Atezolizumab kann die Blockade von T-Lymphozyten, die durch die Interaktion von PD-L1 mit dem PD-1-Antigen auf Tumorzellen verursacht wird, aufheben; er ist bislang zur Therapie des Urothelkarzinoms und des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms zugelassen. In einer US-amerikanisch-italienisch-australischen Phase-I/II-Studie wurde er mit dem Standardprotokoll R-CHOP kombiniert [17] und bei 42 Patienten mit neu diagnostiziertem diffus-großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) angewandt, die ein Stadium III oder IV und einen IPI-Score von mindestens 2 oder ein Stadium II mit „Bulky disease“ aufwiesen (mindestens ein Lymphknoten ≥ 7 cm). Die Patienten erhielten acht Zyklen R-CHOP-21, jeweils mit Atezolizumab an Tag 1. Bei Patienten mit kompletter Remission schloss sich daran eine Konsolidierung mit Atezolizumab alle drei Wochen über ein Jahr an. Die theoretische Vorstellung hinter dieser Strategie ist, so Anas Younes, New York, dass Rituximab (und natürlich auch die Chemotherapie) die Abtötung der Lymphomzellen induziert, wobei Tumor-Antigene freigesetzt werden; gegen diese richten sich T-Lymphozyten, deren Aktivität durch Atezolizumab wiederhergestellt wird. Die vorab geplante Interimsanalyse, die Younes vorstellte, fand statt, nachdem die ersten 15 Patienten die Induktionstherapie beendet hatten. Primärer Endpunkt war neben der Sicherheit die Rate an Komplettremissionen nach Ende der Induktion, bestimmt mithilfe des PET/CT.

13 der 15 Patienten hatten auch bereits die Konsolidierungsphase begonnen, die mediane Beobachtungsdauer betrug für alle 42 Patienten 5,3 Monate, speziell für die Konsolidierungsphase 1,6 Monate. Es gab nur komplette Remissionen entsprechend den modifizierten Lugano-Kriterien 2014, und zwar bei 13 Patienten (87%). Von sechs Patienten standen Proben zur Verfügung, die zu Beginn positiv für eine minimale Resterkrankung (MRD) getestet wurden; fünf von ihnen waren nach Ende der Induktionsphase negativ geworden.

Grad-3/4-Nebenwirkungen wurden während der Induktionsphase bei 64% der Patienten registriert, während der Konsolidierung bislang nur bei 15%. Das bedarf natürlich der längeren Nachbeobachtung von noch mehr Patienten, aber wenn das Sicherheitsprofil unverändert bleibt, sieht die bisherige Aktivität dieser Kombination sehr vielversprechend aus, und es ist zu hoffen, dass die einjährige Therapie mit dem Checkpoint-Inhibitor vielleicht die Komplettremissionsrate noch erhöht, vor allem aber das Rezidivrisiko gegenüber der reinen Induktionstherapie reduziert.

… ein Antikörper-Toxin-Konjugat …

B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome tragen auf ihrer Oberfläche das CD79b-Antigen, gegen das sich das Antikörper-Toxin-Konjugat Polatuzumab Vedotin richtet. Es wird in Kombination mit Bendamustin und Rituximab in einer randomisierten Phase-Ib/II-Studie bei jeweils 80 Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem follikulärem Lymphom bzw. DLBCL geprüft. Nach median 15 Monaten war beim follikulären Lymphom noch kein Unterschied beim PET-Ansprechen und beim progressionsfreien Überleben nachzuweisen, aber bei den Patienten mit DLBCL, so Laurie Sehn, Vancouver, war bei beiden Parametern bereits ein signifikanter Vorteil durch die Zugabe des Immunkonjugats zu erkennen [18, 19]:

In den unabhängig begutachteten PET-Daten wurde im Verumarm bei 40% und im Kontrollarm bei 15% der Patienten eine Komplettremission diagnostiziert (primärer Endpunkt; p = 0,012), und auch beim progressionsfreien Überleben schnitt Polatuzumab Vedotin signifikant besser ab (median 6,7 vs. 2,0 Monate; HR 0,31; p < 0,0001), ebenso beim Gesamtüberleben (median 11,8 vs. 4,7 Monate; HR 0,35; p = 0,0008). Diese Überlegenheit war beim Ansprechen sowie bei den zeitabhängigen Parametern unabhängig von der Therapielinie oder vom Rezidivstatus (Tab. 2).

