Lungentumoren: Die Immuntherapie erweitert ihr Indikationsgebiet beim NSCLC

Die Thorax-Onkologie ist nach Jahrzehnten der Stagnation zu einer Vorzeigedisziplin geworden: Nach den zielgerichteten Therapien haben in den letzten Jahren die neuen Immuncheckpoint-Inhibitoren das Feld aufgemischt. Und diese Entwicklung ist noch lange nicht zum Abschluss gekommen: Neue Ansätze, zu denen bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago im Juni Ergebnisse präsentiert wurden, umfassen neben der Ausweitung der Immuntherapie auf das inoperable Stadium III die Anwendung von Kombinationen – zunächst vor allem von Immun- und Chemotherapien – mit denen sich die Prognose der Patienten wieder um ein Stück verbessern lässt. Wir berichten hier über einige der wichtigsten Neuerungen, über die in Chicago zu hören war.


Schlüsselwörter: NSCLC, inoperables Stadium III, Immuncheckpoint-Inhibition, Treibermutationen, zielgerichtete Therapien, SCLC, Immunkonjugate

 


NSCLC nicht metastasiert

Von den Fortschritten, die die Einführung der Checkpoint-Inhibition beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom brachte, haben für einige Jahre vor allem Patienten im metastasierten Stadium profitiert; nun kommt aber auch Bewegung in die Behandlung des Stadiums III, insbesondere für Patienten mit nicht metastasierten, aber auch nicht resezierbaren Tumoren. Die Standardtherapie in dieser Situation besteht seit vielen Jahren in einer simultanen Radiochemotherapie, mit der sich 4-Jahres-Überlebensraten von bis zu etwa 25% erzielen lassen (z. B. [1]). Eine Intensivierung der Chemo- oder der Strahlentherapie brachte keine weiteren Fortschritte, aber mit dem Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren scheint sich jetzt eine Wende anzubahnen: Theoretische Überlegungen lassen vermuten, dass eine Bestrahlung einen Tumor vulnerabler für Angriffe des Immunsystems macht, und in der Phase-III-Studie PACIFIC konnte eine einjährige konsolidierende Behandlung mit dem PD-L1-Antikörper Durvalumab nach der Radiochemotherapie tatsächlich die mediane progressionsfreie Überlebenszeit gegenüber der alleinigen Radiochemotherapie von 5,6 auf 16,8 Monate verdreifachen (Hazard Ratio 0,52; p < 0,001; [2]). Kurz nach Redaktionsschluss dieses Heftes werden die ersten Daten zum Gesamtüberleben beim World Congress on Lung Cancer (WCLC) präsentiert – Trillium Krebsmedizin wird darüber berichten. Aber auch andere Immuncheckpoint-Inhibitoren werden in dieser Indikation getestet: 

NSCLC Stadium III: weitere Checkpoint-Inhibitoren zur Konsolidierung

Beim ASCO-Kongress wurden erste Daten der einarmigen Phase-II-Studie LUN 14-179 des Hoosier Cancer Research Network vorgestellt, in der 93 Patienten mit nicht resezierbarem NSCLC im Stadium III ein Jahr lang den PD-1-Inhibitor Pembrolizumab zur Konsolidierung nach simultaner platinbasierter Chemotherapie und einer Bestrahlung mit 60–66 Gy erhalten haben [3]:

Wie Greg Andrew Durm, Indianapolis, berichtete, lag nach einem medianen Follow-up von 18,6 Monaten die mediane Zeit bis zu Fernmetastasierung oder Tod bei 22,4 Monaten, die 12-, 18- und 24-Monats-Raten bei 74,7%, 60,0% bzw. 49,9%; die dem Studiendesign zugrunde liegende Hypothese, dass die zusätzliche Immuntherapie das metastasenfreie Überleben von median zwölf auf mindestens 18 Monate verlängern würde, konnte damit bestätigt werden. Die mediane progressionsfreie Überlebensdauer lag bei 17,0 Monaten. Die Überlebensraten nach einem und nach zwei Jahren wurden auf 81% bzw. 61,9% geschätzt.

Die Behandlung war gut verträglich: 17,2% der Patienten entwickelten binnen median 8,4 Wochen eine Pneumonitis, die bei 5,4% vom Grad 3 oder 4 war und bei einem Patienten letal verlief. Abgesehen von Dyspnoe bei 5,4% der Patienten gab es keine anderen Grad-3/4-Toxizitäten. Im Vergleich zu historischen Kon­trollen waren das metastasen- und das progressionsfreie Überleben deutlich verbessert, und die Daten zum Gesamtüberleben sind vielversprechend, so Durm. 

Bei aller gebotenen Vorsicht gegenüber Vergleichen von unterschiedlichen Studien zeigt eine Gegenüberstellung dieser Daten und derjenigen aus der PACIFIC-Studie eine bemerkenswerte Übereinstimmung beim metastasen- und beim progressionsfreien Überleben in den experimentellen Gruppen (Tab. 1). Zahlreiche Fragen werden in diesem Kontext noch zu klären sein, beispielsweise die, ob alle PD-1- und PD-L1-Inhibitoren sich in dieser Indikation ähnlich verhalten in Bezug auf Wirksamkeit und Toxizität. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die optimale Dauer einer solchen Konsolidierungstherapie: Vielleicht bringt eine Ausdehnung über ein Jahr hinaus ja einen zusätzlichen Nutzen. In einer weiteren einarmigen Phase-II-Studie wird derzeit übrigens ein ähnliches Kollektiv von Patienten zur Konsolidierung nach simultaner Radiochemotherapie mit der Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab behandelt [4]; die Therapiedauer beträgt hier nur ein halbes Jahr.

