Auf der Zellmembran von Erythrozyten finden sich zahlreiche polymorphe Oberflächen- und Transmembranproteine. Sie tragen die verschiedenen Blutgruppen-Antigene, welche häufig Glykoproteine sind. Ihre Spezifität ist meist in Oligosacchariden (wie beim AB0-System) oder in der Aminosäuresequenz (z. B. bei Kell) begründet. Jede Blutgruppe repräsentiert entweder ein einzelnes Gen oder mehrere gekoppelte homologe Gene.
Von der International Society of Blood Transfusion (ISBT) sind derzeit über 600 Antigene anerkannt, die den 38 Blutgruppensystemen zugeordnet und von 45 Genen kodiert werden.
Für die Anerkennung einer Blutgruppe durch die ISBT müssen die folgenden fünf Bedingungen erfüllt sein:
- Sie weisen mindestens ein Antigen auf, für das ein natürlicher Antikörper bekannt ist.
- Das betreffende Antigen wird nachweislich vererbt.
- Das entsprechende Gen und der für das Antigen ursächliche Polymorphismus sind bekannt und wurden sequenziert.
- Der Genort ist bekannt.
- Das entsprechende Gen unterscheidet sich eindeutig von allen bisher anerkannten Genen und ist nicht homolog zu diesen.
Neben den oben genannten 38 Blutgruppensystemen existiert eine Reihe weiterer Antigene, die diese Bedingungen nicht gänzlich erfüllen und in den sogenannten „Series“ zusammengefasst werden.
Nomenklatur
Jedes Antigen wird mit einer sechsstelligen Nummer bezeichnet. Die ersten drei Ziffern repräsentieren das Blutgruppensystem (z. B. 006 für Kell bzw. 008 für Duffy), die letzten drei Ziffern die Spezifität (z. B. 006003 für Kpa bzw. 008001 für Fya). Alternativ kann auch das Symbol für das Blutgruppensystem zusammen mit der Antigennummer verwendet werden – vorangestellte Nummern können hierbei entfallen (z. B. KEL003 bzw. KEL3 und Fy001 bzw. Fy1).
Phänotypen werden durch das Symbol für das Blutgruppensystem gekennzeichnet; nach einem Doppelpunkt folgt eine durch Kommas getrennte Liste der Antigene. Fehlende Antigene werden durch ein vorangestelltes Minuszeichen gekennzeichnet (z. B. KEL: -1, 2, 3, 4 bzw. Fy: -1, -2). Da die Nutzung der numerischen Bezeichnung im alltäglichen Gebrauch nicht praktikabel ist, verwendet man hier oft Alternativnamen (z. B. beschreiben KEL K-/k+, Kp(a+b+)1 und Fy(a-b-) die oben genannten numerischen Phänotypen).
Für Allele und Genotypen ist generell Kursivschreibung gebräuchlich, wobei Allele durch das Symbol für das Blutgruppensystem, gefolgt von einem Stern und der Antigennummer gekennzeichet sind (z. B. KEL*02). Genotypen werden durch Nennung der beiden elterlichen Allele, getrennt durch einen Schrägstrich, dargestellt (z. B. KEL*02.03/02) [1].
Historie
Xg (ISBT 012, Symbol XG) war die erste Blutgruppe, für die 1983 ein Zusammenhang zwischen einer individuellen genetischen Veranlagung und einem Blutgruppen-Phänotyp hergestellt werden konnte [2]. Drei Jahre später wurden genetische Varianten der Blutgruppensysteme Gerbich (ISBT 020, GE) und MNS (ISBT 002, MNS) beschrieben [3, 4].
Im Jahre 2010 stellten Geoff Daniels und Marion Reed die bis dahin bekannten Blutgruppensysteme – unter ihnen die bedeutenden Systeme AB0 (ISBT 001, AB0), Rhesus (ISBT 004, RH) und Kell (ISBT 006, KEL) sowie Duffy (ISBT 008, FY) und Kidd (ISBT 009, JK) – zusammengefasst dar. Zeitgleich wurde Rhesus-Associated Glycoprotein (RHAG) als ISBT 030 anerkannt [5, 6].
Von 2012 bis 2015 folgten dann die genetischen Beschreibungen der Blutgruppensysteme JR (ISBT 032, JR), Langereis (ISBT 033, LAN) und Vel (ISBT 034, VEL) jeweils gleichzeitig durch verschiedene Forschergruppen [7–13]. Im selben Zeitraum wurden auch die sehr seltenen Phänotypen der Blutgruppen Forssmann (ISBT 031, FORS), CD59 (ISBT 035, CD59) und Augustine (ISBT 036, AUG) [14–17] beschrieben [18].
Zuletzt wurden von der ISBT im Jahr 2019 die beiden Blutgruppensysteme KANNO (ISBT 37, KANNO) mit einer Punktmutation auf dem PRNP-Gen auf dem Chromosom 20 [19] und dem Antigen KANNO1 sowie Sid (ISBT 38, SID) mit dem Kandidatengen B4GALNT2 und dem Antigen Sda [20] anerkannt.
Polymorphismen
Tab. 1 gibt einen Überblick über die Arten und die jeweilige Anzahl der Polymorphismen, die bestimmte Antigene – oder ihr Fehlen – bei den Blutgruppen Lutheran, Kell und RhD verursachen.