Primär- und Rezidivtherapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms
Die Prognose eines fortgeschrittenen epithelialen Ovarialkarzinoms ist immer noch vergleichsweise schlecht, jedoch wurden in der Therapie der high-grade Ovarialkarzinome in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. Ein essentieller Prognosefaktor bleibt die Qualität der Operation; dies konnte die letzte Qualitätssicherung Ovar (QS-Ovar) der AGO Studiengruppe bestätigen [1]. Aber auch Verbesserungen in der systemischen Therapie – Chemotherapie mit anschließender Erhaltungstherapie mit Angiogenese- und PARP-Inhibitoren – haben das progressionsfreie Überleben (PFS) von Patientinnen mit fortgeschrittenen high-grade Karzinomen signifikant und klinisch relevant verlängern können. Auch immunonkologische Ansätze werden aktuell intensiv untersucht.
Schlüsselwörter: Ovarialkarzinom, S3-Leitlinie, Primärtherapie, Platin, Bevacizumab, PARP-Inhibitoren, Rezidivtherapie, Immuncheckpoint-Inhibitoren, Paclitaxel, Carboplatin, Olaparib, Niraparib, Rucaparib, pegyliertes liposomales Doxorubicin, Pembrolizumab, Nivolumab, Avelumab, Atezolizumab
Für 2016 erfasste das Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert-Koch-
Instituts 7.350 Neuerkrankungen an einem Ovarialkarzinom in Deutschland; 5.486 Frauen sind 2016 an einem Ovarialkarzinom gestorben. Das relative 5-Jahres-Überleben liegt derzeit etwa bei 43 % über alle Stadien, das mittlere Erkrankungsalter bei 68 Jahren. 5–10 % aller bösartigen Erkrankungen des Eierstocks treten bereits unter dem 45. Lebensjahr auf, wobei es sich hier meist um Keimzelltumoren handelt [2].
Da Studien zum Screening mittels Bestimmung von CA 125 oder transvaginalem Ultraschall bisher keine Reduktion der Mortalität nachweisen konnten, wird ein generelles Screening als nicht sinnvoll erachtet [3]. Somit ist derzeit kein generelles Screening verfügbar. Die meisten Frauen befinden sich bei Erstdiagnose bereits in einem fortgeschrittenen Erkrankungsstadium, weshalb die Sterblichkeit noch immer hoch ist. Dennoch zeigte die aktuelle QS-Ovar, dass in Deutschland im Zeitraum 2004 bis 2016 das progressionsfreie Überleben (PFS) von Patientinnen mit einem bei Erstdiagnose fortgeschrittenen Ovarialkarzinom von 12,7 auf 20,5 Monate verbessert werden konnte. Das 2-Jahres-PFS stieg von 26,8 % auf 43,2 %. Dieser Effekt wurde mit der Behandlung an einem zertifizierten Zentrum assoziiert [1].
Die aktuelle Therapiestrategie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms basiert auf der operativen Therapie, der Chemotherapie und der Erhaltungstherapie. Dieser Therapieansatz könnte als „3-Säulen-Modell“ bezeichnet werden (Abb. 1).

Klassifizierung
Aufgrund der Ähnlichkeit in der Genese und des gemeinsamen tumorbiologischen Verhaltens werden Karzinome von Ovar, Tube und Peritoneum nach den Kriterien der WHO und der FIGO (Version 2014) gemeinsam klassifiziert.
Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie werden fünf häufige histologische Typen des Ovarialkarzinoms unterschieden: high-grade serös (HGSC), klarzellig (CCC), endometrioid (EC), low-grade serös (LGSC) und muzinös (MC).
HGSC bilden die größte Gruppe mit mehr als 50 % der Fälle. Diese Karzinome charakterisiert ein schnelles Wachstum, sie zeigen eine hohe chromosomale Instabilität und Mutationen im Tumorsuppressorgen p53 [3].
