Makrophagen: Am Anfang war die Fresszelle

Makrophagen sind Zellen mit außerordentlich vielfältigen Funktionen im Organismus. Neben hochspezialisierten Aufgaben, wie der Immunantwort gegenüber Pathogenen, erfüllen sie auch generische Aufgaben bei der Gewebeentwicklung und -homöostase. In diesem Artikel stellen wir aktuelle Trends in der Makrophagenforschung vor. Wir diskutieren, wie das phänotypische Spektrum von Gewebemakrophagen durch den ontogenetischen Ursprung und die Integration räumlicher und zeitlicher Impulse bestimmt wird, wie akzessorische Makrophagenfunktionen zu Pathologien wie Krebs und Atherosklerose beitragen, und wie innovative hochauflösende Technologien zur Aufklärung der komplexen Makrophagenbiologie beitragen können.

Schlüsselwörter: Makrophage, Fresszelle

Es war einmal eine Fresszelle
Der Vater der zellulären Immunologie, Ilya Metchnikoff, entdeckte Makrophagen im späten neunzehnten Jahrhundert, und nannte sie aufgrund ihrer phagozytotischen Natur „Riesenfresszelle“ (griechisch: μακρός groß, φαγεῖν essen, Abb. 1).

Mittels Intravitalmikroskopie gelang es ihm, Makrophagenschwärme in Seesternlarven und infizierten Wasserflöhen zu visualisieren. Er antizipierte bereits ihre Bedeutung für das Immunsystem als wichtige Immuneffektoren –zuständig für Pathogenbeseitigung und Wundheilung [1]. Seitdem wurden viele weitere Funktionen von Makrophagen beobachtet, wie z. B. das Entfernen apoptotischer Zellen und die Remodellierung der extrazellulären Matrix. In den letzten Jahren sind nun überraschende neue Aspekte über die Biologie und Funktion von Makrophagen im systemischen Stoffwechsel, der Gewebehomöostase und -entwicklung entdeckt worden [2, 3].
In diesem Artikel schildern wir die wandelnde Sicht auf die Funktion von Makrophagen im historischen Kontext. Wir diskutieren spannende aktuelle Trends in der Makrophagenforschung, und wie neue und hochauflösende Techniken zu deren Aufklärung beitragen können.

Wachposten im Gewebe

Makrophagen wird schon sehr lange eine wichtige Rolle bei der Gewebeüberwachung nachgesagt. Für die Detektion sowohl von mikrobiellen Produkten (MAMPs – Mikroben-assoziierte molekulare Muster) als auch von „Gefahrensignalen“ des Wirts, die auf Veränderungen der Homöostase hindeuten (DAMPs – Gefahr-assoziierte molekulare Strukturen), sind Makrophagen mit keimbahnkodierten Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) ausgestattet. Janeway schlug vor, dass diese PRRs für die Initiierung der adaptiven Immunität wichtig sind [4]. Wegweisende Arbeiten von Lemaître und Hoffmann führten dann zur Identifizierung der ersten PRRs in Fliegen, die ohne funktionelles Toll-Protein anfällig für Pilzinfektionen waren [5]. Seitdem wurden viele oberflächliche und zytosolische PRRs in Säugetierzellen identifiziert, die unterschiedlichste molekulare Strukturen und homöostatische Veränderungen erkennen [6]. Die Entdeckung eines makromolekularen Komplexes von Tschopp, „Inflammasom“ getauft, der entzündliche Immunpathologie auslösen kann, leitete später eine Renaissance der Forschungsgebiete der angeborenen Immunität und des Zelltods ein [7, 8]. Insbesondere der PRR Nlrp3 stellte sich als Schlüsselsignalweg für die Detektion steriler Entzündung und metabolischen Stresses heraus. Nun wird dieser Signalweg nicht nur mit vielen chronisch entzündlichen und metabolischen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht [9], sondern hat auch das Interesse an der Entwicklung von Therapeutika zur Behandlung diverser entzündlicher Erkrankungen geweckt [10]. Neben PRRs nutzen Makrophagen eine Vielzahl anderer Rezeptoren und Signalwege, um Veränderungen von z. B. Nährstoff-, Metabolit-, Sauerstoffbedingungen und der Gewebemikroumgebung zu detektieren [11–13]. Die Komplexität des sensorischen Systems von Makrophagen ist bis jetzt noch nicht umfassend aufgeklärt und ein spannendes Gebiet aktiver Forschung.

