Bicycles versus CARs: Sind bispezifische Antikörper eine Alternative zu CAR-T-Zellen?
Bispezifische Antikörper (bsABs) können ähnlich wie mit „chimeric antigen receptor“-transfizierten T-Zellen (CARTs) eine T-Zell- gesteuerte, antigenspezifische Immunantwort auslösen. Die theoretischen Vorteile gegenüber CARTs liegen auf der Hand [1]. BsABs sind „off the shelf“ („aus dem Regal“) und können ohne besondere Vorbereitung sofort dem Patienten verabreicht werden [2]. Sie werden in einer definierten Dosierung mit einer gut bekannten Pharmakokinetik verabreicht und unterliegen nicht den Schwankungen eines CAR-T-Produktes [3]. Es gibt kein „manufacturing failure“ [4]. Sie sind nicht genotoxisch, auch wenn dieser Aspekt bei der kurzen Beobachtungszeit innerhalb der aktuellen CART-Studien bislang noch keine Rolle spielt. Mit Blinatumomab wurde von der EMA bereits 2015 ein Produkt zur Behandlung der refraktären und rezidivierten (r/r) Philadelphia-Chromosom-negativen akuten lymphatischen Leukämie zugelassen, im Verlauf erfolgte die Zulassung auch bei MRDpositiven Patienten und Kindern. Derzeit werden mehrere CD20-Antikörper entwickelt, die ihren Platz in der Behandlung von Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen finden können. Auch bei anderen Indikationen wie dem Multiplen Myelom werden sowohl CARTs als auch bsABs entwickelt. Beide Verfahren haben aber auch ähnliche Einschränkungen: Erstens die Verwendung von autologen, durch Vortherapien „erschöpften“ T-Zellen, zweitens ein teilweise ähnliches Nebenwirkungsspektrum und drittens ähnliche Resistenzmechanismen wie den Verlust des Zielantigens und die Aktivierung der PD1/PD-L1-Achse. Es gibt auch offensichtliche Vorteile von CARTs wie den Langzeiteffekt der „lebenden“ und expandierten Zellen, und hinsichtlich neuer Technologien die potentielle Verwendung „frischer“ allogener T-Zellen sowie das unerschöpfliche Spektrum an biotechnologischen Modifikationen des CAR-T/NK-Prinzips. So bleibt es spannend, mit welcher Technologie sich der größte Benefit bei bestimmten Erkrankungen erzielen lässt.
Schlüsselwörter: bispezifische Antikörper, Blinatumomab, akute lymphatische Leukämie, Non-Hodgkin Lymphome, Mosunetuzumab
Die Geschichte der bispezifischen Antikörper (bsAB) beginnt zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie die der CAR-T- Zellen (CARTs). Während erste Experimente von CARTs bis ins Jahr 1987 zurückreichen [1], wurden die ersten bsABs schon 1985 untersucht [2]. Die 1990er- Jahre brachten dann viele technologische Neuentwicklungen zu bsABs, die auch als „bispezifische Explosion“ bezeichnet wurden [3]. Allerdings startete die erste klinische Untersuchung am Menschen fast zeitgleich: Im Jahr 1997 wurde ein
CD30 x CD16-Antikörper bei Patienten mit Hodgkin-Lymphomen in Deutschland untersucht [4], während in San Francisco die ersten Tumorpatienten mit CARTs der ersten Generation behandelt wurden [5].
Das Wirkprinzip von CARTs und bsAB unterscheidet sich darin, dass bsAB nach Infusion direkt an die vorhandenen T-Zellen und Tumorzellen binden und durch die räumliche Nähe eine Immunreaktion ohne zusätzliche kostimulatorische Moleküle auslösen können (Abb. 1).

Dadurch kommt es auch zur Aktivierung und Expansion weiterer T-Zellen. Bei CAR-T- Zellen werden zunächst T-Zellen des Patienten gesammelt, gentechnisch modifiziert und expandiert – ein Verfahren was aufwendig und zeitintensiv ist.
