Herausforderungen und Handlungsoptionen im Labor
Die statistischen Entwicklungen der Ausbildungs- und Altersstrukturen, die maßgeblich zum Fachkräftemangel beitragen, betreffen auch die Laboratoriumsmedizin [1]. Wie geht man damit um, wenn MT-L-Stellen monatelang ausgeschrieben sind, ohne dass geeignete Kandidat:innen gefunden werden können? Welche Hürden bestehen bei Anerkennungsverfahren von Bewerber:innen mit einer Ausbildung im Ausland? Wie motiviert man überlastete Mitarbeitende, neben deren Kernaufgaben in Analytik und Diagnostik aktiv für die Ausbildung und Sichtbarkeit des eigenen Berufs einzutreten? Dies sind nur drei von zahlreichen Fragen, die sich im Laboralltag aus den Auswirkungen des Fachkräftemangels ergeben.
Im Rahmen seines Vortrags illustriert Dr. Martin Christmann den Umgang mit solchen Fragen und Herausforderungen anhand von eigenen Erfahrungen im Umfeld des Krankenhauslabors.
Humangenetik: Versorgung unter Druck
Die Zahl genetischer Untersuchungen mit therapeutischer oder präventiver Relevanz nimmt kontinuierlich zu. Hinzu kommt, dass das Gendiagnostikgesetz das Angebot genetischer Beratungen vorschreibt. Dies führt nicht nur zu einem quantitativen Anstieg, sondern auch zu wachsender Komplexität in Diagnostik und Beratung. Damit steigt der Bedarf an qualifiziertem Fachpersonal sowohl im Labor als auch in der genetischen Sprechstunde. Aktuelle Kapazitäten werden hierfür nicht ausreichen. Um dieser Entwicklung angemessen zu begegnen, werden neue, spezialisierte Gesundheitsberufe etabliert:
- Fachhumangenetiker:in (GfH) – übernimmt zentrale Aufgaben im humangenetischen Labor. Die Ausbildung erfolgt berufsbegleitend über fünf Jahre. Eine akademische Qualifizierung im Rahmen neuer Masterstudiengänge ist aktuell
in Vorbereitung. - Genetische:r Fachberater:in – übernimmt als nichtärztliche Fachkraft unter ärztlicher Verantwortung Aufklärungs- und Beratungsleistungen in der genetischen Sprechstunde.
- Genetische:r Beratungsassistent:in – könnte perspektivisch organisatorische und kommunikative Aufgaben in humangenetischen Einrichtungen übernehmen.
Die humangenetische Versorgung in Deutschland steht somit vor erheblichen Herausforderungen. In seinem Vortrag wird Prof. Dr. Ulrich Zechner die Ursachen des Fachkräftemangels in der Humangenetik darstellen und Lösungsansätze durch neue Berufsbilder aufzeigen.
Masterstudiengang medizinische Labordiagnostik
Seit Jahrzehnten leisten hochqualifizierte akademische Laborspezialist:innen mit abgeschlossener fachspezifischer Weiterbildung – etwa als Klinische Chemiker:innen, Fachhumangenetiker:innen oder Fachimmunolog:innen – einen entscheidenden Beitrag zur interdisziplinären Zusammenarbeit mit klinischen Fachkräften. Damit tragen diese akademischen Fachleute zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen medizinischen Diagnostik bei. Trotz ihrer hohen Verantwortung und Expertise fehlt bislang eine rechtliche Anerkennung ihrer Tätigkeit. Dies liegt darin begründet, dass die Weiterbildungen, die von wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Berufsverbänden organisiert werden, nicht hinreichend reglementiert und in entsprechenden Gesetzen nicht berücksichtigt wurden. Hinzu kommt, dass für Akademiker:innen mit abgeschlossener naturwissenschaftlicher Hochschulausbildung die Eingangskriterien in die medizinische Labordiagnostik sehr heterogen sind und naturwissenschaftliche Studiengänge zu wenige medizinische Basisinhalte vermitteln. Eine rechtliche Anerkennung erfordert eine an das medizinisch-diagnostische Berufsbild angepasste Ausbildung zur Erreichung eines einheitlichen Qualifikationsniveaus.
Vor diesem Hintergrund wird an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig derzeit ein berufsbegleitender postgradualer Masterstudiengang mit dem Titel „M.Sc. Medizinische Grundlagen im diagnostischen Labor“ entwickelt. Aufbauend auf einem naturwissenschaftlichen Masterabschluss soll dieser Studiengang in die bestehende fünfjährige Weiterbildung integriert werden. In Kombination mit der praktischen fachspezifischen Qualifizierung an den jeweiligen Weiterbildungsstätten entsteht so ein umfassendes Ausbildungskonzept für zukünftige Fachwissenschaftler:innen in der medizinischen Diagnostik (Abb. 1).