Neues zu Prostata-, Urothel- und Nierenzellkarzinom
ASCO 2018, Chicago
Die Uro-Onkologie ist in einem ständigen Wandel begriffen. Nach der Einführung neuer Chemotherapien und Wirkstoffe gegen die Androgen-Achse beim Prostatakarzinom und von Tyrosinkinase-Inhibitoren beim Nierenzellkarzinom sorgt in den letzten Jahren vor allem die Ankunft der modernen Immuntherapien für eine erhebliche Weiterentwicklung, die noch lange nicht abgeschlossen ist. Bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago wurden zu allen urologischen Indikationen interessante Neuigkeiten präsentiert.
Schlüsselwörter: Prostatakarzinom, Urothelkarzinom, Nierenzellkarzinom, PSMA-PET
Prostatakarzinom
Docetaxel adjuvant – ohne Vorteil gegenüber aktiver Surveillance
Die Anwendung von Hormon- und Chemotherapie ist heute Standard beim fortgeschrittenen, hormon-naiven Prostatakarzinom, weil sich damit die Überlebenszeiten der Patienten signifikant verlängern lassen. Die Scandinavian Prostate Cancer Group hat nun in ihrer Phase-III-Studie SPCG-13 untersucht, ob man eine Chemotherapie mit Docetaxel auch nutzbringend in der adjuvanten Situation einsetzen kann [1]: Insgesamt 376 Patienten, die sich wegen eines Prostatakarzinoms mit intermediärem oder hohem Risiko (T2, Gleason 3 + 4, PSA > 10; T2, Gleason 8–10 unabhängig vom PSA oder T3) einer radikalen Strahlentherapie unterzogen hatten, wurden randomisiert, sechs Zyklen Docetaxel zu erhalten oder nur beobachtet zu werden, so Pirko-Liisa Irmeli Kellokumpu-Lehtinen, Tampere.
Beinahe 80% der Patienten im Verum-Arm konnten die gesamte Chemotherapie erhalten, aber trotzdem zeigte sich nach median fünf Jahren beim primären Endpunkt (ein PSA-Anstieg um 2 ng/ml über den individuellen Nadir) kein Unterschied zwischen den beiden Armen: 31% vs. 30,3% zeigten eine solche biochemische Progression (p = 0,631). Ein signifikanter Prädiktor dafür war in einer multivariaten Analyse lediglich der Gleason-Score.
PSMA-PET zur Lokalisation von Prostatakarzinom-Rezidiven
Die Positronenemissionstomografie (PET) mit radioaktiv markierten, niedermolekularen Liganden des Prostata-spezifischen Membranantigens (PSMA) hat in den letzten Jahren mehr und mehr Verwendung in der Diagnostik des Prostatakarzinoms gefunden. Die meiste Evidenz gibt es für das Staging in der Situation eines biochemischen Rezidivs nach radikaler Operation oder Radiotherapie. Hier kann selbst bei PSA-Werten von weniger als 1 ng/ml eine Lokalisierung von Tumorrezidiven gelingen und so die weitere Therapie gesteuert werden. Um die Zulassung und Erstattung des 68Ga-PSMA-PET/CT zu erreichen, sind prospektiven Studien erforderlich, wie Wolfgang Fendler, München, und Kollegen eine in Chicago vorstellten [2]:
In die Studie wurden 205 Patienten nach vorangegangener primärer Prostatektomie und 45 nach Strahlentherapie eingeschlossen, die ein biochemisches Rezidiv, d. h. einen Anstieg des Plasma-PSA aufwiesen. Bei 197 der 250 Patienten wurden im 68Ga-PSMA-PET/CT Läsionen gefunden; eine Validierung konnte in 51% der PET-positiven Fälle erfolgen, und zwar mithilfe der Histopathologie (n = 33), einer weiteren Bildgebung (n = 62) und/oder der PSA-Bestimmung nach gezielter Bestrahlung. Die Detektionsrate korreliert stark mit dem PSA-Wert (Abb. 1a): Bei PSA-Titern von unter 0,5 ng/ml lag sie unter 50% (22 von 54 Patienten), während die Nuklearmediziner bei Werten über 2 ng/ml in nahezu 100% der Fälle fündig wurden (zwischen 2 und 5 ng/ml bei 53 von 55 Patienten, über 5 ng/ml bei 66 von 67 Patienten). Die Lokalisation der nachgewiesenen Rezidive ist in Abb. 1b dargestellt.