Symptome
Frauen mit einem Ovarialkarzinom bleiben häufig lange symptomfrei bzw. die Symptome sind unspezifisch. Sym-ptome wie Völlegefühl, Blähungen, unklare abdominelle Schmerzen/Beschwerden, Zunahme der Miktionsfrequenz sowie auch die Zunahme des Bauchumfangs können auf ein Ovarialkarzinom hindeuten [3]. Somit ist die Diagnose erschwert und viele Patientinnen werden in unterschiedlichen Fachbereichen vorstellig, bis die Diagnose eines Ovarialkarzinoms gestellt werden kann.
Genetik
Zu den häufigsten genetischen Veränderungen beim Eierstockkrebs gehören die BRCA1- und BRCA2-Mutationen. In der AGO-TR1-Studie wurde bei 523 Patientinnen mit primärem oder rezidiviertem Ovarialkarzinom nach genetischer Beratung eine Keimbahntestung auf deletäre Mutationen von Hochrisiko-Genen vorgenommen. Die Rate an BRCA1/2-Mutationen betrug 20,8 %, die Rate an Mutationen in Risikogenen insgesamt 25,8 % [4]. Weitere Risikogene sind u. a. RAD51C und BRIP1.
Optimalerweise soll die genetische Testung nicht nur die BRCA-Gene beinhalten, sondern in Rahmen eines Panels durchgeführt werden [3]. Die BRCA-Testung für jede Patientin mit Ovarialkarzinom ist von hoher Relevanz. Die Patientinnen sollten möglichst bei der Erstdiagnose getestet werden. In Abhängigkeit vom Ergebnis kann sowohl in der Primär- als auch der Rezidivsituation die bestmögliche Therapie angeboten werden.
Therapie
Die Prognose einer Patientin mit Ovarialkarzinom ist in erster Linie abhängig vom Erkrankungsstadium zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sowie von der Möglichkeit, den Tumor vollständig zu resezieren bzw. vom postoperativen Tumorrest. Außerdem sollen Alter, Allgemeinzustand, histologischer Typ, Tumorgrading und leitliniengerechte Therapie als Prognosefaktoren verwendet werden [3].
Primärtherapie
Relevante Einflussfaktoren für die Therapieentscheidung zeigt Abb. 2.

Im Zentrum der Behandlung des Ovarialkarzinoms steht nach wie vor die Operation, genauer gesagt die Qualität der Operation. Essentiell für die Prognose der Patientin ist eine zytoreduktive Operation, die eine möglichst geringe Tumorlast hinterlässt (vgl. Abb. 1). Den größten Vorteil haben Patientinnen ohne Tumorrest nach der Debulking-OP. Die Studie EORTC 55971 sowie eine Meta-Analyse von drei randomisierten Phase-III-Studien haben gezeigt, dass R0-resezierte Patientinnen das beste Gesamtüberleben haben [5, 6]. Zur Rolle der neoadjuvanten Chemotherapie untersucht derzeit die TRUST(Trial on Radical Upfront Surgery in Advanced Ovarian Cancer)-Studie der AGO (NCT02828618) den Einfluss des Zeitpunktes der radikalen Debulking-Operation (primär oder im Intervall).
Zur Rolle der Lymphonodektomie bei fortgeschrittenen Tumoren wurde in der AGO-LION-Studie gezeigt, dass die Durchführung einer systematischen pelvinen und paraaortalen Lymphonodektomie bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom, bei denen durch die Operation makroskopische Tumorfreiheit erzielt werden konnte und die klinisch unauffällige Lymphknoten hatten, nicht zu einer Verbesserung des PFS oder Gesamtüberlebens (OS) führte, sodass darauf verzichtet werden sollte [7].
Standard für alle Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom ist die adjuvante Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel über 6 Zyklen. Seit knapp 20 Jahren stellt sie den Backbone in der Systemtherapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms dar. Die Gabe von Bevacizumab parallel zur Chemotherapie und als Erhaltungstherapie führte zu einem Vorteil hinsichtlich des PFS [8, 9], bei Hochrisiko-Subgruppen wurden auch Vorteile beim OS beobachtet [10, 11].
