Trendstudien zum Schutzverhalten der Bevölkerung seit Beginn der Pandemie zeigen [1, 2], dass sich vor allem in Phasen der Lockerung regulatorischer Maßnahmen wiederholt eine gewisse „Pandemiemüdigkeit“ feststellen lässt. Diese äußert sich in einer vergleichsweise niedrigen Motivation, empfohlene Schutzmaßnahmen einzuhalten. Jüngere Menschen unter 30 Jahren waren davon Ende 2020 besonders betroffen und verhielten sich insgesamt riskanter als ältere [3, 4]. Dies könnte vor allem zwei Ursachen haben: Zum einen zeigte sich, dass die Risikowahrnehmung in Bezug auf eine COVID-19-Infektion bei Jüngeren geringer war als bei Älteren [4–6] und dass diese mit der Pandemiemüdigkeit korreliert [7]. Zum anderen könnte die mangelnde Einhaltung der Schutzmaßnahmen auch damit erklärt werden, dass Verhaltensempfehlungen wie Kontaktbeschränkungen gerade den Alltag junger Menschen konterkarieren [5]. Inwieweit diese Ursachen die mangelnde Einhaltung von Schutzmaßnahmen bei jüngeren Menschen tatsächlich erklären, galt es zu klären, um auf dieser Grundlage adäquate Botschaften zur COVID-19-Kommunikation an Jugendliche und junge Erwachsene zu identifizieren.
Hintergrund
Grundsätzlich hängt die Wirksamkeit von Kommunikationsmaßnahmen von zahlreichen Faktoren und Rahmenbedingungen ab. Einen entscheidenden Bestandteil der Entwicklung einer Kommunikationsstrategie bildet die theorie- und evidenzbasierte Fundierung. Hierdurch lässt sich die Wahrscheinlichkeit deutlich steigern, dass Kommunikationsmaßnahmen effektiv und effizient zugleich sind [8, 9]. Wichtig sind dabei vor allem Theorien und Erkenntnisse zur Erklärung von Gesundheitsverhalten, zur Wirkung von Botschaftsmerkmalen und Appellformen sowie zur Nutzung und Wirkung unterschiedlicher Kommunikationskanäle.
Um effektive Botschaften für die Zielgruppe junger Menschen in Deutschland identifizieren zu können, sind zunächst Erkenntnisse zu den verhaltenswirksamen Determinanten des coronabezogenen Schutzverhaltens in dieser Zielgruppe wichtig. Die Gesundheitspsychologie hat zahlreiche Ansätze zur Erklärung von Verhalten hervorgebracht. Wenn es darum geht, herauszufinden, welche Determinanten für die Ausübung eines Gesundheitsverhaltens entscheidend sind, eignet sich die Theory of Planned Behavior (TPB) [10, 11] besonders gut, da sie nicht nur erfasst, welche Faktoren ein Verhalten beeinflussen (Verhaltensintention, Einstellung, subjektive Norm, wahrgenommene Verhaltenskontrolle), sondern auch, welche Vorstellungen diesen Faktoren zugrunde liegen – etwa die Vorstellung davon, welche Konsequenzen ein Verhalten hat oder welche Faktoren die Ausübung des Verhaltens erleichtern oder erschweren. Da diese Vorstellungen themen- und zielgruppenabhängig stark variieren, werden sie idealerweise offen ermittelt (Forschungsfrage 1, Studie 1).
Zahlreiche Studien, darunter auch Metaanalysen, setzten sich in den vergangenen Jahrzehnten mit der durch die TPB postulierten Erklärung von Verhalten auseinander und bestätigten sie [11]. Auch im Zusammenhang mit Schutzmaßnahmen im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie wurde die Theorie belegt [12–15]. Erste Studien im COVID-19-Kontext [13, 15] legen zudem nahe, die TPB mit risikobezogenen Modellen zu verknüpfen, z. B. mit der Protection Motivation Theory [16] oder dem Health Belief Model [17]. Auch zeigte sich, dass das wahrgenommene Wissen über COVID-19 einen Einfluss auf das Schutzverhalten hat [13]. Auf Basis dieser Befunde wurde ein Modell entwickelt, das die TPB um risikobezogene Konstrukte und coronabezogenes Wissen erweitert (vgl. Abb. 1).