Von 33 PET-positiven Befunden konnten 28 histopathologisch bestätigt und fünf falsifiziert werden, was einem positiven prädiktiven Wert von 85% entspricht. Wurde die Validierung mit allen drei genannten Verfahren durchgeführt, stieg der positive prädiktive Wert bei insgesamt 101 positiven PET-Befunden auf 89%. Bei 23 Patienten war der PET-Befund die Basis für eine lokale Therapie (Operation oder Bestrahlung); dabei konnte in sieben Fällen (30%) das PSA völlig zum Verschwinden gebracht werden, bei elf (48%) nahm es um mehr als 50% ab. Mit einem umfangreichen multizentrischen Datensatz aus den Universitäten in Los Angeles und San Francisco soll nun die Zulassung des Verfahrens bei der Food and Drug Administration beantragt werden.
LATITUDE: Folgebehandlung nach Abirateron + Prednison
Patienten mit neu diagnostiziertem kastrationsnaivem Hochrisiko-Prostatakarzinom wurden bis vor Kurzem zuerst mit einer alleinigen Androgendeprivations-Therapie (ADT) behandelt, und erst nach der Entwicklung einer Kastrationsresistenz erhielten sie eine gegen die Androgensynthese oder den Androgenrezeptor gerichtete Therapie. Da diese Progression bei Hochrisiko-Patienten häufig sehr schnell vor sich geht, wurde in der LATITUDE-Studie ein neues Konzept getestet, bei dem der Androgensynthese-Inhibitor Abirateronacetat in Kombination mit Prednison bereits zusammen mit der initialen ADT verabreicht wurde. Dadurch konnte gegenüber der sequenziellen Therapie sowohl das progressionsfreie als auch das Gesamtüberleben signifikant verlängert werden [3]. In einer weiteren Analyse, die Kim Chi, Vancouver, nun in Chicago vorstellte, wurden einige sekundäre Endpunkte, wie die Zeit bis zur nächsten Anti-Tumor- sowie zur Chemotherapie und als zusätzlicher exploratorischer Endpunkt die Zeit bis zu einer lebensverlängernden Therapie, untersucht [4].
Bei den 1.199 eingeschlossenen Patienten lag nach median 41,4 Monaten Follow-up die mediane Dauer der Behandlung mit der jeweiligen Studientherapie bei 25,8 Monaten für Abirateron/Prednison/ADT gegenüber nur 14,4 Monaten für die alleinige ADT mit Plazebo. 34% bzw. 12% der Patienten nahmen die Studientherapie noch immer ein; 60 Plazebo-Patienten hatten von der Möglichkeit eines Cross-over Gebrauch gemacht. Der häufigste Grund für ein Absetzen der Therapie war eine Krankheitsprogression (bei 40% der Abirateron- und 64% der Plazebo-Patienten. 37% bzw. 58% der Patienten haben bislang eine Anschlusstherapie erhalten, die Motivation dafür war bei 26% bzw. 45% eine Lebensverlängerung; hier war eine Chemotherapie mit Docetaxel die häufigste Folgetherapie (Tab. 1). Verglichen mit der Kontrolltherapie konnte die Abirateron-Behandlung das Risiko für die Notwendigkeit einer Folgetherapie, einer lebensverlängernden Therapie sowie einer Chemotherapie um mehr als die Hälfte und signifikant reduzieren (Hazard Ratio 0,428 bzw. 0,398 bzw. 0,471). Auch die progressionsfreie Zeit unter der Zweitlinientherapie (PFS2) war im ursprünglichen Abirateron-Arm signifikant länger (Medianwert nicht erreicht vs. 39 Monate im Plazebo-Arm; HR 0,618; p < 0,0001).
Die Überlegenheit der Hormontherapie beim Gesamtüberleben [3] und beim PFS2 zeigt, dass die Vorteile dieser initialen Kombinationstherapie im Plazebo-Arm auch durch Cross-over und durch Folgetherapien nicht mehr aufgeholt werden können.

Abirateron/Prednison und Enzalutamid: Welche Sequenz ist besser?
Zur Erstlinientherapie bei aufgetretener Kastrationsresistenz sind Abirateron/Prednison und Enzalutamid zugelassen. Die beiden Regimes gelten als ähnlich wirksam; es gibt Kreuzresistenzen, aber bisher keine prospektiven Untersuchungen zur optimalen Sequenz. Genau das war die Fragestellung einer randomisierten Phase-II-Studie mit Cross-over-Design, die Daniel Khalaf, Vancouver, präsentierte [5]: Jeweils 101 Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom erhielten randomisiert zunächst Abirateron/Prednison oder Enzalutamid und bei Auftreten eines PSA-Progresses die jeweils andere Substanz. Zwei primäre Endpunkte wurden festgelegt:
• Der Anteil der Patienten mit einem PSA-Abfall um mehr als 50% unter der Zweitlinientherapie lag im Abirateron-Arm mit 34% um ein Vielfaches höher als im Enzalutamid-Arm (4%; p < 0,001), und
• die Zeit bis zu einem erneuten PSA-Progress unter der Zweitlinientherapie war im Abirateron-Arm mit median 2,7 gegenüber dem Enzalutamid-Arm mit 1,3 Monaten verdoppelt (HR 0,38; 95%-Konfidenzintervall 0,26–0,56). Nicht-signifikant zugunsten von Abirateron als Erstlinientherapie verlängert waren in der Intention-to-treat-Population die Zeit von Beginn der Behandlung bis zum zweiten Progress (median 13,6 vs. 11,9 Monate; HR 0,75; 95%-KI 0,53–1,06) und das Gesamtüberleben (Medianwert nicht erreicht vs. 24,3 Monate; HR 0,82; 95%-KI 0,53–1,27).
