Clostridioides-difficile-Infektion bei Kindern: Positiver Test ≠ krank?

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2022.03.05

Clostridioides difficile ist bei gesunden Neugeborenen und Kleinkindern häufiger Teil der Magen-Darm-Flora als bei Erwachsenen. Dennoch gibt es auch bei Kindern immer öfter symptomatische und rezidivierende Infektionen. Die Teststrategien für Kinder unterscheiden sich nicht von denjenigen für Erwachsene; die Interpretation positiver Testergebnisse stellt aber unter anderem aufgrund des möglichen Vorkommens hoher Toxin-Konzentrationen im Stuhl gesunder Kinder eine Herausforderung dar.

Schlüsselwörter: Toxin A, Toxin B, CDT, Diagnostik, Therapie, Antibiotika

Ein Blick in die Literatur zeigt, dass Clostridioides-difficile(C. difficile)-Infektio­nen bei Kindern eine immer größere Rolle spielen und dass eine gezielte Labordiagnostik in definierten Fällen auch bei Kindern unter zwei Jahren gerechtfertigt ist.

Toxinbedingte Pathogenität

Die Pathogenität von C. difficile basiert auf der Produktion von zwei Toxinen mit der Bezeichnung A (Enterotoxin) und B (Zytotoxin). Beide Toxine sind Glykosyltransferasen, die GTP-bindende Proteine inaktivieren können. Die Toxine gelangen in das Zytoplasma der Kolonozyten, indem sie an Rezeptoren binden, die sich auf der dem Darmlumen zugewandten Seite dieser Zellen befinden. Sobald sie in die Zellen gelangt sind, inaktivieren sie Proteine, die an der Organisation des Zyto­skeletts beteiligt sind, und lösen die Apop­tose der Zellen aus. Dies führt zu einer akuten Entzündungsreaktion, die Durchfall und Colitis nach sich zieht [1, 2]. Seit 1988 ist ein drittes Toxin bekannt, das unabhängig von den glykolytischen Toxinen wirkt [3]. Das binäre Toxin (CDT) aus der Familie der binären ADP-ribosylierenden Toxine besteht aus zwei getrennten Fraktio­nen (CDTa und CDTb). Es katalysiert im Zytosol die Bindung von Adenosindiphosphat (ADP) an Aktin­moleküle, sodass diese nicht mehr als Baustein zur Aufrechterhaltung des Zyto­skeletts verwendet werden können. Dies beeinträchtigt die Integrität der Zellform und induziert poröse Schädigungen der Zellwand sowie Mikrotubuli-Protrusionen, die zu einer verbesserten Adhärenz von C. difficile führen [4]. Dies kann eine Ursache für das höhere Rezidivrisiko bei Infektionen sein, die durch C. difficile-Varianten mit der Fähigkeit zur Bildung des binären Toxins hervorgerufen werden.

Kolonisation und nachweisbares Toxin bei gesunden Kindern

Im Jahr 1935 beschrieben Hall und O’Toole den Organismus erstmals als Teil der normalen Flora bei Neugeborenen und nannten ihn Bacillus difficilis [5]. Bei Säuglingen unter einem Monat wurde eine durchschnittliche Besiedlungsrate von 37 % gefunden [6]. In anderen Untersuchungen wurden Besiedlungsraten bis 61 % beschrieben [7]. Zwischen dem 1. und 6. Lebensmonat ist die Besiedlungsrate mit 30 % immer noch sehr hoch und sinkt bis zum Ende des ersten Lebensjahres auf etwa 10 % ab [6]. Bis zum Alter von etwa drei Jahren sinkt die Rate asymptomatisch besiedelter Kinder weiter ab und stabilisiert sich bei Werten von 0 bis 3 %, was der Rate bei gesunden Erwachsenen entspricht [6]. Die im Stuhl gesunder Säuglinge gefundenen Konzentrationen für das normalerweise krankheitsauslösende Toxin ähneln denen bei Erwachsenen mit C.-difficile-assoziierter Diarrhö [8].

