Annual Meeting der American Society of Clinical Oncology 2020 (ASCO20 Virtual)

Neue Studiendaten zu gastrointestinalen Tumoren

Der Jahreskongress ASCO 2020 lieferte auch in seiner diesjährigen virtuellen Form interessante Studiendaten zur Behandlung gastrointestinaler Tumoren. Im folgenden Beitrag sind Kongress-Highlights zum Magenkarzinom und zu Übergangskarzinomen, zum Pankreas-, zum hepatozellulären sowie zum kolorektalen Karzinom zusammengestellt. Einige der neuen Studiendaten besitzen das Potential, in absehbarer Zeit den Therapiestandard zu verändern.

Schlüsselwörter: Magenkarzinom, Übergangskarzinome, Pankreaskarzinom, kolorektales Karzinom, Immuntherapie, Pembrolizumab, Apatinib, Durvalumab, Sintilimab, Ramucirumab

Magenkarzinom/Tumoren des Ösophagus/ösophagogastralen Übergangs

Perioperative Situation

Im Bereich der perioperativen Therapie stellte sich die Frage, ob eine Ergänzung des perioperativen Therapiestandards FLOT mit dem Antikörper Ramucirumab die nach wie vor schlechten Therapieergebnisse von Patienten mit resezierbarem gastroösophagealem Adenokarzinom verbessern kann. Dazu wurden die Ergebnisse des Phase-II-Teils der Phase-II/III-Studie RAMSES/FLOT7 der Arbeitsgruppe Internistische Onkologie (AIO) der Deutschen Krebsgesellschaft und der italienischen Gruppe GOIM vorgestellt. In die Untersuchung gingen 180 Patienten mit HER2-negativem Adenokarzinom, GEJ < cT2 oder cN+ ein, die nach 1:1-Randomisierung entweder FLOT oder FLOT plus Ramucirumab als perioperative Therapie erhielten. Primärer Endpunkt war die explorativ erhobene pathologische Komplettremission (pCR) oder die fast komplette Remission nach Becker, erhoben in einem zentralen Review [1].
Die Zugabe von Ramucirumab zu FLOT führte zu keiner Steigerung der pCR-Rate. Allerdings war eine signifikante Steigerung der R0-Resektionsrate durch Zugabe von Ramucirumab im Vergleich zu FLOT alleine zu verzeichnen (97 % vs. 83 %).
Wenn Patienten mit Siewert-Typ-I- Tumoren und Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren aus der Studie ausgeschlossen wurden, erwies sich die Kombination Ramucirumab/FLOT zudem als sichere Option. Nun soll die hohe R0-Resektionsrate in einer Phase-III-Studie weiter evaluiert werden.
Sehr interessante Ergebnisse gab es für die neoadjuvante Therapie HER2-positiver Tumoren. So wurde etwa in einer Phase-III-Studie der NRG Oncology/RTOG-1010-Gruppe die Fragestellung untersucht, ob bei Adenokarzinomen des Ösophagus T1N1–2, T2–3N0–1 die Zugabe von Trastuzumab zu einer neoadjuvanten Radiochemotherapie zu einer Ver-besserung des krankheitsfreien Überlebens (DFS, primärer Endpunkt) führt – analog zur TOGA-Studie beim Magenkarzinom. Insgesamt zeigte sich kein synergistischer Effekt von Radiochemotherapie und Trastuzumab bei HER-2- positiven ösophagealen Adenokarzinomen. Die Zugabe von Trastuzumab zur Radiochemotherapie war zwar nicht mit zusätzlichen Toxizitäten assoziiert, enttäuschte aber in puncto Effektivität: Im Vergleich zur alleinigen trimodalen Therapie war weder eine Verbesserung des DFS (HR 0,97) noch des Gesamtüberlebens (OS, HR 1,01) oder der pCR (27 % vs. 29 %) festzustellen [2]. Insgesamt waren die DFS-Daten im Vergleich zur CROSS-Studie und zu perioperativen Studien mit FLOT deutlich kürzer, trotz höherer Strahlendosis (50,4 Gy). Dies könnte eventuell daran liegen, dass die HER2-Expression prognostisch bedeutsam ist bzw. in beiden Armen nur knapp über 80 % der Patienten eine Resektion erhielten. Dieses Konzept sollte in dieser Form nicht weiterverfolgt werden.
Nun sollen molekulare Analysen Subgruppen von Patienten identifizieren, die möglicherweise doch von der Zugabe von Trastuzumab profitieren. Zudem soll die Effektivität der HER2-Blockade in dieser Indikation zukünftig durch Antikörper-Drug-Konjugate wie Trastuzumab-Deruxtecan oder eine HER2-gerichtete Immuntherapie verbessert werden.
Eine weitere interessante Studie im perioperativen Setting war die Phase-II/III-Studie PETRARCA. Sie sollte die Frage beantworten, ob beim HER2-positiven resezierbaren gastroösophagealen Adenokarzinom die HER2-Doppelblockade mit Trastuzumab und Pertuzumab zusammen mit FLOT die Therapieergebnisse gegenüber FLOT alleine verbessern kann. Tatsächlich führte die Zugabe von Trastuzumab plus Pertuzumab zu FLOT zu einer signifikanten Verbesserung der pCR-Rate (35 % vs. 12 %; p = 0,002) und der Rate an nodal- negativen Patienten (68 % vs. 39 %) [3]. Unter der HER2-Doppelblockade mit FLOT traten allerdings mehr Diarrhöen und Leukopenien ab Grad 3 auf als mit FLOT allein (41 % vs. 5 % % bzw. 23 % vs. 13 %). Die Rate an R0-Resektionen sowie die chirurgische Morbidität und Mortalität waren in beiden Armen vergleichbar. Fazit: Laut Leitlinien kann die zusätzliche Anti-HER2-gerichtete Antikörpertherapie bei lokal fortgeschrittenen Tumoren trotz der überzeugenden Ergebnisse nicht empfohlen werden. Bislang ist auch der Zusatznutzen der Pertuzumab-Therapie nicht erwiesen. Die Ergebnisse der noch rekrutierenden EORTC-INNOVATION- Studie bleiben abzuwarten.

