Ein wertvolles Gut

Blutentnahme in der Pädiatrie

Blutabnahme und Gefäßzugänge bei Früh- und Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern stellen für die Patienten wie auch für Eltern, Ärzte, Pflegende und Laborpersonal besondere Herausforderungen dar. Durch umsichtiges und vorausschauendes Vorgehen, gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten und Optimierung von Prozessen lässt sich dennoch in der Regel ausreichend geeignetes Material für diagnostische Zwecke gewinnen.

Schlüsselwörter: Blutabnahme venös, kapillär und arteriell, iatrogener Blutverlust, Präanalytik

Pädiatrische Patienten sind keine kleinen Erwachsenen. Ihre anatomischen, physio­logischen und psychisch-emotionalen Besonderheiten erfordern vor allem bei der Punktion von Gefäßen ein spezielles Vorgehen. Grundsätzlich kann Blut venös, arteriell und kapillär abgenommen werden; für die meisten in der Tabelle aufgeführten Basisuntersuchungen ist jedoch Venenblut zu bevorzugen. Als Entnahmestellen eignen sich neben Ellenbeuge und Handrücken vor allem auch der Fuß­rückenplexus sowie die Kopfhaut-, Unterarm- und Unterschenkelvenen (V. saphena magna und parva).  

Auch wenn die in Abb. 1 dargestellte Punktion von Skalpvenen brachial anmuten mag, so ist sie für die Kinder oft weniger schmerzhaft als an den Extremitäten (insbesondere an den auch bei sehr prominentem Unterhautfettgewebe immer noch gut sichtbaren Gefäßen der Handgelenksinnenseite). 

Was das Kind am meisten stört, ist häufig das Festhalten während der Intervention; Eltern können hier beruhigend zur Seite stehen. Aufgrund der begrenzten Kooperationsfähigkeit der kleinen Patienten ist es meist notwendig, dass mindestens eine Pflegeperson assistiert.  

Es zahlt sich aus, für optimale Lichtverhältnisse zu sorgen, gründlich nach einer geeigneten Vene zu suchen und die Durchblutungs­situation kalter Extremitäten mit warmen Tüchern zu verbessern. Für einfache Blut­entnahmen reichen oft kleine Venen aus, sodass größere und gerade verlaufende Gefäße für einen eventuell notwendigen Venenzugang aufgespart werden können. Insbesondere in der Neo­natologie verbietet sich die Punktion der Kubitalvenen, da diese der Anlage eines zentralen Einschwemmkatheters vorbehalten sind.  

     

Entnahmetechnik 

Alle für die Blut­entnahme notwendigen Materialien wie Kanülen und Venenzugänge, Tupfer, Desinfektionsmittel, Probenröhrchen, Pflaster und Verbandsmaterial, ggf. Handtücher zum Einwickeln und Fixieren des Kindes sowie ein Stauschlauch müssen griffbereit sein. Allerdings erzeugt der Stauschlauch häufig einen zu hohen Druck, sodass auch der arterielle Zustrom und damit die venöse Füllung kompromittiert werden.

Die Entnahmetechnik ist deshalb immer an die Venengröße und die Lokalisation des Entnahmeorts anzupassen. Normalerweise muss das Kind für die Blutentnahme durch eine Pflegekraft fixiert und unter Umständen auch die Haut gespannt werden.

Dabei kann die assistierende Person bei der Punktion von Venen an den Extremitäten die Stauung mit der Hand übernehmen. Gerade bei Früh- und Neugeborenen kann aber selbst die Stauung durch die abnehmende oder assistierende Person zu stark sein, sodass der Griff immer wieder gelockert werden muss. Bei der Entnahme am Kopf kann nicht gestaut werden, sodass sich der Blutfluss verbessert, wenn das Kind schreit. Dies sollte man den Eltern vorher erklären.

Bei Verwendung von Spritzen und Vakuumsystemen kollabieren in der Regel die sehr kleinen Gefäße. Daher bietet es sich an, direkt mit Kanülen (zumeist Größe 1) zu stechen und dann das Blut in das vor der Blutabnahme bereits geöffnete Probengefäß abtropfen zu lassen. Besonders bei sehr kleinen Patienten ist es ratsam, den Konus der Kanüle vorher abzubrechen, da sich dort eine relevante Menge an Blut sammelt, die bei geringer Flussgeschwindigkeit leicht gerinnt.

