Floppt der iFOBT?

Immunologischer Test auf okkultes Blut im Stuhl

Der Wechsel vom Guajak-basierten auf den immunologischen fäkalen okkulten Bluttest (iFOBT) im Stuhl zum 1. April 2017 hatte deutliche Prozessänderungen in der Darmkrebsvorsorge zur Folge. Die Nutzung zur Früherkennung am Patienten ist rückläufig. Ein großer Anteil der von den Laboren ausgegebenen Entnahmesysteme für den iFOBT kommt nicht zur präventiven Laboranalytik zurück. Ablaufanpassungen sind notwendig. 

Schlüsselwörter: gFOBT, KRK, Hämoglobin, Schwellenwert, Kostenübernahme, Rücklaufquote, ALM e. V.

Der immunologische fäkale okkulte Bluttest (iFOBT) im Stuhl ist eine Laboruntersuchung zur Früherkennung, wenn bei Patienten der Goldstandard Koloskopie zur Früherkennung eines kolorektalen Karzinoms (KRK) oder eines Adenoms zunächst nicht durchgeführt werden kann oder vom Patienten abgelehnt wird. Er wird ab dem 50. Lebensjahr von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Darmkrebs wird laut Krebsregister (2014) in Deutschland insgesamt bei 61.000 Menschen pro Jahr neu diagnostiziert. Das KRK oder seine Vorstufen können in den Darm bluten.

Nicht sichtbares Blut kann mit den fäkalen okkulten Bluttests (FOBT) im Stuhl nachgewiesen werden. Bei herkömmlichen Guajak-basierten FOBT (gFOBT) färbt Hämoglobin im Stuhl nach Zugabe von Wasserstoffperoxid das imprägnierte Filterpapier blau. Hierzu werden aus drei Stuhlgängen je zwei Proben pro Stuhl auf zwei Testfelder aufgetragen und direkt in der Arztpraxis untersucht. Die mindestens einmalige präventive Durchführung eines FOBT senkte in Studien die KRK-bedingte Mortalität um bis zu 30%. Die Testung einmal pro Jahr war der zweijährigen Testung überlegen. Nachteilig am gFOBT ist eine nur mäßige Sensitivität für Karzinome und eine geringe Sensitivität für Adenome zwischen 8% und 35%. Zudem beeinflusst das Essverhalten der Patienten die Spezifität. So können Nahrungsmittel wie rotes Fleisch oder Früchte und Gemüse mit hoher Per­oxidaseaktivität (z. B. Melone, Blumenkohl, Meerrettich) zu falsch-positiven Ergebnissen führen. Ascorbinsäure (Vitamin C) dagegen kann positive Guajak-Reaktio­nen verhindern und zu falsch-negativen Resultaten des gFOBT führen.

Der iFOBT weist hingegen humanes Hämoglobin mit spezifischen Antikörpern nach, sodass keine Ernährungsumstellung vor Testdurchführung nötig ist. Im Gegensatz zu den qualitativen gFOBT werden quantitative iFOBT zudem automatisiert und standardisiert in medizinischen Laboren durchgeführt. Die Stabilität der Probe im Entnahmematerial muss gemäß Vorgabe mindestens fünf Tage betragen, sodass auch ein Postversand möglich ist. Die verfügbaren iFOBT können sich je nach Hersteller hinsichtlich der Testgüte deutlich unterscheiden. So wurden in der Krebsfrüherkennungsrichtlinie (KFE-RL) Kriterien für die Testauswahl festgelegt [1]: Die eingesetzten Tests sollen für fortgeschrittene Adenome und KRK eine Sensitivität von mindestens 25% und eine Spezifität von mindestens 90% besitzen, was anhand einer Testgütestudie mit Koloskopie als Referenztest belegt sein muss. KRK und auch fortgeschrittene Adenome werden dann im Vergleich zum herkömmlichen gFOBT durch iFOBT besser erkannt. Beispielsweise ist die Zahl der Intervallkarzinome, die nach einer negativen Früherkennung und vor der nächsten regulären Untersuchung entdeckt werden, ein wichtiger Indikator für die Qualität eines Screenings. Je geringer die Inzidenz von Intervallkarzinomen, umso besser ist die Krebsfrüherkennung. In einer Metaanalyse wurde die Inzidenz von Intervallkarzinomen bei Reihenuntersuchungen verglichen [2]. Auf 100 entdeckte Intervallkarzinome entfielen hierbei 83 auf den gFOBT und 38 auf den iFOBT. Die iFOBT sind damit auch in dieser Hinsicht den gFOBT überlegen.    

