Die klinische Präsentation von Hirnmetastasen ist heterogen. Während ein Teil der Patienten durch neu aufgetretene neurologische Defizite, Kopfschmerzen, epileptische Anfälle oder Wesensänderungen auffällt, werden bei anderen – insbesondere im Rahmen von Verlaufskontrollen – asymptomatische Läsionen entdeckt.
Prognostisch entscheidend sind Faktoren wie Allgemeinzustand, extrakranielle Tumorkontrolle, Anzahl und Größe der Metastasen sowie die molekulare Tumorbiologie. Mit der Einführung zielgerichteter Therapien (z. B. Tyrosinkinase-Inhibitoren [TKI] beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom [NSCLC]) und Immuntherapien (z. B. PD-1[„programmed cell death protein 1“]-Blockade beim Melanom) hat sich die intrakranielle Wirksamkeit systemischer Strategien deutlich verbessert. Dennoch bleibt die Lokaltherapie zentraler Baustein zur Sicherung der neurologischen Funktion, zur Symptomkontrolle und zur Vermeidung eines steroidpflichtigen Hirndrucksyndroms.
Therapieentscheidungen erfordern eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Neurochirurgie, Strahlentherapie, Neurologie und internistischer Onkologie. Das Ziel ist ein individueller Therapieplan, der Prognose, funktionelle Ressourcen und Patientenpräferenzen berücksichtigt und dabei neurokognitive Funktionen bestmöglich erhält.
Der Einsatz einer maximal effektiven Lokaltherapie muss heute immer mit der Frage nach dem langfristigen Preis an Lebensqualität abgewogen werden. Daher gewinnen neuroprotektive Strategien und ein engmaschiges Monitoring an Bedeutung. Diese Übersicht fasst die wichtigsten aktuellen Therapieprinzipien zusammen und gibt alltagspraktische Entscheidungshilfen für die Behandlung von Patienten mit Hirnmetastasen.
Interdisziplinäre Therapie und Patientenauswahl
Die Therapie von Hirnmetastasen basiert heute auf einer individualisierten, interdisziplinären Entscheidungsfindung, bei der klinische Prognosefaktoren, tumorbiologische Charakteristika und patientenspezifische Zielsetzungen gleichermaßen berücksichtigt werden. Im Zentrum steht die Einschätzung, ob eine primär lokale Tumorkontrolle, eine systemische Kontrolle oder eine balancierte Kombinationsstrategie den größten Vorteil für den Patienten erwarten lässt.
Einer der stärksten prognostischen Marker bleibt der funktionelle Status, üblicherweise dargestellt durch den Karnofsky-Index (KPS). Patienten in einem guten klinischen Zustand (KPS ≥ 70) profitieren deutlich stärker von einer aktiven Lokaltherapie als Patienten mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit. Ebenso entscheidend ist die Kontrolle der extrakraniellen Erkrankung: In populationsbasierten Analysen korrelierte eine stabile systemische Tumorsituation mit einem medianen Überleben von über zwölf Monaten, während eine aktive extrakranielle Progression im Median eine Prognose von unter sechs Monaten bedingte [1, 2].
Die Anzahl intrakranieller Läsionen spielte in frühen Studien der Radiation Therapy Oncology Group (RTOG) eine dominierende Rolle in der Prognosemodellierung. Neuere Daten zeigen jedoch, dass das Gesamtvolumen der Hirnmetastasen einen wesentlich besseren Prädiktor für das neurologische Ergebnis darstellt als die reine Anzahl. Dies spiegelt den Wandel vom früheren „1–3-Metastasen-Paradigma“ hin zu volumengesteuerten Entscheidungsmodellen wider. Studien zur stereotaktischen Bestrahlung bei ein bis zehn Metastasen konnten vergleichbare lokale Kontrollraten wie bei oligometastatischer Erkrankung demonstrieren, sofern das Tumorvolumen limitiert blieb [3, 4].
Die Tumorbiologie bestimmt zunehmend, welchen Stellenwert systemische Therapien in der Behandlung intrakranieller Läsionen einnehmen. Beim NSCLC mit Treibermutationen wie EGFR oder ALK lässt sich unter TKI oftmals eine hohe intrakranielle Remissionsrate erzielen, und beim Melanom zeigen Immuncheckpoint-Inhibitoren selbst im ZNS anhaltende Effektivität [5]. Molekularpathologische Daten sollten deshalb – sofern zugänglich – vor Therapieentscheidungen berücksichtigt und bei einem isolierten Progress im ZNS gegebenenfalls erneut gewonnen werden.
Neben prognostischen und biologischen Parametern sind jedoch auch patientenzentrierte Ziele zu integrieren. Für Betroffene mit asymptomatischen Läsionen und einem hohen Risiko für neurokognitive Nebenwirkungen kann der Erhalt kognitiver Funktionen höher gewichtet werden als eine maximale lokale Kontrolle. Umgekehrt steht bei symptomatischer Massewirkung oder steroidpflichtigem Hirndruck die rasche neurologische Entlastung im Vordergrund, häufig durch eine chirurgische Resektion oder eine hochpräzise Strahlentherapie.
Entscheidend bleibt daher, dass Therapieentscheidungen auf einer qualifizierten, interdisziplinären Falldiskussion basieren. Diese ermöglicht, Risiken und therapeutische Möglichkeiten ausgewogen gegenüberzustellen und das Behandlungsziel klar zu definieren: die möglichst nachhaltige Kontrolle der intrakraniellen Erkrankung bei gleichzeitiger Bewahrung neurologischer Funktionen und Lebensqualität.
Neurochirurgie
Die chirurgische Behandlung von Hirnmetastasen verfolgt drei Ziele, die sich im klinischen Alltag immer wieder gegenseitig bedingen:
rasche neurologische Entlastung,
gewonnene Gewebesicherheit für die molekulare Therapieplanung,
maximal sichere Zytoreduktion (abhängig von der Lokalisation).
Operiert wird vor allem dann, wenn Massenwirkung und Ödem die Funktion bedrohen, bei infratentoriellen Herden mit drohendem obstruktivem Hydrozephalus oder wenn Metastasen zystisch beziehungsweise blutungsanfällig sind. Die Druckentlastung verbessert den funktionellen Status häufig innerhalb weniger Tage und schafft damit die Voraussetzung dafür, eine systemische Therapie überhaupt beginnen oder sinnvoll fortführen zu können [6]. Zugleich liefert die Resektion verlässliches Gewebe: Nicht selten zeigen Metastasen gegenüber dem Primärtumor relevante molekulare Diskordanzen, weshalb erst am Metastasenmaterial therapeutisch nutzbare Zielstrukturen identifiziert werden können [7].
Während der Operation steht der Funktionserhalt gleichberechtigt neben dem onkologischen Ziel. Bei Nähe zu eloquenten Arealen werden die Zugangsroute und das Resektionsvorgehen heute systematisch funktionell geplant: präoperativ etwa mit navigierter transkranieller Magnetstimulation (nTMS) für motorische, sprachliche und zunehmend auch andere höhere kognitive Netzwerke (z. B. Rechen- oder Exekutivfunktionen), kombiniert mit DTI(„diffusion tensor imaging“)-Traktografie (Abb. 1), intraoperativ mit Neuromonitoring (motorisch evozierte Signale [MEP]/somatosensibel evozierte Potenziale [SEP]) und direkter kortikaler/subkortikaler Stimulation.