Ein spezieller Fall ist die Abnahme von Blutkulturen; hier verwendet man eine Spritze mit aufgesetzter Kanüle, um das Blut aus dem Konus der zur Punktion verwendeten Kanüle oder eines Venenzugangs zu aspirieren. Vor dem Abwerfen dieser Kanüle ist es häufig sinnvoll, die Nadel mit dem Schliff senkrecht über das Probengefäß zu halten, um die wertvollen im Konus verblieben Tropfen aufzufangen.

Bei wiederholten Blutentnahmen kann bei größeren Kindern die Anlage eines großvolumigeren Venenzugangs überlegt werden. Wenn über diesen Zugang eine Infusionslösung läuft, muss allerdings vorher ausreichend Blut abgezogen und verworfen werden, um einer Verfälschung der Laborwerte vorzubeugen. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn der Spiegel eines Medikaments bestimmt werden soll, das zuvor über den Zugang verabreicht wurde.

Bei der Abnahme aus zentralen Venenkathetern ist in der Pädiatrie ein komplett steriles Vorgehen inklusive der Verwendung steriler Handschuhe üblich, sodass unter Umständen das vorher abgezogene Blut dem Patienten wieder zurückgegeben werden kann; dies reduziert den iatrogenen Blutverlust.

 

Minimierung des Blutverlusts

Grundsätzlich muss immer kritisch hinterfragt werden, welche Laboranforderungen tatsächlich notwendig sind, denn das Blutvolumen eines Kindes liegt bei nur 80–85 ml/kg. Wenn man bedenkt, dass ein Frühgeborenes mit 500 g Geburtsgewicht folglich ein Gesamtblutvolumen von 45 ml besitzt, so wird deutlich, dass auch kleine Entnahmevolumina von 0,5 bis 1 ml bei den – aufgrund ihrer Unreife ohnehin anämiegefährdeten – Patienten rasch eine Blutarmut verstärken und zu einem klinisch relevanten Eisenmangel führen können. Auch bei größeren Kindern kann dieser Effekt bedeutsam werden.

Eine konsequente Dokumentation der entnommenen Blutmengen ist hilfreich, um den diagnostischen Blutverlust zu begrenzen. Gerade bei Spezialbestimmungen sollte vorher mit dem Laborpersonal geklärt werden, wieviel Blutvolumen notwendig ist. Für Routinebestimmungen sollte man mit dem Labor eine mikrolitergenaue Aufstellung erarbeiten, wieviel Blut für Einzelwerte und Werteprofile benötigt wird. Tab. 1 gibt dafür Anhaltswerte.

Bei erhöhtem Hämatokrit ist zu berücksichtigen, dass die aus einer Probe zu gewinnende Serummenge reduziert ist; dies spielt insbesondere in der Neonatologie eine Rolle. Nichts ist ärgerlicher, als wenn nach einer erfolgreichen Blutentnahme das Material nicht ausreicht. Manchmal ist es daher sinnvoll, Restserum für einige Tage zu asservieren, um auch im weiteren Verlauf etwaige Bestimmungen nachfordern zu können.

 

Gewinnung von Kapillarblut

Die kapilläre Blutentnahme ist eine relativ schonende Möglichkeit, um Probenmaterial zu gewinnen. Sie eignet sich vor allem für Blutzucker-, Bilirubin- und Blutgaskontrollen sowie das Stoffwechsel­screening. Bei Säuglingen erfolgt die kapilläre Blutentnahme am lateralen oder medialen Fersenballen, bei größeren Kindern an der lateralen oder medialen Fingerbeere. Es empfiehlt sich, den Punktionsort anzuwärmen und zu hyperämisieren. Nach der Desinfektion und ausreichender Einwirkzeit wird das Gewebe zu einem Wulst zusammengeschoben und dann mit einer Lanzette oder Stechhilfe senkrecht zur Haut und tief genug eingestochen. Anschließend lässt man das Blut fließen, nimmt es mit einer Kapillare auf oder tropft es direkt auf eine Filterkarte.

