An der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg hat im Wintersemester 2018/19 ein neuer internationaler Masterstudiengang „Integrated Immunology (iImmunology)“ begonnen, der vom bayerischen Elitenetzwerk gefördert wird. Der Sprecher des Studiengangs ist Prof. Falk Nimmerjahn. Der Studiengang ist interdisziplinär, d. h. er wird von Professoren des Departments Biologie und der medizinischen Fakultät gemeinsam organisiert. Inhaltlich werden sowohl die Grundlagen der Immunologie als auch die wesentlichen Aspekte der klinischen Immunologie abgedeckt. Nach einem Jahr theoretischer und praktischer Ausbildung verbringen die Studierenden große Teile des dritten Semesters in ausländischen Labors durch von uns organisierte Kontakte. Im vierten Semester arbeiten die Studierenden dann an ihrer Masterarbeit. Das Programm lief bisher sehr erfolgreich; wir haben in den beiden ersten Jahrgängen je ca. 25 Studierende rekrutiert, davon stammt jetzt im zweiten Jahr fast die Hälfte aus dem Ausland. Die Auswahl findet durch persönliche Interviews, die Lehre auf Englisch statt.
Im ersten Studienjahr bieten wir Vorlesungen, Seminare und Praktika an. Ein wesentlicher Teil der Ausbildung erfolgt zusätzlich in Tutorien, in denen wir ausschließlich die Methode des „Problem-orientierten Lernens“ (POL) anwenden. Das Prinzip des POL-Unterrichts wurde bereits 1969 in der McMaster-Universität in Kanada entwickelt [1]. In der englischen Literatur wird das Verfahren „problem-based learning“ genannt. In Europa wurde das Konzept am konsequentesten von der Universität Maastricht in den Niederlanden in fast allen Studiengängen umgesetzt. Dort wurde auch das 7-Stufen-Konzept des POL entwickelt [2]. In Deutschland wird das Konzept des Problem-orientierten Lernens meines Wissens vor allem in drei Medizin-Studiengängen angewendet: an den Universitäten Witten/Herdecke, Bochum und an der Charité in Berlin. In anderen Studiengängen ist es in Deutschland zumindest nicht sehr weit verbreitet. Für uns war dieses Konzept des POL-Unterrichts neu und ich möchte von unseren ersten Erfahrungen mit POL-Tutorien in Erlangen berichten. Unsere Tutorien finden mit 6–7 Studierenden pro Tutoriumsgruppe und einem Tutor statt. Der Tutor ist ein/-e Professor/-in oder wissenschaftliche/-r Assistent/-in. Ich möchte erwähnen, dass dieses Unterrichtskonzept betreuungsintensiv ist. In unserem Fall hat das Land Bayern den Elitestudiengang großzügig durch acht neue Stellen unterstützt, sodass wir ein Studierenden-Dozenten-Verhältnis von ungefähr 2 : 1 haben und so eine intensive Betreuung von kleineren Gruppen ermöglicht wurde. Wir haben pro Semester vier POL-Tutoriengruppen in zwei Fächern eingerichtet, benötigen also pro Semester acht Betreuer für die wöchentlichen Treffen.
Was ist das Konzept von POL? Das Konzept dieser Unterrichts- und Lernform ist das selbständige und kreative Erarbeiten von Lernzielen durch die Studierenden in kleinen Gruppen. In der ersten Sitzung der Tutoriumsgruppe bekommen die Studierenden ein Problem oder einen Fall präsentiert, der als Text ausgeteilt wird. Der Fall ist vorher nicht bekannt. Alle Tutoriengruppen treffen sich mit ihren Tutoren gleichzeitig in verschiedenen Räumen und bearbeiten alle den gleichen Fall. Der Fall ist eine sehr offen formulierte Fragestellung zu einem immunologischen Thema. Dieses Thema bearbeiten die Studierenden selbstständig. Zunächst werden unklare Fragen zum Text geklärt und dann einigen sie sich auf Inhalte, die zu dem Thema bearbeitet werden sollen. Darauf folgt ein „Brainstorming“, indem alle Studierenden ihre Ideen zu dem Fall auf Karteikarten schreiben. Die Karteikarten werden dann auf einem Tisch oder an einer Pinnwand gesammelt und zu Themenkomplexen sortiert. Als letzter Schritt der ersten Sitzung formulieren die Studierenden dann ihre selbst festgelegten Lernziele. Dann folgt eine einwöchige Phase des Selbststudiums zuhause. Beim zweiten Treffen werden die Ergebnisse der Lernziele präsentiert und gemeinsam diskutiert. Das Vorgehen entspricht den sieben Stufen des POL, wie es von der Universität Maastricht entwickelt wurde (Abb. 1).