RET-bedingtes Schilddrüsenkarzinom: Ein Jahr hochselektive RET-Inhibition
Bei vortherapierten Erwachsenen mit fortgeschrittenem RET-Fusions-positivem Schilddrüsenkarzinom kann in der EU der hochselektive RET-Inhibitor Selpercatinib eingesetzt werden. Er hemmt die Aktivität onkogener RET-Genfusionen und Punktmutationen sehr spezifisch bereits in nanomolekularer Konzentration und generierte in Studien hohe Ansprechraten.
Fusionen und Mutationen im Gen der Tyrosinkinase RET (REarranged during Transfection) tragen bei einer Reihe von Tumortypen zu einer unkontrollierten Zellproliferation und zum Tumorüberleben bei, berichtete Prof. Christine Dierks, Halle/Saale. So weisen 60 % der Erkrankten mit spontan entstandenem medullärem Schilddrüsenkarzinom (MCT) [1] und sogar 90 % mit dem selteneren familiär vererbten MTC aktivierende RET-Punktmutationen auf; bei 10–20 % der Erkrankten mit differenzierten papillären Schilddrüsentumoren finden sich RET-Fusionen mit anderen Genen [2].
In der Phase I/II-LIBRETTO-001-Studie war Selpercatinib (Retsevmo®) bei 55 Patient:innen ab 12 Jahren mit fortgeschrittenem MTC und RET-Punktmutationen nach Vortherapie mit Cabozantinib und/oder Vandetanib eingesetzt worden. Darüber hinaus kam es zur Anwendung bei 19 erwachsenen Erkrankten mit differenzierten Schilddrüsenkarzinomen und RET-Genfusionen, die nach Radiojodtherapie z. B. Sorafenib und/oder Lenvatinib erhalten hatten [3]. Die 55 MTC-Erkrankten erzielten eine objektive Ansprechrate (ORR, komplette und partielle Remissionen, primärer Endpunkt) von 69,1 % (95%-KI 55,2–80,99) nach RECIST-Kriterien. Die Remissionen hielten bei 86 % der Erkrankten nach einem Jahr an; 82 % waren progressionsfrei. Auch die 19 ebenfalls vorbehandelten Erkrankten mit RET-Fusions-positivem Schilddrüsenkarzinom profitierten unabhängig von der Tumorhistologie und dem jeweiligen RET-Fusionspartner mit einer Ansprechrate von 78,9 % (95%-KI 54,4–93,9).
Ute Ayazpoor
Symposium „1 Jahr Selpercatinib beim RET-bedingten Schilddrüsenkarzinom: Erfahrungsberichte aus der Praxis“ im Rahmen des 65. Deutschen Kongresses für Endokrinologie (DGE) am 17.03.2022, veranstaltet von Lilly Oncology.