Palliative Situation

Die randomisierte Phase-II-Studie DESTINY-Gastric01 untersuchte, ob das Antikörper-Drug-Konjugat Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd) die Therapieergebnisse von Patienten mit HER2-positiven fortgeschrittenen Adenokarzinomen des Magens oder gastroösophagealen Übergangs die objektive Ansprechrate (ORR) im Vergleich zu einer Chemotherapie mit Irinotecan oder Paclitaxel verbessern kann [4]. 180 Patienten mit mindestens zwei Vortherapien und einer vorangegangenen Anti-HER2-Therapie erhielten nach 2:1-Randomisierung entweder 6,4 mg/kg Körpergewicht T-DXd oder das Zytostatikum. Die Daten waren vielversprechend: Unter dem Einfluss von T-DXd zeigte sich eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung der ORR und auch des OS im Vergleich zur Standard-Chemotherapie bei den fortgeschrittenen und mehrfach vorbehandelten Karzinomen (Tab. 1).

Die Toxizität war vertretbar, wenngleich Nebenwirkungen ab Grad 3 deutlich häufiger auftraten als unter Irinotecan (vgl. Tab. 1). Nun müssen weitere Studien das Ergebnis dieser Phase-II-Studie bestätigen; doch man kann bereits heute sagen, dass mit der Substanz T-DXd ein neues Kapitel in der HER2-gerichteten Therapie des metastasierten Magenkarzinoms aufgeschlagen wurde.
Fazit: T-DXd ist ein neues Antikörper-Drug-Konjugat mit vielversprechender Wirkung im Bereich solider Tumoren (Zulassung Brustkrebs, vielversprechende Phase-I/II-Daten beim HER2-positiven Magen- und Kolonkarzinom). Studien in der Erstlinientherapie (Phase-III-Studie Destiny Gastric03) befinden sich in der Rekrutierungsphase.
Die RAMIRIS-Studie der AIO zum fortgeschrittenen Magenkarzinom vergleicht Ramucirumab plus Paclitaxel vs. Ramucirumab plus FOLFIRI bei fortgeschrittenen oder metastasierten gastroösophagealen Adenokarzinomen. Hintergrund der Studie ist, dass Ramucirumab mit oder ohne Paclitaxel eine etablierte Zweitlinientherapie für fortgeschrittene gastroösophageale Adenokarzinome darstellt, und zunehmend mehr Patienten mit Docetaxel vortherapiert sind – auch durch eine perioperative Therapie mit FLOT. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob auch FOLFIRI als Backbone in der Zweitlinie infrage kommt. Dazu erhielten 110 Patienten mit Progress nach Fluoropyrimidin/Platin-Therapie nach einer 2:1-Randomisierung entweder FOLFIRI plus Ramucirumab oder Paclitaxel plus Ramucirumab. Erste Analysen deuten darauf hin, dass beide Arme etwa gleich wirksam sind. Es waren keine Unterschiede hinsichtlich des OS (median 7,6 Monate vs. 7,6 Monate) und des PFS (median 3,9 Monate vs. 3,6 Monate) zu verzeichnen [5]. Allerdings deutete sich an, dass Patienten, die vorab Docetaxel erhalten hatten, einen deutlichen Benefit von der Behandlung mit FOLFORI als Backbone hatten (medianes PFS 4,6 Monate gegenüber 2,1 Monaten unter Paclitaxel/Ramucirumab; ORR 25 % vs. 8 % unter Paclitaxel/Ramucirumab). Unerwartete Nebenwirkungen traten nicht auf. Nun werden die beiden Regime in einer Phase-III-Studie miteinander verglichen.
