Mit Antikörpern gegen Darmkrebs

Anti-EGFR-Therapie des nicht-RAS-mutierten, metastasierten kolorektalen Karzinoms

Unter dem Begriff des kolorektalen Karzinoms werden Adenokarzinome des Kolons und des Rektums subsummiert. Es handelt sich mit einer Inzidenz von circa 60.000 Neuerkrankungen pro Jahr um eines der häufigsten Malignome in Deutschland. Der Altersgipfel der Erkrankung findet sich in der achten Lebensdekade. Die Entstehung kolorektaler Karzinome basiert auf einer Sequenz genetischer Mutationen, welche den stufenweisen Verlust von Tumorsuppressorgenen und die Aktivierung von Onkogenen (z. B. RAS-Onkogen) beinhaltet. Die altersstandardisierten Erkrankungs- und Sterberaten sind in den vergangenen 15 Jahren aufgrund der wirksamen Maßnahmen zur Früherkennung und der kontinuierlichen Verbesserungen in der Tumor-spezifischen Behandlung gesunken [1].

Schlüsselwörter: kolorektales Karzinom, Anti-EGFR-Therapie, RAS-Mutation

Das kolorektale Karzinom stellt eine biologisch heterogene Gruppe von Neoplasien dar, in der die Tumorbiologie in Abhängigkeit der jeweiligen Molekulargenetik deutlich variiert.

Wichtiger Bestandteil in der palliativen Behandlung des metastasierten kolorektalen Karzinoms (mKRK) ist daher die Integration multimodaler Therapien, um eine möglichst spezifische Anpassung an die Biologie der Tumoren zu erzielen. Aus diesem Grund ist eine Testung auf Mikrosatelliteninstabilität, und die Durchführung molekulargenetischer Analysen hinsichtlich des Vorliegens aktivierender Mutationen, zum Beispiel im RAS (Rat sarcoma)- oder BRAF (Rat fibrosarcoma Isoform B)-Gen, beim mKRK indiziert [2]. Zytostatische Konzepte werden standardmäßig in Abhängigkeit vom jeweiligen molekulargenetischen Befund um zielgerichtete Therapien wie EGFR (epidermal growth factor receptor)- oder VEGF (vascular endothelial growth factor)- Antikörper erweitert. In retrospektiven Analysen diverser klinischer Studien wurde zudem gezeigt, dass die Lokalisation des Primärtumors nicht nur eine entscheidende prognostische Relevanz besitzt, sondern auch prädiktiv für die inhärenten molekulargenetischen Aberrationen ist und somit das jeweilige therapeutische Ansprechen vorhersagen kann (Abb. 1).

Inhibition des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR)

Beim EGF-Rezeptor (epidermal growth factor receptor) handelt es sich um ein transmembranäres Protein mit intrinsischer Tyrosinkinaseaktivität, welcher ubiquitär im menschlichen Körper vorkommt. Die Aktivierung des EGFR erfolgt im Wesentlichen durch die extrazelluläre Bindung seiner Liganden Epidermal Growth Factor (EGF) und Transforming Growth Factor (TGFα), was zu einer Homodimerisierung des Rezeptors führt. Die Signale werden anschließend über Autophosphorylierungsprozesse und die Rekrutierung von Signalmolekülen (Proteinkinase C und STAT: Signal Transducers and Activators of Transcription) nach intrazellulär geleitet. Die Bildung des Liganden-Rezeptor-Komplexes löst dabei zwei wichtige Signalkaskaden aus. Über den Phosphoinositid-3-Kinase (PI3K)-Signalweg wird ein anti-apoptotisches Signal in der Zelle generiert. Darüber hinaus markiert die Aktivierung des Protoonkogens KRAS (Kirsten rat sarcoma viral oncogene homolog) den Ausgangspunkt für den RAS-Raf-MAPK-Signalweg (Raf: rapidly accelerated fibrosarcoma, MAPK: mitogen-activated protein kinase, Synonym für ERK), welcher über eine veränderte Genexpression zur Zellproliferation anregt.

