Ein rasch wachsender Markt

Molekularpathologie und Companion Diagnostics

Die Zahl der Begleitdiagnostika für zielgerichtete Krebstherapien wächst rasch. Neben Immunhistochemie und konventionellen molekularbiologischen Techniken kommen zunehmend auch Hochdurchsatzsequenzierung und mRNA-Multiplextests zum Einsatz. Die sog. Flüssigbiopsie steht noch am Anfang.
Schlüsselwörter: Companion Diagnostics, Onkologie, EBM, Liquid Biopsy

Companion Diagnostics (CDx, deutsch Begleitdiagnostika) sind mittlerweile fester Bestandteil der personalisierten Medizin für ein wachsendes Feld an überwiegend onkologischen Therapeutika. Laut Definition soll diese Zusatzdiagnostik feststellen, ob eine zielgerichtete Therapie (targeted therapy) für einen bestimmten Patienten sicher und effektiv angewendet werden kann. Diese Strategie ersetzt zunehmend die älteren, meist unspezifisch wirksamen anti-proliferativen Ansätze. Derzeit sind in Deutschland 47 Medikamente zugelassen, bei denen eine spezifische Diagnostik Voraussetzung für die Kostenerstattung ist oder empfohlen wird[1].
Den potenziellen Markt von Patienten einzuschränken statt ihn zu erweitern, widersprach zunächst einem Dogma der pharmazeutischen Industrie. Die Erfahrung zeigte jedoch bald, dass eine quantitative Einschränkung häufig mit einem Zugewinn an Qualität und Vertrauen in die Wirksamkeit der neuen Medikamente einherging. Höhere Effektivität und geringere Nebenwirkungen erwiesen sich somit unterm Strich als lohnende Strategie. Auch die Gesellschaft, zum Beispiel vertreten durch Politiker und Krankenversicherer, hat ein Interesse an dieser Entwicklung, da in der Konsequenz bessere Ergebnisse zu geringeren Kosten erreicht werden.
Daher verwundert es nicht, dass der globale Markt für CDx nach Meinung der Analysten bis zum Ende des Jahrzehnts um jährlich mehr als 15% auf über 10 Mrd. Euro wachsen wird. Die Vorhersagen für den entsprechenden Therapeutikamarkt liegen zwar um den Faktor 10 höher, doch hat sich dort die Wachstumskurve bereits auf rund 7% pro Jahr abgeflacht.

Evolution der Therapien

Die Grundidee, eine Krebserkrankung nicht pauschal zu therapieren, sondern sich bei der Wahl der Medikamente gezielt an biochemischen Merkmalen des Tumors zu orientieren, ist an sich nicht neu. Schon in den 1970er-Jahren orientierte sich die endokrine Therapie des Mammakarzinoms am immunhistochemisch bestimmten Gehalt an Östrogen- und Progesteron-Hormonrezeptoren. Aber die wirkliche Erfolgsgeschichte von CDx begann erst zu Beginn des neuen Jahrtausends mit Imatinib (zunächst für die chronisch myeloische Leukämie) und Trastuzumab (zunächst für das Mammakarzinom). Für diese beiden Medikamente konnte rasch gezeigt werden, dass zusätzliche Analysen von Her2/neu im Falle einer Überexpression (siehe Header oben) die Ansprechraten erheblich verbesserten und im negativen Fall halfen, ernsthafte Nebenwirkungen ohne therapeutischen Effekt zu reduzieren.
In der Tabelle sind die in Deutschland verpflichtend vorgeschriebenen Biomarker für die Onkologie mit ihren jeweiligen Indikationen aufgeführt. US-amerikanische und europäische Zulassungsbehörden propagieren mittlerweile sogar für die Zulassung jeder neuen onkologischen Substanz, dass ein entsprechendes Begleitdiagnostikum zeitgleich mitvorgelegt wird.

Aktuelle Neuzulassungen
Für immer mehr bislang nicht selektiv zugängliche Tumoren, wie zuletzt das Plattenepithelkarzinom der Lunge als Subtyp des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC), konnte in einer Subpopulation mittels Immunhistochemie (IHC) eine Überexpression des EGF-Rezeptors gezeigt werden, die ein Ansprechen auf Necitumumab vorhersagen kann.
Beim Platin-sensitiven, rezidivierten high-grade serösen Ovarialkarzinom mit einer BRCA1/2-Mutation brachte der PARP-Inhibitor Olaparib den Durchbruch. Für die Analytik sind allerdings konventionelle molekularbiologische Techniken wie etwa PCR oder Sanger-Sequenzierung nicht leistungsfähig genug. Deshalb setzt man hier  zunehmend die Hochdurchsatzsequenzierung (Next Generation Sequencing, NGS) ein, um alle therapierelevanten Varianten möglichst in einem einzigen Analysengang zu erfassen.
Ein gänzlich neues Konzept kommt in den letzten Jahren aus dem Bereich der Immuntherapie: Zahlreiche maligne Tumoren entgehen der körpereigenen Immunabwehr durch die Expression inhibitorischer Signalmoleküle auf den Tumorzellen. Ein spezieller Fokus liegt dabei auf der sogenannten Checkpoint-Inhibition von PD-1 und seinem Liganden PD-L1. Inzwischen sind effektive therapeutische Antikörper sowohl gegen PD-1 als auch gegen PD-L1 zugelassen, die aber nur bei einer Subpopulation der Patienten ansprechen. Die Auswahl des optimalen Begleitdiagnostikums wird im Fall der Checkpoint-Inhibitoren derzeit allerdings noch dadurch erschwert, dass die Expression dieser Proteine nicht auf eine statisch mutierte oder amplifizierte DNA-Sequenz zurückzuführen ist, sondern sich zeitlich und örtlich im Kontext der sich ständig anpassenden Immunantwort verändert. Damit besteht die Gefahr eines erheblichen Probenahmefehlers bei der Biopsie[2].