Bereits aufgrund der ganz frühen Daten hatte Polatuzumab Vedotin für das rezidivierte/refraktäre DLBCL von der FDA einen „Breakthrough-Therapy“- und von der EMA einen „Priority Medicines“(PRIME)-Status erhalten, sodass mit einer Zulassung in nicht allzu ferner Zukunft zu rechnen sein dürfte.

… und natürlich CAR-T-Zellen

Die Therapie rezidivierter oder refraktärer hämatologischer Malignome mit CAR-T-Zellen nimmt zunehmend Fahrt auf: Zwei Präparate sind vor Kurzem in Europa zugelassen worden (Tisagene Lecleucel und Axicabtagene Ciloleucel), mit beiden können nun „hoffnungslose“ Fälle von rezidiviertem oder refraktärem 

DLBCL behandelt werden. CARs (chimäre Antigen-Rezeptoren) sind Zelloberflächenrezeptoren, die über ein rekombinant hergestelltes Gen in mittels Apherese gewonnene autologe T-Lymphozyten des betroffenen Patienten eingebracht werden. Je nach Spezifität des künstlichen Rezeptors werden bestimmte maligne Zellen angegriffen. Bei den derzeit am weitesten fortgeschrittenen bzw. bereits zugelassenen Präparaten, die bei lymphatischen B-Zell-Erkrankungen wie der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) oder dem DLBCL eingesetzt werden, richtet sich der CAR gegen das auf allen B-Zellen exprimierte CD19-Antigen. Beim EHA-Kongress wurden Updates der Zulassungsstudien für drei Präparate präsentiert: 

In der globalen Phase-II-Studie 

JULIET waren Patienten mit DLBCL mit Tisagen Lecleucel behandelt worden, die bereits mindestens zwei Therapielinien erhalten hatten und bei denen eine autologe Stammzelltransplantation entweder versagt hatte oder nicht möglich war [20]. Eine Ansprechrate von 52% und eine Komplettremissionsrate von 40% waren konsistent in allen untersuchten Subgruppen zu sehen; rezidivfrei waren nach einem Jahr 65% der Patienten bzw. 78% derer, die mit den CAR-T-Zellen eine komplette Remission erreicht hatten. Nach median 14 Monaten Nachbeobachtungszeit waren für die Patienten mit Komplettremission weder für das progressionsfreie noch für das Gesamtüberleben die Medianwerte erreicht; für das gesamte Kollektiv lag die mediane Überlebenszeit bei 11,7 Monaten.

In der Phase-I-Studie TRANSCEND NHL001 hatten 88 Patienten mit verschiedenen Typen von Non-Hodgkin-Lymphomen Lisocabtragene Maraleucel erhalten, sodass ein Vergleich mit den JULIET-Daten schwerfällt [21]. Die Gesamtansprechrate lag bei 75%, die Komplettremissionsrate bei 55%. Mit der höheren von zwei getesteten Dosierungen war nach sechs Monaten noch die Hälfte der behandelten Patienten in kompletter Remission, und von diesen konnten 93% ihr Ansprechen bis zum Auswertungszeitpunkt halten. Die Medianwerte wurden im Gesamtkollektiv weder für progressionsfreies noch für das Gesamtüberleben erreicht.

In der Phase-I/II-Studie ZUMA-1 schließlich wurden 108 Patienten mit refraktärem DLBCL eingeschlossen und mit Axicabtagene Ciloleucel behandelt [22]. Die Gesamtansprechraten lagen hier bei Patienten mit zwei bis drei vorangegangenen Therapielinien bei 94% (65% Komplettremissionen), bei denen mit vier oder mehr Linien bei 67% (53% Komplettremissionen). Nach sechs Monaten waren noch 49% bzw. 51% dieser Patienten progressionsfrei am Leben, die Gesamtüberlebensraten nach einem Jahr betrugen 65% bzw. 51%.

