Der Notfalldienst umfasst die Behandlung der Patient:innen in der Notfallpraxis, im Besuchsdienst und in der Krankenhausambulanz. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf gesetzlich Versicherte.
Behandlung im Notfall
Das Recht der Versicherten zur freien Arztwahl nach § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V beinhaltet die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Krankenhäusern in Notfällen. Für den Bereich der ambulanten ärztlichen Behandlung ist geklärt, dass eine solche Notfallbehandlung von Versicherten durch Nichtvertragsärzt:innen der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen ist und dass die im Rahmen einer solchen Behandlung erbrachten Leistungen aus der Gesamtvergütung zu bezahlen sind. Ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V liegt vor, wenn aus medizinischen Gründen eine umgehende Behandlung notwendig ist und ein Vertragsarzt beziehungsweise eine Vertragsärztin nicht in der notwendigen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann.
Vergütung der Leistungen
Die Abrechnung der Leistungen für diese Patient:innen erfolgt über das Muster 19. Die Leistungen sollten gemäß des Honorarverteilungsmaßstabs unquotiert ausgezahlt werden. Sie werden aufgrund des Sicherstellungsauftrags aus dem Kassenarzthonorar vergütet. Das bedeutet, dass Mitgliedsärzt:innen einer Krankenversicherung (KV) eine Notfallumlage leisten müssen – in der Regel berechnet auf der Grundlage des Versorgungsauftrags.
Die im Notfall abrechenbaren Gebührenordnungspositionen (GOP) sind begrenzt. Die Leistungen aus dem Abschnitt II 1.2 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) können nur „für die Versorgung im Notfall und im organisierten ärztlichen Not(fall)dienst“ durch Vertragsärzt:innen sowie „nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser“ berechnet werden. Darüber hinaus können auch Laborleistungen notwendig sein, die dann mit den entsprechenden Ziffern aus 32.2 und 32.3 berechnet werden. Allerdings versuchen die regionalen KV, die Anzahl der abrechenbaren Laboruntersuchungen zu beschränken. So ist beispielsweise in Baden-Württemberg der Vorstand der KV berechtigt worden, eine Liste der im Notfalldienst abrechenbaren GOP aufzustellen. Diese Liste ist geheim. Das bedeutet, dass die Laboranforderungen erbracht werden müssen und dem Erbringer erst bei der Abrechnung gemeldet wird, dass in diesem Quartal diese bestimmten Ziffern nicht vergütet werden. Das Problem hierbei ist, dass zum Zeitpunkt der Anforderung nicht auf die fehlende Abrechenbarkeit hingewiesen werden kann. Wenn die Leistung verweigert würde und sie dann – zumindest in dem besagten Quartal – vergütet worden wäre, wäre die Nichtdurchführung der Untersuchung ja eine unterlassene Hilfeleistung mit den entsprechenden haftungsrechtlichen Konsequenzen.
Anforderung ohne KV-Formular
Die Anforderung von Laboruntersuchungen im Notfalldienst muss formlos erfolgen (siehe die entsprechenden regionalen Vorgaben). Dies ist ungewöhnlich, da ansonsten ja alle Leistungen auf dem entsprechenden KV-Formular angefordert werden müssen. Es dürfen für die Notfallanforderungen keine Muster-10-Formulare verwendet werden, und es darf bei einer Beauftragung eines Dritten für technische Leistungen (wie Röntgen oder Labor) die Notfallpauschale aus Abschnitt II 1.2 des EBM nicht angesetzt werden.
Laboruntersuchungen unerlässlich
Die Notwendigkeit von Laboruntersuchungen bei einem gewissen Anteil der Notfallpatient:innen ist offensichtlich. Im Jahr 2019 ging das Bundessozialgericht (BSG; B 6 KA 68/17 R) noch davon aus, dass auch in gewöhnlichen Arztpraxen ein Notdienst stattfinden und so auch eine „Barfußmedizin“ ohne Technik zum Einsatz kommen kann. Dies hat sich zwischenzeitlich grundlegend geändert: Notfallpraxen dürfen nur noch an Krankenhäusern angesiedelt sein, und die dortige Infrastruktur kann und muss – wie das Labor des Krankenhauses – mitgenutzt werden. Aktuell (in 2025) werden deshalb durch die KV Baden-Württemberg sogar mehrere kleinere Notfallpraxen geschlossen.
Laborleistungen sind aus einer Vielzahl von Gründen medizinisch notwendig, und es ist nahezu unmöglich, generalisierte
Begründungen zur expliziten Notwendigkeit bzw. zum expliziten Ausschluss einer bestimmten Laboruntersuchung im Zusammenhang mit einer bestimmten Diagnose beziehungsweise dem Ausschluss einer Diagnose anzuführen. Berücksichtigt werden müssen die a priori Wahrscheinlichkeit für auffällige Befunde (z. B. durch eine Begleitmedikation oder Begleiterkrankungen), die Verfügbarkeit von Vorbefunden (unter Berücksichtigung des Zeitabstands) und die Befunde von anderen Untersuchungen. Gerade bei Patient:innen, die vom Rettungsdienst in die Notfallbehandlung gebracht wurden, ist eine korrekte Feststellung der Notwendigkeit bzw. der Nichtnotwendigkeit einer stationären Aufnahme regelmäßig nur mittels verschiedener (Labor-)Untersuchungen möglich, um sie nicht durch die nichtstationäre Behandlung zu gefährden.