Patientinnen mit aggressivem high-grade Ovarialkarzinom im Stadium III/IV und BRCA-Mutation sollten nach der platinhaltigen Erstlinientherapie eine Erhaltungstherapie mit einem PARP-Inhibitor erhalten. Von den PARP-Inhibitoren, die als Erhaltungstherapie in der Rezidivsituation dramatische Verbesserungen des PFS erzielen konnten, ist derzeit nur Olaparib für die Erhaltungstherapie in der Erstlinie zugelassen. Basierend auf den Daten der SOLO-1-Studie erfolgte die Zulassung von Olaparib nur bei Patientinnen mit nachgewiesener BRCA-Mutation. Patientinnen mit BRCA1/2-Mutation, die in der Erstlinie auf Carboplatin/Paclitaxel angesprochen hatten, profitierten in der SOLO-1-Studie mit einer 70-prozentigen Risikoreduktion von der Erhaltungstherapie mit dem PARP-Inhibitor [12].
Weitere Erstlinienstudien haben auch wichtige Daten zur Erhaltungstherapie mit anderen PARP-Inhibitoren geliefert, die allerdings noch nicht für die Primärtherapie zugelassen sind (siehe Abschnitt "Rolle der PARP-Inhibitoren").
Die MAMOC-Studie untersucht das Konzept „Maintenance nach Maintenance“ nach der Primärtherapie, genauer gesagt eine Erhaltungstherapie mit dem PARP-Inhibitor Rucaparib nach einer Bevacizumab-Erhaltungstherapie nach Carboplatin-basierter Erstlinien-Chemotherapie (Abb. 3).

Rezidivtherapie
Auch heute noch erleidet der überwiegende Teil der Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom nach der Operation und der primären platinbasierten Chemotherapie ein Rezidiv. Erhaltungstherapien mit PARP-Inhibitoren haben in der Rezidivtherapie eine neue Ära begründet, die Auswirkungen ihres Einsatzes in der Primärtherapie auf das Auftreten von Rezidiven werden sich noch zeigen (siehe Abschnitt "Rolle der PARP-Inhibitoren").
Die Rezidivtherapie beginnt im Normalfall, wenn sich die Patientin mit Symptomen vorstellt. Frühzeitigere Interventionen mit erneuter Chemotherapie aufgrund von gestiegenen Tumormarkern bei asymptomatischen Patientinnen ohne weitere Anzeichen für eine Tumorprogression sollten nicht erfolgen [3].
Im Falle eines Rezidivs stehen verschiedene Optionen zur Verfügung, die von der Länge des therapiefreien Intervalls, der Art und Schwere von Symptomen, dem BRCA-Status, dem histologischen Tumortyp, der Effektivität und der Toxizität sowie der Anzahl der vorausgegangenen Therapielinien abhängen.
Außerdem spielen auch die zurückliegende Gabe von antiangiogenetischen Substanzen oder PARP-Inhibitoren und tumorbiologische Aspekte eine Rolle [3] (Abb. 4 und 5).


Wichtigste Grundsatzfrage ist, ob die Patientin sich für eine (erneute) platin-haltige Therapie eignet, also ob ein platingeeignetes Rezidiv vorliegt, oder ob eine nicht platinhaltige Therapie zu bevorzugen ist. Die ausschließliche Berücksichtigung des platinfreien Intervalls (platinsensitives Rezidiv: Rezidiv frühestens 6 Monate nach Abschluss der platinhaltigen ErstlinienChemotherapie; platinresistentes Rezidiv: Rezidiv innerhalb der ersten 6 Monate nach Abschluss der initialen platinhaltigen Chemotherapie) ist für zukünftige Therapieentscheidungen nicht mehr ausreichend.
Therapie bei Kontraindikation für platinbasierte Rezidivtherapie
Wenn eine platinbasierte Rezidivtherapie keine Option ist, stellt eine Monochemotherapie den Therapiestandard dar. Die Kombination mit Bevacizumab kann das PFS verlängern [13, 14] und gerade bei großer Symptomlast von Vorteil sein, auch wenn dies einem Off-Label-Einsatz entsprechen würde. Endokrine Therapien sind der Wirksamkeit einer Chemotherapie unterlegen. Außerdem ist der PARP-Inhibitor Rucaparib als Monotherapie zugelassen zur Behandlung von Patientinnen mit zwar eigentlich platingeeigneten, rezidivierten oder progredienten Karzinomen, die bereits mindestens zweimal mit einer platinbasierten Chemotherapie behandelt wurden, diese aber nicht mehr vertragen. Der Nachweis einer BRCA-Mutation (Keimbahn oder somatisch) muss hierfür vorliegen.