Die Überlegenheit der Sequenz Abirateron/Prednison, gefolgt von Enzalutamid, bei der Zeit bis zum Progress in der Zweitlinie, blieb auch in einer multivariaten Analyse erhalten, in der sich Knochen- und Lebermetastasen als weitere ungünstige prognostische Faktoren erwiesen. Ein hoher Anteil zirkulierender Tumor-DNA im Blut (> 2%) war ebenfalls mit einer schlechteren Prognose assoziiert (p = 0,005).
AR-V7-Detektion aus CTCs: kein Nutzen von Abirateron und Enzalutamid
Bei der häufigsten genetischen Veränderung des Androgenrezeptors, der Variante AR-V7, ist bislang unklar, ob sie zur Prädiktion der Wirksamkeit von Abirateron oder Enzalutamid taugt oder ob sie lediglich einen Indikator für die Aggressivität der Erkrankung und eine hohe Tumorlast darstellt. Andrew Armstrong, Durham, zeigte in Chicago erste Resultate der prospektiven Multicenter-Studie PROPHECY: Darin wurde bei 118 Patienten, die wegen eines metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms eine Therapie mit einer der beiden Substanzen begannen, AR-V7 mit zwei Methoden aus dem Blut bestimmt [6], nämlich mit einem Sequenzierungs-Assay, der die mRNA nachweist, sowie mit einem Test, der das mutierte Protein detektiert.

Bei beiden Tests war ein positives Ergebnis unabhängig mit einem schlechteren progressionsfreien (median 3,1 vs. 6,9 Monate; HR 2,4; 95%-KI 1,5–3,7) und Gesamtüberleben (median 10,8 vs. 27,2 Monate; HR 3,9; 95%-KI 2,2–6,9) assoziiert, und zwar in uni- ebenso wie in multivariater Analyse (Tab. 2). Die Konkordanz zwischen beiden Testmethoden lag bei 82%. Bei den Patienten, bei denen die Mutation mit dem Protein-Test nachgewiesen wurde, zeigte sich eine hohe Heterogenität der untersuchten zirkulierenden Tumorzellen, d. h. die meisten Zellen waren hier AR-V7-negativ. Daneben konnten aber in AR-V7-positiven wie -negativen Patienten weitere genetische Marker für eine aggressive Erkrankung gefunden werden (z. B. eine Zunahme der Expression des Androgenrezeptors, der MYCN- und MYC-Onkogene sowie ein Verlust von PTEN, p53 und DNA-Reparaturenzymen in zirkulierenden Tumorzellen ebenso wie in zirkulierender freier Tumor-DNA).
Klar dürfte damit sein, dass Patienten mit AR-V7 geringe Chancen haben, von Abirateron oder Enzalutamid zu profitieren, aber auch das Fehlen der Mutation ist keine Garantie für einen Nutzen einer solchen Behandlung. Bei der Entwicklung von Therapien, mit denen diesen Patienten spezifisch geholfen werden kann, muss man allerdings auch noch weitere phänotypische und genomische Faktoren berücksichtigen, die für die Aggressivität der Erkrankung relevant sind.
Pembrolizumab beim Docetaxel-refraktären mCRPC
Immuncheckpoint-Inhibitoren spielen beim Prostatakarzinom noch nicht dieselbe Rolle wie mittlerweile bei zahlreichen anderen Tumorentitäten. Pembrolizumab hat in der KEYNOTE-028-Studie allerdings erste Aktivität beim PD-L1-exprimierenden kastrationsresistenten Prostatakarzinom gezeigt und wurde nun in der Phase-II-Studie
KEYNOTE-199 in verschiedenen Kohorten solcher Patienten genauer untersucht. In Chicago stellte Johann de Bono, London, die Ergebnisse von drei Kohorten vor [7]: Die Patienten litten an einem radiologisch, nach den RECIST-Kriterien messbaren metastasierenden Tumor mit (Kohorte C1; n = 131) oder ohne PD-L1-Expression (C2; n = 67) oder an nicht messbarer, überwiegend die Knochen betreffender Erkrankung (C3; n = 60). Alle Patienten hatten bereits wenigstens eine Anti-Androgen-Therapie und mindestens eine Chemotherapie mit Docetaxel erhalten. Pembrolizumab wurde als Monotherapie bis zu einer erneuten Progression gegeben.