Die gegen CD19 gerichteten CAR-T-Zellen zeigen damit für einen erheblichen Anteil dieser nach konventionellen Maßstäben „austherapierten“ Patienten mit DLBCL einen lang andauernden klinischen Nutzen – bei kontrollierbaren Toxizitäten wie Zytokin-Stürmen oder neurologischen Nebenwirkungen. Deren Kon­trolle erfordert allerdings besondere Expertise, sodass diese Therapien bis auf Weiteres nur in spezialisierten Zentren mit besonders geschulten interdisziplinären Teams durchgeführt werden können. Weitaus längere Nachbeobachtungszeiten sind außerdem erforderlich, um abschätzen zu können, ob dieses Ansprechen bei einem Teil der Patienten einer Heilung gleichkommt.

Immuncheckpoints jenseits von PD-1/PD-L1

Die Immuncheckpoint-Inhibitoren, die bislang in die Klinik eingeführt worden sind, richten sich vor allem gegen die PD-1/PD-L1-Achse, deren Signale Tumorzellen vor T-Lymphozyten schützt. Ein weiteres Checkpoint-System involviert das CD47-Antigen, das Tumorzellen vor dem Gefressenwerden durch Makrophagen bewahrt. Ein humanisierter Antikörper mit der vorläufigen Bezeichnung Hu5F9-G4 oder 5F9 hindert CD47 an dieser Interaktion mit den Makrophagen und stimuliert dadurch die Phagozytose von Tumorzellen sowie überdies eine gegen sie gerichtete T-Zell-Antwort. Außerdem wirkt er in präklinischen Untersuchungen synergistisch mit Rituximab, in dem er die durch den Fc-Rezeptor vermittelte Antikörper-abhängige zelluläre Phagozytose verstärkt. In der ersten klinischen Phase-Ib/II-Studie 5F9003, die Ranjana Advani, Stanford, beim ASCO-Kongress in Chicago vorstellte, wurde der Antikörper in Kombination mit Rituximab in Standarddosierung bei 22 Patienten mit rezidivierten oder refraktären follikulären Lymphomen und 

DLBCL getestet [23]. Die Therapie war gut verträglich, an Grad-3-Nebenwirkungen traten Schüttelfrost, Fieber und Anämie auf. Bei letzterer handelt es sich um ein transientes Phänomen, dass durch eine niedrige Dosierung von 5F9 bei der ersten Gabe stark abgemildert werden kann.

Mit einer Dosierung von 30 mg/kg und Woche wurde die maximal tolerierte Dosis nicht erreicht, wohl aber eine Abdeckung des CD47-Antigens auf peripheren Blutzellen von über 90%. Über alle getesteten Dosierungen hinweg lag die Gesamtansprechrate bei 50%, die Komplettremissionsrate bei 32%, wobei die follikulären Lymphome mit 71% bzw. 43% besser anzusprechen schienen als die DLBCL-Erkrankungen (40% bzw. 27%). Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 4,4 Monaten, so Advani, halten 90% der erzielten Remissionen an, darunter eine für bisher mehr als 13 Monate. Nach diesen vielversprechenden ersten Resultaten wird die Untersuchung des Antikörpers in Phase-II-Studien mit Patienten mit indolenten Lymphomen und DLBCL und der Dosierung von 30 mg/kg und Woche fortgeführt [24].

Chronische lymphatische Leukämie

MURANO: beeindruckende MRD-Daten

Beim ASH-Kongress 2017 waren die ersten Daten der MURANO-Studie vorgestellt worden, in der die Kombination aus Rituximab und Venetoclax in der Erstlinientherapie der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) dem herkömmlichen Regime aus Rituximab und Bendamustin deutlich überlegen war, was Ansprechraten und progressionsfreies Überleben anging [25]. Diese Therapiestrategie basiert auf der Erkenntnis, dass es zwischen CD20-Antikörpern und dem BCL2-Inhibitor synergistische Wirkungen gibt. In Chicago präsentierte Peter Hillmen, Leeds, nun die Daten zur minimalen Resterkrankung (MRD) [26]: Dabei zeigte sich, dass unter Venetoclax/Rituximab etwa 60% aller Patienten MRD-frei werden, während es unter der Immunchemotherapie nur zwischen 5% und 20% sind. Dieses tiefe Ansprechen erreichten die Patienten im experimentellen Arm unabhängig von der zytogenetischen Risikogruppe, also auch etwa bei Vorliegen einer 17p-Deletion oder einer p53-Mutation. Die MRD-Negativität war über die Zeit stabil.