Therapie bei platingeeignetem Rezidiv
Therapie der ersten Wahl bei einem platingeeigneten Ovarialkarzinomrezidiv ist die Reinduktion mit einer platinbasierten Chemotherapie. Die S3-Leitlinie empfiehlt verschiedene platinhaltige Kombinationstherapien. Bei Patientinnen mit erstem Rezidiv und ohne vorherige Anti-VEGF-Therapie kann diese mit Bevacizumab kombiniert werden, was Ansprechraten und PFS verbessern kann [3]. Allerdings kann auch eine Bevacizumab-Rechallenge eine (Off-Label!-) Option sein.
Der MITO-16B-Studie zufolge können Patientinnen mit platingeeignetem Rezidiv – nach Vorbehandlung mit Bevacizumab – von einer erneuten platinhaltigen Therapie mit Bevacizumab von einem verlängerten PFS profitieren [15]. Unerwartete Toxizitäten traten nicht auf.
In der offenen Studie AGO-OVAR 2.21, die Carboplatin/Gemcitabin/Bevacizumab vs. Carboplatin/pegyliertes liposomales Doxorubicin/Bevacizumab bei Frauen mit platingeeignetem Ovarialkarzinom verglich, war ein hoher Anteil von Patientinnen enthalten, die bereits antiangiogen vorbehandelt waren. Kürzlich publizierte Daten der Studie zeigen, dass Carboplatin/pegyliertes liposomales Doxorubicin/Bevacizumab die überlegene Option für die Rezidivtherapie darstellt. Auch die antiangiogen vorbehandelte Subgruppe profitierte mit einer deutlichen Verbesserung der Hazard Ratio [16].
Nach Ansprechen auf die platinbasierte Rezidivtherapie sollten alle Patientinnen mit einem high-grade Ovarialkarzinomrezidiv eine Erhaltungstherapie mit einem PARP-Inhibitor erhalten [3]. Alle drei verfügbaren PARP-Inhibitoren, Olaparib, Niraparib und Rucaparib, sind derzeit für die Erhaltungstherapie beim rezidivierten Ovarialkarzinom nach Ansprechen auf die platinbasierte Chemotherapie unabhängig vom BRCA-Mutationsstatus zugelassen und von der S3-Leitlinie empfohlen. Die Erhaltungstherapie mit den PARP-Inhibitoren nach Ansprechen auf Platin konnte das PFS der Patientinnen gegenüber Placebo signifikant verlängern [17–19]. In den ersten Therapiemonaten sind ein regelmäßiges Monitoring der Frauen und ein sorgfältiges Therapiemanagement wichtig.
Rucaparib hat außerdem eine Zulassung als Monotherapie zur Behandlung von Patientinnen mit einem platingeeigneten rezidivierten high-grade Ovarialkarzinom und BRCA-Mutation, die bereits mindestens zweimal mit einer platinbasierten Chemotherapie behandelt wurden, diese aber nicht mehr vertragen.
Auf dem virtuellen ASCO-Kongress 2020 wurden zum ersten Mal Daten zum Gesamtüberleben (OS) unter einer Erhaltungstherapie mit einem PARP-Inhibitor vorgestellt. Nach einem medianen Follow-up von 5,5 Jahren zeigte sich in der SOLO2/ENGOT-ov21-Studie eine deutliche Verlängerung des medianen OS durch eine Erhaltungstherapie mit Olaparib mit 51,7 Monaten gegenüber 38,8 Monaten unter Placebo; das statistische Signifikanzniveau wurde mit p = 0,0537 knapp verfehlt. Eingeschlossen waren nur Frauen mit einem platinsensiblen Ovarialkarzinomrezidiv und einer BRCA-Mutation [20].