Folgende Besonderheiten sind zu beachten: Repetitive Blutentnahmen an der Ferse bergen die Gefahr einer Kalkaneus-Osteomyelitis. Zu starkes Herauspressen von Gewebswasser bewirkt einen Verdünnungseffekt. Bei der Bestimmung von Elektrolyten und Laktat aus Kapillarblut können sich durch starkes Komprimieren des Gewebes falsch hohe Werte (oder bei tatsächlich zu niedrigen Werten falsch normwertige Resultate) ergeben.

Arterielle Blutentnahme

Gelegentlich kann bei schwierigen Blutentnahmen, oder wenn für eine Untersuchung viel Material benötigt wird, eine arterielle Punktion erwogen werden. Regelhaft ist sie für die arterielle Blutgas­analyse notwendig.

Bei Neonaten und Säuglingen bietet sich hierfür die A. temporalis superficialis an. Alternativ kann auch die A. dorsalis pedis oder A. tibialis posterior verwendet werden. Die A. radialis ist für das Legen arterieller Zugänge geeignet, wenn eine invasive Blutdruckmessung notwendig ist oder gehäuft arterielle Blutgasanalysen durchgeführt werden müssen.

 

Präanalytische Probleme

Leider kommt es gerade bei schwierigen Blutentnahmen, bei denen das Blut schlecht fließt, viel gestaut und gepumpt oder viel Kraft zur Fixierung des Patienten aufgewendet werden muss, nicht selten zur Hämolyse. Sie verfälscht eine Reihe von Messwerten, insbesondere von Elektrolyten und Eisen, GOT, LDH und CK.

Die Bestimmung von Ammoniak ist ebenfalls sehr störanfällig, wenn bei der Abnahme zu stark gestaut oder das Material nicht schnell genug gekühlt und weiterverarbeitet wird. Dann ist eine weitere Person hilfreich, die sich um das Probenmaterial kümmert und gegebenenfalls auch schon einmal eine Blutgaskapillare ins Labor trägt. Zudem kann es von Vorteil sein, das Laborpersonal über die gewünschte Bestimmung vorab zu informieren.

Ein gar nicht so seltenes Problem stellt die Verwechslung der Kappen von Probengefäßen dar. Da für das Abtropfenlassen die Probengefäße geöffnet werden müssen, kann in der Hektik schon einmal der falsche Verschluss auf ein Röhrchen gesetzt werden. Wenn dann beispielsweise eine EDTA-Kappe irrtümlich auf ein Lithium-Heparin-Röhrchen gelangt, werden zu hohe Kalium- und zu niedrige Kalziumwerte gemessen, da der eine Elektrolyt im EDTA enthalten ist und der andere gebunden wird. Auch die Messung der alkalischen Phosphatase wird über die Komplexierung von Magnesium durch EDTA beeinflusst.

Bereits kleine Mengen verfälschender Reagenzien können große Fehler verursachen, beispielsweise auch dann, wenn die Kanüle beim Darunterhalten des Gefäßes dieses berührt und kontaminiert wird. Daher sollte Lithium-Heparin-Blut immer vor dem EDTA-Blut abgenommen werden.

Schließlich können auch im Deckel Reagenzbestandteile hängen bleiben und herauslaufen, wenn die Kappe hingelegt wird; dann stimmt im Anschluss das Mischungsverhältnis nicht mehr. Vor allem bei Gerinnungsuntersuchungen in Zitratröhrchen ist dies problematisch. Hier empfiehlt es sich, vor dem Öffnen des Röhrchens die Lösung nach unten zu klopfen. Keinesfalls dürfen Proben von einem Röhrchen in ein anderes umgefüllt werden.

Gerade bei länger dauernden Blutentnahmen stehen die Probengefäße über einen gewissen Zeitraum offen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Patient zuerst mit einem Verband versorgt oder ein Zugang sicher fixiert werden muss. Damit unterbleibt das zügige Schwenken der Probengefäße und das Blut kommt nicht gleichmäßig mit dem Reagenz in Kontakt, was ebenfalls eine Fehlerquelle durch einsetzende Gerinnung darstellt.

 

Fazit

In der Neonatologie und Pädiatrie ist eine enge Kooperation und rege Kommunikation zwischen den behandelnden Ärzten und dem Pflegepersonal auf der einen und dem Laborpersonal auf der anderen Seite Voraussetzung für eine gute Labordiagnostik. Wenn diese Abstimmung funktioniert, lassen sich alle Prozesse so optimieren, dass sie den Bedürfnissen der kleinen Patienten gerecht werden.