Gastrointestinale Tumoren: Patientenselektion entscheidend

Gastrointestinal Cancers Symposium (ASCO-GI), Januar 2020

Im Bereich der gastrointestinalen Tumoren ziehen sich negative Phase-III-Studien durch alle Entitäten, wie sich in den Vortragssitzungen beim Gastrointestinal Cancers Symposium (ASCO GI) in San Francisco wieder gezeigt hat. Dies macht es umso wichtiger, auf die Patientenselektion für Therapien spezifischer Subgruppen zu achten und mögliche Vorsorgekonzepte zu nutzen.

Schlüsselwörter: Leberzellkarzinom, Cholangiokarzinom, Ösophaguskarzinom, Pankreaskarzinom, Analkarzinom, Kolorektalkarzinom, Immuntherapie, Atezolizumab, Avelumab, Pembrolizumab

Leberzellkarzinom: Erhalt der Lebensqualität

Eine der wenigen positiven Ausnahmen im Reigen der negativen Phase-III-Studien bildet die IMbrave150-Studie. Untersucht wurde die Kombination von Immuntherapie und zielgerichteter Therapie mit Atezolizumab und Bevacizumab in der Erstlinientherapie des nicht resektablen Leberzellkarzinoms (HCC). Beim ESMO Asia war bereits die überlegene Wirksamkeit der Kombination gegenüber Sorafenib gezeigt worden: Die koprimären Endpunkte progressionsfreies Überleben (PFS) (median 6,8 vs.
4,3 Monate; HR 0,59; p < 0,0001) und Gesamtüberleben (OS) (median nicht erreicht vs. 13,2 Monate; HR 0,58; p = 0,0006) wurden erreicht.
Beim ASCO-GI präsentierte Daten zeigten auch überlegene Ergebnisse im Hinblick auf Patientenbefragungen zur Lebensqualität [1]. Im Rahmen der Studie wurde die Lebensqualität mithilfe der Fragebögen EORTC QLQ-C30 und EORTC QLQ-HCC18 erfasst. 92 % der Patienten komplettierten die Fragebögen nahezu über die gesamte Therapieperiode. Im Ergebnis wurde die Lebensqualität, zusammengesetzt aus körperlicher Funktion und Alltagstauglichkeit sowie Symptomlast, signifikant länger unter Atezolizumab plus Bevacizumab erhalten.
Die mediane Zeit bis zur Verschlechterung der Lebensqualität (TTD) betrug median 11,2 versus 3,6 Monate (HR 0,63; 95-%-KI 0,46–0,85) (Abb. 1).

Dabei wurden die körperliche Funktion median 13,1 versus 4,9 Monate (HR 0,53; 95-%-KI 0,39–0,73) und die Alltagstauglichkeit median 9,1 vs. 3,6 Monate ohne Verschlechterung erhalten.
Auch die Verschlechterung einzelner Symptome (Appetitlosigkeit, Diarrhö, Fatigue, Schmerz) wurde signifikant durch Atezolizumab/Bevacizumab vs. Sorafenib verzögert.

Cholangiokarzinom: Chemotherapie bleibt Standard

Keine Fortschritte konnten in der Therapie des intrahepatischen Cholangiokarzinoms verzeichnet werden. Mit der Standardtherapie der Erstlinie, Cis-platin plus Gemcitabin, überlebt etwa die Hälfte der Patienten 1 Jahr. In einer vierarmigen randomisierten, Placebo-kon-trollierten Phase-II-Studie mit 309 Patienten wurde daher die Zugabe von Ramucirumab oder Merestinib zu Cisplatin/Gemcitabin untersucht [2]. Patienten erhielten im intravenösen Studienteil randomisiert im Verhältnis 2 : 1 Ramucirumab/Chemotherapie versus Placebo/Chemotherapie und im oralen Studienteil nach Randomiserung im Verhältnis 2 : 1 Merestinib/Chemotherapie versus Placebo/Chemotherapie. Insgesamt wurden je 101–106 Patienten mit einer der drei Studienregime behandelt. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben der experimentellen Regime im Vergleich zum Placebo-Arm. Die Studie erreichte den primären Endpunkt für keines der beiden experimentellen Regime. Im Median lebten die Patienten 6,47 (Ramucirumab-Arm; HR 1,12; p = 0,48), 6,97 (Merestinib-Arm; HR 0,92; p = 0,64) und 6,64 Monate (Placebo-Arm). Das Gesamtüberleben war mit einem medianen OS von 10,5, 14,0 und 13,0 Monaten ebenfalls nicht verschieden (Ramucirumab vs. Placebo: HR 1,34; p = 0,09; Merestinib vs. Placebo: HR 0,95; p = 0,76).
Es sprachen 31,1 % der Patienten auf die Kombination mit Ramucirumab,
19,6 % auf die Kombination mit Merestinib und 32,7 % auf die alleinige Chemotherapie an. Ein Therapieabbruch aufgrund von Nebenwirkungen erfolgte in 16,3 % vs. 15,7 % vs. 10,0 % der Fälle.