Die mediane Nachbeobachtungszeit lag bei etwa acht Monaten für die beiden ersten und bei rund zwölf Monaten für die dritte Kohorte, primärer Endpunkt war das Gesamtansprechen in den beiden ersten Kohorten. Eine Anti-Tumor-Aktivität war in allen Kohorten zu sehen, insgesamt 11% der Patienten zeigten über mindestens sechs Monate eine Krankheitskontrolle. 9% der Patienten in den Kohorten C1 und C2 profitierten von einer Abnahme der Tumorgröße um mindestens 30%, weitere 48% zeigten Veränderungen zwischen -30% und +20%, die Ansprechraten waren etwas höher, wenn der Tumor somatische Mutationen von BRCA1/2 oder ATM aufwies.
Diese frühen Befunde, so de Bono, belegen eine Anti-Tumor-Wirkung beim Prostatakarzinom, die unabhängig vom PD-L1-Status ist und stützen die weitere Untersuchung der Substanz in Mono- sowie in Kombinationstherapien bei diesen Tumoren, einschließlich derjenigen mit Defekten der homologen Rekombination.
Olaparib + Abirateron beim mCRPC
Speziell zur Behandlung von Tumorerkrankungen mit genetischen Defekten der homologen Rekombination-Reparatur (HRRm) wurden ursprünglich Inhibitoren der Poly(ADP-Ribose)-Polymerase 1 (PARP-1) entwickelt. Da solche Defekte auch beim Prostatakarzinom vorkommen, testet man PARP-Inhibitoren auch hier, zum Beispiel Olaparib in einer randomisierten Phase-II-Studie [8]: In einer Vorstudie hatte der Inhibitor bei Patienten mit Prostatakarzinom und HRRm schon Wirkung gezeigt, und da es Anzeichen für einen Synergismus zwischen der PARP-Inhibition und Abirateron gibt, wurden beide Substanzen hier bei unselektierten Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem, mit Docetaxel vorbehandeltem Prostatakarzinom kombiniert; die Patienten im Kontrollarm erhielten nur Abirateron.


Beim radiologisch bestimmten progressionsfreien Überleben war der Kombinationsarm deutlich überlegen (Abb. 2, Tab. 3): Interessanterweise zeigte sich ein Nutzen der PARP-Inhibition, wenngleich weniger ausgeprägt, auch bei Patienten mit Wildtyp bezüglich der HRR. Beim Gesamtüberleben war der Unterschied weniger ausgeprägt (median 23,3 vs. 20,9 Monate; HR 0,89; 95%-KI 0,58–1,35).
Die Kombination war mit mehr Grad-3/4-Nebenwirkungen assoziiert, was aber der Lebensqualität der Patienten keinen Abbruch tat. Die Ergebnisse, die mittlerweile auch voll publiziert sind [9], sprechen für eine synergistische Wirkung der Kombination aus Olaparib und Abirateron, und diese Therapiestrategie soll nun in einer Phase-II-Studie auch bei noch nicht mit Chemotherapie behandelten Patienten getestet werden [10]. Außerdem erhalten in einer Phase-III-Studie Patienten mit HRR-Mutationen, die bereits Anti-Hormon-Therapien bekommen haben, Olaparib als Monotherapie [11].
Vakzine beim minimal symptomatischen CRPC nicht wirksam
Krebsvakzinen sind ein schwieriges Terrain, wie sich gerade beim Prostatakarzinom schon gezeigt hat. Ein neuer Anlauf wird derzeit mit der PROSTVAC-V/F-Vakzine unternommen, einem Impfstoff auf der Basis von Gefügelpocken-Viren, der sich gegen PSA richtet und den man einmal gibt, gefolgt von sechs Boost-Dosen des leeren Pockenvirus. In einer randomisierten Phase-II-Studie hatte die Vakzine eine sehr vielversprechende Verlängerung des Gesamtüberlebens von median 16,6 auf 25,1 Monate erreicht [12]. In der nun beim ASCO-Kongress vorgestellten Phase-III-Studie PROSPECT sollte dieser Erfolg des Konzepts bestätigt werden, ein Versuch, der aber leider nicht erfolgreich war [13]:
Insgesamt 1.297 Patienten mit asymptomatischem oder minimal symptomatischem metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom wurden in drei Arme randomisiert, wo sie die Vakzine entweder mit Plazebo oder mit Granulozyten-Makrophagen-Koloniestimulierendem Faktor oder aber zwei Plazebo-Präparate bekamen. Nach der dritten Interimsanalyse wurde die Studie wegen Wirkungslosigkeit des Verums abgebrochen: Beim primären Endpunkt Gesamtüberleben war kein Unterschied zwischen den drei Armen zu erkennen (median 34,8 vs. 33,9 vs. 34,7 Monate).
