Interview mit Dr. phil. Sascha Albrecht, Berlin

Herausforderungen rechtlicher und politischer Art in der digitalen Pathologie

Im Zentrum einer jeden Medizin und ärztlichen Tätigkeit steht das Wohl der Patientinnen und Patienten. Daher muss die Innovationskraft der Digitalisierung im Gesundheitswesen im Allgemeinen und in der Pathologie im Besonderen der besseren Patientenversorgung dienen.

„Digitale Pathologie ist Pathologie!“ Unter dieser Maxime ebnet der Bundesverband Deutscher Pathologen dem zentralen Fach in der Tumordiagnostik den Weg in die digitalisierte Zukunft. Welche Herausforderungen rechtlicher und politischer Art dabei anzugehen sind, beleuchtet das folgende Interview.

Welche legalen Aspekte sind beim Einsatz der Digitalen Pathologie zu berücksichtigen? 

Albrecht: Prinzipiell gilt: Digitale Pathologie ist Pathologie. In der Digitalen Pathologie finden dieselben Aspekte Anwendung wie in der „analogen Pathologie“. Das bedeutet, dass auch hier u. a. Fragen nach Haftung, der Aufbewahrung und der spezifischen Gebietsbestimmungen eine Rolle spielen. Grundlage hierbei ist das Ineinandergreifen unterschiedlicher Rechtskreise, wie z. B. das Berufsrecht (die Ärztekammern), das Sozialrecht/Kassenarztrecht (Gesetzgeber und Kassenärztliche Vereinigungen) oder das Haftungsrecht. Auch die persönliche Leistungserbringung ist ein Grundprinzip der Digitalen Pathologie. Die persönliche Verantwortung der Patholog:innen gegenüber ihren Patient:innen bleibt vom Einsatz digitaler Methoden unberührt. 
Was die Methode betrifft, ist das Prinzip der Methodenfreiheit ärztlichen Handelns zentral für die Digitale Pathologie. Patholog:innen entscheiden frei über die einzusetzende Methode im Rahmen der  ärztlichen Sorgfaltspflicht.  

Spielt die IVDR der EU eine Rolle für den Einsatz der Digitalen Pathologie? 

Albrecht: Sie spielt insofern eine Rolle im Kontext der Digitalen Pathologie, als sich die IVDR gemäß Art. 2 Abs. 2 auf Software bezieht, die dazu bestimmt ist, Informationen über physiologische oder pathologische Prozesse oder Zustände zu liefern. Nicht gemeint sind digitale Verwaltungsmethoden. 

Müssen die digitalen Slides gespeichert werden, wenn diese für die Diagnostik genutzt worden sind. Wenn ja, wie lange? 

Albrecht: Das Schnittpräparat als Grundlage des digitalen Slides ist nach aktueller Rechtslage 10 Jahre aufzubewahren. Es kann aber sinnvoll sein, das digitale Slide zusätzlich darüber hinaus zu archivieren.

Kann Digitale Pathologie (ohne KI), ad-hoc bei uns diagnostisch angewandt werden? Was muss man beachten?

Albrecht: Auf Grundlage der Methodenfreiheit gibt es keine Einschränkungen methodischer Art bei der Ausübung der Digitalen Pathologie. Medienspezifische Regelungen sind aber hier abzudecken und zu berücksichtigen. Die Kommission Digitale Pathologie des Bundesverbandes hat hierzu einen entsprechenden Leitfaden ausgearbeitet, der die wichtigsten Punkte zusammenfasst.

Gibt es regulatorische Unterschiede zwischen privaten Pathologie-Praxen, universitären Pathologieinstituten oder kranken­hausinternen Pathologien bez. Digitaler Pathologie? 