Ösophagus-/Magenkarzinom: immuntherapeutische Erhaltungstherapie

Nach vielversprechenden Ergebnissen einer Phase-Ib-Studie wurde in der Phase-III-Studie JAVELIN Gastric 100 der PD-L1-Inhibitor Avelumab als Erhaltungstherapie bei Patienten mit Ösophagus-/Magenkarzinom untersucht. 499 Patienten mit Ansprechen oder stabiler Erkrankung nach einer Induktionsphase von 12 Wochen unter FOLFOX oder CapOX erhielten randomisiert Avelumab oder weiterhin die Erstlinienchemotherapie bzw. eine beste supportive Behandlung [3]. Primärer Endpunkt der Studie war das Gesamtüberleben (OS).
Von den randomisierten Patienten hatte die Mehrheit einen stabilen Mikrosatellitenstatus (84 %) und einen negativen PD-L1-Status (76–78 %). Nach Induktionstherapie zeigte etwa die Hälfte der Patienten eine partielle Remission und die Hälfte eine stabile Erkrankung als bestes Ansprechen. Nur um die 2 % der Patienten war in kompletter Remission. Nach Beendigung der Studie erhielten 52–53 % der Patienten beider Studienarme wenigstens eine nachfolgende Therapie, hauptsächlich eine Chemotherapie.
Die Studie JAVELIN Gastric 100 erreichte den primären Endpunkt nicht. Das mediane OS betrug 10,4 versus 10,9 Monate, die 12-Monats-OS-Rate 43,6 versus 45,3 % und die 24-Monats-OS-Rate 22,1 versus 15,5 % (HR 0,91; 95-%-KI 0,74–1,11; p = 0,18). Ein Ansprechen wurde bei 13,3 % der Patienten im Avelumab- versus 14,4 % im Chemotherapiearm beobachtet (p = 0,64), die klinische Kontrollrate betrug 54,2 % versus 65,6 %. Das Ansprechen dauerte im Median 5,9 Monate (95-%-KI 4,5–7,2) unter Chemotherapie an, wohingegen im Avelumab-Arm der Median für die Dauer des Ansprechens noch nicht erreicht war (95-%-KI 9,7–nicht erreicht). Nach 12 Monaten waren die Remissionen bei 62,3 % (Avelumab) versus 28,4% (Chemotherapie), nach 24 Monaten bei 51,0 % vs. 13,5% der Patienten anhaltend. Therapieassoziierte Nebenwirkungen Grad ≥ 3 traten bei 12,8 % vs. 32,8 % der Patienten auf, klinisch relevante therapieassoziierte Nebenwirkungen bei 7,8 % vs. 9,7 % der Patienten.