Zusammengenommen deuten diese Befunde darauf hin, dass toxigene Stämme den Darm von Säuglingen besiedeln und Toxine bilden, ohne dass diese eine akute Kolitis entwickeln. Der genaue Mechanismus des Schutzes mancher Säuglinge und Kleinkinder gegen C.-difficile-Toxine ist unklar, es wurden jedoch eine Reihe von Theorien vorgeschlagen. Naaber et al. zeigten, dass verschiedene Bestandteile der Muttermilch (Galactose und Kolostrum) die Bindung von C. difficile an Dickdarmzellen hemmen [9]. Andere Untersuchungen legen nahe, dass Muttermilch das Toxin A bindet und neutralisiert [10]. Darüber hinaus haben mütterlich gestillte Säuglinge einen niedrigeren fäkalen pH-Wert. Dies begünstigt das Wachstum von Bifidobacterien, die wiederum das Wachstum und die Bindung von C. difficile an die Kolonozyten hemmen [11]. In Tierversuchen an Kaninchen (Kaninchen-Ileum-Modell) fand man heraus, dass bei jungen Kaninchen die Bindungsstellen für Toxin A auf der Oberfläche der Ileumzellen fehlen. Darüber hinaus waren die schädlichen Auswirkungen selbst bei Applikation maximaler Konzentrationen von Toxin A auf die Ileumzellen bei neugeborenen und jungen Kaninchen im Vergleich zu den schweren Zellschädigungen bei erwachsenen Kaninchen minimal [12]. Obwohl diese Daten aus einem Tiermodell stammen, deuten sie auf einen möglichen Mechanismus hin, durch den menschliche Säuglinge aufgrund des Fehlens von Toxin-Rezeptoren auf der Oberfläche ihrer Kolonozyten Krankheiten durch C. difficile vermeiden.

Symptomatische C.-difficile-Infektion bei Kindern

Studien der vergangenen Jahre belegen jedoch, dass symptomatische C.-difficile-Infektionen (CDI) bei Kindern sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich an Bedeutung gewinnen [13–16]. Eine Studie an hospitalisierten Kindern in den Vereinigten Staaten zeigte einen Anstieg der CDI von 3.565 Fällen im Jahr 1997 auf  7.779 Fälle im Jahr 2006 [13]. Weitere Studien bei Kindern demonstrierten, dass die CDI-Fälle pro Patiententag im Krankenhaus und die Krankenhauseinweisungen aufgrund von C. difficile anstiegen [14, 15]. Während die CDI-Raten gestiegen sind, hat die Schwere der Erkrankung bei Kindern in den untersuchten Zeiträumen im Gegensatz zu Erwachsenen jedoch nicht zugenommen [14]. Die berichtete Inzidenz von Komplikationen bei Kindern mit CDI (z. B. Nierenversagen, Darmperforation, Tod) ist niedriger als bei Erwachsenen und variiert zwischen 0–12 % [17]. Es wurde jedoch gezeigt, dass hospitalisierte Kinder mit diagnostizierter CDI im Vergleich zu hospitalisierten Kindern ohne CDI ein signifikant erhöhtes Morbiditäts- und Todesrisiko haben. Darüber hinaus sind die Verweildauer im Krankenhaus und die Kosten erhöht [18].

Rezidivierende CDI bei Kindern

Bei Erwachsenen wird die Behandlung von CDI durch eine sehr hohe Rezidivrate erschwert. Bei etwa 20–30 % der erwachsenen Patient:innen tritt ein erstes Rezidiv auf. Schätzungen zur Folge erleiden 45 bis 65 % der Patient:innen nach dem ersten Rezidiv ein zweites Rezidiv oder multiple rezidivierende Episoden, die über Jahre andauern können. Da die rezidivierende CDI schlecht auf die Behandlung anspricht, sind das Mortalitätsrisiko sowie die Behandlungskosten erhöht. Rezidivierende CDI wurde auch bei Kindern berichtet. Eine retrospektive Kohortenstudie untersuchte die Rezidiv­rate von 186 erkrankten Kindern, die über einen Zeitraum von fünf Jahren in einem Krankenhaus aufgrund bestehender Vorerkrankungen behandelt wurden und bei denen zugleich eine Primärinfektion mit C. difficile diagnostiziert wurde. Kinder mit rezidivierender CDI wurden mit Kindern verglichen, bei denen keine Rezidive auftraten. Von den 186 in diese Studie eingeschlossenen Kindern erlitten 41 (22 %) eine rezidivierende CDI. In der multivariablen Analyse waren Malignität (OR = 3,39, 95%-KI = 1,52–7,85), eine kürzliche Operation (OR = 2,40, 95%-KI = 1,05–5,52) und die Anzahl der Antibiotika-Expositionen (OR = 1,33, 95%-KI = 1,01–1,75) signifikante Risikofaktoren für rezidivierende CDI [19]. In einer anderen Studie betrug die Rezidivrate bei betroffenen Kindern 25 % [20].

Risikofaktoren für eine CDI bei Kindern

Chronische pädiatrische Komorbiditäten wie Immunsuppression [21], entzündliche Darmerkrankung [22], Morbus Hirschsprung [23], hämatologische und onkologische Erkrankungen [24], Organtransplantation [25], zystische Fibrose [26] sowie das Vorhandensein einer Gastrostomie (G-Tube) oder Jejunostomie (J-Tube) [25] wurden als Risikofaktoren für eine symptomatische CDI bei Kindern nachgewiesen.