Testgüte

Bezüglich der Sensitivität besteht bei quantitativen iFOBT die Möglichkeit einer Änderung des Hämoglobin-Schwellenwertes (Cut-off-Wertes), bei dem ein Test als positiv bewertet wird. Schwellenwerte < 20 μg/g Faeces (Rate positiver iFOBT: 5–14%) zeigten die bes­ten Werte für die gepoolte Sensitivität mit 89 (80–95)% und gepoolte Spezifität mit 91 (89–93)%. Der optimale Cut-off-Wert ist aber weiterhin in Diskussion. In einer bevölkerungsbasierten Langzeitstudie aus Norditalien, an der 123.347 Personen zwischen 50 und 69 Jahren zwischen 2002 bis 2014 regelmäßig alle zwei Jahre am iFOBT-Screening teilnahmen, konnte beispielsweise bei einem Cut-off von 20 µg/g das proximale rechtsseitige KRK nicht zuverlässig genug detektiert werden [3]. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass bei KRK im rechten Kolon die Hämoglobinkonzentrationen im Stuhl im Mittel mit 12,4 µg/g unter dem aktuellen iFOBT-Cut-off-Wert liegen. Die Steuerungsfähigkeit der iFOBT über Einstellungen dieses Schwellenwertes kann ein weiterer Vorteil gegenüber gFOBT sein, wenn hierdurch zukünftig auch Risiko-adaptierte Betrachtungen ermöglicht werden. Grundvoraussetzung bleibt aber eine transparente Veröffentlichung und Auswertung aller Testeinstellungen und -ergebnisse. Für definierte Patienten kann möglicherweise auch der kombinierte molekulargenetische Nachweis von Tumor-DNA aus dem Blut oder Stuhl eine sinnvolle Ergänzung sein. 

Initiative des ALM e. V. 

In einem aktuell 2019 in der Fachzeitschrift „Prävention und Gesundheitsförderung“ (PUGE) veröffentlichten Artikel wurde durch die Arbeitsgruppe Versorgungsforschung des Berufsverbands Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) e. V. eine Übersicht über den Hintergrund der Einführung des iFOBT für gesetzlich krankenversicherte Patienten im Rahmen der Früherkennung des Darmkrebses in Deutschland zum 1. April 2017 gegeben. Diese beinhaltet einen aktuellen Bericht der medizinischen Labore zum Einsatz dieser Laboranalytik in der Patientenversorgung in Deutschland [4].

Leistungsinhalt in der Praxis

Der iFOBT im Stuhl ist eine präventive Leistung zur Darmkrebsfrüherkennung. Ärzte, die den iFOBT präventiv bei ihren Patienten ≥ 50. Lebensjahr veranlassen, können die Gebührenordnungsposition (GOP) 01737 (57 Punkte, 6 €) abrechnen. Die Leistung umfasst die Patienten-Beratung, Ausgabe sowie Rücknahme und Weiterleitung des Stuhlproben-Entnahmesystems an das Labor. Wichtig ist dabei der Vermerk „präventiv“ auf dem Laboranforderungs-Muster 10. 