Großes methodisches Spektrum
Molekulare Veränderungen lassen sich auf DNA-, RNA- oder Proteinebene nachweisen. Dabei schöpft die Molekularpathologie technisch aus dem gesamten, breiten Spektrum sich stetig weiter entwickelnder Methoden, um die relevanten Veränderungen aufzuspüren. Am Anfang steht dabei immer das Tumorgewebe, da in Studien die Tumorzellen und nicht angrenzende Gewebe für die Therapieentscheidung relevante Unterschiede aufweisen.
Diagnostische Ziele sind hierbei sowohl genomische als auch proteomische Veränderungen. Erstere können mit Amplifika­tionstechniken, markierten Gen-Sonden und Gensequenzierung erfasst werden. Für die Expressionsebene steht die Immunhistochemie zum Nachweis von Proteinüber- und -unterexpression sowie die mRNA-Quantifizierung mittels RT-PCR, Microarrays oder Sequenzierung zur Verfügung. mRNA-Panels (Transkriptom) liefern insbesondere beim Mammakarzinom robuste Ergebnisse zum Rückfallrisiko und somit für oder auch gegen den Einsatz einer adjuvanten Therapie (siehe Abbildung).
Als Hemmschuh für diese rasanten Entwicklungen erwies sich im deutschen Gesundheitssystem lange Zeit die Vergütung molekularpathologischer Leistungen – speziell für gesetzlich krankenversicherte Patienten. Die in diesem Jahr erfolgte Novellierung des EBM-Kapitels 19 zur molekularpathologischen Diagnostik tumorgenetischer Veränderungen hat hier endlich die Grundlage für eine solide Weiterentwicklung auf diesem Gebiet geschaffen. Demnach können nun methodische Neuerungen – insbesondere auch NGS – eingesetzt und extrabudgetär vergütet werden; dieser Abrechnungsmodus vermeidet Interessenskonflikte zwischen den Leistungserbringern.
Zusätzliche Hemmnisse wie die strenge Beschränkung der Indikationsstellung bei hämato-onkologischen Untersuchungen sowie offene Fragen zu Untersuchungen an Flüssigproben (liquid biopsy) stellen jedoch weiterhin hinderliche Einschränkungen dar, die in Zukunft behoben werden sollten. Dennoch wurden mit der EBM-Novellierung 2016 die Voraussetzungen geschaffen, um das deutsche Gesundheitssystem für zukünftige Herausforderungen besser gerüstet aufzustellen[3].

Neue Resistenzen

Wie aus der Bakterio­logie schon länger bekannt, können auch Tumorzellen über die Zeit Resistenzmechanismen entwickeln, um dem gezielten therapeutischen Effekt einer Substanz zu entgehen. Doch auch neu auftretende Resistenzen lassen sich teilweise spezifisch attackieren, zum Beispiel bei der T790M-Mutation des EGFR-Gens während der Therapie des Bronchialkarzinoms. Diese Mutation vermittelt eine Resistenz gegenüber Substanzen, die zuvor durch aktivierende Mutationen am EGF-Rezeptor indiziert waren, sodass die Tumorzellen nach einiger Zeit nicht mehr auf die ursprünglichen Medikamente ansprechen. Spezifisch für diese Mutation wurde die Substanz Osimertinib zugelassen. Wenn im klinischen Alltag ein solcher Verdacht – etwa durch einen in der Bildgebung nachgewiesenen Progress – ausgesprochen wird, kommt eine neue Herausforderung auf den behandelnden Arzt zu, da in diesem Fall meist keine aktuell entnommene Gewebeprobe zur Verfügung steht, um die Mutation nachzuweisen.
Will man dem Tumorpatienten eine erneute aufwendige Biopsieentnahme ersparen, so kann man erwägen, die T790M-Mutation aus im Blut frei zirkulierender Tumor-DNA (cfDNA) nachzuweisen. Diese Flüssigbiopsie hat gewissen Charme, da sie wenig eingreifend ist und nicht auf ein bestimmtes Tumorareal beschränkt ist. Allerdings sind noch viele Fragen – zum Beispiel zur Stabilität bzw. Degradation der DNA-Moleküle – offen, sodass diese Diagnostik noch nicht in der Breite angeboten, sondern auf Spezialfälle begrenzt werden sollte[4]. Bis auf Weiteres  bleibt somit die Analyse unmittelbar am Gewebe der Goldstandard in der Diagnostik, um dem Patienten die für ihn optimale Therapie zukommen zu lassen.