Der erwartete Nutzen der Vakzine konnte damit nicht bestätigt werden. Interessanterweise waren die beobachteten Überlebenszeiten aber um rund ein Jahr länger als das aufgrund des Vergleichs mit historischen Kontrollen zu erwarten gewesen wäre – vermutlich, so die Autoren, reflektiert das die Fortschritte, die seit Start der Studie im Jahr 2011 in der Grundversorgung von Patienten mit Prostatakarzinom gemacht wurden.
Urothelkarzinom
Neoadjuvante Therapie: nach Komplettremission konservativ behandeln?
Beim muskelinvasiven Blasenkarzinom ist eine neoadjuvante Chemotherapie auf Platin-Basis mit anschließender radikaler Zystektomie der derzeitige Goldstandard. Dieses Vorgehen ist nicht nur mutilierend, sondern darüber hinaus mit erheblicher Morbidität und Mortalität assoziiert. Weil man bei Patienten, die mit der Chemotherapie eine klinische Komplettremission erreicht und danach auf die Operation verzichtet haben, gute Erfahrungen gemacht hat, analysierten Kollegen an der Columbia University und am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York die Daten von 148 Patienten, bei denen zwischen 2001 und 2017 ein solches Vorgehen dokumentiert worden war [14]:
80% von ihnen waren Männer, das mediane Alter lag bei 62 Jahren, wie Patrick Mazza, New York, berichtete. Ein knappes Drittel hatte als Chemotherapie MVAC erhalten, die übrigen ein platinbasiertes Regime. Ungewöhnlich war, dass vor der Chemotherapie eine „radikale“ transurethrale Resektion bis zur Tunica muscularis propria durchgeführt worden war, ein in der Routine nicht übliches Vorgehen vor einer neoadjuvanten Therapie. Eine Komplettremission war definiert als negative Urinzytologie, negative Schnitt-Bildgebung oder negative Zystoskopie mit erneuter transurethraler Resektion nach Chemotherapie.
Bei engmaschiger Kontrolle (alle drei bis sechs Monate Zystoskopie, Zytologie und Bildgebung) wurde bei 71 der 148 Patienten (48%) ein Rezidiv gefunden, das aber nur bei 16 (11%) muskelinvasiv war. Neun von zwölf dieser Patienten mit muskelinvasivem Rezidiv, die einer radikalen Zystektomie zustimmten, überlebten damit (75%), bei denen mit nicht-muskelinvasiven Tumoren waren es 13 von 14 Patienten, die sich operieren ließen (93%). In der gesamten Kohorte waren nach fünf Jahren 86% der Patienten am Leben, die krankheitsspezifische Überlebensrate lag sogar bei 90%. Die Zystektomie-freie Überlebensrate betrug 76%, und rezidivfrei überlebten 64% aller Patienten.
Vorausgesetzt, die Patienten werden nach strikten Kriterien selektiert und hinterher engmaschig überwacht, stellt eine solche Surveillance-Strategie eine attraktive Option für einen Teil der Patienten mit muskelinvasivem Harnblasenkarzinom dar. Diese Strategie könnte noch erfolgreicher werden, wenn es gelänge, effektive Biomarker für die Entstehung muskelinvasiver Rezidive sowie durch sensitivere bildgebende Techniken zur Detektion solcher Rezidive zu entwickeln.
Neoadjuvante Therapie mit Atezolizumab …
Der PD-L1-Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab ist zur Therapie des metastasierten Urothelkarzinoms zugelassen – entweder nach vorangegangener Chemotherapie oder wenn diese nicht möglich ist und der Tumor eine PD-L1-Expression von mindestens 5% aufweist. In der europaweiten Phase-II-Studie ABACUS wurde Atezolizumab nun in der neoadjuvanten Situation erprobt [15]: Wie Thomas Powles, London, berichtete, wurden dabei 69 Patienten mit muskelinvasiven Tumoren zunächst mit zwei Zyklen Atezolizumab (1.200 mg im Abstand von drei Wochen) behandelt. Zu Beginn und vor der Zystektomie, die sich vier bis acht Wochen nach Beginn der neoadjuvanten Immuntherapie anschloss, wurde eine Schnitt-Bildgebung durchgeführt. Primärer Endpunkt war eine Rate von mindestens 20% pathologischen Komplettremissionen, die anhand des Zystektomie-Präparats verifiziert werden konnten.