Bei den in der Behandlung des mKRK klinisch bedeutsamen RAS-Mutationen erfolgt die Aktivierung der intrazellulären Signalkaskade dementsprechend EGFR-unabhängig (Abb. 2). 

 

Wird der EGF-Rezeptor hochreguliert oder erfährt er infolge einer Rezeptormutation eine Daueraktivierung, so führt dies zu einer unkontrollierten Zellproliferation und verhindert den kontrollierten Zelltod (Apoptose), was zur malignen Transformation der Zelle beiträgt. Beim metastasierten kolorektalen Karzinom kann eine EGFR-Expression in circa 70% der Tumoren nachgewiesen werden. Der immunhistochemische Score korreliert dabei nicht mit der Effektivität einer Anti-EGFR-Therapie, sodass eine Bestimmung vor Therapieinitiierung nicht erforderlich ist. Unter Berücksichtigung der Funktionsweise des EGF-Rezeptors existieren unterschiedliche Angriffspunkte für eine zielgerichtete Therapie. In Deutschland sind derzeitig zwei monoklonale EGFR-Antikörper für die Therapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms zugelassen. Bei Cetuximab handelt es sich um einen monoklonalen, chimären IgG1-Antikörper, der sich gegen die extrazelluläre Domäne des EGFR richtet und folglich zu einer Hemmung der Ligandenbindung führt. Panitumumab wurde im Jahr 2007 als zweiter rein humaner IgG2-Antikörper in Deutschland für die Behandlung des mKRK zugelassen.

Neben der EGFR-Inhibition durch Blockierung der extrazellulären EGFR-Domäne ist auch die Hemmung der Tyrosinkinaseaktivität durch Tyrosinkinaseinhibitoren prinzipiell möglich. Diese kommen allerdings beim mKRK nicht zum Einsatz.

Palliative Erkrankungssituation

Bei Patienten mit RAS-Wildtyp stellt die EGFR-Inhibition mit Cetuximab oder Panitumumab in Kombination mit einer Polychemotherapie einen wichtigen Therapieansatz im Kontext der Erstlinienbehandlung dar.

In retrospektiven Analysen klinischer Studien unter Berücksichtigung des RAS-Mutationsstatus und der primären Tumorlokalisation zeigte sich, dass Patienten mit linksseitigem Primärtumor ohne RAS-Mutation besonders von einer Behandlung mit den oben genannten EGFR-Antikörpern profitierten [3–9]. Bei rechtsseitigen Primärtumoren hingegen besteht nach aktuellem Kenntnisstand hinsichtlich des progressionsfreien (PFS) und des Gesamtüberlebens (OS) kein relevanter Nutzen für den Einsatz eines EGFR-Inhibitors gegenüber einer alleinigen Kombinationschemotherapie oder einem Bevacizumab-haltigen Regime. Bevacizumab-basierte Therapien haben bezüglich der Überlebenszeiten (PFS und OS) in Metaanalysen im Trend die höhere Effektivität gezeigt [3, 5, 10, 11]. Bei RAS-mutierten Tumoren konnte hingegen unabhängig von der Tumorlokalisation keine signifikante Verbesserung der Effektivität der Chemotherapie durch die Hinzunahme von EGFR-Antikörpern erzielt werden [12]. Daher ist beim Vorliegen einer RAS-Mutation der Einsatz von EGFR-Antikörpern nicht indiziert. Auf Grundlage der genannten Studienergebnisse besteht der gegenwärtige Erstlinientherapiestandard bei Patienten mit RAS-Wildtyp und links-hemikolischem Primärtumor aus einer Kombination von EGFR-Antikörper (Cetuximab oder Pani­tumumab) und einer chemotherapeutischen Dublette, bei der es sich wahlweise um Fluo­ropyrimidin und Oxaliplatin (FOLFOX) oder Irinotecan (FOLFIRI) handeln kann [2]. Daten großer randomisierter Studien zur Wirksamkeit und Toxizität der Kombination von EGFR-Antikörpern mit einer Triplet-Chemotherapie liegen aktuell nicht vor. Die Daten zweier Phase-II-Studien (VOLFI und MACBETH) zeigen jedoch, dass die Kombination aus modifiziertem FOLFOXIRI (mFOLFOXIRI) und Cetuximab beziehungsweise Panitumumab prinzipiell eine hohe therapeutische Aktivität in RAS-Wildtyp-mKRK bei akzeptablem Sicherheits­profil besitzt [13, 14]. Die aktuell rekrutierende TRIPLETE-Studie untersucht in diesem Zusammenhang auf Phase-III-Niveau die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Triplet-Chemotherapie gemäß mFOLFOXIRI-Schema im Vergleich zu einer zytostatischen Dublette entsprechend mFOLFOX-6-Protokoll plus jeweils Panitumumab in der Erstlinienbehandlung von mKRK mit RAS- und BRAF-Wildtyp [15]. Auch in den späteren Therapielinien erweist sich eine Behandlung mit Anti-EGFR-Antikörpern als Monotherapie oder in Kombination mit zytostatischen Substanzen insbesondere in der Gruppe der nicht-RAS-mutierten Tumoren als wirkungsvoll [16–19].