Die Studie KEYNOTE-061 lieferte neue Ergebnisse zur Immuntherapie mit Pembrolizumab bei vorbehandelten Patienten mit metastasiertem Magenkarzinom. Die Studie verglich die Monotherapie mit Pembrolizumab mit einer Docetaxel-Monotherapie in der Zweitlinienbehandlung des vorbehandelten, fortgeschrittenen Magenkarzinoms. Die beim ASCO vorgestellte Analyse wurde nach einem Follow-up von weiteren 2 Jahren bzw. nach Versterben von 92,6 % der Patienten (366/395) durchgeführt. In die Analyse gingen nur Patienten mit PD-L1-positiven Tumoren ein (Combined positive Score (CPS) ≥ 1). Nachdem die Primäranalyse keine OS-Verbesserung, aber eine längere Ansprechdauer (18 vs. 5,2 Monate) bei günstigerem Sicherheitsprofil im Vergleich zum Zytostatikum ergeben hatte, erbrachte die aktuelle Analyse ein numerisch verbessertes OS unter Pembrolizumab bei den PDS-L1-positiven Tumoren (9,1 vs. 8,3 Monate; HR 0,81), das bei CPS ≥ 10 besonders ausgeprägt war (10,4 vs. 8,0 Monate; HR 0,69) [6]. Wie schon in der Primäranalyse war die DOR länger mit Pembrolizumab (19,1 vs. 5,2 Monate unter Paclitaxel bei CPS ≥ 1 und nicht erreicht vs. 6,9 Monate unter Paclitaxel bei CPS ≥ 10). Unter Pembrolizumab traten zudem weniger behandlungsassoziierte Nebenwirkungen aller Grade auf als unter der Chemotherapie (53,4 % vs. 84,4%).
In weiteren Analysen der KEYNOTE-061-Studie konnte zudem gezeigt werden, dass die Tumormutationslast (tTMB) neben PD-L1 als unabhängiger prädiktiver Biomarker für ein Ansprechen auf eine Immuntherapie dienen könnte, da die tTMB in der Pembrolizumab-Gruppe signifikant mit der ORR, dem PFS und dem OS assoziiert war (p < 0,001), während in der Paclitaxel-Gruppe keine solche Assoziation dokumentiert wurde (p > 0,6) [7]. Dies wurde in einer weiteren Analyse der Studie auf Basis eines kommerziellen molekularen Assays (Foundation One) bestätigt, wobei als Grenzwert für eine positive Assoziation mit dem OS eine tTMB von ≥ 10 mut/Mb gefunden wurde (medianes OS nicht erreicht vs. 8,1 Monate unter Paclitaxel; HR 0,34) [8].
Schließlich konnte eine chinesische Phase-II-Studie (ORIENT-2) bei 190 Patienten mit fortgeschrittenem und therapierefraktärem ösophagealem Plattenepithelkarzinom die Wirksamkeit des PD-1-Inhibitors Sintilimab nachweisen, der eine höhere Bindungsaffinität an PD-1 aufweist als Pembrolizumab oder Nivolumab. Es konnte gezeigt werden, dass Sintilimab im Vergleich zu einer Chemotherapie nach Wahl des Prüfarztes das mediane OS signifikant verbesserte (7,2 vs. 6,2 Monate; HR 0,70), bei günstigerem Sicherheits-profil. Eine hohe PD-L1-Expression und eine hohe Neutrophilen-Lymphozyten-Ratio (NLR) erwiesen sich dabei als Indikatoren für ein besseres Ansprechen auf den neuen PD-1-Inhibitor [9].