Die Rate lag letztlich bei 29%, wobei 23% der Patienten ein T0-Stadium und 6% einen In-situ-Tumor aufwiesen. Bei 39% war unter der neoadjuvanten Behandlung zumindest der muskelinvasive Charakter der Erkrankung verlorengegangen. Von den Patienten, bei denen eine Expression von PD-L1 im Tumorgewebe nachgewiesen werden konnte, erreichten 40% eine pathologische Komplettremission, bei den PD-L1-negativen Patienten waren es nur 16%. Allerdings wurde der Anteil der PD-L1-exprimierenden Tumoren im Verlauf der Immuntherapie von 35% auf 73% verdoppelt. Ähnliches galt für den Anteil an CD8-positiven Immunzellen im Tumorgewebe. Auch das Tumorstadium bei Diagnose schien eine prädiktive Bedeutung zu haben: Patienten mit T2-Tumoren erreichten zu 35% eine Komplettremission, von den 20 mit T3- oder T4-Stadium waren es nur drei (15%).
… und mit Pembrolizumab
Eine italienische Phase-II-Studie mit vergleichbarer Fragestellung präsentierte Andrea Necchi, Mailand [16]: In der PURE-01-Studie erhielten 71 Patienten mit muskelinvasivem urothelialem Blasenkarzinom bis zu einem Stadium T3b – egal ob für eine platinbasierte Chemotherapie geeignet oder nicht – neoadjuvant drei Zyklen des PD-1-Inhibitors Pembrolizumab. Von bisher 43 in einer ersten Phase behandelten Patienten wurde bei 17 (39,5%) nach der Operation eine pathologische Komplettremission gefunden, bei 22 Patienten (51,2%) gab es ein pathologisches Downstaging auf ein Stadium < pT2.
Dazu zeigte Necchi interessante Begleituntersuchungen zu Biomarkern: Eine T-Zell-getriebene Entzündungsreaktion im Tumor korrelierte mit einer größeren Chance auf komplette Remission, während sich bei den nicht ansprechenden Patienten Zeichen dafür fanden, dass eine eigentlich forcierte adaptive Immunreaktion durch starke Resistenzreaktionen neutralisiert wurde. Mit Blick auf prädiktive Marker am interessantesten waren Befunde, wonach eine hohe Mutationslast und eine starke PD-L1-Expression im Tumor mit hoher Wahrscheinlichkeit ein pathologisches Komplettansprechen vorhersagen konnten.
Die Autoren diskutieren daher einen ähnlichen Ansatz wie in der New Yorker Studie: Es könnte Sinn machen, Patienten mit diesen Markern zu selektieren und sie nach einer Tumorresektion mit Pembrolizumab zu behandeln. Sind sie dann ausweislich einer weiteren Gewebeprobe tumorfrei, könnten sie eine Erhaltungstherapie mit dem Checkpoint-Inhibitor bekommen und so möglicherweise ohne Zystektomie geheilt werden.
Hemmung des Rezeptors für Fibroblasten-Wachstumsfaktor vielversprechend
Trotz der Euphorie um die Checkpoint-Inhibitoren werden weiter auch andere Medikamente entwickelt. In zwei unabhängigen Studien haben beispielsweise Urothelkarzinome mit Veränderungen im Gen für den Rezeptor für Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGFR) kaum auf eine Checkpoint-Inhibition angesprochen; sie haben auch insgesamt eine schlechte Prognose. Solche Mutationen treten bei 10–20% aller dieser Tumoren auf, bevorzugt bei solchen, die schwach immunogen sind („luminal 1“).
Nach vielversprechenden frühen klinischen Signalen wurden in einer nordamerikanisch-europäisch-russischen Phase-II-Studie, die Arlene Siefker-Radtke, Houston, in Chicago vorstellte, 99 Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom (in 80% der Fälle viszeral) und FGFR-Mutationen mit median fünf Zyklen des oralen Pan-FGFR-Inhibitors Erdafitinib behandelt [17]. 40 von ihnen (40,4%) sprachen auf die Therapie an, davon drei (3%) mit einer kompletten Remission; weitere 40% der Patienten zeigten eine Krankheitsstabilisierung. Für 22 Patienten, die zuvor bereits einen Checkpoint-Inhibitor erhalten hatten (nur in einem Fall von einem Ansprechen gefolgt), erzielten 59% unter Erdafitinib eine Remission.