Zwei randomisierte Studien (EPIC und 181-Studie) belegen die Effektivität der EGFR-Inhibition bei RAS-Wildtyp-Patienten in der Zweitlinientherapie. In beiden Studien ließ sich durch die Hinzunahme zu einer Zytostatikatherapie mit Irinotecan beziehungsweise FOLFIRI eine signifikante Steigerung der objektiven Ansprechrate und des progressionsfreien Überlebens erzielen; ohne jedoch ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben zu erreichen [19, 20].

Zum gleichen Ergebnis kommt eine Studie (CAPRI-GOIM), die sich mit der Wirksamkeit einer Fortführung der Anti-EGFR-Therapie in der Zweitlinienbehandlung nach vorausgegangenem Progress beschäftigte. Eine Fortsetzung der Behandlung mit Cetuximab führte in der Gesamtgruppe der nicht-RAS-mutierten-Patienten zu einer nicht signifikanten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens. In der Subgruppe der RAS-, BRAF- und PI3K-Wildtyp-Tumoren (Phosphoinositid-3-Kinase)zeigte sich hingegen eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens. Für das Gesamtüberleben konnte bei geringer Patientenzahl erneut keine Signifikanz erzielt werden [21].

Bezüglich der optimalen Sequenz von Anti-EGFR- und Anti-VEGF-Therapie weisen Studien darauf hin, dass eine Anti-EGFR-Therapie weniger wirksam ist, wenn ihr eine Anti-VEGF-Therapie vorausgeht [22–25]. Eine abschließende Bewertung der verfügbaren Daten und der hieraus resul-tierende Therapiealgorithmus, der auch die Lokalisation des Primärtumors einbezieht, stehen aktuell aus. Die Daten der 181-Studie lassen jedoch vermuten, dass – entsprechend der Erkenntnisse aus der Erstlinienbehandlung – eine Anti-EGFR-Therapie in der Zweitlinientherapie bei links-hemikolischer Lage des Primärtumors effektiver ist als bei rechts-hemikolischer Lage [26].

BRAF-mutiertes mKRK 

In der aktuellen S3-Leitlinie wird bei mKRK-Patienten mit aktivierender V600E-Mutation im BRAF-Gen der Einsatz einer Zytostatikatherapie – gegebenenfalls in Kombination mit dem VEGF-Inhibitor Bevacizumab – oder der Einschluss in eine klinische Studie empfohlen [2, 27, 28]. Diese Empfehlung basiert auf der retrospektiven Analyse von 28 Patienten, welche im Rahmen der TRIBE-Studie mit FOLFIRI und Bevacizumab oder FOLFOXIRI und Bevacizumab behandelt wurden. Die limitierte Datenlage ist bei dem Einsatz der im Vergleich zur chemotherapeutischen Dublette (FOLFOX oder FOLFIRI) durchaus toxischen Therapie (FOLFOXIRI) zu berücksichtigen und mit dem Patienten kritisch zu diskutieren [29].