NSCLC metastasiert ohne Treibermutationen

Pembrolizumab mono auch bei PD-L1 unter 50%?

In der KEYNOTE-024-Studie konnte ein Vorteil einer Immuntherapie mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab für Patienten mit nicht vorbehandeltem, nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom ohne Treibermutationen nachgewiesen werden, deren Tumoren eine starke Expression des PD-1-Liganden PD-L1 aufwiesen (Tumor Proportion Score (TPS) ≥ 50%; [5]) – unabhängig von der Histologie des Tumors (Plattenepithel- versus Nicht-Plattenepithelkarzinom). Für dieses Patientenkollektiv gilt derzeit auch die Zulassung des Antikörpers zur Erstlinien-Monotherapie. Die Daten einer Interims­analyse der globalen Phase-III-Studie KEYNOTE-042, die Gilberto Lopes, Miami, in der „Late-Breaking-Abstracts“-Sitzung des ASCO-Kongresses vorstellte, zeigen, dass Pembrolizumab in der Erstlinie auch dann einer Chemotherapie überlegen ist, wenn man alle Patienten mit einer PD-L1-Expression von mindestens 1% (Tumor Proportion Score, TPS) einschließt [6]: 

In der Studie wurden insgesamt 1.274 solche Patienten entweder auf Pembrolizumab (maximal zwei Jahre) oder auf eine platinbasierte Chemotherapie randomisiert (eine Kombination aus Carboplatin und Paclitaxel oder Pemetrexed). Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben in drei verschiedenen, überlappenden Strata von Patienten: bei solchen mit einem TPS von ≥ 50%, ≥ 20% oder ≥ 1%. 

In allen drei Gruppen war das Überleben unter dem Checkpoint-Inhibitor signifikant besser als unter der Chemotherapie (TPS ≥ 50%: median 20,0 vs. 12,2 Monate; HR 0,69; p = 0,0003; TPS ≥ 20%: 17,7 vs. 13,0 Monate; HR 0,77; p = 0,020), TPS ≥ 1%: 16,7 vs. 12,1 Monate; HR 0,81; p = 0,0018). Wurde die Analyse allerdings auf die Patienten beschränkt, die einen TPS von ≥ 1%, aber < 50% aufgewiesen hatten, fiel der Unterschied nicht mehr signifikant aus (median 13,4 vs. 12,1 Monate; HR 0,92; 95%-Konfidenzintervall 0,77–1,11). Bei der Dauer des Ansprechens war Pem­brolizumab deutlich überlegen (für TPS ≥ 1%: 20,2 vs. 8,3 Monate), aber beim progressionsfreien Überleben war kein Unterschied zwischen den Armen zu erkennen (TPS ≥ 1%: HR 1,07; 95%-KI 0,94–1,21). Ein externes Gutachtergremium empfahl deshalb, die Studie fortzusetzen, um das progressionsfreie Überleben für längere Nachbeobachtungszeiten analysieren zu können. Weitergehende Analysen werden ebenfalls nötig sein, um zu bestimmen, ob Pembrolizumab in der Erstlinie künftig auch eine Rolle bei Patienten mit einem TPS von unter 50% spielen kann.

Checkpoint-Inhibitoren in Kombination mit Chemotherapie: Pembrolizumab …

Neben der Erstlinienzulassung als Monotherapie bei Patienten mit mindestens 50% PD-L1-Expression unabhängig von der Histologie ist Pembrolizumab mittlerweile bei Nicht-Plattenepithelkarzinomen ohne Treibermutationen auch in Kombination mit einer Chemotherapie aus Carboplatin und Pemetrexed unabhängig von der PD-L1-Expression zugelassen – basierend auf einer Verlängerung des Gesamtüberlebens in der KEYNOTE-189-Studie. Logischerweise wurde dieser Ansatz nun in der Phase-III-Studie 

KEYNOTE-407 auch bei Tumoren mit plattenepithelialer Histologie getestet: 559 solche Patienten erhielten eine Chemotherapie aus Carboplatin und entweder Paclitaxel oder nab-Paclitaxel, und die Hälfte von ihnen wurde randomisiert, zusätzlich zwei Jahre lang mit Pembrolizumab behandelt zu werden. 

In der zweiten Interimsanalyse nach median acht Monaten Follow-up, die Luis Paz-Ares, Madrid, in Chicago vorstellte [7], war die Kombination aus Immun- und Chemotherapie nicht nur bei der Gesamtansprechrate (58,4% vs. 35,0%; p = 0,0004), sondern auch bei allen zeitabhängigen Outcome-Parametern signifikant überlegen: Beim primären Endpunkt progressionsfreies Überleben (bei verblindeter unabhängiger Auswertung) schnitt der experimentelle Arm mit median 6,4 versus 4,8 Monaten ebenso deutlich besser ab (HR 0,56, p < 0,0001) wie beim ko-primären Endpunkt Gesamtüberleben (median 15,9 vs. 11,3 Monate); das Mortalitätsrisiko wurde damit um etwa ein Drittel reduziert (HR 0,64; p = 0,0008). Diese Überlegenheit war sowohl beim progressionsfreien als auch beim Gesamtüberleben unabhängig von der Höhe der PD-L1-Expression (Tab. 2).