Pankreaskarzinom

Zum Pankreaskarzinom wurden zwei wichtige Studien vorgestellt, zum einen zur neoadjuvanten (Radio-)Chemotherapie bei borderline-resektablen Tumoren und zum anderen zur Durchführbarkeit einer perioperativen Chemotherapie mit mFOLFIRINOX oder Gemcitabin/nab-Paclitaxel (Gem/nabP) bei resektablen pankreatischen duktalen Adenokarzi-nomen.
Die ESPAC-5F-Studie bei 90 Patienten mit borderline-resektablem Pankreaskarzinom verglich die neoadjuvante Chemotherapie mit FOLFIRINOX (n = 20) oder Gemcitabin/Capecitabin (GEMCAP, n = 20) oder eine neoadjuvante Radiochemotherapie (n = 16) mit direkter Operation (n = 32) [10]. Primärer Endpunkt war neben der Rekrutierungsrate die Resektionsrate (R1 und R0), sekundäre Endpunkte die R0-Resektionsrate, die Toxizität und das OS. Die Resektionsrate betrug 62 % für die sofortige Operation und 55 % für die neoadjuvante Therapie (p = 0,668). Die neoadjuvante Therapie führte im Vergleich zur sofortigen Operation zu einer numerisch besseren R0-Resektionsrate (23 % vs. 15 %; p = 0,721), die mit einem verbessertes OS einherging. Das 12-Monats-OS lag unter dem Einfluss einer neoadjuvanten Therapie bei 77 % (FOLFIRINOX 84 %, GEMCAP 79 %, Radiochemotherapie 64 %) im Vergleich zu 40 % bei der unmittelbaren Operation (HR 0,27) (Abb. 1).

Die neoadjuvante Therapie bei borderline-resektablen Pankreastumoren scheint also ein vielversprechendes Konzept zu sein.
Allerdings ist die Aussagekraft der Studie dadurch eingeschränkt, dass die Zahl der eingeschlossenen Patienten vergleichsweise gering war.
Die SWOG-S1505-Studie evaluierte mFOLFIRINOX versus Gem/nabP jeweils prä- und postoperativ bei Patienten mit resektablen pankreatischen duktalen Adenokarzinomen. Da die Studie nach dem Pick-the-winner-Design konzipiert wurde, dürfen die beiden Arme aus statistischen Gründen nicht direkt miteinander verglichen werden. 85 % der Patienten komplettierten die neoadjuvante Therapie, bei 70 % konnte die Resektion durchgeführt werden, und 56 % komplettierten die postoperative adjuvante Therapie. Somit konnte nur gut die Hälfte der Patienten die adjuvante Chemotherapie erhalten. In beiden Behandlungsarmen betrug die R0-Resektionsrate 85 %; es konnte also kein „Gewinner“ ermittelt werden [11]. Das 2-Jahres-Gesamtüberleben betrug 43,1 % mit mFOLFIRINOX vs. 46,9 % mit Gem/nabP mit einem medianen Überleben von 22,4 im Vergleich zu 23,6 Monaten.
Die perioperative Behandlung mit mFOLFIRINOX oder Gem/nabP  erwies sich somit als machbar, doch sind sicher Optimierungen möglich. Studien wie die NEONAX-Studie der AIO, die inzwischen ihre Rekrutierung beendet hat, testen genau solche Optimierungsmöglichkeiten.