Die Ergebnisse klinischer Studien lassen vermuten, dass es sich bei BRAF-mutierten Tumoren um eine weitaus heterogenere Entität handelt als zunächst angenommen. Einige Tumoren scheinen trotz des Vorhandenseins einer BRAF-Mutation auf die Behandlung mit Anti-EGFR-Antikörpern anzusprechen.

In der retrospektiven Auswertung einer klinischen Studie (VOLFI) verbesserte sich das objektive Ansprechen (ORR) insbesondere in der Subgruppe der BRAF-mutierten Patienten durch die Hinzunahme von Panitumumab zu einer Kombinationschemotherapie nach dem FOLFOXIRI-Schema (ORR 85,7% versus 22,2%, OR = 21; p = 0,04) [13]. Die gegenwärtig vorliegenden Daten liefern jedoch nur unzureichende Evidenz, dass RAS-Wildtyp-Patienten, die eine BRAF-Mutation aufweisen, von einer zusätzlichen Anti-EGFR-Therapie profitieren [11, 30, 31]. Gleichzeitig existieren keine ausreichenden Daten, um eine Exklusion von EGFR-Antikörpern aus der Behandlung dieser Patientengruppe zu rechtfertigen, sodass für diese Patientengruppe ein dringender Bedarf an weiteren prospektiven Studien besteht.

Die aktuell rekrutierende Phase-II-Studie FIRE-4.5 (AIO KRK-0116) überprüft in diesem Zusammenhang randomisiert die Wirksamkeit von FOLFOXIRI und Cetuximab gegenüber FOLFOXIRI und Bevacizumab in der Erstlinienbehandlung BRAF-mutierter Kolonkarzinome [32]. Im Rahmen neuer Therapieprinzipien wurde bei BRAF-mutiertem mKRK die Kombination aus Irinotecan, Cetuximab und BRAF-Inhibitor überprüft [33]. Hierbei konnte in der Zweitlinientherapie eine signifikante Verlängerung des PFS für die Kombination aus Vemurafenib, Irinotecan und Cetuximab im Vergleich zu einer Therapie mit Irinotecan und Cetuximab gezeigt werden.

Aktuell werden die Daten der fertig rekrutierten BEACON-Studie erwartet, welche auf Phase-III-Niveau die Wirksamkeit einer Inhibition von BRAF, EGFR und der Mitogen-aktivierten Proteinkinase (MEK) in einem dreiarmigen Design in der Zweitlinientherapie von BRAF-mutierten Tumoren überprüft (NCT02928224). Die vorab publizierten Daten von 30 Patienten lassen für die Kombination aus BRAF- (Encorafenib), MEK-Inhibition (Binimetinib) und Anti-EGFR-Antikörper (Cetuximab) eine hohe Effektivität (medianes PFS 8 Monate, medianes OS 15,3 Monate) erwarten [34].

In einer dreiarmigen Phase-I-Studie wurde die klinische Wirksamkeit einer Kombination aus BRAF- (Dabrafenib), EGFR- (Panitumumab) und MEK-Inhibition (Trametinib) bei BRAF-mutiertem mKRK überprüft [35]. Mit der Dreifach-kombination ließ sich gegenüber einer Behandlung mit Dabrafenib/Panitumumab und Trametinib/Panitumumab eine bessere objektive Ansprechrate erzielen (21% versus 10% und 0%). Hinsichtlich des medianen Gesamt­überlebens ergab sich jedoch für die Dreifachkombination bei geringer Patientenzahl kein Vorteil (9,1 versus 13,2 und 8,2 Monate).

Die Reaktivierung des MAPK-Signalweges bildet einen wichtigen Resistenzmechanismus bei Patienten mit BRAF-mutiertem mKRK. Durch die Hinzunahme eines MEK-Inhibitors kann die Effektivität einer antitumoralen Therapie verbessert werden. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich hierdurch tatsächlich ein Überlebensvorteil für die Patienten erzielen lässt. 