CAPTIVATE: BTK- und BCL2-Hemmung kombiniert

Eine andere Chemotherapie-freie Zweierkombination, die in der Erstlinientherapie der CLL denkbar wäre, ist die aus Venetoclax und dem BTK-Inhibitor Ibrutinib. Sie wurde in der Phase-II-Studie CAPTIVATE getestet, wo die Patienten mit neu diagnostizierter und therapiebedürftiger CLL zunächst drei vierwöchige Zyklen Ibrutinib zum Debulking erhielten und anschließend Venetoclax mit der üblichen einschleichenden Dosierung über fünf Wochen hinzugegeben wurde [27]. Dadurch wird das Risiko für ein Tumorlyse-Syndrom weiter reduziert und die Sicherheit der Gabe dieser beiden hochwirksamen Substanzen erhöht, so William Wierda, Houston. 

Die klinische Ansprechrate lag bei 100%, wobei nach sechs Zyklen 77% der Patienten im peripheren Blut und 86% im Knochenmark MRD-negativ wurden. Diese MRD-Freiheit persistierte über die 15 Zyklen der Behandlung mit der Doublette. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte eine Randomisierung, mit der man versuchen will, die Therapiedauer in Abhängigkeit vom molekularen Ansprechen zu begrenzen: Die Patienten, die zu diesem Zeitpunkt MRD-negativ sind, werden in doppelblinder Weise entweder mit Ibrutinib oder mit Plazebo weiterbehandelt. Die Ergebnisse, die noch nicht verfügbar sind, werden zeigen, ob sich Patienten mit CLL mithilfe einer MRD-gesteuerten zeitlich begrenzten Therapie in eine tiefe Remission bringen lassen, die auch nach Ende der Behandlung anhält.

CLL11: Obinutuzumab verlängert auch das Gesamtüberleben

Im Presidential Symposium unter den „Best Abstracts“ konnte Valentin Goede, Köln, letztendlich die Überlebensdaten der CLL11-Studie der Deutschen CLL-Studiengruppe vorstellen. Zur Erinnerung: Darin waren ältere oder komorbide Patienten mit nicht vorbehandelter CLL im Verhältnis 1 : 2 : 2 auf die Therapie mit Chlorambucil alleine, in Kombination mit Rituximab oder mit dem neueren CD20-Antikörper Obinutuzumab randomisiert worden. Lange bekannt ist, dass der Obinutuzumab-Arm in Beziehung auf progressionsfreies Überleben und MRD-Negativität besser abschnitt als die beiden anderen Gruppen [28]. Nun konnte Goede erstmals Daten präsentieren, denen zufolge der Obinutuzumab-Arm auch beim Gesamtüberleben nach median 59,4 Monaten Nachbeobachtungsdauer nicht nur der Chlorambucil-Monotherapie, sondern auch dem Rituximab-Arm signifikant überlegen ist [29]: Der Medianwert ist unter Obinutuzumab-Chlorambucil noch nicht erreicht, während er unter Rituximab-Chlorambucil bei 73,1 Monaten lag (HR 0,76; p = 0,0245). 

Diese finale Auswertung der CLL11-Daten bestätigt Obinutuzumab als den wirksamsten CD20-Antikörper bei der CLL, weshalb die Deutsche CLL-Studiengruppe ihn auch in künftige Therapiestrategien einbaut: Noch wirksamer als die beschriebenen Zweierkombinationen könnten nämlich Tripeltherapien sein, und in der CLL13-Studie vergleicht die Studiengruppe daher in einem maximal systematisierten Design vier Arme miteinander, in denen die Patienten mit neu diagnostizierter CLL randomisiert entweder eine Standard-Immunchemotherapie (Rituximab mit Fludarabin-Cyclophosphamid oder Bendamustin), eine von zwei Zweierkombinationen (Rituximab oder Obinutuzumab jeweils mit Venetoclax) oder die Dreierkombination aus Obinutuzumab, Ibrutinib und Venetoclax erhalten [30]. Die Ergebnisse dieser Studie werden mit Sicherheit wegweisend für die Therapie der CLL sein.