Künstliche Intelligenz (KI) ist im Alltag mittlerweile allgegenwärtig und hat längst auch die Medizin erreicht: So führen beispielsweise KI-gesteuerte Roboter komplexe Operationen selbstständig durch [1], oder moderne Bildgebungsverfahren errechnen synthetische Bilder aus dem Inneren eines Patienten vollautomatisch und liefern deren Interpretation gleich mit [2]. Es ist also nicht verwunderlich, dass auch in der Pathologie die Anwendung von KI erforscht wird.
KI für die Pathologie ist relativ neu
Die Anwendung von KI hat in der Pathologie erst jüngst Fuß gefasst. Das Feld der Computational Pathology (CP), der KI-gestützten Pathologie, ist gerade mal zehn Jahre alt [3]. Das dies kein Zufall ist, liegt auch daran, dass Pathologie bis heute eine weitgehend analoge Disziplin ist, in der bis vor Kurzem kaum digitale Bilddaten existierten [4, 5]. Mit der anbrechenden digitalen Revolution in der Pathologie und der einhergehenden Digitalisierung der Bilddaten kann nun auch die KI ins Feld treten. Die voranschreitende Digitalisierung in der Pathologie ist ein wichtiger Faktor, der auch in Zukunft immer leistungsfähigere KI vorbringen wird, da sie von größeren Datensätzen lernen kann. Dazu später mehr.
Ein weiterer Faktor für die relativ späte Adaptierung von KI in der Pathologie sind die schier riesigen Bildformate der hochauflösenden Gewebescans. Während KI in klassischen Anwendungen, wie z. B. Gesichtserkennung auf einem Fotoapparat, Bilder in der Größenordnung von etwa 1.000 x 1.000 px (= 1 Megapixel) verarbeitet, muss sie in der Pathologie mit Bildgrößen von 150.000 x 200.000 px bei 0,25 mpp (microns per pixel) zurechtkommen, also mit dem 30.000-Fachen im Gigapixelbereich. Bilder solcher Größe werden nicht „am Stück“ prozessiert, sondern müssen vorher in viele kleine Kacheln geteilt werden. Erst mit genügend Rechenpower, wie man sie in modernen Rechenzentren findet, kann aus einer hinreichend großen Anzahl solcher Daten in praktikabler Zeit etwas Sinnvolles gelernt werden. Die größere Verfügbarkeit digitaler Bilder und die technischen Entwicklungen der Computerhardware, Software und der Scanner haben also erst in den vergangenen Jahren eine kritische Masse erreicht, die für die moderne CP notwendig ist.
Bedeutung in der klinischen Routine und Forschung
Pathologie ist zentraler Bestandteil sowohl in der Medizin als auch in der allgemeinen Krebsforschung. Sie ist unerlässlich für die Krebserkennung und -behandlung. Dennoch sinkt weltweit die Anzahl der Patholog:innen und die knappe Verfügbarkeit von Pathologien ist in vielen Ländern ein Problem [6]. Die Arbeitslast wird dadurch immer höher und gleichzeitig werden medizinische Daten immer komplexer. Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass die Inter- und Intraobservervariabilität subjektiver Befunde problematisch sein kann [7, 8]. Für all diese Herausforderungen gibt es sinnvolle Lösungsansätze aus der Computational Pathology sowohl durch unterstützende Automatisierungen als auch durch höhere Reproduzierbarkeit.
Die klinische oder angewandte CP hilft, bereits existierende Abläufe in der Pathologie zu automatisieren, sie reproduzierbarer, effizienter oder genauer zu machen. Sie unterstützt Pathologinnen und Pathologen in ihren täglichen Arbeitsabläufen und hilft damit auch in der Patientenversorgung. Typische Beispiele sind etwa das automatisierte Zählen von positiven Krebszellen in immunhistochemisch gefärbten Nierengeweben [9] oder die Detektion, Quantifizierung und Klassifizierung von Krebs in Prostata-biopsien [10–12]. Der Nutzen dieser Programme ist durchaus immens: So konnte bereits gezeigt werden, dass sich mithilfe einer KI-basierten Prostatakrebserkennung die Sensitivität der Befundung in der Patholgie signifikant um 16 Prozentpunkte erhöht, insbesondere bei kleinen und low-grade Läsionen [13].
In diesen Bereich fallen auch wegbereitende Technologien, wie zum Beispiel automatisierte Qualitätskontrolle (QC) der digitalisierten Bilddaten [14]. Diese QC ist insbesondere für Institute oder Labore wichtig, die ausschließlich digital befunden und nicht mehr auf physische Objektträger zurückgreifen. Das Qualitätsmanagement (QM) eines Labors kann sich auf KI als systematische Zweitmeinung stützen, um gesicherte Befunde zu erstellen [15].
Nicht jede KI eignet sich für den klinischen Einsatz. Die klinische Anwendbarkeit muss für jede KI separat geprüft werden. Dazu eignen sich Laboratory Developed Tests (LDT) für die eigenen Anwendungen oder Zertifizierungen unabhängiger Prüfstellen (z. B. CE-Mark in Europa oder die Food and Drug Administration (FDA) in den USA). Diese Zertifizierungen für KI-Modelle sind aber gerade in der Pathologie noch neu. So hat die FDA im Jahr 2021 zum ersten Mal überhaupt in der Pathologie eine KI zur Prostatakrebserkennung freigegeben [16].
Eine wichtige Hürde zur klinischen Anwendung KI-gestützter Algorithmen ist ihre Integration in die klinischen Systeme und in die Laborinformationssysteme [17]. Hier müssen Softwarehersteller und KI-Entwickler zusammenarbeiten, um standardisierte Schnittstellen bereitzustellen. Denn nur eine benutzerfreundliche Integration der digitalen und KI-gestützten Pathologie in die existierenden Laborsysteme ermöglicht eine effiziente Nutzung der neuen Technologien [18–20].
Die forschende CP nutzt Methoden des maschinellen Lernens, um neue Eigenschaften und Muster in Pathologiedaten zu finden. Diese sollen helfen, Krankheiten besser zu verstehen und zu behandeln. So wird beispielsweise KI dazu verwendet, neuartige Biomarker in H&E-gefärbten Bildern aufzuspüren. Diese Marker können dann aus H&E-Bildern (oder manchmal auch zusätzlichen Daten) etwa Krankheiten subtypisieren, klassifizieren, Überlebenswahrscheinlichkeiten oder Therapieerfolg prognostizieren, oder auf therapierelevante Mutation schließen. Echle et al. [21] haben hierzu eine schöne Übersicht von aktuellen Modellen zur Tumorerkennung, Klassifizierung oder Subtypisierung (Abb. 1 a), zur Mutationserkennung, Überlebensprognose oder Therapieantwort (Abb. 1 b) erschaffen, die die Vielfalt zeigt, mit der KI in der Pathologie aufwartet.