Ergebnisse der Auswertung

Die wissenschaftliche Auswertung basiert auf anonymisierten Daten der ALM-Mitgliedslabore vom 1. April 2017 bis 30. Juni 2018 und beinhaltet 4.423.795 von den ALM-Laboren ausgegebene iFOBT (Abb. 1). Im Sinne der Patientensicherheit kann festgehalten werden, dass die Durchführung der iFOBT gemäß den geltenden Qualitätsvorgaben in den akkreditierten medizinischen Laboren für die Routine in der Darmkrebsfrüherkennung etabliert ist. Beispielsweise liegt der Anteil positiver Befunde mit 10% aller der in ALM-Mitgliedslaboren zurückerhaltenen iFOBT innerhalb der Qualitätsvorgaben. Ein wesentliches Ergebnis: Mit nur 62% (n = 2.725.849) über den Untersuchungszeitraum war die Rücklaufquote der Tests in die Labore allerdings nur sehr gering. Zudem waren 4% (n = 110.514) der ins Labor zurückgesendeten iFOBT dort überhaupt nicht auswertbar, was im Wesentlichen durch eine nicht sachgerechte Handhabung der Probenentnahmesets durch die Patienten im Rahmen der Präanalytik begründet war. Hierbei gibt es offenbar auch Unterschiede in der Handhabbarkeit der je nach Testhersteller unterschiedlichen Probenentnahmesets durch die Patienten.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis: Die Laboruntersuchung iFOBT wird im Vergleich zu den ehemals 4,7 Millionen Tests pro Jahr des heute nicht mehr erstatteten herkömmlichen gFOBT im Stuhl, der in der Arztpraxis durchgeführt wurde, nicht ausreichend eingesetzt: Kumulativ erhielten die an diesem Bericht teilnehmenden ALM-Mitgliedslabore über das ausgewertete Jahr nur 2.536.096 iFOBT zurück. 

 

Die Verteilung der iFOBT-Einsendungen im Labor nach Fachgruppen zeigt Abb. 2. 25% der Anforderungen erfolgen durch sonstige, nicht für die präventive Testanforderung berechtigte Fachgruppen. Weiterführende Untersuchungen müssen bestätigen, ob Frauen und Männer gleichmäßig in die Früherkennungsmaßnahme einbezogen werden. Das Anforderungsverhalten beispielsweise durch Fachärzte für Urologie ist ausbaufähig. Da ein hoher Anteil der Anforderung auch durch bisher nicht berechtigte Fachgruppen erfolgt, ist eine Aufhebung einer Fachgebiets-bezogenen Begrenzung zu diskutieren.

Potenzial zur Optimierung

Für die methodische Fortentwicklung des iFOBT ist es entscheidend, die Qualitätsindikatoren aus den Labor-Quartalsberichten an die Kassenärztlichen Vereinigungen transparent Test-bezogen und im Hinblick auf die Labore pseudoanonym von zentraler Stelle zeitnah nach Übermittlung zu veröffentlichen. Insbesondere gilt dies auch für die sog. frühen Performance-Indikatoren. Dabei sollte u. a. herausgearbeitet werden, welche Entnahmesysteme nicht so gut für den Patientengebrauch geeignet sind, um entsprechende Verbesserungen zu erwirken und möglicherweise eine Vereinheitlichung des Testsystems in Deutschland herbeizuführen. Ebenfalls an zentraler Stelle sollten ggf. vorgenommene Anpassungen von Schwellenwerten durch Hersteller oder Anwender publiziert werden.

Um die Rücklaufquote der Tests zur Laboranalytik nach Ausgabe an den Patienten für die Zukunft zu optimieren, sollte diskutiert werden, ob eine direkte Kostenbeteiligung des Patienten am Entnahmesystem sinnvoll ist. Aktuelle Praxis ist, dass die medizinischen Labore die Entnahme- und Transportmaterialien des iFOBT kostenfrei für die Patienten der einsendenden Arztpraxen zur Verfügung stellen müssen. Bezüglich der Diskrepanz zwischen den von den Laboren ausgegebenen und zurückerhaltenen Entnahmesystemen bleibt es aktuell unklar, ob ein Test nicht vom Patienten zurückgebracht oder von der Arztpraxis nicht ins Labor weitergeleitet wurde.

Im Rahmen der aktuellen Regelung der ausschließlichen Kostenübernahme für die Entnahmesysteme und Transportkos­ten durch die ALM-Labore entstanden allein durch nicht zurückerhaltene Entnahmesysteme mindestens drei Millionen Euro Kosten ohne Deckungsbeitrag über den einjährigen Berichtszeitraum. Offen bleibt somit grundsätzlich auch, ob die Bewertung des Entnahmesystems im Rahmen der präventiven Laboruntersuchung GOP 01738 (75 Punkte, 7,99 €) bzw. der kurativen Laboruntersuchung 32457 (5,52 € nach Abzug der Laborquote Q) ausreichend vorgenommen wurde oder hierzu eine Anpassung der Vergütung der Laborleistungen vorgenommen werden muss. Leider wurde aktuell verpasst, eine sachgerechte Verteilung der Kosten für das iFOBT-Entnahmematerial im Rahmen des im April startenden Einladungsverfahrens zur Darmkrebsfrüherkennung vorzunehmen. 