Bezüglich der Toxizität unterschieden sich beide Arme nicht wesentlich: Im Pembrolizumab-Arm unterbrachen etwas mehr Patienten die Behandlung wegen Nebenwirkungen, aber die Raten waren insgesamt niedrig. Pembrolizumab war insgesamt mit mehr immunologisch bedingten Grad-3–5-Toxizitäten assoziiert (10,8% vs. 3,2%), aber dieser Anteil war nicht höher als man ihn von der Monotherapie mit dem Checkpoint-Inhibitor kennt.

Diese Daten werden sicherlich zu einer Zulassungserweiterung und dazu führen, dass die Kombination aus Chemotherapie und Pembrolizumab zu einem neuen Standard in der Erstlinienbehandlung auch des metastasierten Platten­epithelkarzinoms der Lunge wird, und zwar unabhängig von der Höhe der PD-L1-Expression. Dass die Daten für die Patienten ohne PD-L1-Expression ebenso gut sind wie für die mit einer hohen Expression, spricht im Vergleich mit der KEYNOTE-042-Studie dafür, dass die Chemotherapie das Ansprechen der Tumorzellen auf die Immuntherapie verbessert.

… Nivolumab und …

CheckMate-227 ist eine Phase-III-Studie, in der – auch mit deutscher Beteiligung – mehrere Therapieregimes randomisiert miteinander verglichen wurden. Eine frühere Analyse hatte bereits gezeigt, dass die Kombination aus dem PD-1-Inhibitor Nivolumab und dem CTLA4-Inhibitor Ipilimumab hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens einer platinbasierten Chemotherapie-Doublette bei Patienten mit einer Tumor-Mutationslast von mindestens 10 Mutationen/Mb überlegen ist [8]. Eine weitere, rein deskriptive Analyse, die Hossein Borghaei, Philadelphia, beim ASCO-Kongress vorstellte, verglich die beiden Arme, in denen 363 nicht vorbehandelte Patienten mit NSCLC und einer PD-L1-Expression von unter 1% die Chemotherapie entweder alleine oder in Kombination mit Nivolumab (für maximal zwei Jahre) erhalten hatten [9]. 

Nach einer Nachbeobachtungszeit von mindestens 11,2 Monaten fiel das progressionsfreie Überleben, das hier den sekundären Endpunkt darstellte, mit median 5,6 versus 4,7 Monaten (HR 0,74; 95%-KI 0,58–0,94) zugunsten des Immunchemotherapie-Arms aus. Das galt für die meisten untersuchten Subgruppen, wobei Patienten mit Nicht-Platten­epithelkarzinomen deutlich stärker profitierten (HR 0,68) als jene mit plattenepithelialer Histologie (HR 0,92); weil in letzterem Stratum allerdings deutlich weniger Patienten eingeschlossen worden waren, lassen sich daraus keine zuverlässigen Schlussfolgerungen ziehen. Auch hier schien allerdings eine Tumor-Mutationslast von mindestens 10 Mutationen/Mb Voraussetzung für einen Nutzen der zusätzlichen Immuntherapie zu sein (HR 0,56 vs. 0,87 bei < 10 Mutationen/Mb). Bei hoher Tumor-Mutationslast profitieren auch die Patienten mit PD-L1-Expression < 1% noch von Nivolumab (PFS median 6,2 vs. 5,3 Monate; HR 0,56 versus Chemotherapie alleine), wenngleich die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab hier noch erfolgreicher ist (median 7,7 Monate; HR 0,48 versus Chemotherapie).

Nebenwirkungen, derentwegen die Therapie abgebrochen werden musste, traten im Immunchemotherapie-Arm nicht häufiger auf als unter der reinen Chemotherapie (13% vs. 14%). Damit scheint klar zu sein, dass die Zugabe von Nivolumab zur Chemotherapie selbst bei praktisch fehlender PD-L1-Expression das progressionsfreie Überleben verbessert. In einem zweiten Teil der CheckMate-227-Studie werden auch die übrigen Strata bezüglich der PD-L1-Expression ausgewertet werden, um ein umfassendes Bild von der Wirkung dieser Immun-Chemotherapie-Kombinationsstrategie zu erhalten.

… Atezolizumab

Der PD-L1-Antikörper Atezolizumab ist als Monotherapie beim fortgeschrittenen NSCLC nach Versagen einer Chemotherapie zugelassen; Patienten mit Treibermutationen in ihren Tumoren sollten vorher bereits eine zielgerichtete Therapie bekommen haben. Die Überlebensverlängerung unter Atezolizumab gegenüber einer Zweitlinien-Chemotherapie mit Docetaxel in der Zulassungsstudie OAK war unabhängig von der PD-L1-Expression oder der Histologie des Tumors [10]. In der Erstlinien-Studie Impower131 wurde nun entsprechend der Hypothese, dass eine zytostatische Therapie eine positive Immunmodulation bewirken kann, der Checkpoint-Inhibitor mit einer klassischen Erstlinien-Chemotherapie kombiniert: Die 1.021 Patienten mit nicht vorbehandeltem Platten­epithelkarzinom im Stadium IV wurden in drei Arme randomisiert und erhielten Atezolizumab in Kombination mit Carboplatin und entweder Paclitaxel oder nab-Paclitaxel oder letztere Chemotherapie-Doublette alleine. Die Chemotherapie wurde für vier oder sechs Zy­klen gegeben, der Checkpoint-Inhibitor bis zum Verlust eines klinischen Nutzens [11].