Rezidivoperation
Eine Operation in der Rezidivsituation ist dann eine Option, wenn zu erwarten ist, dass eine makroskopische Komplettresektion gelingt, die das Ziel der Rezidiv-operation darstellen sollte [3]. Auf Basis der bisher verfügbaren Daten der Studie AGO-OVAR OP.4 (DESKTOP 3) kann Frauen mit platinsensitivem Ovarialkarzinomrezidiv, bei denen Tumorfreiheit erreichbar scheint, die Rezidivoperation angeboten werden.
Der Studie zufolge haben Patientinnen mit platingeeignetem Ovarialkarzinomrezidiv und positivem AGO-Score (guter Allgemeinzustand, Tumorfreiheit nach Primäroperation und kein Nachweis von Aszites beim Rezidiv) [21] mit einer R0-Resektion bei der Rezidiv-OP ein si-gnifikant verlängertes medianes PFS im Vergleich zu nicht operierten Patientinnen (p < 0,001) [22].
Beim ASCO-Kongress 2020 wurden finale Ergebnisse zum OS der Studie DESKTOP-3 präsentiert, die den Stellenwert der sekundären zytoreduktiven Operation beim ersten Rezidiv noch klarer definierten: Bei Patientinnen mit positivem AGO-Score und einem mindestens 6-monatigen platinfreien Intervall zeigte sich eine signifikante Verlängerung des OS durch die Rezidivoperation. Der Überlebensvorteil wurde aber nur bei den Patientinnen mit einer Komplettresektion beobachtet, was die Bedeutung der Selektion der geeigneten Patientinnen für die Rezidiv-OP sowie der Wahl eines erfahrenen Zentrums für eine solche Operation unterstreicht [23].
Eine zusätzliche hypertherme intraperitoneale Chemotherapie (HIPEC) nach der Rezidivoperation kann dabei die Prognose der Patientinnen nicht weiter verbessern, so die Daten einer beim ASCO 2020 gezeigten diesbezüglichen Phase-II-Studie [24]. Bislang gibt es nur Daten, die auf eine Prognoseverbesserung durch eine Rezidivoperation bei platingeeigneter Erkrankung hinweisen; beim platinresistenten Rezidiv konnte bisher keine Prognose- verbesserung gezeigt werden.
Rolle der PARP-Inhibitoren
Beim high-grade Ovarialkarzinom ist der Einsatz von PARP-Inhibitoren mittlerweile Therapiestandard, zum einen als Erhaltungstherapie für alle Patientinnen nach Ansprechen auf die platinbasierte Rezidivtherapie und zum anderen als Erhaltungstherapie nach der platinbasierten Primärtherapie, wenn eine BRCA-Mutation vorliegt. Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP)-Inhibitoren verhindern, dass Einzelstrangbrüche der DNA repariert werden. Bei Tumorzellen mit einer Defizienz der Homologen Rekombination (HR), wie sie u. a. bei einer BRCA-Mutation vorliegt, entstehen dann Doppelstrangbrüche, was zum Zelltod führt. Dieses Prinzip macht man sich bei der Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitoren zunutze. Eigentlich finden PARP-Inhibitoren demnach ihre Rationale bei Tumoren, die eine Homologe Rekombinationsdefizienz (HRD) aufweisen. Beim Ovarialkarzinom könnte das bei etwa 50 % der Tumoren der Fall sein [25]. Auch wenn diese Tumoren besonders gut auf PARP-Inhibitoren ansprechen, weisen Studien darauf hin, dass auch als HR-kompetent klassifizierte Patientinnen auf PARP-Inhibitoren ansprechen [17, 26]. In Studien wird untersucht, wie sich die Wirksamkeit der PARP-Inhibitoren für HRD-negative Patientinnen steigern lassen könnte, z. B. durch Kombinationen mit Angiogenesehemmern.
Für die Erhaltungstherapie in der Erstlinie ist derzeit in Deutschland nur Olaparib zugelassen, und zwar nur bei Patientinnen mit nachgewiesener BRCA-Mutation. Dies stellt noch einen wichtigen Unterschied zur Zulassungssituation beim Ovarialkarzinomrezidiv dar: Hier wurden Olaparib, Niraparib und Rucaparib unabhängig vom BRCA-Status der Patientin für die Erhaltungstherapie zugelassen, einzige Voraussetzung ist das Ansprechen auf die platinbasierte Chemotherapie. In den USA ist mittlerweile Niraparib bei allen Patientinnen mit einem neu diagnostizierten fortgeschrittenen Ovarialkarzinom, die auf die platinbasierte Chemotherapie angesprochen haben, für die Erhaltung in der Erstlinie zugelassen. Die Zulassung basiert auf den Daten der PRIMA-Studie.
