Neue Rili-BÄK: Erstmalig Vorgaben für die Präanalytik

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2023.03.05

Bei der Aktualisierung der Rili-BÄK im Mai 2023 wurden erstmals Anforderungen für die Pränanalytik für die beiden Messgrößen Glukose und Kalium aufgenommen. Die analytische Qualität der Messgröße Glukose muss nun höheren Anforderungen bei der internen und externen Qualitätssicherung genügen. Beides ist in Hinblick auf die Patientensicherheit sehr zu begrüßen.

Schlüsselwörter: Plasma, Vollblut, Kontrollprobe, minimale Differenz, Zielwert

Seit Langem sind mit Blick auf die Patientensicherheit in der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (Rili-BÄK) in Abschnitt A klare Ziele definiert. Zwei der drei Ziele beinhalten Aspekte der Präanalytik:

  • die Minimierung von Einflussgrößen und Störfaktoren in der Präanalytik,
  • die fachgerechte Durchführung der laboratoriumsmedizinischen Untersuchungen einschließlich der Erkennung und Minimierung von Einflussgrößen und Störfaktoren auf die Untersuchungen,
  • die korrekte Zuordnung und Dokumentation der Untersuchungsergebnisse, einschließlich der Erstellung eines Berichts unter Beachtung von Informations­sicherheit und Datenschutz.

Die Aktualisierung der Rili-BÄK vom Mai dieses Jahres formuliert nun erstmals Anforderungen an die Präanalytik in einer eigenen Tabelle B 1–1 für die beiden Messgrößen Glukose und Kalium [1] (Tab. 1).

Tab. 1: Vorgaben für zu verwendende Untersuchungsmaterialien (Rili-BÄK Tab. B 1–1). Die Vorgaben der Tabelle B 1–1 sind spätestens drei Jahre nach der Bekanntgabe der geänderten Richtlinie im Deutschen Ärzteblatt einzuhalten.

Messgröße

Untersuchungsmaterialien

Vorgaben zur Präanalytik

Erläuterung

Glukose

Plasma oder Vollblut

Wenn Plasmaseparation oder Messung nicht innerhalb von 15 Minuten erfolgt, sind Blut­entnahmeröhrchen mit geeigneter Glykolyse-Inhibition zu verwenden. Die Verwendung von Serum ist ungeeignet.

Ohne Glykolyse-Inhibition werden zu niedrige Glukosewerte ermittelt.

Kalium

Heparinplasma oder Vollblut

(ggf. mit geeigneten Antikoagulanzien)

Die Verwendung von Serum ist ungeeignet.

Bei Verwendung von Serum sind die Kaliumwerte falsch hoch.

Für die Bestimmung von Glukose wird nun ausschließlich Plasma oder, im Rahmen der patientennahen Sofortdiagnostik, Vollblut empfohlen – mit der Einschränkung, dass die Plasmaseparation bzw. eine Messung innerhalb von 15 Minuten erfolgen muss. Bei allen anderen Glukosemessungen müssen Blutentnahmeröhrchen mit geeigneter Glykolyse-Inhibition eingesetzt werden. Serum ist für die Bestimmung des Blutzuckerwertes ungeeignet. Insbesondere bei Blutproben, die in der ambulanten Krankenversorgung gewonnen werden und häufig längeren Transportzeiten unterliegen, wird von diesen Anpassungen profitiert: Die Glukosekonzentration nimmt pro Stunde um etwa 7 % ab [2]. Beim Einsatz für die Diagnosestellung bzw. die Überwachung eines Menschen mit Dia­betes wird so beispielsweise vermieden, dass erhöhte Glukosewerte übersehen bzw. schlecht eingestellte Patient:innen nicht erkannt werden. Durch diese Maßnahme wird den Zielen der Rili-BÄK in vollem Umfang Rechnung getragen.

 

Messgröße Glukose

Zudem wurden für die Messgröße Glukose die Anforderungen an die analytische Qualität mit einem höheren Anspruch versehen. Ziel war es, auch den medizinischen Anforderungen, wie sie seit Jahren von der Kommission für Labordiagnostik (KLD) der DDG formuliert werden, gerecht zu werden. Die zulässige relative Abweichung der Kontrollprobenmessung für die interne Qualitätssicherung wurde von ± 11 % auf ± 5 % abgesenkt (Rili-BÄK Tab. B 1–2 a Spalte 3).

Tab. 2: Die alte Tabelle B1 aus der Rili-BÄK 2019 wurde durch die Ergänzung der neuen Tabelle B 1–1 zur neuen Tabelle B 1–2. Veränderungen sind farblich gekennzeichnet. Vorgaben der Tabelle B 1–2 sind spätestens drei Jahre nach der Bekanntgabe der geänderten Richtlinie im Deutschen Ärzteblatt einzuhalten.

1

lfd. Nr.