Albrecht: Potenzielle Unterschiede lassen sich u. U. aus dem Berufsrecht und Kassenarztrecht lesen, weil sie z. B. die zu erbringende ambulante Leistung an einen bestimmten Ort (Kassenarztsitz) binden. Daher könnte man annehmen, dass sich künftig manche Dinge, die die Digitale Pathologie betreffen, unter einem einzigen rechtlichen Dach etwas einfacher gestalten lassen, z. B. Fragen der Haftung. Wir stehen aber gegenwärtig noch am Anfang der Fortentwicklung der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen. Als Verband wollen wir unter diesem Aspekt verstärkt Einfluss auf die rechtlichen Rahmenbedingungen nehmen. Maßgeblich dabei ist, was die Patientenversorgung verbessert. 

Muss ich auf CE-Kennzeichnungen beim Kauf von Scannersystemen achten oder kann ich jedes System für mein Institut nutzen (z. B. mit LDTs)?

 Albrecht: Bei Scannersystemen ist sicherlich auf eine CE-Markierung zu achten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Einsatz von Scannersystemen werden unserer Einschätzung nach unter der Medizinprodukteverordnung der EU abgebildet.

Welche (regulatorischen) Herausforderungen sehen Sie bei der Anwendung von KI in der Diagnostik der Pathologie? 

Albrecht: Die Zentrale Ethikkommission der Bundesärztekammer (ZEKO) veröffentlichte am 23.08.2021 ihre Stellungnahme „Entscheidungsunterstützung ärztlicher Tätigkeit durch Künstliche Intelligenz“. Die in dieser Stellungnahme erarbeiteten Positionen formulieren positiv eine Antwort auf mögliche Spannungen im Verhältnis von ärztlichem Handeln und unterstützender Methodik bei der ärztlichen Entscheidungsfindung mittels KI. Diese Positionen lassen sich auch auf das diagnostische Gebiet der Pathologie übertragen. Folgende zwei Statements der ZEKO sind dafür beispielhaft: Zum einen, „Ärztliches Handeln ist immer dem/r individuellen Patient:in verpflichtet. Ärzt:innen sind dafür verantwortlich, dass der Einsatz von CDSS (Clinical Decision Support Systems) unter der Maßgabe der Verbesserung der Patientenversorgung geschieht“. Zum anderen, „Die Verantwortung und Rechenschaftspflicht für Diagnose, Indikationsstellung und Therapie obliegt stets den Ärzt:innen und darf nicht an ein CDSS-System abgetreten werden. Die Grenze zwischen Entscheidungsassistenz und automatisierter Entscheidung darf nicht überschritten werden.“ Diese beiden Statements greifen mit ihrer positiven Formulierung zwei ganz grundlegende Maxime der Medizin im Allgemeinen und der Pathologie im Besonderen auf.
Speziell regulatorische Aspekte für den Einsatz von KI in der Medizin werden künftig auch stärker über die Europäische Union geregelt. Beim Bundesverband setzen wir uns gegenwärtig intensiv mit dem Entwurf der KI-Verordnung der Europäischen Union auseinander, die auch den Einsatz von KI im Medizinbereich regeln wird. Hier wird es eine Herausforderung sein, darauf hinzuwirken, dass das geltende Recht auch den Bereich der Medizin und der Pathologie im Besonderen adäquat widerspiegelt. 

Gibt es da bereits Beispiele in anderen Feldern (z. B. KI in der Radiologie)? 

Albrecht: Zur bereits erfolgten technischen Einbindung von KI-Anwendungen in den diagnostischen Alltag, z. B. in der Radiologie, möchte ich gerne hier auf den Berufsverband der Deutschen Radiologen verweisen. 

Vielen Dank für das interessante Gespräch.
 

Das Interview führten Peter Schüffler und Peter J. Wild.


Der Bundesverband Deutscher Pathologen ist der Zusammenschluss aller berufstätigen Pathologinnen und Pathologen in Universität, Krankenhaus und Praxis. Auch die Weiterzubildenden sind hier organisiert. Der Verband sieht sich als „die Kammer des Fachgebiets“. Sein Ziel ist es, die Mitglieder in die Lage zu versetzen, den Beruf in der bestmöglichen Weise auszuführen.

www.pathologie.de