Verschiedene Phase-III-Studien mit einer PARP-Inhibitor-basierten Erhaltungstherapie in der Erstlinie haben mittlerweile deren positiven Effekt gezeigt. Dieser war zwar insgesamt bei Patientinnen mit BRCA-Mutation sowie bei HRD-positiven Patientinnen am deutlichsten, war aber nicht in allen Studien auf dieses Kollektiv beschränkt. So erhielten in der PRIMA-Studie die Patientinnen mit neu diagnostiziertem fortgeschrittenem Ovarialkarzinom nach Ansprechen auf die platinhaltige Chemotherapie entweder Niraparib oder Placebo als Erhaltungstherapie für bis zu 36 Monate. In der HRD-positiven Subgruppe war das mediane PFS (mPFS) im Niraparib-Arm mit 21,9 Monaten doppelt so lang wie im Placebo-Arm mit 10,4 Monaten(HR 0,43). In der Gesamtpopulation betrug das mPFS im Niraparib-Arm 13,8 Monate gegenüber 8,2 Monaten im Placebo-Arm (HR 0,62). Der PFS-Vorteil unter Niraparib versus Placebo wurde in allen präspezifizierten Subgruppen gesehen, so bei HRD-positiven BRCA-mutierten (HR 0,40) und bei HRD-positiven BRCA-Wildtyp-Tumoren (HR 0,50). Aber auch bei der HRD-negativen Subgruppe, also bei Patientinnen mit HR-kompetenten Tumoren, wurde eine Risikoreduktion von 32 % beobachtet (HR 0,68) [26].
Die VELIA-Studie untersuchte das Konzept „PARP-Inhibition plus Chemotherapie gefolgt von PARP-Erhaltung“. Der derzeit noch nicht zugelassene PARP-Inhibitor Veliparib wurde kombiniert mit der Erstlinien-Chemotherapie und danach weiter als Erhaltungstherapie verabreicht. Die Patientinnen erhielten in einer 1:1:1-Randomisierung entweder Carboplatin plus Paclitaxel plus Veliparib gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Veliparib oder die Chemotherapie plus Veliparib gefolgt von einer Placebo-Erhaltungstherapie oder in der Kontrollgruppe ausschließlich die Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel gefolgt von einer Placebo-Erhaltungstherapie. Die Kombination Veliparib plus Chemotherapie gefolgt von der Veliparib-Erhaltung führte in der gesamten Studien-population zu einer signifikanten Verlängerung des mPFS mit 23,5 vs. 17,3 Monaten in der Kontrollgruppe (HR 0,68).
Am ausgeprägtesten war die Verlängerung des mPFS in der Subgruppe der 200 Patientinnen mit BRCA-Mutation (34,7 Monate vs. 22 Monate (Kontrollgruppe), HR 0,44). Bei den 421 HRD-positiven Patientinnen wurde das mPFS von 31,9 Monaten auf 20,5 Monate verlängert (HR 0,57). In der Subgruppe der HRD-negativen Patientinnen wurde keine signifikante Verlängerung des mPFS vs. der Kontrollgruppe beobachtet (15 Monate vs. 11,5 Monate, HR 0,81) [27].
In der PAOLA-1-Studie wurde Olaparib als Erhaltungstherapie nach der Erstlinien-Chemotherapie mit Bevacizumab kombiniert. Die Patientinnen mit Ansprechen auf die Chemotherapie mit Platin/Taxan mussten mindestens 3 Zyklen Bevacizumab zusammen mit der Chemotherapie erhalten haben. Das mPFS betrug unter Olaparib + Bevacizumab 22,1 Monate vs. 16,6 Monate im Placebo + Bevacizumab-Arm (HR 0,59). Bei den HRD-positiven Frauen mit BRCA-Mutation betrug das mPFS unter Olaparib + Bevacizumab 37,2 Monate vs. 17,7 Monate im Placebo-Arm (HR 0,33), bei den HRD-positiven Frauen ohne BRCA-Mutation lag das mPFS bei 28,1 vs. 16,6 Monaten (HR 0,43).