Robert Jotte, Denver, präsentierte in Chicago die ersten Analysen zum primären Endpunkt, für den die beiden nab-Paclitaxel-Arme bezüglich des von den Prüfärzten beurteilten progressionsfreien Überlebens verglichen wurden. Der Atezolizumab-Arm schnitt hier mit median 6,3 versus 5,6 Monaten signifikant besser ab: Das Risiko für Progression oder Tod wurde relativ um beinahe 30% reduziert (HR 0,715; p = 0,0001; Tab. 3). Der Nutzen der Checkpoint-Inhibition war stärker in allen Subgruppen mit PD-L1-Expression im Tumor und war bei den Patienten mit den höchsten Konzentrationen des Liganden am stärksten ausgeprägt (medianes progressionsfreies Überleben 10,1 vs. 5,5 Monate; HR 0,44; 95%-KI 0,27–0,71). Auch die Ansprechraten unterschieden sich in dieser Subgruppe am stärksten (60% vs. 33%). Beim Gesamtüberleben, so Jotte, ist im Gesamtkollektiv noch kein Unterschied bei den Medianwerten zu erkennen (14,0 vs. 13,9 Monaten; HR 0,96; p = 0,6931), aber die Kurven beginnen sich nach etwa eineinhalb Jahren zu trennen, und bei den 24-Monats-Raten ist mit 31,9% versus 24,1% schon eine Differenz sichtbar; es bleibt abzuwarten, ob die Aufspaltung nach längerem Follow-up noch stärker und signifikant wird. In der Subgruppe mit der höchsten PD-L1-Expression ist sie bereits ziemlich deutlich (median 23,6 vs. 14,1 Monate; HR 0,56; 95%-KI 0,32–0,99). 

Die Toxizität war handhabbar und auf beide Arme etwa gleich verteilt, lediglich schwere therapiebedingte Nebenwirkungen waren im Atezolizumab-Arm ungefähr doppelt so häufig wie im Chemotherapie-Arm (20,4% vs. 10,5%).

Noch wirksamer mit drei Modalitäten?

Die Wiederherstellung der Anti-Tumor-Aktivität von T-Lymphozyten durch Immuncheckpoint-Inhibitoren könnte theoretisch noch durch die Hemmung des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) verstärkt werden, weil dieser auch immunsuppressiv wirksam ist. Außerdem könnte eine dadurch induzierte Normalisierung der Gefäßversorgung des Tumors dessen Infiltration mit T-Zellen begünstigen. In einer weiteren Phase-III-Studie, der IMpower150-Studie, wurden deshalb 1.202 Patienten mit nicht vorbehandeltem fortgeschrittenem Nicht-Plattenepithelkarzinom in drei Gruppen randomisiert: Sie erhielten eine Kombination aus Atezolizumab und einer Carboplatin-Paclitaxel-Chemotherapie entweder alleine oder zusammen mit dem VEGF-Antikörper Bevacizumab oder aber in einem dritten Arm die Chemotherapie und Bevacizumab ohne den PD-L1-Inhibitor – eine Kombination, die in dieser Indikation bereits zugelassen ist. Die Resultate zum Vergleich des zweiten und dritten Arms, die Mark Socinski, Orlando, in Chicago vorstellte [12], wurden zeitgleich auch voll publiziert [13]: 

Ein primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben in der Intention-to-treat-Population der Patienten ohne EGFR- oder ALK-Mutationen. Durch die Zugabe von Atezolizumab zur Kombination aus Chemo- und anti-angiogenetischer Therapie konnte es von median 6,8 auf 8,3 Monate verlängert werden (HR 0,62; p < 0,001; Abb. 1). In der Subgruppenanalyse profitierten alle untersuchten Subpopulationen, auch die Patienten mit EGFR- oder ALK-Mutationen. Der Vorteil durch Atezolizumab war umso ausgeprägter, je stärker die PD-L1-Expression auf Tumor- (TC) ebenso wie auf Immunzellen (IC) ausfiel. Auch hohe Expressionswerte bei einer Gensignatur, die die Aktivität von Effektor-T-Zellen beschreibt (Teff), waren mit größeren Vorteilen durch die Zugabe des Checkpoint-Inhibitors assoziiert. 

Beim ko-primären Endpunkt des Gesamtüberlebens in derselben Population war die Kombination der drei systemischen Therapiemodalitäten (Immun-, Chemo- und antoangiogenetische Therapie) der Kombination aus Chemotherapie und Angiogenese-Inhibitor nach median 13,5 Monaten ebenfalls signifikant überlegen (median 19,2 vs. 14,7 Monate; HR 0,78; p = 0,016; Abb. 2). Der Arm mit Atezolizumab und Chemotherapie ohne Bevacizumab hingegen schnitt gegenüber Chemotherapie plus Bevacizumab nicht signifikant besser ab (HR 0,88; p = 0,204).

In Subgruppenanalysen zum Gesamtüberleben zeigten sich einige bemerkenswerte Sachverhalte (Tab. 4): Bei Patienten mit EGFR- oder ALK-Mutationen konnte Atezolizumab das Mortalitätsrisiko beinahe halbieren (HR 0,54; 95%-KI 0,29–1,03), ebenso bei denjenigen, die bei Diagnose bereits Lebermetastasen aufgewiesen hatten (HR 0,54; 95%-KI 0,33–0,88). Die Subgruppen mit den verschiedenen Immunsignaturen unterschieden sich hier nicht so stark wie beim progressionsfreien Überleben.