Die Toxizität unter dem FGFR-Inhibitor war gering, es traten nur selten Nebenwirkungen vom Grad 3 (am häufigsten mit 9% eine Stomatitis und mit 5% ein Hand-Fuß-Syndrom) und in keinem Fall vom Grad 4 oder 5 auf. Aufgrund dieser Resultate erteilte die FDA der Substanz im März 2018 einen „Breakthrough Designation“-Status. Sie wird derzeit in der Phase-III-Studie THOR randomisiert gegen eine Chemotherapie oder Pembrolizumab getestet [18] und in der Phase-Ib/II-Studie NORSE in Kombination mit einem
PD-1-Inhibitor erprobt [19]. Ähnlich vielversprechende Daten kopnnten wir aus einer Phase-I-Studie mit dem FGFR Inhibitor Rogaratinib präsentieren [20].
Nierenzellkarzinom
Adjuvante Therapie von Hochrisiko-RCC mit VEGF-TKI: Metaanalyse ebenso negativ …
In der Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms spielen derzeit VEGF-Tyrosinkinase-Inhibitoren eine Hauptrolle in der Erstlinie. Anders sieht es in der adjuvanten Situation aus: Hier hat es bis jetzt keine der Substanzen geschafft, einen Prognosevorteil für behandelte Patienten zu erzielen. Auch in einer Metaanalyse der drei großen randomisierten Studien ASSURE, S-TARC und PROTECT mit insgesamt etwa über 4.000 Patienten, die Irbaz Bin Riaz, Rochester, präsentierte, war weder beim krankheitsfreien (Hazard Ratio 0,92) noch beim Gesamtüberleben (HR 1,00) ein Vorteil der adjuvanten Behandlung sichtbar [21]. Das Gleiche galt für eine separate Analyse nur der beiden Studien zu Sunitinib mit 1.909 Patienten. Dafür war die Toxizität in den Verum-Armen erheblich verstärkt, wobei besonders Diarrhö mit einem 15-fach und Hand-Fuß-Syndrom mit einem mehr als 20-fach erhöhten Risiko hervorstachen.
… wie Sorafenib-Studie nach Metastasektomie
Ein sozusagen „sekundär“ adjuvantes Vorgehen wurde in der Phase-II-Studie RESORT erprobt: Patienten konnten daran nur teilnehmen, wenn sie nach einer radikalen Nephrektomie nicht mehr als drei Metastasen entwickelt hatten und diese ebenso wie der Primärtumor radikal operiert werden konnten. 76 solche Patienten wurden randomisiert, entweder Sorafenib für bis zu 52 Wochen zu erhalten oder nur nachbeobachtet zu werden. Eine Interimsanalyse der 68 auswertbaren Patienten, die Guiseppe Procopio, Mailand, vorstellte [22], zeigte keinen Unterschied beim primären Endpunkt rezidivfreies Überleben (median 29 Monate im Sorafenib- versus 35 Monate im Kontrollarm). Es konnten auch keine Subgruppen identifiziert werden, die einen Nutzen von der Therapie gehabt hätten.
CARMENA: zytoreduktive Nephrektomie nicht mehr Standard
Die zytoreduktive Nephrektomie vor Beginn einer systemischen Behandlung war in den letzten 20 Jahren ein Standard in der Behandlung auch des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms. Tyrosinkinase-Inhibitoren spielen in dieser Situation heute eine wichtige Rolle, die auch durch das Aufkommen der immunonkologischen Therapien noch nicht infrage gestellt wird. Ihre höhere Wirksamkeit im Vergleich zu den früheren Therapien warf aber die Frage auf, ob die zytoreduktive Nephrektomie tatsächlich noch von Vorteil ist. Eine der am meisten verwendeten Erstlinien-Optionen ist Sunitinib, und an seinem Beispiel wurde diese Frage in der großen französischen Phase-III-Studie CARMENA geprüft [23].
Eingeschlossen wurden 450 Patienten mit metastasiertem, nicht vorbehandeltem, klarzelligem Nierenzellkarzinom, so Arnaud Méjean, Paris. Sie mussten zur Nephrektomie geeignet sein und wurden randomisiert, entweder diese Operation und danach eine Sunitinib-Behandlung zu erhalten oder nur mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor behandelt zu werden. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben, und hier zeigte sich nach einem medianen Follow-up von 50,9 Monaten zumindest keine Unterlegenheit der alleinigen Sunitinib-Therapie; mit einer Hazard Ratio von 0,89 (95%-Konfidenzintervall 0,71–1,10) war sogar eine Tendenz zur Überlegenheit der rein systemischen Therapie zu erkennen, die auch unabhängig vom Risikoprofil der Patienten war (Tab. 4). Hier wirkte sicher auch die Tatsache aus, dass fast 20% der Patienten im primären Operationsarm nie eine systemische Therapie erhalten hatten. Beim sekundären Endpunkt progressionsfreies Überleben war eine Überlegenheit der systemischen Therapiestrategie mit median 8,3 versus 7,2 Monaten sogar grenzwertig signifikant (HR 0,82; 95%-KI 0,67–1,00; Tab. 4). Die Ansprechraten waren in beiden Armen identisch.