Bei den Patientinnen mit negativem oder unbekanntem HRD-Status führte Olaparib nicht zu einer signifikanten Verlängerung des mPFS (16,9 Monate unter Olaparib plus Bevacizumab vs. 16,0 Monate unter Placebo plus Bevacizumab (HR 0,92) [28]. Studiendesign und Einschlusskriterien der Studien waren sehr unterschiedlich. Der größte Vorteil wurde in allen Studien bei Patientinnen mit BRCA-Mutation und HRD-positiven Tumoren gesehen, bei HR-kompetenten Tumoren wurde nur in der PRIMA-Studie ein Vorteil beobachtet.
Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf verschiedene Assays mit unterschiedlichen Cut-offs ist die Rolle der Testung der HRD als prädiktiver Biomarker für die Sensitivität gegenüber PARP-Inhibitoren fraglich.
Durch den Einsatz von PARP-Inhibitoren in der Erstlinie ergeben sich für die Zukunft zahlreiche Fragen, wie etwa dessen Auswirkungen auf die PARP- Inhibitor-Erhaltungstherapie in der Rezidivsituation sowie die einer PARP-Inhibitor-Rechallenge. Dieser Frage widmet sich die Phase-IIIb-Studie AGO-OVAR 2.31 (OReO) zur erneuten Erhaltungstherapie mit Olaparib bei Patientinnen, die zuvor mit einem PARP-Inhibitor behandelt wurden und auf eine wiederholte platinbasierte Chemotherapie angesprochen haben (Abb. 6).

Immunonkologie und Kombinationstherapien
Das Ovarialkarzinom gilt im Allgemeinen als schwach immunogener Tumor. Viele Studienkonzepte zielen deshalb darauf ab, die Möglichkeiten der Immunantwort auf den Tumor zu verbessern und einen stark immunogenen Tumor zu erzeugen. So soll die Immuntherapieresistenz des epithelialen Ovarialkarzinoms überwunden und die Effektivität von Immuncheckpoint-Inhibitoren erhöht werden. Die Phase-III-Studie JAVELIN OVARIAN PARP 100, die eine Erstlinientherapie mit Avelumab kombiniert mit Chemotherapie gefolgt von einer Erhaltung mit Avelumab plus Talazoparib bei unselektierten Patientinnen mit unbehandeltem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Ovarialkarzinom untersuchte, wurde vorzeitig abgebrochen, da sich keine PFS-Verlängerung durch die Immuntherapie zeigte.
Eine erhöhte Mutationslast weisen high-grade seröse Ovarialkarzinome mit BRCA1/2-Mutation auf; bei ihnen wurde auch eine signifikant erhöhte Anzahl von TILs und eine höhere PD-1/PD-L1-Expression in Tumorassoziierten Immunzellen beobachtet als bei HRD-negativen Tumoren [29, 30].
Bisher wurde noch keine immun-onkologische Substanz beim Ovarialkarzinom zugelassen. Monotherapien mit PD-1/PD-L1-Inhibitoren zeigten bisher nur eine begrenzte Aktivität mit geringer Korrelation zur PD-L1-Expression [31–34]. Auch in der Phase-II-Studie KEYNOTE-100 war die Wirksamkeit der Monotherapie mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab bei Frauen mit Ovarialkarzinomrezidiv begrenzt (ORR 8 %, Krankheitskontrolle 37,2 %), wobei eine höhere PD-L1-Expression mit einem besseren Ansprechen assoziiert war [35].
Auf dem ASCO-Kongress 2020 wurden Gesamtüberlebens-Daten der KEYNOTE-100-Studie präsentiert, die die moderate Wirksamkeit der Monotherapie bestätigten, ebenso den schon bei den Ansprechraten gesehenen Trend zu einer verbesserten Wirksamkeit bei höherer PD-L1-Expression der Tumoren [36].