Diagnostische Empfehlungen für die Testung auf CDI bei Kindern

Alle bestehenden Empfehlungen zur Diagnose von CDI weisen eindeutig darauf hin, dass das Schlüsselkriterium für die klinische Diagnose der Nachweis von toxigener C. difficile und freiem Toxin in locker geformtem oder wässrigem Stuhl ist. Sie folgen dabei der Definition der Weltgesundheitsorganisation für Durchfall (Vorhandensein von drei oder mehr weichen Stühlen in einem Zeitraum von 24 Stunden) und besagen, dass Tests nur bei ungeformtem Stuhl bei Durchfall durchgeführt werden sollten. Ausnahme hiervon ist der Verdacht auf das Vorliegen eines Ileus. In Tab. 1 sind die Empfehlungen relevanter Fachgesellschaften für Testungen bei Kindern unter drei Jahren beschrieben.

Tab. 1: Empfehlungen von Fachgesellschaften für die Diagnose von CDI bei Kindern unter drei Jahren

Infectious Diseases Society of America (IDSA) und Society for Healthcare Epidemiology of America (SHEA) [30]

1. Aufgrund der hohen Prävalenz der asymptomatischen Trägerschaft von toxigenem C. difficile bei Neugeborenen mit Diarrhö ≤ 12 Monaten sollte eine routinemäßige Untersuchung nicht durchgeführt werden;

2. Clostridium difficile-Tests sollten nicht routinemäßig bei Kindern mit Durchfall im Alter von 1–2 Jahren durchgeführt werden, es sei denn, andere infektiöse oder nicht infektiöse Ursachen wurden ausgeschlossen;

3. Bei Kindern im Alter von ≥ 2 Jahren wird eine C. difficile-Testung für Patient:innen mit anhaltendem oder sich verschlimmerndem Durchfall und vorhandenen Risikofaktoren (z. B. zugrunde liegende entzündliche Darmerkrankung, immunschwächende Erkrankungen, Antibiotika­behandlung) oder relevante Expositionen (z. B. Krankenhausaufenthalt) empfohlen.

American Academy of Pediatrics (AAP) [31]

In Anbetracht der hohen Besiedelungsraten von Kindern bis zum Alter von 3 Jahren sollten Testungen wie folgt ausgeführt werden:

1. Bei Kindern < 1 Jahr sollen Testungen nur bei spezifischen Darmmotilitätsstörungen wie Morbus Hirschsprung oder im Rahmen eines Ausbruchs durchgeführt werden;

2. Bei Kindern im Alter zwischen 1 und 3 Jahren kann ein Test in Betracht gezogen werden, wenn alternative Ursachen, z. B. Virusinfektionen, zuvor ausgeschlossen wurden;

3. Tests bei Kindern > 3 Jahren mit positivem Ergebnis weisen auf eine wahrscheinliche CDI hin;

4. Bei Wiederauftreten der Symptome sollte eine Wiederholungstestung frühestens 4 Wochen nach dem ersten positiven Testergebnis durchgeführt werden.

European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases und National Health Services (NHS) Britain [32, 33]

1. Das Testen von Proben von Kindern unter 3 Jahren auf C. difficile sollte nur auf ausdrückliche ärztliche Anforderung erfolgen;

2. Ungeformte Stuhlproben von Kindern ab 3 Jahren können entsprechend den für Erwachsene geltenden Kriterien getestet werden.

Bewertung positiver Labortest­ergebnisse bei Kindern

Die empfohlenen Teststrategien bei Kindern, einschließlich derjenigen im Alter von unter zwei oder drei Jahren, sind die gleichen wie die für Erwachsene. Allerdings muss die Interpretation positiver Testergebnisse in dieser Altersgruppe aufgrund der hohen Besiedlungsrate einschließlich toxigener C. difficile und der Möglichkeit des Vorkommens hoher Konzentrationen von Toxin auch im Stuhl gesunder Kinder besonders sorgfältig durchgeführt werden. Als Leitfaden dienen die nachfolgenden Beschreibungen.