Kolorektales Karzinom

Adjuvante Situation

Mit Spannung erwartet wurden die finalen Daten zum OS und DFS (primärer Endpunkt) der Phase-III-Studie der IDEA (International Duration Evaluation of Adjuvant Chemotherapy) Collaboration nach einem medianen Follow-up von 6 Jahren [12]. In der Studie war eine drei- oder sechsmonatige adjuvante Oxaliplatin- oder Fluoropyrimidin-basierte Therapie (CAPOX bzw. FOLFOX) bei fast 13.000 Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III verglichen worden.
Die Frage nach der Dauer der adjuvanten Therapie ist mit den finalen Ergebnissen der Studie beantwortet. Die OS-Raten zwischen längerer und kürzerer Therapiedauer unterschieden sich kaum (∆ 0,4 %; HR 1,02); in beiden Fällen lag das 5-Jahres-OS bei etwa 85 %, aber unter der dreimonatigen Therapie waren die Toxizitätsraten zwei- bis sechsfach niedriger – was für eine Behandlung im adjuvanten Setting sehr bedeutsam ist und die kürzere Behandlung favorisiert. Die Studie war zwar nicht darauf angelegt, die unterschiedlichen Chemotherapie-Backbones zu vergleichen, doch kristallisierte sich klar heraus, dass 3 Monate CAPOX das am besten geeignete Regime für die Mehrzahl der Patienten darstellt. Auch bei Hochrisikopatienten zeigte das Regime 3 Monate CAPOX gegenüber 6 Monaten nur einen geringen Wirksamkeitsverlust, während sich das Outcome von Patienten unter 3 und 6 Monaten FOLFOX deutlich zugunsten des länger anzuwendenden Regimes unterschied. Die Daten unterstützen somit den Einsatz von 3 Monaten CAPOX als adjuvante Therapie im Stadium III des Kolonkarzinoms, zumal die kürzere Behandlung bei vergleichbarer Wirksamkeit mit deutlich weniger Toxizität für die Patienten verbunden war und zudem Kosten einsparte.
Eine weitere interessante Phase-II/III-Studie im adjuvanten Setting verglich die Wirksamkeit von adjuvant appliziertem mFOLFOX mit alleiniger Hepatektomie bei Patienten mit kolorektalem Karzinom (CRC) und Lebermetastasen. Hintergrund der Studie war, dass die Rolle einer adjuvanten Therapie nach Entfernung von Lebermetastasen bislang kon-trovers diskutiert wurde.
In den Phase-III-Teil der Studie gingen 300 Patienten mit CRC und Lebermetastasen ein, die entweder eine Hepatektomie oder eine Hepa-tektomie plus 12 Zyklen FOLFOX6 erhielten. Die Rekrutierung der Patienten nahm 12 Jahre in Anspruch.  Primärer Endpunkt war das DFS, wichtiger sekundärer Endpunkt das OS. Die Studie wurde im Dezember 2019 vorzeitig beendet, weil es statistisch signifikante Unterschiede im DFS und OS gab – insofern als DFS und OS nicht miteinander korrelierten. Die postoperative Chemotherapie verbesserte zwar das DFS im Vergleich zur alleinigen Hepatektomie (3-Jahres-DFS 52,1 % vs. 41,5 %; HR 0,63), verschlechterte aber das OS aufgrund einer erhöhten Sterblichkeit nach dem Auftreten von Rezidiven (5-Jahres-OS 69,5 % vs. 83 %; medianes OS 38,4 vs. 87,6 Monate) [13]. Somit konnte die adjuvante mFOLFOX-Chemotherapie keine Vorteile gegenüber der reinen Hepatektomie zeigen. Letztere bleibt somit der Behandlungsstandard.

Palliative Situation

Eines der Highlights beim ASCO20 Virtual im Bereich der gastrointestinalen Tumoren war die Vorstellung der Daten der KEYNOTE-177-Studie zum Einsatz einer Erstlinien-Monotherapie mit Pembrolizumab bei Patienten mit CRC mit hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) bzw. einer Mismatch-Repair-Defizienz (dMMR). Diese besonders immunogenen Tumoren finden sich bei etwa 5 % der Patienten mit CRC. Im Rahmen der Studie erhielten 307 behandlungsnaive Patienten mit einem MSI-H/dMMR-CRC im Stadium IV entweder 200 mg Pembrolizumab i. v. q3w oder eine Chemotherapie-Dublette nach Wahl des Prüfarztes (mFOLFOX oder FOLFIRI ± Bevacizumab oder Cetuximab, jeweils q2w). Ko-primäre Studienendpunkte waren das PFS nach RECIST-v1.1-Kriterien, ermittelt in einem zentralen Review, sowie das OS. Prof. Thierry André, Paris, Frankreich, stellte die Daten zum ersten primären Endpunkt PFS in der Plenary Session des virtuellen Kongresses vor [14].
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 32,4 Monaten betrug das mediane PFS 16,5 Monate unter Pembrolizumab gegenüber 8,2 Monaten unter der Chemotherapie (HR 0,60; p = 0,0002) (Abb. 2), was einer Verdoppelung der progressionsfreien Zeit und einer 40-prozentigen Reduktion des Risikos für Progression oder Tod unter dem Checkpoint-Inhibitor entspricht.