Als vielversprechender erwiesen sich Kombinationstherapien aus Immuncheckpoint- und PARP-Inhibition. So erbrachte die Kombination Pembrolizumab plus Niraparib in der TOPACIO-Studie bei 60 platinresistenten Patientinnen ermutigende Ergebnisse. Die ORR lag bei 25 %, bei 67 % wurde eine Krankheitskontrolle erreicht [37].
In der Phase-II-Studie MEDIOLA, einer Basket-Studie, die Olaparib in Kombination mit dem PD-L1-Inhibitor Durvalumab bei Frauen mit fortgeschrittenen soliden Tumoren mit BRCA-Mutation untersucht, erwies sich die Kombination PARP-Inhibitor plus Checkpoint-Inhibitor in der Kohorte der Frauen mit rezidiviertem, platinsensiblem Ovarialkarzinom und BRCA-Keimbahnmutation als vielversprechend, mit hohen Ansprechraten und langer Ansprechdauer [38].
Auch weitergehende Kombinationen werden in Primär- und Rezidivtherapie untersucht (siehe Abb. 6 und 7).

Als Primärtherapie untersucht die Phase-III-Studie AGO-OVAR 23/ENGOT-ov46/DUO-O Durvalumab in Kombination mit Chemotherapie und Bevacizumab, gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Durvalumab, Bevacizumab (und Olaparib bei BRCA-Mutation) bei Patientinnen mit neu diagnostiziertem fortgeschrittenem Ovarialkarzinom [39] (Abb. 6).
Außerdem läuft die vierarmige Phase-III-Studie GOG-3020/ENGOT-ov45/
ATHENA/AGO-OVAR 25, die nach Ansprechen auf die platinbasierte Primärtherapie eine Erhaltung mit Rucaparib und Nivolumab untersucht [40] (Abb. 6). Die Phase-III-Studie ENGOT-ov44/GINECO/FIRST evaluiert die Kombination der platinbasierten Chemotherapie mit Niraparib und dem PD-L1-Inhibitor Dostarlimab (TSR-042) als Primärtherapie mit einer platinbasierten Standardtherapie bei Patientinnen mit neu diagnostiziertem Ovarialkarzinom im Stadium III oder IV [41] (Abb. 6). In der Rezidivtherapie vergleicht die Phase-III-Studie AGO-OVAR 2.29/ENGOT-ov34 Atezo-lizumab kombiniert mit Bevacizumab und Chemotherapie mit Bevacizumab plus Chemotherapie [42] (Abb. 6).
Fazit
Das Management eines fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms bleibt eine Herausforderung, doch beginnt sich der fatale Verlauf der Erkrankung durch Verbesserungen in der Therapie etwas in Richtung chronische Erkrankung zu verschieben. Ein essentieller Faktor für die Prognose bleibt die zytoreduktive Operation möglichst ohne Tumorrest an einem zertifizierten Zentrum.
Außerdem relevant ist die frühzeitige Testung des BRCA-Status, nicht nur im Hinblick auf den Einsatz von PARP-Inhibitoren. Die platinhaltige Chemotherapie sollte mit einer Erhaltungstherapie ergänzt werden, in der Erstlinie mit Bevacizumab oder einem PARP-Inhibitor bei BRCA-Mutation, im Rezidiv bei
Ansprechen auf Platin mit einem PARP-Inhibitor. Anlässe zur Hoffnung bieten auch Studien, in denen immunonkologische und zielgerichtete Ansätze kombiniert eingesetzt werden.
Summary
The prognosis of patients with advanced epithelial ovarian cancer is still relatively poor, but significant progress has been made in the treatment of high-grade ovarian cancer in recent years. Primary surgery retains its crucial role and the postoperative residual tumor mass remains the most relevant prognostic factor; this was confirmed by the last quality assurance ovary (QS ovary) of the AGO study group [1]. However, improvements in systemic therapy – adding angiogenesis inhibitors and PARP inhibitors to the chemotherapy backbone – have also significantly and clinically relevantly prolonged the progression-free survival of patients with advanced high-grade tumors. Immuno-oncology-based drug combinations are also being investigated more intensively.
Keywords: ovarian cancer, S3 guideline, primary therapy, platinum, bevacizumab, PARP inhibitors, relapse therapy, immune checkpoint inhibitors