Der Nachweis von Toxin-Genen mittels molekularer Tests bestätigt bei positivem Ergebnis das Vorhandensein von C. difficile im Dickdarm mit der genetischen Fähigkeit zur Bildung von Toxinen. Ob die jeweilige Variante tatsächlich kompetent ist, das Gen zur Bildung der Toxine zu exprimieren und ob sie dies zum Zeitpunkt der Diarrhö auch tut, ist mit einem positiven molekularen Ergebnis noch nicht beantwortet. Ein positives Ergebnis in der toxigenen Kultur bestätigt nur das Vorhandensein von C. difficile im Dickdarm, das in der Lage ist, Toxine in vitro zu produzieren. Ein positives Testergebnis in vitro belegt jedoch auch hier nicht zu 100 %, ob die jeweilige Variante das Toxin zum Zeitpunkt der Diarrhö produziert. Ein positives Testergebnis auf freies Toxin im Stuhl durch einen Zellzytotoxizitäts-Neutralisationstest oder einen Antigentest bestätigt zumindest das tatsächliche Vorhandensein des Toxins zum Zeitpunkt der Erkrankung.

Bei Erwachsenen ist der Nachweis von freiem Toxin im Stuhl mit einem hohen positiven Vorhersagewert für die wahre Erkrankung verbunden und ist prädiktiv für einen schweren Verlauf [27, 28]. Bei Kindern, speziell solchen unter einem Jahr, ist der Nachweis von freiem Toxin im Stuhl aus den vorangehend beschriebenen Gründen jedoch ebenfalls nicht zwangsläufig als Ursache der CDI anzunehmen. Dennoch sollte wie bei Erwachsenen der Nachweis angestrebt und in den Testalgorithmus einbezogen werden, da das Toxin die kausale Ursache der symptomatischen CDI ist. Insbesondere bei Kindern müssen die Ergebnisse der Labortestung im Zusammenhang mit dem klinischen Bild und den bekannten CDI-Risikofaktoren in dieser Altersgruppe (Falldefinition) zur Diagnose einer CDI interpretiert werden [29].

Behandlung der CDI bei Kindern

Die Infectious Diseases Society of America (IDSA) empfiehlt orales Vancomycin gegenüber Metronidazol für Kinder mit einer ersten Episode einer schweren CDI und für solche mit einem zweiten Rezidiv. Ein fäkaler Mikrobiota-Transfer sollte bei erkrankten Kindern mit multiplen Rezidiven nach vorangegangener Antibiotikabehandlung zur Sanierung vor Transplantation in Betracht gezogen werden (Tab. 2).

Tab. 2: Empfehlungen zur Behandlung der Clostridium-difficile-Infektion bei Kindern nach IDSA/SHEA (modifiziert nach McDonald et al. Clin Infec Dis 2018; 66(7): e1–e48).

Falldefinition

Behandlung

Pädiatrische Dosis

erste Episode,

nicht schwere

Erkrankung

- Metronidazol × 10 d (PO) ODER

- 7,5 mg/kg | Dosis 3xd oder 4xd

- Vancomycin × 10 d (PO)

- 10 mg/kg | Dosis 4xd

erste Episode, schwere

Erkrankung

- Vancomycin × 10 d (PO oder PR) mit oder ohne Metronidazol × 10 d (IV)

- 10 mg/kg | Dosis 4xd

- 10 mg/kg | Dosis 3xd

erstes Rezidiv,

nicht schwere

Erkrankung

- Metronidazol × 10 d (PO) ODER

- 7,5 mg/kg | Dosis 3xd oder 4xd

- Vancomycin × 10 d (PO)

- 10 mg/kg | Dosis 4xd

zweites Rezidiv

oder mehr

- Vancomycin ausschleichend und gepulst1 ODER

- 10 mg/kg | Dosis 4xd

- Vancomycin × 10 d, gefolgt von Rifaximin für 20 d ODER

- Vancomycin: 10 mg/kg | Dosis 4xd;

Rifaximin: keine pädiatrische Dosierung vorhanden

- fäkaler Microbiota-Transfer

- ...

 Abkürzungen: IV = intravenös; PO = per oral; PR = per rectal; 4xd = 4-mal täglich; 3xd = 3-mal täglich.
1 bei einer schweren oder fulminanten CDI in Verbindung mit einer weiteren kritischen Grunderkrankung sollte zusätzlich zu Vancomycin (PO) Metronidazol (IV) verabreicht werden. Ausschleichendes und gepulstes Regime: Vancomycin 10 mg/kg mit max. 125 mg 4-mal täglich für 10–14 Tage, dann 10 mg/kg mit max. 125 mg 2-mal täglich für eine Woche, dann 10 mg/kg mit maximal 125 mg einmal täglich für eine Woche und dann 10 mg/kg mit maximal 125 mg alle 2 oder 3 Tage für 2–8 Wochen.

Autor
Dr. rer. nat. Jürgen Becker
Quidel Germany GmbH
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