Blinatumomab, das erstmals 2001 am Menschen getestet wurde [6], ist der derzeit einzige in der Europäischen Union zugelassene bsAB. Dieser gegen CD19 und CD3 gerichtete „single peptide“-Antikörper (auch „bispecific T-cell engager“, BITETM) muss wegen seiner kurzen Halbwertszeit als Dauerinfusion mit Infusionspumpe und Port über 4 Wochen bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) und über 8 Wochen bei Non-HodgkinLymphomen (NHL) gegeben werden [7]. Neben diesen logistischen Herausforderungen traten auch Nebenwirkungen auf, die zur damaligen Zeit unerwartet waren. Ähnlich wie bei CARTs und auch anderen Immuntherapien konnten zum Teil sehr schwere Zytokinfreisetzungssyndrome (Cytokine Release Syndrome, CRS) auftreten. In Analogie zu den gegen CD19 gerichteten CARTs traten auch schwere neurologische Nebenwirkungen auf, die man jetzt als ICANS („Immune effector cell associated neurological symptoms“) bezeichnet. Ihr Management ist oft ähnlich; allerdings konnte man durch eine Unterbrechung der Blinatumomab-Infusion viele Nebenwirkungen rasch beenden, was bei CARTs nicht möglich ist.
BsABs gibt es seit den 1980er-Jahren in unterschiedlichsten Modifikationen. Vereinfachend kann man zwischen zwei Arten unterscheiden (Übersicht bei [8]): zum einen Konstrukte ohne den Fc-Teil eines Antikörpers wie Blinatumomab (oder andere Konstrukte mit der BITE®-, TandAB®- oder DART®-Platform), die als Nachteil eine kurze Halbwertszeit haben, zum anderen Konstrukte mit erhaltenem Fc-Teil, der wegen starker Immunogenität oft durch gentechnologische Modifika-tionen unwirksam gemacht wird.
bsAB versus CARTs bei ALL
Sowohl CARTs als auch bsABs wurden erstmals zur Behandlung von Patienten mit ALL zugelassen. Tisagenlecleucel wurde 2017 von der FDA und 2018 von der EMA zur Behandlung der rezidivierten oder refraktären (r/r) pädiatrischen ALL zugelassen. Blinatumomab ist in Europa zugelassen für die r/r Philadelphia-negative ALL, für die r/r pädiatrische ALL und auch für Patienten mit ALL und nachweisbarer minimaler Resterkrankung (MRD+). In den Studien zur MRD+ wurde gleich mit der wirksamen Dosierung 15 µg/m²/d (oder später mit einer festen Dosierung von 28 µg/d) gestartet und in jeweils vierwöchigen Zy-klen verabreicht. Bei r/r ALL wird mit einem Dosisschritt von 9 µg/d über eine Woche gestartet, und dann auf 28 µg/d für 3 Wochen gesteigert. Bei der MRD+ ALL betrug die molekulare Remission nach 2 Zyklen 80 % bzw. 79 % in zwei Phase-II-Studien [9, 10]. Bei der r/r ALL betrug die Rate der CR/CRh/CRi (komplette Remission/mit teilweiser hämatologischer Erholung/mit inkompletter hämatologischer Erholung) 43 % oder 44 % in zwei Phase-II-Studien [11, 12]. Auch bei Philadelphia(Ph)-positiven ALL-Patienten wurde eine Phase-II-Studie durchgeführt, die eine etwas niedrigere Response-Rate zeigt (36 %; [13]), weshalb in neueren Studiengenerationen die naheliegende Kombination mit Tyrosinkinase-Inhibitoren durchgeführt wird. In einer randomisierten Phase-III-Studie (TOWER) wurden Patienten mit r/r Ph-negativer ALL mit refraktärer Erkrankung oder Rezidiv innerhalb eines Jahres entweder mit Blinatumomab oder einer „Standard of Care“-Behandlung (meist intensive Chemotherapie) behandelt [14]. Hier zeigte sich eine Verbesserung des primären Endpunkts Gesamtüberleben (OS) von 4,0 auf 7,7 Monate (HR 0,71, 85-%-KI 0,55–0,93). Allerdings waren in beiden Armen nach 12 Monaten nur noch weniger als 30 % der Patienten am Leben.
Am eindrucksvollsten zeigte sich das Potential von Blinatumomab in einer amerikanischen Studie bei Patienten mit r/r pädiatrischer ALL (AALL1331) [15]. Nach einem obligaten Zyklus einer Salvage-Chemotherapie wurden die Patienten mit 2 weiteren Zyklen Chemotherapie oder Blinatumomab konsolidiert. Die Toxizität von Blinatumomab war deutlich geringer, es konnten mehr Patienten allogen transplantiert werden, was letztlich zu einem OS-Vorteil von ca. 20 % führte.