Die Zugabe von Atezolizumab zur Kombination aus einer platinbasierten Chemotherapie-Doublette mit Bevacizumab verbessert also das progressionsfreie ebenso wie das Gesamtüberleben beim unbehandelten metastasierten Nicht-Plattenepithelkarzinom. Das gilt unabhängig von der Höhe der PD-L1-Expression und der Aktivität von Effektor-T-Zellen, wenngleich höhere Expression bzw. Aktivität die Wirksamkeit des PD-L1-Inhibitors noch zu erhöhen scheinen. 

Checkpoint-Inhibition: Vorsicht bei Steroid-Gabe!

Immunologisch bedingte unerwünschte Nebenwirkungen, die unter Checkpoint-Inhibitoren auftreten können, werden häufig mit Steroiden behandelt; erstaunlicherweise scheint das den Therapieerfolg nicht zu beeinträchtigen. Anders verhält es sich möglicherweise mit Steroidtherapien, die Patienten schon zu Beginn der Immuntherapie erhalten; genaueres ist darüber nicht bekannt, weil solche Patienten normalerweise nicht in klinische Studien mit Checkpoint-Inhibitoren eingeschlossen werden. Da Steroide in der Onkologie aber häufig und in vielen Indikationen eingesetzt werden, sahen sich Kollegen vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York und vom Gustave Roussy Cancer Center in Villejuif retrospektiv die Krankengeschichten von 640 Patienten an, die in diesen beiden Institutionen wegen eines fortgeschrittenen NSCLC mit einem PD-1- oder PD-L1-Inhibitor behandelt worden waren [14]; die Daten sind mittlerweile auch voll publiziert [15]. Unter diesen 640 Patienten fanden sich 90 (14%), die bei Beginn dieser Immun­therapie Kortikosteroide in einer Dosierung von mindestens 10 mg Prednison-Äquivalenten bekommen hatten, so Kathryn Arbour, New York. Gründe dafür waren bei einem Drittel von ihnen Dyspnoe und bei je rund einem Fünftel Fatigue bzw. Hirnmetastasen gewesen.

 

In beiden Kohorten war die hochdosierte Steroidtherapie mit schlechteren Ergebnissen bei Ansprechrate, progressionsfreiem und Gesamtüberleben assoziiert (Tab. 5). Auch in der gepoolten Analyse aller Patienten waren diese Unterschiede signifikant (Ansprechen: p = 0,05, progressionsfreies Überleben: p = 0,03, Gesamtüberleben: p < 0,001). In einer multivariaten Analyse der gepoolten Kohorten war die Anwendung hochdosierter Steroide bei Beginn neben dem Raucherstatus, dem ECOG-Performancestatus und dem Vorliegen von Hirnmetastasen ein unabhängiger Prognosefaktor für alle drei Outcome-Parameter Gesamtansprechen (HR 0,42; p = 0,053), progressionsfreies Überleben (HR 1,31; p = 0,03) und Gesamtüberleben (HR1,66; p < 0,001).

Die Anwendung von Kortikosteroiden bei Krebspatienten, so Arbours Schlussfolgerung, sollte also unter sehr sorgfältiger Abwägung erfolgen, wenn eine Behandlung mit einem PD-1- oder PD-L1-Inhibitor sinnvoll erscheint. Allerdings sollte man bei Vorliegen von Hirnmetastasen nicht auf die Steroidtherapie verzichten. Unklar bleibt bis auf Weiteres, welche Rolle die Immunsuppressiva bei Patienten spielen, die Checkpoint-Inhibitoren in Kombination mit einer Chemotherapie erhalten.

NSCLC mit Treibermutationen

Vor einer Immuntherapie genau hinsehen!

Patienten mit NSCLC und einer Treibermutation, für die spezifische Inhibitoren zugelassen sind, werden normalerweise aus Studien zur Immuncheckpoint-Inhibition ausgeschlossen, weil sie primär mit diesen zielgerichteten Therapien behandelt werden sollen. Um eine erste Antwort auf die dennoch interessante Frage zu erhalten, wie diese Tumoren auf Checkpoint-Inhibitoren ansprechen, wurden in der internationalen ImmunoTarget-Studie retrospektiv in 25 Zentren die Daten von 527 solchen Patienten gesammelt, die Checkpoint-Inhibitoren, in erster Linie PD-1-Inhibitoren erhalten hatten, fast immer in einer rezidivierten Situation [16]. Bei knapp der Hälfte der Patienten, so Julien Mazières, Toulouse, hatte der Tumor KRAS-Mutationen aufgewiesen, bei etwa einem Fünftel EGFR-Mutationen, die übrigen beim NSCLC auftretenden Mutationen waren mit geringeren Anteilen vertreten. 

Die Rate für das beste Ansprechen lag insgesamt bei 19%, die Medianwerte für progressionsfreies und Gesamtüberleben bei 2,8 bzw. 13,3 Monaten. Wie Tab. 6 zeigt, unterschieden sich die verschiedenen Subgruppen aber teilweise deutlich: MET- und ALK-Alterationen schnitten am besten ab, wobei allerdings die geringen Fallzahlen die Interpretation erschweren. Bei den beiden größten Subgruppen ist ein deutlicher Unterschied zu erkennen: Patienten mit KRAS-Mutation zeigten wesentlich bessere Werte für Ansprechen ebenso wie für die Überlebensdaten als jene mit EGFR-Mutationen (Tab. 6); beim progressionsfreien Überleben war der Unterschied signifikant (p < 0,001). Unter den verschiedenen EGFR-Mutationen stach die Resistenzmutation T790M dadurch hervor, dass das progressionsfreie Überleben bei den betroffenen Patienten deutlich und hochsignifikant kürzer war als bei den übrigen Mutationen (p = 0,0001). Bei den verschiedenen Mutationen von KRAS zeigten sich hingegen keine nennenswerten Unterschiede. Unter den Mutationen von MET sprachen jene des Exons 14 am besten auf die Checkpoint-Inhibition an. In der Gesamtpopulation, nicht hingegen bei den Patienten mit EGFR-Mutationen wirkten sich Rauchen (p = 0,003) und das Ausmaß der Expression von PD-L1 positiv auf das progressionsfreie Überleben aus.