Die Sunitinib-Behandlung ist also alleine mindestens so wirksam wie in Kombination mit einer vorangegangenen operativen Zytoreduktion. Diese sollte also künftig nicht mehr als Therapiestandard gelten, so Méjean, zumindest in den Fällen, in denen eine systemische Therapie als erforderlich angesehen wird. Es muss jedoch bedacht werden, dass auch 17% der Patienten im Sunitinib-Arm sich im weiteren Verlauf einer sekundären Nephrektomie unterzogen haben. Die Entscheidung zur Zytoreduktion sollte also in Zukunft auch von der extrarenalen Tumorlast und dem Risko, im Verlauf lokale Komplikation durch den Primärtumor zu erleiden, abhängig gemacht werden.
Erstlinientherapie mit Checkpoint-Inhibitoren: Pembrolizumab …
Immuncheckpoint-Inhibitoren haben bereits einen festen Platz in der Rezidivtherapie des Nierenzellkarzinoms, aber sie werden dabei vermutlich nicht stehenbleiben. In Chicago wurden mehrere Studien zur Frontline-Therapie mit solchen Substanzen – darunter Pembrolizumab und Atezolizumab – gezeigt. So wurde Pembrolizumab in der Phase-II-Studie KEYNOTE-427 in zwei Kohorten von Patienten (mit neu diagnostiziertem fortgeschrittenem klarzelligem bzw. nicht-klarzelligem Nierenzellkarzinom) getestet. Die ersten Resultate für 110 Patienten mit klarzelligen Tumoren stellte David McDermott, Boston, vor [24]:
Die Gesamtansprechrate – der primäre Endpunkt – lag bei 38,2%, die Krankheitskontrollrate (einschließlich Krankheitsstabilisierungen) bei 59,1% (Tab. 5). Drei Patienten (2,7%) erreichten eine Komplettremission, bei insgesamt zwei Dritteln zeigte sich eine Reduktion der Tumorgröße. Subgruppenanalysen ergaben ein besseres Ansprechen bei Patienten in den höherem IMDC-Risikogruppen (intermediär und hoch: 42%; günstiges Risiko: 31,7%) und bei denen mit einer PD-L1-Expression in mindestens 1% der Zellen (50% vs. 26,4% bei geringerer Expression).
Das Sicherheitsprofil entsprach dem, was aus anderen Anwendungen zu Pembrolizumab bekannt ist. Die Autoren sehen diese Ergebnisse bereits als Motivation für die Untersuchung von Pembrolizumab in der adjuvanten Situation, zu der auch schon eine klinische Studie läuft (KEYNOTE-564; [25]).
… und Atezolizumab/Bevacizumab
Der PD-L1-Inhibitor Atezolizumab ist noch gar nicht zur Rezidivtherapie des Nierenzellkarzinoms zugelassen, hat aber in der Phase-III-Studie IMmotion151 bereits positive Daten zur Frontline-Therapie hervorgebracht: Der Checkpoint-Inhibitor war dort in Kombination mit dem VEGF-Antikörper Bevacizumab randomisiert mit dem bisherigen Erstlinien-Standard Sunitinib verglichen worden und hatte beim progressionsfreien Überleben mit median 11,2 versus 7,7 Monaten deutlich besser abgeschnitten (HR 0,74; p = 0,02); das gilt auch für die Intention-to-treat-Analyse (11,2 vs. 8,4 Monate; HR 0,83; [26]). In Chicago zeigte Bernard Escudier, Paris, die Daten zu den Patient-reported Outcomes (PRO), die mithilfe des M. D. Anderson Symptom Inventory (MSASI) und des Functional Assessment of Cancer Therapy–Kidney Symptom Index 19 (FKSI) bestimmt wurden [27]. Die Ergebnisse fallen insgesamt zugunsten der Antikörper-Kombination aus und zeigen deren gute Verträglichkeit: In diesem Arm waren die Symptome milder ausgefallen, es gab weniger funktionelle Behinderungen und die Funktionen der Patienten verschlechterten sich langsamer, Nebenwirkungen waren weniger belastend und die gesundheitsbezogene Lebensqualität besser.
Beide Studien zeigen, dass der Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren in der Erstlinientherapie des Nierenzellkarzinoms nur mehr eine Frage der Zeit sein dürfte.