Lokalablative Therapie von Lebertumoren in der oligometastatischen Situation: Aktuelle Entwicklungen und klinische Implikationen
DOI: https://doi.org/10.47184/tk.2025.06.3 Hintergrund: Das Konzept der oligometastatischen Erkrankung (OMD) hat in den vergangenen Jahren die therapeutische Landschaft der onkologischen Lebermetastasenchirurgie und -intervention grundlegend verändert. Neben chirurgischen Resektionen gewinnen lokalablative Verfahren zunehmend an Bedeutung, insbesondere bei Patienten mit limitierter Lebermetastasierung und kontrollierter Primärerkrankung. Fortschritte in der Bildgebung, interventionellen Radiologie und Radiotherapie haben die Grenzen der kurativ intendierten Therapie deutlich erweitert.Methodik: Dieser Übersichtsartikel fasst die aktuellen Entwicklungen der lokalablativen Therapien bei Lebermetastasen im Kontext der oligometastatischen Erkrankung zusammen. Berücksichtigt werden neue Bildgebungsverfahren (multiparametrische MRT, Radiomics, FAPI-/PSMA-PET), technologische Innovationen (MR-gesteuerte Ablation, adaptive Radiotherapie), prospektive klinische Studien (u. a. COLLISION, SABR-COMET-10) sowie die Integration lokaler Therapien in multimodale Behandlungskonzepte.Ergebnisse: Thermische Ablationsverfahren (Radiofrequenz- und Mikrowellenablation) zeigen bei Läsionen ≤ 3 cm eine lokale Kontrollrate, die der chirurgischen Resektion nicht unterlegen ist, bei gleichzeitig geringerer Morbidität. Strahlenbasierte Verfahren wie die stereotaktische Körperstrahlentherapie (SBRT) und katheterbasierte Brachytherapie ermöglichen eine sichere und effektive Behandlung größerer oder ungünstig gelegener Läsionen. Lokoregionäre Verfahren (SIRT, TACE) werden zunehmend selektiv auch im OMD-Setting eingesetzt. Neue Ansätze wie die Kombination lokaler Ablation mit Immun- oder zielgerichteter Therapie eröffnen zusätzliche therapeutische Perspektiven.Schlussfolgerung: Die lokalablative Therapie stellt eine zentrale Säule in der multimodalen Behandlung des oligometastatischen Leberbefalls dar. Ihre Effektivität hängt maßgeblich von einer präzisen Bildgebung, einer sorgfältigen Patientenauswahl und einer interdisziplinären Entscheidungsfindung ab. Mit der fortschreitenden Integration bildgebungsbasierter Biomarker, KI-gestützter Verfahren und kombinatorischer Therapiekonzepte ist in den kommenden Jahren eine weitere Individualisierung der Behandlung zu erwarten.
oligometastatische Erkrankung, Lebermetastasen, Thermoablation, Radiofrequenzablation, Mikrowellenablation, stereotaktische Körperstrahlentherapie (SBRT), Brachytherapie, Radioembolisation, Radiomics, Immuntherapie
Bildgebung in der oligometastatischen Situation
Die korrekte Identifikation einer oligometastatischen Erkrankung der Leber erfordert eine umfassende Analyse der kompletten Bildgebungshistorie des Patienten. Nur durch die Betrachtung der zeitlichen Krankheitsdynamik kann zwischen einer primär oligometastatischen und einer sekundär (therapieinduzierten) oligometastatischen Erkrankung unterschieden werden [1]. Eine alleinige Beurteilung der aktuellen Bildgebung kann fälschlicherweise den Eindruck einer begrenzten Metastasierung erwecken, obwohl initial eine multifokale hepatische Dissemination bestand.
Von zentraler Bedeutung ist die Wahl und Qualität der Bildgebung. Die multiparametrische Magnetresonanztomografie (MRT) unter Verwendung hepatozytenspezifischer Kontrastmittel (z. B. Gadolinium-Ethoxybenzyl-Diethylentriaminpentaessigsäure [Gd-EOB-DTPA]) weist die höchste Sensitivität in der Detektion von Lebermetastasen auf, insbesondere bei Läsionen mit einer Größe von unter 1,5 cm [2]. Die MRT zeigt nicht nur eine höhere Detektionsrate, sondern auch eine überlegene Genauigkeit hinsichtlich der Therapieplanung im Vergleich zur Computertomografie (CT) oder zur MRT mit extrazellulären Kontrastmitteln [3].