Aufgrund der umfassenden Erfahrung mit Blinatumomab bei der ALL kann man Erkenntnisse auch für die CARTs ableiten. Immuntherapien sind sicherer und effektiver, je niedriger die Tumorlast ist. Bei Patienten mit ALL und MRD+ hat Blinatumomab eine hohe Effektivität und eine geringe Komplikationsrate. Das Outcome von Patienten, die anschließend keine Konsolidierung mit einer allogenen Stammzelltransplanta- tion erhalten haben, unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der transplantierten Patienten [12]. Neue Konzepte integrieren Blinatumomab bereits in die konsolidierenden Blöcke, alternierend zur Chemotherapie (z. B. die EWALLBOLD-Studie – EudraCT-Nr.: 2017-002853-13, bei der in Deutschland Patienten in einem Alter von über 55 Jahren eingeschlossen werden können).
Non-Hodgkin Lymphome
Die ersten Phase-I-Studien bei Blinatumomab wurden mit Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) durchgeführt [16]. Diese Therapie ist aber deutlich herausfordernder als bei der ALL. So ist eine Dosis von 112 µg/d statt 28 µg/d erforderlich, um eine ausreichende Effektivität zu zeigen. In etwa 25 % der Fälle zeigten sich neurologische Nebenwirkungen im Sinne eines ICANS ab Grad 3. Zur Abschwächung dieser Nebenwirkungen ist eine schrittweise Dosiseskalation über 3 Wochen üblich, in der ein Teil der Patienten aufgrund von Tumorprogression die Therapie abbricht. Bei Nebenwirkungen muss die Therapie manchmal unterbrochen und mit einer niedrigen Dosisstufe begonnen werden, was zu einer weiteren Verzögerung im Hinblick auf das Erreichen einer effektiven Dosis führt. Außerdem werden teilweise hohe Dosen an Glukokortikosteroiden verabreicht, die wiederum selbst zu einer erhöhten Nebenwirkungsrate führen. So betrug die Gesamtansprechrate (ORR) bei aggressiven NHL in zwei Phase-II-Studien etwa 35 %, mit einer Rate von ca. 20 % kompletten Remissionen [17, 18]. Neue Konzepte, diese Dosis schneller zu steigern oder auch die Effektivität durch Kombinationen zu verbessern, werden derzeit in Studien durchgeführt. In Studien werden auch CD19 x CD3-Antikörper mit einer verlängerten Halbwertszeit getestet (z. B. AMG562) oder Präparationen, die als subkutane Gabe bereitstehen.
In letzter Zeit wurden eine Reihe von bsABs mit Spezifität gegen CD20 x CD3 entwickelt [19–21] (Tab.1).

Allen gemeinsam ist, dass sie eine molekulare Größe eines „full size“-Antikörpers haben und daher in wöchentlichen Abständen oder seltener verabreicht werden. Nach bisheriger Studienlage sind neurologische Nebenwirkungen selten und entsprechen eher nicht dem klinischen Bild, das bei CD19-bsABs und CAR-T-Zellen bekannt ist. Die klinisch relevanteste Nebenwirkung ist das CRS, wobei höhergradige Formen selten sind. Bei fast allen Antikörpern ist eine schrittweise Dosissteigerung notwendig, um Nebenwirkungen abzuschwächen; nur CD20-TCB wird nach einem „Priming“ mit Obinutuzumab direkt in der Zieldosis verabreicht [19]. CD20-TCB ist auch der einzige Antikörper, der gleichzeitig mit anderen CD20-Antikörpern wie Rituximab oder Obinutuzumab verabreicht werden kann. Mit Mosunetuzumab wurden besonders viele Patienten behandelt (n = 270; [20]). Die ORR bei aggressiven NHL lag bei 7 %, die CR bei 19 %; davon waren 71 % der Patienten in anhaltender CR zum Zeitpunkt der Auswertung. Um ein Gefühl für das therapeutische Potential zu bekommen, lohnt der Blick zu den anderen bsABs, wo es bereits Daten zum Ansprechen in höheren Dosisstufen gibt, so z. B. bei REGN1979 (ORR 58 %, CR 42 % ab 80 mg; [21]) oder bei CD20-TCB (ORR 57 %, CR 38 %, [19]). Das Potential von CD20-TCB erahnt man auch in ersten Daten zur Kombination mit Obinutuzumab (OR 91 %, CR 51 % bei 22 Patienten mit aggressiven Lymphomen; [22]). Derzeit werden diese Antikörper in früheren Linien und auch in Kombinationen unter anderem auch in deutschen Studienzentren der German Lymphoma Alliance getestet.
