Die Therapie von Melanom und anderen Hautkrebsentitäten habe in den vergangenen Jahren mit den Immuntherapien und den zielgerichteten Behandlungsoptionen ein breites Armamentarium erhalten, mit dem die Prognose der Patienten deutlich verbessert werden könnte, erklärte Prof. Lisa Zimmer, Essen, im Rahmen der ADO-Pressekonferenz beim 35. Deutschen Hautkrebskongress. Sollten Patienten darüber hinaus weitere Therapien benötigen, sollten sie in Studien eingeschlossen werden, um das Feld weiter voranzutreiben. Hauttumorzentren hätten hier eine wichtige Beratungsfunktion, betonte sie.
Auch das Nebenwirkungsmanagement sei wichtiger geworden, da inzwischen die Hälfte der Melanom-Patienten mehr als zehn Jahre überleben könnte. Etwa 30 % der Langzeitüberlebenden würden allerdings auch Toxizitäten insbesondere der Immuntherapien erleiden, die die Lebensqualität einschränken würden.
Zeitersparnis durch künstliche Intelligenz
Zudem wurde der Umgang mit KI auf dem Kongress angesprochen. Richtig und kontrolliert angewandt kann KI eine wirkliche Hilfe zur Zeitersparnis bei beispielsweise häufigen pathologischen Befunden bieten. Wichtig seien dabei die Nachvollziehbarkeit der erhobenen oder gemessenen Daten und der Rückgriff auf die verwendeten Quellen, erklärte Prof. Elisabeth Livingstone, Essen. Zur Verarbeitung der Masse an vorliegenden Informationen in einem multimodalen System oder auch für die Patientenberatung könne KI sinnvoll eingesetzt werden.
Risikoadaptiertes Screening für eine gezielte Früherkennung
Prof. Ralf Gutzmer, Minden, ist erster Vorsitzender der ADO und bemerkte im Rückblick auf 35 Jahre ADO, dass die Behandlung von Hautkrebs bei onkologischen Kongressen aufgrund fehlender Fortschritte kaum sichtbar gewesen sei. Das habe sich mit den Erfolgen der Immuntherapie beim Melanom vor etwa 15 Jahren gewandelt. Die veränderte Wahrnehmung der Hautkrebsforschung spiegele sich auch in der Anzahl der Mitglieder der ADO wider, die inzwischen auf über 700 angewachsen sei.
Darüber hinaus sei die Prävention für die ADO ein wichtiges Thema, erklärte die zweite Vorsitzende der ADO Prof. Carola Berking, Erlangen. Das Screening sei nach wie vor ein wichtiges Werkzeug in der Hautkrebsvorsorge, auch wenn es Probleme gebe, Evidenz für eine Auswirkung auf das Überleben zu generieren, und die Kapazität für das Screening nicht flächendeckend gegeben sei. Um gezielter die Früherkennung voranzubringen, sei das risikoadaptierte Screening bei familiärem Auftreten, bei der beruflichen Exposition oder bei Menschen unter Immunsuppression eine richtungsweisende Herangehensweise. Auch ein Einladungsverfahren, wie es beim Brustkrebs durchgeführt wird, werde diskutiert.
Awareness und Sonnencreme zur Prävention von Hautkrebs
Ein wichtiger Aspekt in der Prävention von Hautkrebs ist die Meidung von erhöhter UV-Exposition. Das ist nicht neu, muss aber immer wieder veranschaulicht und adressiert werden. Wie kann also die UV-Strahlung sichtbar gemacht werden, um Orientierungshilfen für den benötigten Sonnenschutz zu geben? Ein Blick nach Australien, wo Hautkrebs schon länger ein Thema ist, lohnt sich. Tafeln mit einem UV-Index und einem QR-Code, der zu den aktuellen Werten führt, geben über die am Boden zu erwartenden Tagesspitzenwerte der sonnenbrandwirksamen UV-Strahlung Auskunft.
Bezüglich der Lichtschutzfilter sind allerdings auch Mythen unterwegs, die Menschen davon abhalten, Sonnenprotektion aufzutragen. Dr. Thomas Breakell, Erlangen, gab Hintergrundinformationen, um im Gespräch mit Patienten argumentieren zu können [1].