Neuere Entwicklungen integrieren radiomische Analysen und eine durch die künstliche Intelligenz (KI) gestützte Bildauswertung, um zwischen vitalem Tumorgewebe, Fibrose und posttherapeutischen Veränderungen zu differenzieren. Radiomics erlauben zudem eine nichtinvasive Vorhersage der Tumorbiologie und werden zunehmend in der Therapieplanung berücksichtigt.
Auch die CT in Kombination mit einer Positronenemissionstomografie (PET) mit dem Tracer Fibroblasten-Aktivierungsprotein (FAPI) sowie die PSMA(prostataspezifisches Membranantigen)-PET-MRT gewinnen bei bestimmten Entitäten (z. B. kolorektales Karzinom und neuroendokrine Tumoren) an Bedeutung, um kleine extrahepatische Metastasen zu detektieren und die wahre Oligometastasierung zu verifizieren.
Lokale Therapie bei Oligometastasierung
Aktuelle Leitlinien verschiedener Fachgesellschaften geben bei limitierter hepatischer Metastasierung meist keine spezifische Empfehlung für einzelne Lokaltherapieverfahren, sondern betonen die interdisziplinäre, patientenindividuelle Therapieplanung [1, 4]. Die Auswahl des Verfahrens erfolgt unter Berücksichtigung von der Tumorbiologie, der Lokalisation, der Komorbidität und der technischen Machbarkeit.
Ein zunehmend diskutiertes Konzept ist die sogenannte „Test-of-Time“-Chemotherapie: Durch eine initiale systemische Therapie kann eine echte oligometastatische Erkrankung von einer scheinbaren Oligometastasierung unterschieden werden [4]. Beim kolorektalen Karzinom zeigen retrospektive Daten jedoch, dass eine Vorbehandlung mit einer Chemotherapie das krankheitsfreie Überleben nach lokaler Ablation verkürzen kann, dies aber keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben hat [5]. Solche Analysen unterliegen allerdings erheblichen Selektionsverzerrungen, insbesondere durch die Nichtberücksichtigung jener Patienten, die nach einer Chemotherapie keine Kandidaten mehr für lokale Verfahren waren.
Diese Übersicht fokussiert primär auf die Lebermetastasierung beim kolorektalen Karzinom, da hier die Evidenz für einen onkologischen Behandlungsvorteil einer „Leberclearance“ in Bezug auf das Überleben am besten belegt ist. Einzelne Aspekte der dargestellten lokalen und lokoregionären Therapieverfahren sind jedoch auch auf die oligometastasierte Situation bei anderen Primärtumoren übertragbar.
Thermische Ablation
Die thermische Ablation (Radiofrequenzablation [RFA] oder Mikrowellenablation [MWA]) stellt ein etabliertes und minimalinvasives Verfahren der interventionellen Radiologie dar. Sie ist insbesondere bei Läsionen im Durchmesser von bis zu 3 cm und in begrenzter Anzahl indiziert. Die Ablation kann unter CT-, Ultraschall- oder MRT-Führung erfolgen; die MRT bietet dabei durch Realtime-Monitoring der Temperaturverteilung eine verbesserte lokale Kontrollrate.
Vergleichende Studien zwischen RFA und chirurgischer Resektion kolorektaler Lebermetastasen haben eine ähnliche lokale Rezidivrate (5,5 vs. 6,0 %) bei Läsionen von bis zu 3 cm ergeben [6].
Für größere Läsionen (> 3 cm) ist die Resektion überlegen, während bei zentral gelegenen Herden oder erhöhter chirurgischer Morbidität die Ablation eine sinnvolle Alternative darstellt.
In der Studie COLLISION konnte man erstmals prospektiv die Nichtunterlegenheit der thermischen Ablation gegenüber der Resektion bei kolorektalen Lebermetastasen (≤ 3 cm; ≤ 10 Herde) zeigen – bei signifikant geringerer Morbidität [7]. Diese Ergebnisse markieren einen Paradigmenwechsel in der Bewertung der Ablation als kurative Option.
Ein wesentlicher Vorteil der Ablation liegt in der geringeren Komplikationsrate: Major-Komplikationen treten signifikant seltener auf als nach einer Resektion [4, 8]. Einschränkend gilt, dass bei Patienten mit einer biliodigestiven Anastomose oder nach einer endoskopisch-retrograden Cholangiografie (ERC) ein erhöhtes Risiko für postinterventionelle Abszedierungen nach thermischer Ablation besteht (bis zu 44 %) [8, 9]. Eine antibiotische Prophylaxe und eine sorgfältige Patientenauswahl sind hier essenziell. Ein Beispiel für eine Mikrowellenablation findet sich in Abb. 1.