Chance verpasst?

Obwohl die Notwendigkeit der Darmkrebsvorsorge bei 80% der Bevölkerung bekannt ist, sind die Teilnahmeraten mit 67% bei Frauen und 40% bei Männern sehr gering. Daher wird es spannend, wenn im Sommer 2019 das neue bundesweite Einladungsverfahren gesetzlich Krankenversicherter zur Darmkrebsvorsorge greift. Dieses Programm ist eine Folge des „Nationalen Krebsplans“ des Bundesministeriums für Gesundheit im Sinne eines jetzt organisierten Darmkrebsscreenings. Der iFOBT kann auch dann wie bisher bei Frauen und Männern im Alter von 50 und 54 Jahren jedes Jahr durchgeführt werden, ab dem 55. Lebensjahr nur noch alle zwei Jahre. Ist der iFOBT positiv, erfolgt zur weiteren Abklärung zeitnah eine Darmspiegelung. Negative Ergebnisse des iFOBT sollten gemäß KFE-RL nur auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherten mitgeteilt werden. Ab 50 Jahren haben die Männer und ab 55 Jahren die Frauen zudem Anspruch auf bis zu zwei Früherkennungskoloskopien im Abstand von zehn Jahren bis zum 65. Lebensjahr. Wird das Angebot zur Koloskopie erst ab dem 65. Lebensjahr in Anspruch genommen, haben die Versicherten nur Anspruch auf eine Früherkennungskoloskopie.

Die Einladungsschreiben zum Programm werden persönlich an die Versicherten adressiert. Dass dies besser wirkt als unpersönliche Werbung zur Darmkrebsvorsorge wurde bereits belegt. Allerdings zeigte sich auch, dass eine Teilnahme am Stuhltest erst dann erhöht wird, wenn das Entnahmematerial für den Test direkt mit dem Einladungsschreiben versendet wird. So wurden in das saarländische Modelprojekt SAMS 18.560 anspruchsberechtigte Personen ab 50 Jahren einbezogen. 6.167 erhielten kein Einladungsschreiben, 6.190 wurde mit der Einladung direkt Entnahmematerial für den Stuhltest mitgeschickt und 6.203 erhielten nur die Einladung [5]. Zwischen den Gruppen mit Einladungsschreiben, aber ohne mitgeschickten Stuhltest, und der Kontrollgruppe bestand bei der späteren Inanspruchnahme mit 15% Teilnahmerate kein Unterschied. Die Einladung mit beigefügtem Entnahmematerial für den Test hingegen erhöhte die Inanspruchnahme im Vergleich zur Kontrollgruppe um 65% (Teilnahmerate 25% versus 15%). Im Vergleich zur Kontrollgruppe nahm die Inanspruchnahme der Vorsorgekoloskopie insgesamt um 32% innerhalb des ersten Jahres nach schriftlicher Einladung zu (Teilnahmerate 5% versus 4,4%). Voraussichtlich führten die relativ hohen Kosten für das Entnahmematerial für den iFOBT sowie die heterogen verwendeten Testsys­teme in den medizinischen Laboratorien jetzt zu einer vertanen Chance zur Optimierung der Früherkennung, sodass kein Entnahmematerial mit dem Einladungsschreiben im neuen Früherkennungsprogramm verschickt werden wird. Für die medizinischen Labore bleibt also nur zu hoffen, dass sie bei ggf. weiter steigenden Kosten für das Entnahmematerial ohne entsprechende Rücksendung und damit fehlender Durchführbarkeit und fehlender Abrechenbarkeit des iFOBT nicht im vergütungsfreien Raum weiterhin alleine gelassen werden.    

Aus der Rubrik
Prof. Dr. med. Jan Kramer
FA für Innere Medizin, Hämostaseologe; Ärztlicher Leiter & Geschäftsführer, LADR Der Laborverbund Dr. Kramer & Kollegen; Vorstandsmitglied und Sprecher der AG Versorgungsforschung, Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) e. V.