Makrophagen-Polarisation

Makrophagen produzieren sowohl antimikrobielle reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies, um Krankheitserreger zu bekämpfen, als auch interzelluläre Botenstoffe, um angeborene und adaptive Immunantworten, bzw. den Umbau und die Reparatur von Gewebe zu koordinieren [14]. Ein dichotomes Konzept der Makrophagenaktivierung hat viele Jahre geholfen, gegensätzliche Funktionen dieser Zellen zu beschreiben. Während „klassisch aktivierte” M1-Makrophagen durch PRR und Interferon induziert werden, um eine Immunantwort gegenüber Bakterien und intrazellulären Pathogenen auszulösen, werden „alternativ aktivierte“ M2-Makrophagen vornehmlich bei Asthma, Allergien und Wurmbefall durch Th2-Antworten und Zytokine wie IL-4 oder IL-13 gebildet [15, 16]. Allerdings existieren z. B. auch Makrophagen, die M2-ähnlich polarisiert sind und die einen wichtigen, aber noch nicht genau geklärten Beitrag beim Heilungsprozess leisten und potenziell bei Transplantationen und Operationen relevant sein könnten. Dieses und viele andere Beispiele illustrieren, dass sich Makrophagenfunktionen besser durch komplexere Konzepte erklären lassen, die von einem kontinuierlichen Spektrum der Makrophagenaktivierung ausgehen. Es hat sich gezeigt, dass Makrophagen nicht nur ein außergewöhnlich großes Repertoire an verschiedenen Phänotypen annehmen können, sondern auf unterschiedliche zeitliche und räumliche Signale dynamisch ihre physiologischen Funktionen wechseln [17]. Aktuelle Modelle beschreiben, wie durch ein Zusammenspiel von epigenetischen Zell-intrinsischen und Aktivierungs-abhängigen Netzwerken von Transkriptionsfaktoren spezifische Phäno­typen reguliert werden [18, 19]. Unvollständig verstanden ist, wie unterschiedliche Signalkaskaden die Vielzahl von Eingangssignalen integrieren und den Rahmen funktionaler Plastizität vorgeben. In diesem Zusammenhang ist spannend, inwiefern sich die regulatorischen Mechanismen unterscheiden, die zur Etablierung von „angeborenem Gedächtnis“ im Gegensatz zu „trainierter Immunität“ führen – zwei paradigmatische Konsequenzen systemischer Entzündung, die sich durch Unfähigkeit versus besondere Fähigkeit zur erneuten zellulären Aktivierung auszeichnen [20, 21].