Dass CD20 x CD3-Antikörper nach CAR-T-Zell-Versagen eingesetzt werden können, liegt nahe, da in Rezidivbiopsien häufig CD19 verloren geht, jedoch nicht CD20 [23]. Beim CD20 x CD3-Antikörper Mosunetuzumab wurde bei drei von 14 Patienten mit aggressiven Lymphomen ein Ansprechen nach CART-Versagen beobachtet, bei einem dieser Patienten kam es zur erneuten Expansion der CARTs [20]. Ähnliches wurde aber auch bei REGN1979 [21] berichtet: Hier hatten 6 von 12 Patienten angesprochen, einschließlich 3 CRs. Von CART-Studien haben wir gelernt, dass es aufgrund des häufigen Verlusts des Zielantigens sinnvoll ist, mehrere Antigene zu attackieren. Vielleicht ist es in diesem Kontext sogar sinnvoll, beide Therapieprinzipien (CARTs und bsABs) zu kombinieren.
Während bei r/r aggressiven Lymphomen Langzeitremissionen unter CARTs und bsABs bislang bei weniger als der Hälfte der behandelten Patienten auftreten, scheinen diese Ansätze bei indolenten Lymphomen deutlich besser zu wirken. In der Phase-I-Studie beim follikulären Lymphom betrug die ORR unter Blinatumomab 80 % und die CR 40 % [16], bei Mosunetuzumab war die ORR 69 % und die CR 39 % [20]. Auch beim Mantelzell-Lymphom scheinen diese immunologischen Prinzipien gut zu funktionieren. So wird in Europa möglicherweise in diesem Jahr ein CAR-T-Zell-Produkt (KTE-X19) für das Mantelzell-Lymphom nach Ibrutinib-Versagen zugelassen [24]. Auch in der Phase-I-Blinatumomab-Studie gab es beim Mantelzell-Lymphom hohe Ansprechraten (ORR 72 %, CR 43 %; [16]).
Multiples Myelom
Das wichtigste Zielantigen für CARTs und bsABs ist das B-cell maturation antigen (BCMA), das bei Myelomen hoch exprimiert wird und somit selektiver ist als andere potentielle Targets wie CD38 oder CD138. Das Anti-BCMA-CARTKonstrukt bb2121 oder Idecabtagene Lecleucel zeigte bei 33 Patienten eine Ansprechrate von 85 %, mit einer CR-Rate von 45 % [25]. Allerdings hatten 6 der 15 Patienten mit CR im Beobachtungszeitraum einen Rückfall. Zwischenzeitlich gibt es eine Pressemitteilung des Herstellers vom Dezember 2019, wonach in einer Phase-II-Studie mit 128 behandelten Patienten der primäre Endpunkt erreicht worden sei. Damit ist eine Zulassung dieses CARs in einer absehbaren Zeitspanne auch in Europa wahrscheinlich In einer vorläufigen Analyse einer Studie mit einem bsAB-Antikörper gegen BCMA (AMG-420) wurden 42 Patienten behandelt; die Responserate lag bei 70 % und die CR-Rate bei 21 % [26]. Allerdings wurde eine schrittweise Dosisfindung durchgeführt, sodass bei höherer Dosisstufe (400 µg/d) sogar 5 von 7 Patienten eine serologische CR hatten. Auch das Nebenwirkungsprofil zeigte Gemeinsamkeiten zu CARTs: So gab es schwere CRS-Nebenwirkungen in 6 % bzw. 2 %, während schwere neurologische Nebenwirkungen im Vergleich zu CD19 CARTs selten waren (aber dennoch bei einzelnen Patienten auftraten). Eine mögliche Ursache für Rezidive ist der Verlust von BCMA, sodass mögliche Strategien darauf abzielen, entweder duale CARTs (BCMA und CD19) zu verwenden oder medikamentös die Gamma-Secretase zu hemmen [27], um eine Spaltung von BCMA von der Oberfläche zu verhindern. Solche Überlegungen sind auch für bsABs interessant.