Nach 24 Monaten lebten noch 48 % der Patienten der Immuntherapie-Gruppe progressionsfrei versus 19 % der Patienten im Chemotherapie-Arm. Zudem zeigten die Patienten unter dem Einfluss von Pembrolizumab ein besseres Ansprechen (ORR 43,8 % vs. 33,1 %, davon 11,1 % vs. 3,9 % komplette und 32,7 % vs. 29,2 % partielle Remissionen), das auch länger anhielt (83 % vs. 35 % nach 2 Jahren). Das Sicherheitsprofil des Checkpoint-Inhibitors war dem der Chemotherapie deutlich überlegen. Behandlungs-assoziierte Nebenwirkungen ab Schweregrad 3 traten unter Pembrolizumab bei 22 % der Patienten auf, unter der Chemotherapie bei 66 %. Somit wurde beim MSI-H-CRC unter dem Einfluss des PD-1-Inhibitors im Vergleich zu einer Standard-Chemotherapie ein signifikanter und klinisch relevanter Vorteil hinsichtlich des PFS bei gleichzeitig deutlich überlegenem Sicherheitsprofil dokumentiert. André sieht in der Monotherapie mit Pembrolizumab bereits den zukünftigen Behandlungsstandard beim metastasierten MSI-H-CRC. Die Daten zum zweiten primären Endpunkt OS stehen allerdings noch aus.
Untermauert wurden die Daten zur Immuntherapie beim MSI-H-CRC durch Langzeitdaten der Phase-II-Studie KEYNOTE-164 bei Patienten mit fortgeschrittenem CRC, die im Vorfeld mindestens 2 (Kohorte A) oder 3 (Kohorte B) Vortherapien erhalten hatten. Primärer Endpunkt war die ORR. Pembrolizumab zeigte auch im Langzeitverlauf (Follow-up 3 Jahre) in beiden Kohorten gute Wirksamkeit mit langfristigem Ansprechen (ORR 32,8 % Kohorte A und 34,9 % Kohorte B; 3-Jahres-OS 49 % vs. 52 %).  Die Inzidenz von Toxizitäten war gering und es wurde keine therapieassoziierte Mortalität dokumentiert [15]. Das gute Outcome beim MSI-H-CRC unter dem Einfluss von Pembrolizumab scheint somit auch im Langzeitverlauf erhalten zu bleiben.
Eine für den klinischen Alltag bedeutsame Metaanalyse von 5 randomisierten Studien verglich die Triplett-Therapie mit FOLFOXIRI/Bevacizumab mit einer Dublette (FOLFOX oder FOLFIRI) plus Bevacizumab bei Patienten mit unresezierbarem mCRC. In die Analyse gingen die Daten von knapp 1.700 Patienten aus den Studien CHARTA, OLIVIA, STEAM, TRIBE und TRIBE2 ein. Die Triplette plus Bevacizumab führte im Vergleich zu Dublette plus Bevacizumab zu einer statistisch signifikanten und klinisch relevanten Verbesserung des 5-Jahres-OS (22,3 % vs. 10,7 %), bei einem medianen OS von 28,9 vs. 24,5 Monaten. Das Überleben nach 5 Jahren wurde unter dem Einfluss der intensiven Therapie somit verdoppelt. Auch hinsichtlich des PFS (median 12,2 vs. 9,9 Monate), der ORR (64,5 % vs. 53,6 %) und der R0-Resektionsrate (16,4 % vs. 11,8 %) zeigten sich Vorteile für die intensive Therapie. Die erhöhte Wirksamkeit unter der Triplette plus Bevacizumab musste allerdings mit einer signifikant höheren Inzidenz von Neutropenie, febriler Neutropenie, Mukositis, Übelkeit und Diarrhö erkauft werden [16].