Die Auswirkungen der verschiedenen bekannten Treibermutationen auf die Wirksamkeit von PD-1-Inhibitoren ist also sehr unterschiedlich, so Mazières Fazit: Während KRAS-, MET-Exon-14- (und auch BRAF-)Mutationen mit einer günstigeren Prognose unter dieser Therapie assoziiert sind, scheinen Patienten mit EGFR-, ALK- und RET-Mutationen einen geringeren Nutzen daraus zu ziehen. Generell sind zielgerichtete Therapien bei entsprechender Indikation, also bei Vorliegen der betreffenden Mutationen, wirksamer als Immuntherapien, weshalb diese erst eingesetzt werden sollten, nachdem die zielgerichteten Substanzen nicht mehr wirken. Rauchen und die PD-L1-Expression könnten brauchbare Selektionskriterien in dieser Situation sein, aber insgesamt ist es erforderlich, in Studien weitere Biomarker wie zum Beispiel Immuninfiltrate oder die Tumor-Mutationslast zu untersuchen. Ebenfalls wünschenswert wären laut Mazières Studien, in denen Checkpoint-Inhibitoren bei diesen Patienten (ebenso wie in den oben beschriebenen Studien in der Erstlinientherapie) mit Chemotherapien und eventuell auch mit Angiogenese-Hemmern kombiniert werden. 

Neuer Erstlinien-Standard bei EGFR-mutiertem NSCLC

NSCLC mit aktivierenden Mutationen im Gen für den Rezeptor für epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR) zählten zu den ersten Tumoren, bei denen Therapien von genetischen Veränderungen im Tumor abhängig gemacht wurden. 

EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) wie Gefitinib, Erlotinib oder Afatinib werden ausschließlich bei Patienten eingesetzt, die solche Mutationen aufweisen, weil die anderen keinen Nutzen von ihnen haben. Der neue EGFR-TKI Dacomitinib wird derzeit in der Phase-III-Studie ARCHER 1050 gegen die Erstgenerations-Substanz Gefitinib getestet. Beim primären Endpunkt progressionsfreies Überleben hatte sich ebenso wie bei Remissionsdauer und Zeit bis zum Therapieversagen bereits ein signifikanter Vorteil für Dacomitinib gezeigt [17]. Beim ASCO-Kongress konnte Tony Mok, Hongkong, nun die Daten zum Gesamtüberleben vorstellen [18], die zeitgleich auch publiziert wurden [19]:

Von den 452 Patienten hatte je die Hälfte randomisiert Dacomitinib (45 mg/d) oder Gefitinib (250 mg/d) erhalten. Nachdem knapp die Hälfte der Patienten verstorben waren, wurde die Analyse des Überlebens vorgenommen, die laut Mok in der Gesamtpopulation signifikant zugunsten von Dacomitinib ausfiel (median 34,1 vs. 26,8 Monate; 30-Monats-Überlebensraten 56,2% vs. 46,3%; HR 0,760; p = 0,044). Die Subgruppenanalysen zeigten in den meisten Subgruppen (z. B. asiatische und nicht-asiatische Patienten, Art der EGFR-Mutation) zumindest einen Trend in die gleiche Richtung, wenngleich hier noch nirgends statistische Signifikanz erreicht wurde – nicht verwunderlich angesichts der Tatsache, dass es sich hier um teilweise sehr niedrige Patientenzahlen handelt und in einigen Subgruppen mehr als die Hälfte der Patienten in der Analyse noch zensiert werden mussten.

Dacomitinib, so Mok, stellt sich mit diesen Ergebnissen als eine neue Standard-Therapieoption für Patienten mit NSCLC und EGFR-Mutationen dar.

TKI mit Chemotherapie kombinieren …

Auch bei den NSCLC-Erkrankungen mit Treibermutationen wird seit Kurzem mit Kombinationen der dafür zugelassenen Monotherapien (TKIs) mit Chemotherapien experimentiert. In der randomisierten japanischen Phase-II-Studie NEJ005 hatte die simultane Kombination aus Gefitinib und einer Carboplatin-Pemetrexed-Chemotherapie mit einem medianen progressionsfreien Überleben von 17,5 und einem medianen Gesamtüberleben von 41,9 Monaten hervorragende Ergebnisse gebracht und insbesondere besser abgeschnitten als eine sequenzielle TKI-Chemotherapie [20]. In Chicago konnte Atsushi Nakamura, Sendai, über die Resultate der Phase-III-Studie NEJ009 berichten, die diese vorläufigen Ergebnisse noch weit übertrafen [21]:

Insgesamt 344 Patienten der Intention-to-treat-Population hatten im experimentellen Arm Gefitinib und vier bis sechs Zyklen Carboplatin/Pemetrexed sowie zur Erhaltung Gefitinib täglich und Pemetrexed alle drei Wochen erhalten. Im Kontrollarm war zunächst nur Gefitinib gegeben und im Falle einer Progression der Erkrankung im Protokoll eine platinbasierte Chemotherapie empfohlen worden. Die TKI-Chemotherapie-Kombination war der alleinigen TKI-Therapie beim progressionsfreien Überleben mit median 20,9 versus 11,2 Monaten signifikant überlegen (HR 0,493; p < 0,001). Obwohl sich beim Vergleich zwischen dem progressionsfreien Überleben im experimentellen Arm und der Zeit bis zu einer Progression nach der Zweitlinien-Chemotherapie im Kontrollarm (PFS2) kein Unterschied zeigte, war die Kombination beim Gesamtüberleben mit median 52,2 gegenüber 38,8 Monaten wiede­rum deutlich und signifikant besser (HR 0,695; p = 0,013). 