Wirksamkeit einer Re-Challenge

Während die Reexposition von antitumoralen Substanzen bei initialem Therapieansprechen als bewährte Behandlungsstrategie in der Onkologie gilt, ist die Evidenzlage für die Effektivität einer sogenannten Re-Challenge – einer erneuten Gabe antitumoraler Substanzen nach einem Progress unter der jeweiligen Therapie – bisher limitiert.

In einer Phase-II-Studie (CRICKET) wurde die Wirksamkeit einer Re-Challenge mit Cetuximab und Irinotecan in der Drittlinientherapie nach stattgehabtem Progress unter einer Cetuximab-haltigen Erstlinienbehandlung (FOLFIRI/FOLFOX/FOLFOXIRI) untersucht [14]. Die Rationale für die Durchführung der Studie basiert auf der Hypothese, dass bei RAS-Wildtyp-Tumoren ein geringer Anteil RAS-mutierter Zellklone vorliegt, der unter Anti-EGFR-Therapie in der Erstlinie prädominant wird und einen Erkrankungsprogress nach initialem Therapieansprechen bewirkt [36]. Während der Zweitlinientherapie, die keinen Anti-EGFR-Antikörper enthält, proliferieren die EGFR-sensitiven RAS-Wildtyp-Klone, sodass die Reexposition mit einem Anti-EGFR-Antikörper in der dritten Therapielinie ein erneutes Behandlungsan-sprechen bewirken kann (Abb. 3) [36].

In der besagten CRICKET-Studie wurde die zirkulierende Tumor-DNA vor Beginn der Re-Challenge mittels PCR und DNA-Sequenzierung untersucht, um den Einfluss des RAS-Mutationsstatus auf das Therapieansprechen zu evaluieren. Es ließ sich durch die Re-Challenge eine disease control rate (DCR) von 54% erzielen. Bei etwa der Hälfte der Patienten konnte durch die Liquid Biopsy eine RAS-Mutation nachgewiesen werden. In keinem der RAS-mutierten Tumoren wurde eine Remission erzielt. Es ergab sich in der Gruppe der RAS-Wildtyp-Tumoren ein signifikant besseres progressionsfreies Überleben (3,9 versus 1,9 Monate). Interessanterweise zeigte sich in einer gesonderten Analyse der ASPECCT-Studie unter Cetuximab- oder Panitumumab-Therapie eine unterschiedliche Prävalenz für das Auftreten der Cetuximab-Resistenz-induzierenden S492R-Mutation in der extrazellulären Domäne des EGF-Rezeptors (16% versus 1%) [37]. Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass Cetuximab-vorbehandelte Patienten insbesondere von einer Re-Challenge mit Panitumumab profitieren könnten, da nach aktuellem Kenntnisstand keine Kreuzresistenzen bestehen. In diversen klinischen Studien und Fallserien mit jedoch geringen Patientenzahlen zeigte sich eine Wirksamkeit der Re-Challenge mit dem alternativen EGFR-Antikörper Panitumumab nach Vorbehandlung mit Cetuximab [38–41]. Es existieren darüber hinaus Untersuchungen, die belegen, dass sowohl Cetuximab als auch Panitumumab selektive Bindungsstellen innerhalb des EGFR-Epitops besitzen, sodass auch bei therapeutischer Resistenz gegenüber Panitumumab die Wirksamkeit einer Cetuximab-Therapie in Abhängigkeit vom Ort der Resistenz erzeugenden Mutation möglich ist [42].

Insgesamt erscheint die Re-Challenge mit einem Anti-EGFR-Antikörper in der Drittlinie nach stattgehabtem Progress bei RAS-Wildtyp-Patienten in Abhängigkeit vom jeweiligen Befund der Liquid Biopsy zu Beginn der Reexposition durchaus sinnvoll und sollte für den einzelnen Patienten evaluiert werden. Die aktuell rekrutierende FIRE-4 Studie (AIO KRK-0114) prüft auf Phase-III-Niveau die Re-Challenge von Cetuximab in der Drittlinienbehandlung nach erfolgreicher (partielles oder komplettes Ansprechen beziehungsweise stabile Erkrankung für ≥ 6 Monate) Cetuximab-haltiger Erstlinientherapie [43].