 

Rektumkarzinom

Zum Rektumkarzinom wurden beim diesjährigen ASCO drei große Studien zu lokal fortgeschrittenen Tumoren vorgestellt, die practice changing waren und zusammen mit einer bereits vorliegenden Studie der AIO (CAO/ARO/AIO-12) dazu geführt haben, dass die „totale neoadjuvante Therapie“ (TNT) nun von der AIO als präferierte Therapieoption bei Patienten mit einem lokal weit fortgeschrittenen Rektumkarzinom empfohlen wird [20]. TNT beschreibt die Ergänzung der präoperativen Radio- (RT) oder Radiochemotherapie (RChT) um eine zusätzliche präoperative Systemtherapie, die entweder vor oder nach der R(Ch)T gegeben werden kann. In der Phase-II-Studie CAO/ARO/AIO-12 hatte sich bereits die Sequenz RChT gefolgt von Konsolidierung der Vergleichssequenz Induktion gefolgt von RChT hinsichtlich der pCR als überlegen erwiesen – bei vergleichbarer Toxizität und chirurgischer Morbidität [21].
Die beim ASCO vorgestellten Studien erhärteten die Datenlage zur TNT. Die RAPIDO-Phase-III-Studie verglich die TNT Strategie (RT mit 5 x 5 Gy gefolgt von 4,5 Monaten FOLFOX oder CAPOX und totaler mesorektaler Exzision (TME) in Woche 22–24) mit einer Standard RChT ohne eine Induktions- oder Konsolidierungstherapie (Capecitabin-basierte RChT gefolgt von TME in Woche 14–16 und optional postoperative Chemotherapie mit CAPOX oder FOLFOX über 24 Wochen). Die pCR-Rate betrug 28 % versus 14 % zugunsten der TNT bei ebenfalls überlegener DFS-Rate (HR 0,75) und weniger Lokalrezidiven (HR 1,45) [22].
Die französische Phase-III-Studie PRODIGE 23 verglich eine Induktionstherapie mit 6 Zyklen FOLFIRINOX gefolgt von einer Capecitabin-basierten RChT, TME und weiterer adjuvanter Therapie mit Capecitabin oder FOLFOX mit dem Vergleichsregime aus Capecitabin-basierter RChT gefolgt von TME nach 7 Wochen und einer adjuvanten Therapie mit Capecitabin oder FOLFOX über 6 Monate [23]. Ähnlich wie in RAPIDO wurde durch die TNT-Strategie praktisch eine Verdoppelung der pCR-Rate (28 % vs. 12 %) bei ebenfalls verbessertem DFS (HR 0,69) erreicht.
Eine weitere randomisierte Studie, die Phase-II-Studie OPRA, evaluierte die optimale Sequenz der TNT hinsichtlich DFS und Organerhalt. Dabei wurde das Regime 4 Monate CAPOX oder FOLFOX gefolgt von RChT (Capecitabin oder infusionales 5-FU; 25 x 2 Gy mit der Option eines Boosts bis zur Gesamtdosis von 54 bzw. 56 Gy) mit dem Regime gleiche RChT gefolgt von identischer Konsolidierungs-Chemotherapie verglichen [24]. Hinsichtlich des DFS (3-Jahres-DFS 77 % vs. 78 %) und des metastasenfreien Überlebens nach 3 Jahren (82 % vs. 84 %) unterschieden sich beide Regime nicht relevant. Das „TME-freie Überleben“ nach 3 Jahren, das den Anteil der Patienten mit Organerhalt widerspiegelt, lag allerdings  im Konsolidierungsarm bei 59 % und im Induktionsarm bei 43 % [24], was erneut für das Konzept TNT plus Konsolidierung  spricht.
Werden alle vier Studien (RAPIDO, PRODIGE 23, OPRA, CAO/ARO/AIO-12) zusammen bewertet, sieht die AIO ab sofort die TNT als präferierte neue Therapieoption für Patienten mit lokal weit fortgeschrittenem Rektumkarzinom. Im Rahmen der TNT kann die RT laut AIO entweder als Langzeit-RChT unter Beteiligung von Capecitabin oder infusionalem 5-FU oder als 5 x 5 Gy erfolgen. Die Dauer der Konsolidierung (CAPOX oder FOLFOX) sollte 3 bis 4,5 Monate betragen, falls keine klinischen Gründe dagegensprechen [20]. Die TNT mit Konsolidierung sollte laut AIO gegenüber der TNT mit Induktion präferiert werden – nicht nur, weil die Daten der CAO/ARO/AIO-12-Studie dies nahelegen, sondern auch, weil die Daten zum TME-freien Überleben der OPRA-Studie unter einer TNT mit Konsolidierung die Option eines Watch-and-wait-Konzeptes möglich erscheinen lassen [20].