Hämatologische Toxizitäten waren unter der Kombination deutlich häufiger, führten aber nur selten zum Therapieabbruch. Offensichtlich, so Nakamura, ist die Verlängerung der Progressionsfreiheit unter der Ersttherapie durch die Zugabe der Chemotherapie entscheidend für die Verlängerung des Gesamtüberlebens: Was man hier versäumt, kann durch die sequenzielle Gabe von Chemotherapie nach TKI nicht mehr kompensiert werden.

… oder mit Angiogenese-Inhibitor?

Eine andere Kombinationsstrategie verfolgt die japanische Studiengruppe mit ihrer Phase-III-Studie NEJ026, in der 228 Patienten mit nicht vorbehandeltem nicht-plattenepithelialem Tumor mit EGFR-Mutation randomisiert wurden, den EGFR-TKI Erlotinib allein oder zusammen mit dem VEGF-Antikörper Bevacizumab zu erhalten [22]. Die gleiche Kombination hatte in einer Phase-III-Studie in der Zweitlinie keinen signifikanten Überlebensvorteil gebracht [23], aber in einer randomisierten japanischen Phase-II-Studie war das Risiko für Progression oder Tod in der Erstlinie beinahe halbiert worden [24]. Primärer Endpunkt in der jetzt in Chicago von Naoki Furuya, Kawasaki, vorgestellten Phase-III-Studie war das unabhängig beurteilte progressionsfreie Überleben, bei dem sich nach median 12,4 Monaten ein si­gnifikanter Vorteil für den Kombinationsarm ergab (median 16,9 vs. 13,3 Monate; HR 0,605; p = 0,0157), der bei allen untersuchten Subgruppen – auch bei den verschiedenen EGFR-Mutationstypen – gleichermaßen zu sehen war. Die Kombination war gut verträglich, trotz signifikant häufigerem Vorkommen von Blutungen, Proteinurie und Hypertonus, und die japanischen Kollegen sehen damit auch Erlotinib/Bevacizumab als einen neuen Standard beim EGFR-mutierten NSCLC an.

Unklar bleibt allerdings, ob die Zugabe von Bevacizumab zum EGFR-TKI auch einen Überlebensvorteil bringt: In der NEJ026-Studie liegen die entsprechenden Daten noch nicht vor, in der genannten Phase-II-Studie mit 152 Patienten mit nicht-plattenepithelialem 

NSCLC der Stadien IIIb oder IV hatte die Kombination aus Erlotinib und Bevacizumab ebenfalls das progressionsfreie Überleben verlängert [25], aber in Chicago berichtete Noboru Yamamoto, Tokyo, nun, dass in der Überlebensanalyse mit median 47,0 versus 47,4 Monaten kein Vorteil zu erkennen war [26]. Die Hazard Ratio von 0,81 (p =  0,3267) und die geschätzten 5-Jahres-Überlebensraten von 41% versus 35% lassen zwar einen leichten Trend zugunsten der Kombination vermuten, aber offensichtlich hatte sich der Vorteil beim progressionsfreien Überleben nicht direkt in einen solchen beim Gesamtüberleben umsetzen lassen.

Auch bei ALK-Rearrangements kombinieren

Lungentumoren mit Translokationen des Gens für die anaplastische Lymphomkinase (ALK) werden erfolgreich mit ALK-Inhibitoren behandelt, aber die damit erzielten Remissionen sind zeitlich begrenzt, sodass fieberhaft nach ergänzenden Strategien gesucht wird. ALK-mutierte Tumoren scheinen auf Checkpoint-Inhibitoren schlecht anzusprechen, aber präklinische Daten lassen vermuten, dass es in Kombination mit ALK-Inhibitoren synergistische Wirkungen gibt, und das womöglich sogar unabhängig vom ALK-Mutationsstatus. Beim ASCO-Kongress wurden zwei Phase-Ib-Studien vorgestellt, in denen ALK-Inhibitoren mit PD-L1-Antikörpern kombiniert wurden:

Der PD-L1-Inhibitor Avelumab ist bisher zur Behandlung des Merkelzell-Karzinoms und in den USA auch des rezidivierten Urothelkarzinoms zugelassen. In der globalen Phase-Ib-Studie JAVELIN Lung 101 wurden zwölf Patienten mit ALK-negativem und 28 mit ALK-positivem NSCLC eingeschlossen [27]. Die Patienten ohne ALK-Mutation erhielten eine Kombination aus Avelumab und dem Erstgenerations-ALK-Inhibitor Crizotinib, während der Antikörper bei denjenigen mit ALK-Translokationen mit dem Drittgenerations-Inhibitor Lorlatinib kombiniert wurde, so Alice Shaw, Boston. Während die Ansprechrate in der ALK-negativen Kohorte mit 16,7% niedrig und die Rate an Grad-3/4-Nebenwirkungen relativ hoch war, erwies sich Avelumab plus Lorlatinib bei den Patienten mit ALK-mutierten Tumoren (die mindestens zwei Vortherapien bekommen hatten) als gut verträglich und wirksam, mit einer Ansprechrate von 46,4% (eine komplette und zwölf partielle Remissionen und darüber hinaus sechs Krankheitsstabilisierungen). Diese Kombination wird daher in einer Phase-II-Fortführung der Studie intensiver untersucht werden.