Erhaltungstherapie

Für Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom, die eine Erkrankungskontrolle unter einer Induktionschemotherapie in Kombination mit dem VEGF-Inhibitor Bevacizumab erzielen, ist die Therapiedeeskalation auf FU/FA oder Capecitabin in Kombination mit Bevacizumab etablierter Standard.

Im Gegensatz hierzu existiert für eine Erhaltungstherapie mit Cetuximab oder Panitumumab nach EGFR-Antikörper-haltiger Induktionstherapie bisher keine ausreichende Evidenz für eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens, des Gesamtüberlebens oder der Lebensqualität durch die Deeskalation.

In diesem Kontext fand sich in einer Phase-II-Studie (VALENTINO) für die alleinige Erhaltungstherapie mit Panitumumab gegenüber der Kombination mit 5-Fluorouracil (5-FU) nach Panitumumab-haltiger Induktionstherapie eine Unterlegenheit hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens nach zehn Monaten (62,8% versus 52,8%). Die Studie verfehlte ihren primären Endpunkt der Nicht-Unterlegenheit einer alleinigen Panitumumab-Erhaltungstherapie [44]. Hieraus ergibt sich, dass bezüglich der Erhaltungstherapie die Kombination aus Anti-EGFR-Antikörper und 5-Fluorouracil der alleinigen EGFR-Inhibition überlegen zu sein scheint. Die Ergebnisse der aktuell rekrutierenden Phase-II-Studie PanaMA (AIO KRK-0110), welche die Wirksamkeit einer Erhaltungstherapie mit 5-FU und Panitumumab gegenüber einer alleinigen 5-FU-Maintenance überprüft, sind in diesem Kontext gegenwärtig noch ausstehend. 

Fazit

Das Gesamtüberleben von Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom konnte in den vergangenen Jahren unter anderem durch die Einführung zielgerichteter Substanzen signifikant verbessert werden. Der langfristige Erfolg dieser Therapien ist jedoch insbesondere aufgrund der intratumoralen Plastizität auf molekularer Ebene weiterhin limitiert. Die EGFR-Inhibition mit Cetuximab oder Panitumumab ist der präferierte Standard in der Erstlinienbehandlung von RAS-Wildtyp-Patienten mit links-hemikolischem metastasiertem kolorektalem Karzinom. In der Zweitlinientherapie konnte in mehreren Phase-III-Studien durch die Hinzunahme eines Anti-EGFR-Antikörpers zur Zytostatikatherapie trotz des signifikanten Unterschieds in der objektiven Ansprechrate und im PFS kein OS-Benefit erzielt werden. Dies sollte, neben potentieller Nebenwirkungen, Berücksichtigung in der therapeutischen Entscheidung finden. Die Evidenz in der Therapie BRAF-mutierter Patienten ist aktuell limitiert und erfordert weitere prospektive, randomisierte Untersuchungen. Auch wenn sich die Re-Challenge mit EGFR-Antikörpern in den zur Verfügung stehenden Studien als wirkungsvolle therapeutische Option erwiesen hat, ist die Evidenzlage hier gegenwärtig noch unzureichend. Nach aktuellem Kenntnisstand ist in der Erhaltungstherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms die alleinige EGFR-Inhibition der Kombination mit 5-Fluorouracil hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens unterlegen. Generell besteht für Deeskalationsstrategien nach EGFR-Inhibitor-haltiger Induktionstherapie zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine hinreichende Evidenz, sodass die laufenden Studien hierzu abgewartet werden müssen.  

 

Autoren
Dr. med. Annika Kurreck
Medizinische Klinik m. S. Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie, CVK
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Prof. Dr. med. Sebastian Stintzing
Direktor der Medizinischen Klinik m. S. Onkologie und Hämatologie, CCM
Charité - Universitätsmedizin Berlin
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