Daneben sind auch CD19 und CD20 potentielle Zielantigene für CARTs und bsABs. In einem Fallbericht erreichte ein Patient mit MM und ALL eine sehr gute partielle Remission („very good partial remission“) des Myeloms nach Therapie der ALL mit Blinatumomab [28].
Mögliche Indikationen
Bei akuten myeloischen Leukämien (AML) ist keines der möglichen Targets wie CD33, CD123, CLL1, CD45, CD46, FLT3 oder Anti-IL1RAP so selektiv, um nicht potentiell hämatopoetische Stammzellen anzugreifen (Übersicht in [29]). In einigen Fällen kommt es zu relevanten „off target“-Effekten – so z. B. bei CD33, das auch auf Hepatozyten exprimiert wird, und vor allem bei CARTs, weniger bei bsABs, zu relevanter Hepatotoxizität führte. Außerdem zeigten frühe klinische Studien oft ausgeprägte CRS. Derzeit gibt es die meisten klinischen Studien sowohl bei CARTs als auch bsABs gegen die Antigene CD33 und CD123.
Nachdem die erste klinische Studie mit bsABs beim Menschen im Jahr 1997 mit einem CD30 x CD16-Konstrukt durchgeführt wurde [4], ist es nicht ganz überraschend, dass ähnliche Nachfolgekonstrukte entwickelt wurden. AFM13 ist ebenfalls ein CD30 x CD16-bsAB, der in einer Phase-I-Studie Wirksamkeit gezeigt hatte (ORR 11,5 %, bei höherer Dosis > 1,5 mg/kg bis 23 %; [30]).
Es gibt Versuche, CARTs und bsAB auch bei soliden Tumoren einzusetzen (Übersicht in [31]). Dabei ist die Suche nach spezifischen Antigenen ohne mögliche „Off target“-Effekte anspruchsvoll. Mögliche Zielantigene, die für bsAB in klinischen Studien getestet werden, sind EPCAM, CEA, die HER/EGFR-Familie und PSMA. Bei soliden Tumoren wirken die geringe Gewebepenetration von Antikörpern und die immunsuppressive Tumor-Mikroumgebung limitierend.
Resistenzen
Der Verlust des Zielantigens ist ein häufiger Grund für die sekundäre Resistenz von gezielten Antikörpertherapien. Bereits in der ersten Phase-II-Studie mit Blinatumomab bei r/r ALL trat bei 3 von 10 refraktären Patienten ein CD19-Verlust auf [11]. Mit zunehmender Erfahrung scheint dieses Phänomen bei Blinatumomab nur noch in einer Häufigkeit von 3 % bis 8 % vorzukommen [32] und damit deutlich seltener zu sein als beispielsweise bei der CART-Therapie mit Tisagenlecleucel bei der ALL. Daher ist es sinnvoll, dass Patienten mit einer Blinatumomab-Vortherapie nicht von späteren CART-Therapien gegen CD19 ausgeschlossen werden. Auch Daten zur Wiederholung von Blinatumomab nach initial gutem Ansprechen [33] sprechen dafür, dass eine erneute CD19-gerichtete Therapie in vielen Fällen sinnvoll ist.
Ein für Blinatumomab besonders charakteristischer Resistenzmechanismus ist das Auftreten von extramedullären Rezidiven. Nachdem ZNS-Manifestationen nicht zuletzt durch die intrathekale Prophylaxe relativ selten sind, kommt es häufig – in bis zu 41 % der Fälle in einer retrospektiven Serie – zu Rezidiven an anderen Orten wie Lymphknoten, Niere oder Milz [34].
Daneben scheint die immunsuppressive Wirkung von Tumor und Microenvironment für den Erfolg einer Therapie mit bsABs entscheidend zu sein. Ähnlich wie bei CARTs wurde die sekundäre Überexpression von PD-L1 als Resistenzmechanismus beobachtet [35]. Es gibt auch einen Fallbericht von einem Kind [35], bei dem mit der Kombination von Pembrolizumab/Blinatumomab eine erneute, allerdings kurz anhaltende Remission erzielt wurde. Studien mit Kombinationen mit Checkpoint-Inhibitoren werden bei CARTs, Blinatumomab (NCT 03160079, NCT03340766), aber auch bei CD20 x CD3-Antikörpern durchgeführt.