Sind Lichtschutzfilter krebserregend?
Bei den chemischen UV-Filtern zersetzt sich Octocrylen mit der Zeit zu Benzophenon, das potenziell krebserregend ist. Zumindest wurden im Mausmodell bei hohen Konzentration im Futter Nierentumoren beobachtet. Darum solle man Sonnencremes mit Octocrylen vorsichtshalber nach einem Jahr entsorgen, konstatierte Breakell. Bei den physikalischen UV-Filtern wurden Lungentumoren bei Ratten nach dem Inhalieren von Titandioxid berichtet. Bei Menschen wurde keine karzinogene Wirkung beobachtet. Dennoch könnten vorsichtshalber Sonnencremes mit Nanopartikeln von nTiO2 und nZnO, die nicht in Form von Sprays zur Verfügung stehen, angewandt werden.
Sind Lichtschutzfilter endokrin wirksam?
Verschiedene Inhaltsstoffe von chemischen UV-Filtern wurden in diversen menschlichen Flüssigkeiten wie Blut, Urin, Muttermilch, Fruchtwasser und Sperma nachgewiesen. Insbesondere Benzophenone zeigen eine östrogene und antiandrogene Aktivität, wobei in Humanstudien keine eindeutigen hormonellen Veränderungen gefunden werden konnten. Es besteht kein endgültiger Konsens über einen kausalen Zusammenhang. Weitere Untersuchungen wie beispielsweise Langzeitkohortenstudien wären wünschenswert. Physikalische UV-Filter haben keine endokrinen Wirkungen und sind eine sichere Alternative.
Schädigen Lichtschutzfilter die Umwelt?
Etwa 25 % der aufgetragenen Sonnencreme werden im Wasser abgewaschen. Chemische UV-Filter werden ubiquitär in Süß- und Salzwasser nachgewiesen und sind dort toxisch für Meeres- und Süßwasserlebewesen. Bei den Korallenriffen sorgen etwa 4.000 bis 14.000 Tonnen UV-Filter pro Jahr für eine Korallenbleiche, sodass einzelne UV-Filter in Inselstaaten bereits verboten wurden. Nanopartikel der physikalischen UV-Filter sind durch die Verdünnung im Meer in weit geringeren Konzentrationen nachweisbar. Darum sollten chemische Filter wie Octocrylen und Oxybenzon am Wasser möglicherweise vermieden und die Hersteller angestoßen werden, biologisch abbaubare UV-Filter zu entwickeln.
Lösen Lichtschutzfilter einen Vitamin-D-Mangel aus?
Auch die langfristige Anwendung von Sonnencreme scheint keinen Einfluss auf den Vitamin-D-Status zu haben. Als mögliche Gründe nannte Breakell, dass in der Regel weniger Sonnencreme aufgetragen würde, als empfohlen wird, die Sonnencreme nicht überall aufgetragen wird und man sich durch ein falsches Sicherheitsgefühl bei der Sonnencremeanwendung zu lange der UV-Strahlung aussetze. Es gäbe keine Hinweise darauf, dass UV-Filter im realen Gebrauch den Vitamin-D-Spiegel senken, allerdings wären auch keine Studien mit einem Lichtschutzfaktor von über 50 durchgeführt worden. Um körpereigenes Vitamin D zu bilden, genüge es, Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschutz zwei- bis dreimal pro Woche mit der Hälfte der minimalen sonnenbrandwirksamen UV-Dosis auszusetzen. Bei fehlender Eigenproduktion können 20 µg/Tag zugeführt werden.
Insgesamt, fasste Breakell zusammen, seien Sonnencremes sicher. Der Nutzen von Sonnencreme zur Krebsprävention überwiege theoretisch mögliche Risiken. Es sollte aber auf die Inhaltsstoffe geachtet werden und anderer Lichtschutz wie Kleidung, Sonnenhut, Sonnenbrille und der Aufenthalt im Schatten zur Anwendung kommen.