2

Messgröße

3

Zulässige relative Abweichung der Kontrollprobeneinzelmessung bzw. des relativen quadratischen Mittelwertes der Messabweichung

4

Gültigkeitsbereich der Spalten 3 und 5

5

Zulässige relative Abweichung beim Ringversuch

6

Zielwertart beim Ringversuch

von

bis

Einheit

1

1,25-OH2-Vitamin D

± 25,0 %

10

160

ng/l

2

25-OH-Vitamin D

± 25,0 %

5

120

μg/l

3

ACE

± 23,0 %

10

0,16

200

3,33

U/l

μkat/l

4

Aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT)

± 10,5 %

20

120

s

± 18,0 %

SW

5

Alanin-Aminotransferase (ALT bzw. GPT) EC 2.6.1.2

± 11,5 %

30

0,5

300

5

U/l

μkat/l

± 21,0 %

RMW

6

Albumin

± 12,5 %

20

70

g/l

± 20,0 %

SW

7

Aldosteron (nur im Plasma)

± 25,0 %

5

1000

pg/ml

8

Alkalische Phosphatase (AP) EC 3.1.3.1

± 11,0 %

20

0,33

600

10

U/l

μkat/l

± 18,0 %

SW

9

Alpha-Amylase

± 7,0 %

20

0,33

1.000

16,7

U/l

μkat/l

 

10

alpha-Fetoprotein (AFP)

± 17,0 %

5

250

kIU/l

± 24,0 %

SW

11

ApoA1

± 10,0 %

50

250

mg/dl

± 15,0 %

SW

12

ApoB

± 10,0 %

40

200

mg/dl

± 15,0 %

SW

13

Aspartat-Aminotransferase (AST bzw. GOT) EC 2.6.1.1

± 11,5 %

20

0,33

400

6,67

U/l

μkat/l

± 21,0 %

RMW

Die Grenze für die externe Qualitätssicherung wurde von ± 15 % auf ± 8 % heruntergesetzt und entspricht damit den Vorgaben für das HbA1c (Rili-BÄK Tab. B 1–2 a Spalte 5).

Zusätzlich wird bei Anwendung von Glukosebestimmungen im Rahmen der patientennahen Sofortdiagnostik in Praxen niedergelassener Ärzt:innen sowie bei medizinischen Diensten ohne Zentrallabore eine Teilnahme an Ringversuchen empfohlen.

 

Messgröße Kalium

Für die Messgröße Kalium bewegen sich die physiologischen Konzentrationen in relativ engen Grenzen. Da sowohl eine Erniedrigung als auch eine Erhöhung der Kaliumkonzentration für die Patient:innen rasch zu einer gesundheitlichen Gefährdung führen kann, werden hier bereits seit sehr vielen Jahren hohe analytische Anforderungen für die interne (± 4,5 %) (Rili-BÄK Tab. B 1–2 a Spalte 3) und die externe Qualitätskontrolle (± 8 %) (Rili-BÄK Tab. B 1–2 a Spalte 5) ausgewiesen. Im Material Serum sind die Kaliumkonzentrationen grundsätzlich höher als im Plasma. Sie spiegeln daher nicht die physiologische Situation der Patient:innen wider. Dies erklärt sich durch die Freisetzung von intrazellulärem Kalium aus Thrombozyten, Leukozyten und – im Rahmen einer Hämolyse – aus Erythrozyten in den extrazellulären Raum. Es sind Störfaktoren, die seit Jahrzehnten identifiziert und wiederholt beschrieben sind.

So wird zum Beispiel beim Gerinnungsvorgang – also bei der Entstehung von Serum – Kalium aus den Thrombozyten freigesetzt, sodass die Kaliumwerte aus Serum alle falsch hoch sind. Eine Tatsache, die im Zeitalter der stratifizierten oder der Präzisionsmedizin nicht länger akzeptiert werden kann.

Abb. 1 zeigt eindrucksvoll, dass die Kaliumwerte im Serum – in Abhängigkeit von der Thrombozytenzahl – um bis zu 1,8 mmol/l höher sein können als im Plasma.

 

Die Serumwerte sind dabei falsch hoch! Eine präzise und der physiologischen Situa­tion der Patient:innen entsprechende Messung der Kaliumkonzentration ist wichtig und gewinnt durch neue Medikamente, zum Beispiel die SGLT-2-Inhibitoren, weiter an Bedeutung.

Vor diesem Hintergrund sind die publizierten Veränderungen im Sinne der Patientensicherheit zu begrüßen. Bekannte Störfaktoren, die erheblichen Einfluss auf Messergebnisse haben, werden zukünftig vermieden, womit die Präanalytik den ihr zustehenden Stellenwert bekommt. Wegen der notwendigen Umstellungen in weiten Bereichen der laboratoriumsmedizinischen Versorgung ist eine ausgeweitete Umstellungsphase von drei Jahren vorgesehen.