Kolorektalkarzinom

Resektion des Primarius in prospektiver Studie kontraproduktiv

Für die Resektion des Primärtumors bei Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom und wenigen oder keinen Symptomen gab es bislang wenig Evidenz, und dann meist aus Beobachtungsstu-dien. Nun wurde in einer prospektiven japanischen Studie untersucht, ob die primäre Tumorresektion gefolgt von Chemotherapie einer Chemotherapie ohne Operation überlegen ist [4]. Primärer Studienendpunkt war das Gesamtüberleben. Es wurde eine Probengröße von 770 Patienten für die statistische Auswertung veranschlagt. Aufgrund einer schlechten Rekrutierung wurden schließlich nur 280 Patienten eingeschlossen, von denen bisher 160 Patienten ausgewertet werden konnten. Die Patienten waren im Median 65 Jahre alt und überwiegend in einem sehr guten Allgemeinzustand.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 22 Monaten zeigte sich in beiden Studienarmen ein vergleichbares Gesamtüberleben von median etwa 26 Monaten. Nach einem Jahr lebten 76,2 % der Patienten mit primärer Resektion versus 84,4 % mit alleiniger Chemotherapie, nach drei Jahren 33,4 versus 32,1 % der Patienten (HR 1,10; 95-%-KI 0,76–1,59; p = 0,69). Das progressionsfreie Überleben betrug 10,4 versus 12,1 Monate mit 1- und 3-Jahres-PFS-Raten von 44,4 % vs. 50,8 % und 5,6 % vs. 3,2 % (HR 1,08; 95-%-KI 0,77–1,50). Zu beachten ist, dass im Resektionsarm drei Patienten (4 %) an Komplikationen der Operation verstarben und eine frühe post-operative Morbidität Grad 2–4 in 38 % der Fälle bzw. Grad 3–4 in 20 % der Fälle und Grad 4 in 3 % der Fälle auftrat. Zudem wurde die Chemotherapie von den Patienten nach der Operation schlechter vertragen. Daher bleibe die Chemotherapie der Standard bei asymptomatischen, nicht-resezierbaren CRC-Patienten im Stadium IV, resümierten die Autoren, und eine Resektion des Primärtumors könne nicht empfohlen werden.

Kombinationstherapie bei Oligometastasierung

In den GONO-Studien TRIBE und TRIBE2 wurden Patienten mit Kolorektalkarzinom entweder mit einer Chemotherapiedoublette (FOLFIRI bzw. FOLFOX) plus Bevacizumab oder mit der intensivierten Kombination FOLFOXIRI plus Bevacizumab in der ersten Therapielinie behandelt. Eine gepoolte Auswertung der beiden Studien verglich die Therapieregime in Bezug auf eine oligometastasierte Erkrankung (OMD), definiert als bis zu 3 involvierte Organe, bis zu 5 Metastasen, bis zu 3 Metastasen pro Organ, einer maximalen Metastasengröße von 3 cm oder Abwesenheit von Aszites, Peritoneal-, Knochen- und ZNS-Metastasen, sowie einer geringen Tumorlast (TB) gegenüber Patienten ohne OMD und mit geringer TB [5]. Untersucht wurden der prognostische Wert der OMD plus geringer TB, der Stellenwert einer intensivierten Chemotherapie und der Einfluss der oligometastasierten Erkrankung auf eine radikale lokale Behandlung (LRT).
Es zeigte sich, dass die – von der ESMO-Definition abweichende – Oligometastasierung mit geringer Tumorlast laut Studiendefinition einen positiven prognostischen Faktor beim metastasierten Kolorektalkarzinom darstellt. Die verbesserte Wirksamkeit durch die Intensivierung der Chemotherapie zeigte sich sowohl bei Patienten mit OMD und geringer TB als auch bei der Gruppe der Patienten ohne einen der definierten Parameter. Patienten mit OMD und geringer TB wurden wahrscheinlicher einer radikalen lokalen Behandlung während der ersten oder einer nachfolgenden Therapielinie unterzogen. Erhielten Patienten eine LRT, so hatten Patienten mit OMD und geringer TB bei Therapiebeginn eine bessere Prognose als solche, die nicht dieser Definition entsprachen. Die Autoren schlossen aus der Studie, dass FOLFOXIRI plus Bevacizumab als effektivere Therapieoption auch Patienten mit oligometastasierter Erkrankung und geringer Tumorlast angeboten werden sollte. Eine radikale lokale Therapie sollte aufgrund des möglicherweise überlebensverlängernden Effekts sorgsam während aller Therapielinien bei Patienten mit OMD und geringer TB erwogen werden.