Eine hohe Anzahl an regulatorischen T-Zellen (Tregs) vor Therapie scheint einen negativen Einfluss auf das Ansprechen von Blinatumomab bei der ALL zu haben [36]. Aus diesem Grund gibt es die Rationale, die Tregs vor einer Behandlung zu vermindern, z. B. mit einer Lymphozyten-depletierenden Therapie. Ein weiterer immunmodulatorischer Ansatz ist die Gabe von Ibrutinib (NCT02997761), die bei CLL-Patienten, die mit dem CART JCAR014 behandelt wurden, bereits die Effektivität steigerte [37]. Auch Lenalidomid scheint ein vielversprechender Kombinationspartner zu sein, da das Ansprechen in Kombination mit Blinatumomab in einer kleinen Pilotstudie [38] bei r/r aggressiven Lymphomen hoch war (ORR 56 %, CR 23 %). An diesen Beispielen zeigt sich, dass Hypothesen/Therapiestrategien gut auf Basis beider Therapieprinzipien entwickelt werden können.
Perspektiven
Gerne werden bei CARTs die schier unendlichen biotechnologischen Möglichkeiten neuer Konstrukte angeführt, z. B. von Konstrukten der vierten oder fünften Generation, „off-on“-Mechanismen oder geneditierten allogenen CARTs. Aber auch bei bsAB gibt es viele neue Ansätze zur Verbesserung der Wirksamkeit.
Eine wichtige Limitation ist bisher die kurze Wirkdauer von bsAB, die zwar zu einer begrenzten T-Zell-Expansion führt, die aber nach Absetzen der Therapie bald rückläufig ist. Es gibt Versuche, durch virale Transfektion in T-Zellen, mesenchymale Stammzellen (MSC) oder durch onkolytische Viren eine lokale und möglichst permanente Freisetzung von bsAB in der Nähe des Tumors zu bewirken (Übersicht in [8]). Der Vorteil von onkolytischen Viren ist hierbei, dass die bispezifischen Moleküle vor Ort während der Infektion einer Krebszelle freigesetzt werden. Anders als T-Zellen haben MSC den Vorteil, dass sie als wenig immunogene Komponente des Immunsystems eine „off the shelf“-Therapie ermöglichen. Ähnlich wie bei CARTs neuerer Generation, die bereits simultan gegen mehrere Antigene gerichtet sind und zur Vermeidung eines Antigenverlustes eingesetzt werden, werden auch tri- oder tetraspezifische Antikörper in Studien getestet. Da die bsABs viel von den Erfahrungen der CARTs profitieren, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch deren Entwicklung rasch voranschreitet und wir weitere Erfolge bei der Behandlung verschiedener Tumorerkrankungen erwarten dürfen.
Summary
CAR T-cells (CARTs) and bispecific antibodies (bsABs) represent the most powerful tools for independent T-cell immune response against cancer. The theoretical advantages of bsABs are (1) the “off the shelf” use without time-consuming preparation; (2) the defined dosage and pharmacokinetic; (3) the absence of manufacturing failures; and (4) the lack of potential genotoxic side effects. Blinatumomab is the unique approved bsAB antibody for the treatment of patients with relapsed or refractory Philadelphia-negative acute lymphoblastic leukemia, including children and patients with minimal residual disease. Recently, several CD20 bsABs were developed and are under investigation in Non-Hodgkin lymphoma. In multiple myeloma, CARTs and bsABs were also tested in clinical trials. However, there are some limitations for CARTs and bsABs: (1) the use of autologous “exhausted”
T-cells from heavily treated patients; (2) comparable side effects; (3) comparable mechanisms of resistance like the loss of target antigen or activation of the PD1/PD-L1 axis. There might be some disadvantages for bispecific antibodies in contrast to CARTs e.g. the use of not exhausted allogeneic T-cells or the immense spectrum of biotechnological variants of the CAR-T/NK principle. It is exciting to see which technology will provide the highest benefit for patients with different diseases.
Keywords: bispecific antibodies, blinatumomab, acute lymphoblastic leukemia, non-hodgkin lymphoma