Makrophagen-Ontogenese

Ähnlich wie bei der Aktivierung von Makrophagen hat sich auch unser Wissen über die Ontogenese rasch weiterentwickelt. Makrophagen sind in fast allen Geweben vorhanden und nicht nur für die Homöostase, sondern auch für die Entwicklung essenziell [22]. Entgegen des initialen Modells von Van Furth, gemäß dessen Gewebe-residente Makrophagen nur aus Blutmonozyten rekrutiert werden (mononukleäres phagozytotisches Konzept) [23], wissen wir nun, dass diese aus drei unterschiedlichen Quellen stammen: nämlich aus Dottersack, fetaler Leber  und hämatopoetischen Stammzellen (HSC) im Knochenmark.
Fate Mapping und Pulsmarkierungsstudien von Vorläuferzellen haben wesentlich dazu beigetragen, eine genetische Basis für die Makrophagenentwicklung zu etablieren. So wurde eine frühe hämatogene Welle im Dottersack identifiziert, die zumindest teilweise unabhängig vom Transkriptionsfaktor Myb ist und auch erythromyeloide Vorläuferzellen (EMP) generiert [24, 25]. Diese Zellen führen entweder direkt zu primitiven Dottersack-Makrophagen oder wandern in die fetale Leber und erzeugen fetale Monozyten, die das embryonale Gewebe besiedeln und dort zu Makrophagen differenzieren [26]. Alternativ können Makrophagen durch eine Myb-abhängige Hämatopoese entstehen, die in der fetalen Leber beginnt, hämatopoetische Stammzellen bildet und im Erwachsenenalter fortbesteht [27].
Interessant ist, dass der Ursprung von Makrophagen im adulten Gewebe stark variiert. Während einige Gewebe hauptsächlich von aus EMP stammenden Makrophagen besiedelt werden (wie z. B. Langerhans-Zellen in der Haut und Mikroglia im Gehirn [28, 29]), werden andere Gewebe hauptsächlich mit aus HSC stammenden Makrophagen bevölkert (wie z. B. im Herz, Haut und Darm [30–32]). Die Infiltration durch von Monozyten abstammende Makrophagen könnte daher auf einen höheren „Verschleiß“ eines Organs hinweisen. Kurioserweise können sich in der gleichen Gewebeumgebung die Funktionen von aus Monozyten abstammenden und Gewebe-residenten Makrophagen stark unterscheiden. Daher kann der Makrophagenursprung für die Pathogenese von Krankheiten eine wichtige Rolle spielen, wie z. B. während experimenteller Autoimmunenzephalitis [33]. Da sich verfügbare Studien auf Mausmodelle beschränken, bleibt es jedoch unklar, ob Gewebemakrophagen bei Erwachsenen tatsächlich nicht durch von adulten Monozyten stammende Makrophagen ersetzt werden, insbesondere während des Alterns oder über längere Zeiträume wiederholter Belastungen.
Eine spannende Beobachtung ist, dass aus Dottersäcken hervorgehende Makrophagen (und vermutlich fetale und Leber-abgeleitete Makrophagen) durch Selbsterneuerung über die gesamte Lebensdauer aufrechterhalten werden können [34]. Jedoch bleibt bis jetzt ungeklärt, ob alle oder einige wenige gewebsresidente Makrophagen in den Zellzyklus eintreten können, und sich selbst durch asymme­trische Zellteilung (ähnlich wie Stammzellen) erneuern.

Funktionsspektrum von Makrophagen

Trotz unterschiedlicher Ontogenität können Makrophagen im Gewebe ähnliche Funktionen haben. Alveolarmakrophagen aus der fetalen Leber und Mikroglia aus dem Dottersack üben z. B. während der Homöostase immunsuppressive Funktionen aus und regulieren durch die Deaktivierung autoreaktiver T-Zellen die Aktivierungsschwelle für T-Zell-vermittelte Immunreaktionen [35]. Lokal produzierte sogenannte „Gewebeidentitätssignale“ erklären diese Makrophagenfunktionen in Abhängigkeit von Stoffwechsel, Nährstoff- und Mikrobiotaexposition. So wird z. B. die Differenzierung von Mikroglia und Peritonealmakrophagen als Reaktion auf lokale Produktion von TGF-β im Gehirn bzw. Retinsäure im Omentum gesteuert [36, 37]. Interessant ist, dass sich Makrophagen an eine sich sehr stark ändernde lokale Homöostase im Laufe des Lebens anpassen können, wie z. B. während der Entwicklung des erwachsenen Gehirns oder des Darms vor und nach der perinatalen Besiedlung durch Mikroben [38, 39].
Makrophagen als akzessorische (Zubehörs)-Zellen zu betrachten, kann konzeptionell zum Verständnis der besonderen Plastizität von Phänotyp und Funktion in Geweben beitragen [11]. Durch zelluläre „Arbeitsteilung“ werden generische Aufgaben, wie die Entfernung apoptotischer Zellen, hochspezialisierte Aufgaben (wie Knochenresorption durch Knochenmakrophagen/Osteoklasten, Recycling von Tensiden durch Lungenalveolarmakrophagen oder Bereitstellung von neurotrophen Faktoren durch Mi­kroglia [40–42]), aber auch „auf Abruf“-Funktionen, wie immunologische und Reparaturprozesse an Gewebemakrophagen, abdelegiert. Dementsprechend können Makrophagen auch als akzessorische Zellen z. B. für Tumoren verstanden werden, die in diesem Fall tumorfördernde Prozesse unterstützen [43, 44]. Neben Krebs gilt eine entscheidende Rolle von Makrophagen in diversen Pathologien wie Atherosklerose [45], Osteoporose, Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes [46, 47] und Fibrose [48] als erwiesen und macht bestimmte Populationen von Makrophagen mit spezifischen Funktionen therapeutisch interessant.