 

Begriffsdefinitionen

In der neuen Rili-BÄK finden sich zahlreiche weitere redaktionelle, aber auch inhaltliche Veränderungen. Bei den Begriffsdefinitionen wurden zwei Ergänzungen vorgenommen:

Kontrollprobe: Probe mit bereitgestellten Zielvorgaben

Diese Definition fehlte bislang und schließt nun eine wichtige Lücke, denn die interne Qualitätssicherung ist ohne diese Kontrollproben mit den bereitgestellten Zielvorgaben nicht denkbar.

Minimale Differenz: Der kleinste Abstand zwischen einem Messwert und einem Grenzwert, bei denen sie als verschieden bezeichnet werden können, berechnet sich aus der Standardabweichung (s).

MD = 1,65 x s

Die Einführung der Minimalen Differenz (MD) ist dem Umstand geschuldet, dass vielen klinisch tätigen Kolleg:innen nicht bewusst ist, dass auch laboratoriumsmedizinische Untersuchungen Mess­unsicherheiten enthalten. Werkzeuge, die innerhalb des Laboratoriums ständig und selbstverständlich genutzt werden, z. B. der Variationskoeffizient (VK) zur Erfassung der Streuung einer Messserie, sind nicht leicht in den klinischen Alltag zu übertragen. Die Minimale Differenz bietet den Vorteil, die Messunsicherheit in der Einheit der Messgröße beschreiben zu können. Diese Information ist leicht zu vermitteln, wenn es z. B. heißt: Die Glukosekonzentration von 200 mg/dl hat eine Messunsicherheit von ± 20 mg/dl. Der in der Rili-BÄK definierte Wert von Standardabweichung x 1,65 deckt bei direktionaler Betrachtung etwa 90 % der Messschwankungen ab. Der in anderen Publikationen häufig verwendete Faktor von Standardabweichung x 1,96 (gerundet 2,0) deckt hingegen etwa 95 % der Messschwankungen ab und entspricht damit einem häufig angewendeten Wert für Konfidenzintervalle [4].

Darüber hinaus wurden andere bereits existierende Definitionen modifiziert:

Referenzmethodenwert: mit einem Referenzmethodenverfahren ermittelter Zielwert.

Zielwert: der vom Hersteller ermittelte und deklarierte oder von einer Referenz­institution ermittelte Zielwert in einer Kontrollprobe.

 

Weitere Ergänzungen

Im Bereich der Pränalytik wurde unter 6.1.4 der Begriff „Transport“ ergänzt, um diesen wichtigen Part in der Präanalytik hervorzuheben, unabhängig ob in der ambulanten oder in der stationären Versorgung.

Im Bereich der Postanalytik wurde unter 6.3.6 ein neuer Satz aufgenommen, der den Stellenwert der Minimalen Differenz erläutert: „Für die Bewertung quantitativer Analyseergebnisse hält das medizinische Laboratorium Daten zur Messunsicherheit vor und stellt diese auf Anfrage zur Verfügung. Hierbei stellt die MD ein nützliches Werkzeug dar, um die Messunsicherheit zu beschreiben.“

Im Teil B1 wurde durch die Ergänzung der neuen Tabelle B 1–1 die alte Tabelle B 1 zur neuen Tabelle B 1–2. In der Tabelle B 1–2 wurden wenige Veränderungen vorgenommen, die in erster Linie eine verbesserte Verständlichkeit anstreben. So wurde die Bezeichnung der Spalte 3 angepasst, indem die Begriffe „Kontrollprobeneinzelmessung“ und „Messabweichung“ ersetzt bzw. ergänzt wurden. Darüber hinaus findet sich zukünftig bei den quantitativen Angaben zu den zulässigen Abweichungen in den Spalten 3 und 5 das „±“-Zeichen, um zu verdeutlichen, dass diese Abweichungen in beide Richtungen erfolgen können.

Die Messgrößen ApoA1 und ApoB wurden neu in die Tabelle B 1–2 aufgenommen, weil der Stellenwert dieser Apolipoproteine bei der Charakterisierung des kardiovaskulären Risikoprofils zunehmend an Bedeutung gewinnt [5] und im Vergleich zur Quantifizierung der Lipoproteine anhand des Cholesteringehalts eine klar definierte biochemische Struktur hat. Das erleichtert die Standardisierung der Analytik. Zudem wurde der Teil B5 Molekulargenetische und zytogenetische laboratoriumsmedizinische Untersuchungen grundlegend überarbeitet und ergänzt, um den umfangreichen Entwicklungen in diesem Feld Rechnung zu tragen.

Autoren
Prof. Dr. Lutz Heinemann
Science Consulting in Diabetes GmbH (Kaarst, Deutschland)
Leiter der Kommission Labordiagnostik in der Diabetologie der DDG & DGKL (KLD)
Prof. Dr. Matthias Nauck
Universitätsmedizin Greifswald
Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin
Mitglied der KLD, Vorsitzender der Fachgruppe D1 und des Beirats „gemäß der Rili-BÄK“
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