Die Zukunft der Laboratoriumsmedizin

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Was wäre ein Jahreswechsel ohne Rückblick und vor allem ohne den Versuch, auch in die Zukunft zu schauen? Aus Sicht der Laboratoriumsmedizin eignen sich die Leitsätze der beiden DGKL-Jahres­tagungen besonders gut für dieses vertraute Ritual: 2016 stellte Kongresspräsident Prof. Berend Isermann unter der Überschrift Labormedizin verbindet die interdisziplinäre Rolle des Fachs im medizinischen Alltag heraus; für 2017 hat Prof. Klaus-Peter Kohse die Entwicklung von Omics und Big Data zur Grundversorgung auf die Agenda gesetzt.
Das spricht einerseits für Kontinuität, denn beide Tagungspräsidenten stellen die Patientenversorgung ins Zentrum der Diskussion. Aber im Motto von 2017 steckt auch die Erwartung, dass sich in den nächs­ten Jahren wohl etwas Grundlegendes verändern könnte.

Forschung wird Routine

„Omics“ und „Big Data“ waren bislang Schlagworte mit wenig Bezug zur labormedizinischen Realität. Erst mit der EBM-Novelle 2016 gewannen sie praktische Bedeutung, denn nun ist die Analyse großer Genomabschnitte mittels Next Generation Sequencing bei onkologischen und humangenetischen Fragestellungen abrechnungsfähig. BRCA (Mammakarzinom) und CFTR (Mukoviszidose) stehen stellvertretend für viele Gene, die zu groß sind und zu viele pathogenetisch bedeutsame Varianten aufweisen, als dass man sie ohne Hochdurchsatztechniken sinnvoll analysieren könnte.
Damit gelangt die bislang eher in der Forschung angesiedelte Genomik in die Routine, NGS-Geräte werden preisgünstiger (ein Analyzer für rund 50.000 € ist bereits im Markt), und es fallen gewaltige Datenmengen an, für deren Auswertung Kenntnisse in Bioinformatik Grundvoraussetzung sind. Auch wenn im Jahr 2017 die meisten Labore von diesem Wandel nicht viel zu spüren bekommen werden, ist der Weg von Omics und Big Data in die Grundversorgung ab jetzt Programm für wirtschaftliches Über­leben. Dieser Paradigmenwechsel könnte das Selbstverständnis der Labordiagnostik grundlegend verändern.

Drei Vorhersagen
So schrumpft durch die neuen Techniken der bisher gebräuchliche Mikro­litermaßstab der Labormedizin auf Nano- und Femto­liter zusammen. Das bedeutet, dass auch die Volumina der Patientenproben sehr viel kleiner werden könnten, und mit ihnen die Analysengeräte. Und das wiederum heißt, dass „Laborstraßen“, die bisher einen Raum ausfüllten, auf einen Tisch passen würden, der dann auch nicht mehr unbedingt in einem Zentrallabor stehen müsste.
Zum zweiten stellen die großen Datenmengen die herkömmliche Strategie der Stufendiagnostik infrage. Es ist – um beim Beispiel BRCA zu bleiben – nicht sinnvoll, hundert genomische Varianten schrittweise abzuarbeiten, denn sie sind ja in der Tumor-DNA ohnehin alle vorhanden und werden im selben Analysenlauf erfasst. Für klassische Fragestellungen wird die Stufendiagnostik sicher ihre Bedeutung behalten, aber der Big-Data-Ansatz ermöglicht ganz neue Fragestellungen, etwa bei der Risikovorhersage oder der individualisierten Therapie; Algorithmen der Mustererkennung werden  dann eine größere Rolle spielen.
Eine dritte Vorhersage leitet sich aus den beiden ersten ab: Wenn miniaturisierte Messgeräte nicht mehr in Zentrallaboren konzentriert sind, sondern weit verstreut in jeden Winkel eines Krankenhausverbunds oder Ärztenetzes vordringen, dann werden ihre Daten auch nicht mehr lokal gespeichert und zentral versendet, sondern allen an diesem Netzwerk Beteiligten immer und überall zugänglich gemacht werden.
Das führt uns dann zum Leitmotiv des Jahres 2016 zurück: Labormedizin verbindet.

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