Alectinib ist der bislang wirksamste zugelassene ALK-Inhibitor und kann insbesondere die Blut-Hirn-Schranke passieren, sodass er beträchtliche Aktivität auch bei Hirnmetastasen zeigt. In der Erstlinien-Studie ALEX konnte er gegenüber Crizotinib die progressionsfreie Überlebensdauer mehr als verdreifachen [28], insbesondere bei Patienten mit Hirnmetastasen [29]. Der PD-L1-Antikörper Atezolizumab hatte in der Zweitlinien-Studie OAK gegenüber einer Chemotherapie das Gesamtüberleben signifikant verlängert [10]. Ebenfalls in einer Phase-Ib-Studie wurden Alectinib und Atezolizumab deshalb bei bislang unbehandelten Patienten mit ALK-mutiertem NSCLC miteinander kombiniert [30]. Eingeschlossen werden konnten auch Patienten mit unbehandelten und asymptomatischen Hirnmetastasen, wie Dong-Wan Kim, Seoul, berichtete.

Nebenwirkungen waren höchstens vom Grad 3 (62%), davon 33% schwerwiegend. Nach median 13 Monaten Nachbeobachtung lag die Gesamtansprechrate bei 81%, die mediane Dauer des Ansprechens bei 20,3 und die mediane progressionsfreie Überlebenszeit bei 21,7 Monaten. Lediglich sechs der 21 Patienten hatten bis zum Zeitpunkt der Auswertung eine Progression gezeigt. Alectinib war mit einer Woche Vorlauf vor dem Checkpoint-Inhibitor dosiert worden, und nach dieser Woche zeigte sich ein Anstieg der CD8-positiven 

T-Lymphozyten. Diese Ergebnisse – gute Verträglichkeit und Wirksamkeit der Kombination – sind ermutigend, so Kim, wenngleich man längere Beobachtungszeiten abwarten muss, ehe sich weiterführende Schlussfolgerungen daraus ziehen lassen.

SCLC: Hoffnung auf Immunkonjugat

Das fortgeschrittene kleinzellige Lungenkarzinom (SCLC) ist eine therapeutisch schwierige Entität: Es spricht zwar gut auf eine Erstlinien-Chemotherapie an, rezidiviert aber meist sehr früh mit dann ausgesprochen schlechter Prognose. Spätestens ab der Drittlinie gibt es keine zugelassenen Therapien mehr, und in retrospektiven Kohortenanalysen liegt die progressionsfreie Überlebenszeit hier bei etwas über zwei Monaten und die Gesamtüberlebensdauer bei rund viereinhalb Monaten. 

Ein neuer Therapieansatz beruht darauf, dass neuroendokrine Tumoren wie das SCLC häufig den Oberflächenmarker DLL3 (Delta-like Protein 3) exprimieren, gegen den das Antikörper-Medikamenten-Konjugat Rovalpituzumab Tesirine (Rova-T) entwickelt wurde: Der darin enthaltene Antikörper bindet an den DLL3-Rezeptor und wird damit in die Zellen aufgenommen. Im sauren Milieu der Lysosomen wird sodann das an den Antikörper gekoppelte, hochwirksame Zytostatikum freigesetzt, das seine Wirkung damit nahezu ausschließlich in den Tumorzellen entfalten kann.

Etwa 85% der SCLC-Tumoren exprimieren DLL3: Das war die Rationale für eine Phase-I-Studie, in der bei Tumoren mit hoher DLL3-Expression eine Ansprechrate von 31% erzielt werden konnte [31]. In der Phase-II-Studie TRINITY erhielten daraufhin 339 Patienten mit DLL3-positivem SCLC das Immunkonjugat; 70% von ihnen zeigten eine hohe Expression des Antigens (auf ≥ 75% aller Zellen). Primäre Endpunkte waren die objektive Ansprechrate und das Gesamtüberleben: Sie lagen bei 18% bzw. median 5,6 Monaten bei allen Patienten und bei 19,7% bzw. median 5,7 Monaten bei denen mit hoher DLL3-Expression. Ein klinischer Nutzen, d. h. mindestens eine Krankheitsstabilisierung (die auch mit einer Überlebensverlängerung assoziiert ist), war bei etwas über 70% der Patienten zu beobachten.

Diese Ergebnisse sind so vielversprechend, dass Rova-T derzeit in einer Reihe weiterer Studien beim SCLC getestet wird: In der Phase-III-Studie TAHOE werden Patienten in der Zweitlinie behandelt [32], in der MERU-Studie (ebenfalls Phase III; [33]) wird es bereits in der Erstlinie eingesetzt. Darüber hinaus sind Phase-I-Studien geplant, in denen das Immunkonjugat mit Chemotherapie sowie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren kombiniert werden soll.

Auch zum SCLC werden die Herbstkongresse 2018 (WCLC und ESMO) neue Daten bringen, über die Trillium Krebsmedizin berichten wird.

Autoren
PD Dr. med. David Heigener
Prof. Dr. med. Martin Reck
Onkologischer Schwerpunkt LungenClinic Grosshansdorf GmbH