Pankreaskarzinom

Negative Phase-III-Studien für die erste …

Die Studienergebnisse bei Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom waren auch in diesem Jahr vor allem frustrierend. In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie HALO 109-301 erhielten nicht vorbehandelte Patienten mit Hyaluronsäure-hohem duktalem Adenokarzinom Pegvorhyaluronidase alfa (PEGPH20), welches Tumor-Hyaluronsäure degradiert und die Tumormikroumgebung umstrukturiert. Hyaluronsäure findet sich gehäuft als Ablagerung in der Mikroumgebung des Pankreaskarzinoms. PEGPH20 wurde in Kombination mit nab-Paclitaxel und Gemcitabin gegen die alleinige Chemotherapie geprüft [6]. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben. Mit einem medianen OS von 11,2 vs. 11,5 Monaten konnte kein Unterschied zwischen den beiden Therapieregimen festgestellt werden (HR 1,00; 95-%-KI 0,80–1,27). Die Toxizitäten traten häufiger und höhergradiger im experimentellen Arm auf.

… und die zweite Therapielinie

Die Phase-III-Studie SEQUOIA untersuchte in der zweiten Behandlungs-linie des Pankreaskarzinoms randomisiert die Zugabe des pegylierten Interleukin-10(IL-10)-Agonisten Pegilodecakin zu FOLFOX [7]. Pegilodecakin induziert die STAT1- und STAT3-Phosphorylierung von CD8+ T-Zellen, wodurch die Spiegel von Antigen-aktivierten intratumoralen CD8+ T-Zellen erhöht werden. Auch in dieser Studie mit 566 Teilnehmern war das OS der primäre Studien-endpunkt. Im Median lebten die Patienten 5,8 versus 6,3 Monate (HR 1,04;
95-%-KI 0,86–1,26), bei erhöhter Toxizität im experimentellen Studienarm.

Analkarzinom: Vielversprechende Überlebensraten mit Immuntherapie

Das Analkarzinom gehört zu den eher seltenen Tumoren und geht mit einer schlechten Prognose einher. Die Behandlung erfolgt in der Regel mit Carboplatin plus Paclitaxel in der ersten Therapielinie und einer Kombinations-Chemotherapie oder einer Immuntherapie in der Zweitlinie. Die einarmige Phase-II-Studie KEYNOTE-158 untersuchte Pembrolizumab bei 112 Patienten mit nicht resezierbarem und/oder metastasiertem Analkarzinom mit wenigstens einer Vortherapie [8]. Primärer Studienendpunkt war das Ansprechen nach RECIST-v1.1-Kriterien. Die mediane Nachbeobachtungszeit der beim ASCO-GI präsentierten Auswertung betrug 12 Monate.
Die Patienten waren median 61 Jahre alt mit einem Anteil von 64,3 % über 65-Jähriger. 60 % der Patienten wiesen einen guten Allgemeinzustand (ECOG PS 1) auf und mehr als die Hälfte der Patienten hatte bereits eine oder zwei Therapielinien erhalten, 18 % sogar ≥ 4 Therapielinien. 93 % der Patienten waren vor Studieneinschluss einer Radiatio unterzogen worden.
Es sprachen 10,7 % der Patienten auf die Therapie an. Mit Bezug auf den PD-L1-Status wurde ein Ansprechen auf Pembrolizumab häufiger bei Patienten mit PD-L1-positiver Erkrankung (14,7 % von 75 Patienten) als mit PD-L1-negativer Erkrankung (3,3 % von 30 Patienten) beobachtet. Bei den 12 Patienten mit bestätigtem Ansprechen hielt die Remission in 100 % der Fälle wenigstens 6 Monate und in 90 % der Fälle wenigstens 12 und 24 Monate an.
Das PFS betrug median 2,0 Monate mit einer 6-Monatsrate von 18,9 % und einer 12-Monatsrate von 15,0 %. Im Median lebten die Patienten 11,9 Monate, mit 12- und 24-Monats-OS-Raten von 49,1 % und 25,8 % (Abb. 2).

Therapie-assoziierte Nebenwirkungen traten bei 60,7 % der Patienten auf, mit Nebenwirkungen von Grad 3–4 bei 17,9 % der Patienten. 4,5 % der Patienten brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab.

Dr. Ine Schmale