Hochauflösende methodische Ansätze zur Analyse von Makrophagen

Es besteht ein wachsender Bedarf an der Entwicklung von Konzepten, die den Gesamtphänotyp von Makrophagen als Hierarchie aus Abstammung, Identitäts-  und „auf Abruf“-Funktionsmodulen beschreiben (Abb. 2). 

Um das Zusammenspiel vielzahliger Faktoren zur Differenzierung, Erhaltung und Aktivierung von Gewebe-spezifischen Makrophagenpopulationen zu verstehen, sind innovative hochauflösende Techniken besonders gut geeignet.
Zur Erforschung zellulärer Heterogenität wird die zukünftige Forschung von der Verwendung von genetischen Modellen profitieren, die präziseres genetisches und zeitliches Fate Mapping von unterschiedlichen Vorläuferpopulationen erlauben. In diesem Zusammenhang sind hochdimensionale Zelltechnologien wie mikrofluidische Genom-, Epigenom- und Transkriptomanalysen [49] attraktiv, da diese – im Gegensatz zu klassischen Methoden (wie der Durchflusszytometrie) – für jede Zelle eine große Anzahl von Genen analysieren, und eine unvoreingenommene Bestimmung von Zellpopulationen möglich machen. Methoden, die eine genaue Bestimmung des Immunphänotyps ermöglichen, so wie CyTOF, aber auch Durchflusszytometrie oder Immunhistochemie, werden zur Evaluation funktioneller Aspekte und Effektormolekülkombinationen in heterogenen Makrophagenpopulationen beitragen [50, 51].
Die Orchestrierung der Gewebehomöostase und entzündlicher Prozesse ist aufgrund der komplexen Verwendung vieler pleiotroper interzellulärer Botenstoffe noch unvollständig verstanden. Auf Massenspektrometrie basierende analytische Verfahren können hier einen wesentlichen Beitrag leisten, unterschiedliche Biomolekülklassen, wie z. B. Proteine, Metaboliten und Lipide, umfassend zu identifizieren. In Kombination mit funktionellen pharmakologischen und genetischen Strategien können so gegenseitige phänotypische Abhängigkeiten von Makrophagen und Gewebe, wie z. B. „Gewebeidentitätssignale“ die Makrophagenphänotypen diktieren, bzw. Gewebefunktionen durch die Makrophagenphänotypen diktiert werden, bestimmt werden [52]. Ähnlich wie Einzelzellsequenzierungsmethoden die Gewebeheterogenität auf Nukleinsäureebene auflösen, werden die zu erwartenden Entwicklungen Massenspektrometrie-basierter Technologien in Zukunft umfassende Analysen vieler physiologisch relevanter Biomolekülklassen in seltenen Primärzelltypen oder sogar Einzelzellen ermöglichen [53, 54].

Autoren
Annika Frauenstein
Felix Meissner (korrespondierender Autor)
Experimentelle Systemimmunologie
Max-Planck-Institut für Biochemie 82152 Martinsried, Deutschland