Hilfe für Hautkrebs-Langzeitüberlebende
Noch vor 15 Jahren hatten Melanom-Patienten eine sehr geringe Chance, ein Jahr zu überleben. Mit der gleichzeitigen Entwicklung von zielgerichteten und Immuntherapien ändert sich heutzutage der Fokus von der Therapie zum Verlängern des Überlebens auch zum Management von Langzeitüberlebenden.
Ein Thema, das Patienten sehr interessiert, ist die Ernährung – hier auch die Frage, ob sie mit bestimmten Diäten die Krebserkrankung verbessern können oder ob eine Diät die Krankheit eventuell verschlechtern könnte. Prof. Alpaslan Tasdogan, Essen, erklärte, dass die Ernährung sehr wohl einen Einfluss auf den Tumormetabolismus habe, ebenso wie der bekannte positive Effekt körperlicher Aktivität. Die Datenlage sei aber insgesamt noch sehr dünn, und klinische Studien seien essenziell. Wichtig sei es, den Patienten zu erklären, dass ein Aushungern des Tumors durch Fasten nicht zielführend ist und Risiken für den Betroffenen birgt. Da Patienten nicht jeden Selbstversuch mit dem Arzt abklären würden, lohne es sich, aktiv danach zu fragen.
Es gibt zahlreiche Ansätze in Bezug auf Ernährung, körperliche Aktivität, Darmmikrobiom und Therapieansprechen, die aktuell im Rahmen von präklinischen und klinischen Studien untersucht werden. Es wird angenommen, dass Zusammenhänge mit und/oder positive Effekte auf ein Therapieansprechen bestehen. Anhand der aktuellen Datenlage konnte Tasdogan allerdings keine konkreten Empfehlungen aussprechen. Die Ernährung müsse wahrscheinlich immer individuell auf den Patienten, die Tumorentität, den Zeitpunkt und die Tumortherapie abgestimmt werden.
Viele Langzeitüberlebende brauchen psychosoziale und rehabilitative Unterstützung. Dr. Andrea von den Berg, Freiburg, gab einen aktuellen Überblick. Als Melanom-Überlebende, die von Unterstützungskonzepten profitieren können, definierte sie die heterogene Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Krankheitsstadien und -verläufen nach Abschluss der Primärtherapie.
Bei den Bedürfnissen der Patienten stehe allem voran die Frage: „Was kann ich selbst dazu beitragen, damit es mir besser geht und ich vielleicht sogar ein Rezidiv verhindern kann?“ Dazu könnten Patienten rehabilitative Angebote gemacht werden. Es kommen die onkologische Rehabilitation oder Angebote von Rehakliniken für Dermatologie – entweder als Anschlussrehabilitation (AHB) oder jedwede andere Rehabilitationsmaßnahme – infrage.
Von den Berg wies darauf hin, dass nach onkologischen Erkrankungen und somit auch bei Hautkrebs eine Rehabilitation in der Regel zweimal innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Erstbehandlung möglich sei. Nach Bedarf könnten bei ärztlicher Indikation zum Beispiel bei psychischer Belastung, körperlichen Langzeitfolgen, Rezidiv, Klärung der Erwerbsfähigkeit und positiver Prognose Rehabilitationsmaßnahmen angeboten werden. Es gäbe keine festgesetzte Höchstgrenze für diese. Als behandelnde Person solle man also unbedingt an die Rehabilitation denken, mahnte von den Berg.
Auch Nachsorgeprogramme der deutschen Rentenversicherung (DRV) stehen zur Verfügung: IRENA, T-RENA, Rehasport (auch für Altersruhegeldempfänger) und Funktionstraining am Gerät sowie weitere Angebote vor Ort. Behandelnde sollten Kontaktdaten bereithalten zu Selbsthilfegruppen, dem Krebsinformationsdienst, zu Krebsberatungsstellen, zum INFONETZ KREBS der Deutschen Krebshilfe und zu weiteren Anlaufstellen.
Von den Berg führte aber auch Lücken in der Nachsorge an, wie zum Beispiel Konzepte im Umgang mit Fatigue, Spätrehabilitationsprogramme bei Langzeitfolgen der Immuntherapien, Onlineangebote von Experten für Betroffene, Nutzung von digitalen Gesundheitsanwendungen und Umsetzungsstrategien.