Das BSG hat ja bekanntlich ausgeführt: „Die Erhebung bestimmter Laborparameter kann jedenfalls in Einzelfällen auch im Rahmen einer Notfallbehandlung geboten sein. Zur Erleichterung der Prüfung, ob einzelne Leistungen der Ausrichtung einer Notfallbehandlung auf die Erstversorgung des Versicherten entsprochen haben, können im Bundesmantelvertrag-Ärzte, in den Gesamtverträgen, im Honorarverteilungsmaßstab oder auch im EBM-Ä selbst für einzelne abgerechnete Leistungen Begründungsanforderungen vorgegeben werden, deren Erfüllung jedenfalls generell im Klageverfahren nicht nachgeholt werden kann. Allerdings muss der einzelne Leistungserbringer genau erkennen können, was er auf welchem Vordruck bzw. auf welchem Feld des Abrechnungsscheins angeben muss, um den formalen Begründungsanforderungen gerecht zu werden.“
Dilemma Begründungspflicht
Es besteht nun das Dilemma, dass Leistungen, die laut EBM2000 explizit nicht begründungspflichtig sind, von der KV gestrichen werden (weil sie auf der geheimen Liste stehen). Der Versuch, die Anforderung im seltenen Einzelfall bei den Notfallpatient:innen zu begründen, scheitert daran, dass die Art der von der KV akzeptierten Begründung nicht bekannt ist. Die Abrechnung der Notfallleistungen muss elektronisch erfolgen, und konkret gibt es für die Angabe der Begründung in der Abrechnung nur das Feld FK 5009, das lediglich 60 Zeichen zulässt. Die Bezeichnung des Feldes im Formular lautet „Diagnose/Verdachtsdiagnose“.
Üblich sind als Begründung Angaben zur Krankheit mittels ICD-Diagnosen (nach ICD-10). Diese Begründung wird allerdings – zum Beispiel von der KV Baden-Württemberg – nicht akzeptiert (wie die Angabe in Feld 5009 bei der Serumethanolbestimmung „Ethanol, bei Verdacht auf Intoxikation mit Alkohol, F10.0 T51.0“ in der Abrechnungsdatei bei jeder einzelnen Bestimmung. Nach ICD bedeutet F10.0 „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Akute Intoxikation [akuter Rausch]“ und T51.0: „Toxische Wirkung: Äthanol“.)
Wirtschaftlichkeit
Eine Begründungspflicht im Einzelfall für diese gestrichenen Parameter ist im EBM oder anderen untergesetzlichen Regelungen nicht vorgesehen. Es ist auch zu hinterfragen, ob für eine einzelne Leistung im Wert von oft nur 25 Cent die Forderung einer ärztlichen individuellen Begründung sachgerecht ist. Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn würde dabei nicht einmal ansatzweise erreicht. Verwiesen werden muss auf ein Urteil des Amtsgerichts Langenfeld vom 17.12.1998 (Az. 23 C 315/98) (es ging um Begründungen gegenüber der Beihilfe). Dort heißt es: „Mehr als das würde das Maß allen Zumutbaren sprengen und kann ... schlechterdings nicht verlangt werden, wobei hinlänglich bekannt ist, dass die ... für die Beihilfe zuständigen Behörden ... eine ausgesprochen restriktive Haltung einnehmen ... Dies kann aber nicht Beurteilungsgrundlage sein ... Bei anderweitiger Betrachtung würde nämlich kaum ein Arzt seine Hauptaufgabe, d. h. die Behandlung von Kranken, erfüllen können, weil er nahezu pausenlos mit der Erläuterung seiner Rechnungen beschäftigt wäre.“ Der kalkulatorische Arztlohn beträgt im EBM2000 aktuell 79 Cent pro Minute, sodass in der Mehrzahl der gestrichenen Leistungen der Aufwand für die individuelle ausführliche Begründung viel höher wäre als der Wert der gestrichenen Leistung. Es ist zu befürchten, dass die KV die individuell angegebene Begründung technisch nicht erfassen und auf Plausibilität prüfen kann beziehungsweise dass der Aufwand für die Plausibilitätsprüfung ungleich höher ist als der gestrichene Betrag und somit die extrem hohen Kosten der Prüfung den Verträgsärzt:innen vom zustehenden Honorar abgezogen werden.
Die (nachträgliche) Begründungspflicht von Leistungen des Kapitels 32.2 bei überwiesenen Leistungen ist insofern auch widersinnig, da diese Leistungen ja (fiktiv) selbsterbrachte Leistungen des Anforderers aus dem Praxislabor sind. Die Aufnahme dieser Leistungen in den Umfang des Praxislabors impliziert ja, dass diese Leistungen in jeder Praxis (d. h. auch im Notfall) und sehr zeitnah verfügbar sein müssen und eben gerade zeitlich kritisch sind. Darüber hinaus wird aus der niedrigen Vergütung der Leistungen des Kapitels 32.2 (die Überzahl davon gerade nur im niedrig zweistelligen Centbereich und oft sogar unter den variablen Sachkosten) offensichtlich, dass die individuelle Begründungspflicht jeder einzelnen Untersuchung unangemessen ist.