Neues zur Diagnostik und Therapie des operablen malignen Melanoms
In diesem Beitrag soll es im Wesentlichen um Melanom-Erkrankungen gehen, die potentiell mittels Operation und gegebenenfalls einer adjuvanten systemischen Therapie geheilt werden können. Abgesehen von wenigen Ausnahmen – Tumoren mit wenigen, operablen Metastasen – geht es also vor allem um Melanome der AJCC-Stadien I–III, die sich maximal in regionäre Lymphknoten ausgebreitet haben. Hier gibt es neue Entwicklungen zur Diagnostik – „künstliche Intelligenz“ steht auch hier vor der Tür –, zu den operativen und vor allem zu den adjuvanten Therapiestrategien; bei letzteren wurden innerhalb eines Jahres drei neue Regimes zugelassen, mit denen sich die Prognose von Patienten mit operierten Melanom-Metastasen messbar verbessern lässt.
Schlüsselwörter: Malignes Melanom, operative Therapie, Sentinel-Lymphknoten, adjuvante Therapie
Neues zur Diagnostik und Therapie des operablen malignen Melanoms
In der onkologischen Diagnostik halten zunehmend Datenverarbeitungstechnologien höherer Ordnung Einzug, weil entsprechend geschulte Algorithmen bei der Lösung komplexer (unter anderem auch optischer) Aufgaben dem menschlichen Auge und Gehirn überlegen sind. So konnte ein neurales Netzwerk, das mit mehr als 100.000 Bildern von Hautkrebs-Erkrankungen und den entsprechenden Diagnosen gefüttert worden war, in der Genauigkeit seiner Diagnosen von Hautläsionen bereits mit einer Kohorte von 21 zertifizierten Dermatologen gleichziehen [1]. Eine neue Art von neuralem Netzwerk, das Regeln des „Deep Learnings“ verwendet und sich anhand von Beispielbildern eigene Kriterien für die Bilderkennung erarbeitet, wird derzeit unter der Leitung von Kollegen von der Universität Heidelberg klinisch getestet. In einem ersten „Wettbewerb“ mit einer internationalen Gruppe von 58 Dermatologen, darunter 30 ausgewiesene Spezialisten, schnitt das System bezüglich der Unterscheidung zwischen „benigne“ und „maligne“ mit einer Sensitivität von etwa 95% und einer Spezifität von 82,5% deutlich besser ab als die menschlichen Diagnostiker (Sensitivität je nach verfügbarer Information 86,6–88,9%, Spezifität 71,3–75,7%; [2]). Diese Art von „künstlicher Intelligenz“ hat daher das Potential, in Zukunft in vielen Bereichen die diagnostische Performance des Arztes deutlich zu verbessern.
Operative Therapie des Melanoms
In der aktuellen S3-Leitlinie zu Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms vom Juli 2018 wird bei Vorliegen eines In-situ-Melanoms nur noch eine Komplettexzision mit histologischer Sicherung eines R0-Status, nicht mehr aber eine Nachexzision mit 0,5 cm Sicherheitsabstand empfohlen [3]. Es gibt zwar keine prospektiven Studien zum direkten Vergleich einer Operation mit oder ohne Sicherheitsabstand, aber man geht heute davon aus, dass bei Vorliegen tumorfreier Schnittränder das Risiko für ein Lokalrezidiv vernachlässigt werden kann. Die dreidimensionale und lückenlose Aufarbeitung der Schnittränder ist allerdings zu empfehlen, vor allem bei Tumoren vom Lentigo-maligna- oder vom akro-lentiginösen Typ, die nicht selten in schwer zugänglichen anatomischen Lokalisationen zu finden sind.
Das Konzept der Exzision des Sentinel-Lymphknotens und seiner Verwendung als prädiktiver Marker für ein Fernmetastasierungs-Risiko wurde zuerst beim Melanom Anfang der 1990er-Jahre entwickelt und hat seither breite Anwendung gefunden, wodurch vielen Patienten die nebenwirkungsträchtige komplette Lymphknoten-Ausräumung erspart wurde. Allerdings haben zwei unabhängige randomisierte Studien in den letzten Jahren die Vorstellung infrage gestellt, dass bei einem Tumorbefall des Sentinel-Lymphknotens eine radikale Lymphknotendissektion das Fernmetastasen-freie Überleben günstig beeinflusst [4, 5]. Bei der ASCO-Jahrestagung 2018 konnten wir die finale Analyse unserer deutschen Phase-III-Studie DeCOG-SLT präsentieren, bei der mittlerweile der letzte der 473 randomisierten Patienten mindestens drei Jahre lang nachbeobachtet wurde (mediane Nachbeobachtung 72 Monate; [6]):
Dabei zeigte sich zwischen den beiden Armen mit bzw. ohne Lymphknotendissektion beim primären Endpunkt Fernmetastasen-freies Überleben nach fünf Jahren mit 65% versus 68% (Hazard Ratio 1,08; p = 0,65) ebenso wenig ein signifikanter Unterschied wie bei den beiden sekundären Endpunkten Lokalrezidiv-freies (HR 1,01; p = 0,94) und Gesamtüberleben (HR 0,99; p = 0,93; Tab. 1). Zwar korrelierte die Tumorlast im Sentinel-Lymphknoten mit dem Fernmetastasen-freien Überleben, aber auch hier wirkte sich die Lymphknoten-Dissektion weder bei geringer Tumorlast (≤ 1,0 mm, ca. zwei Drittel der Patienten: HR 1,12; p = 0,58) noch bei stärkerem Befall (> 1,0 mm: HR 0,98; p = 0,95) positiv aus. Neue Metastasen in regionären Lymphknoten traten im Beobachtungsarm numerisch etwas häufiger auf (16,3% vs. 10,8%), aber auch dieser Unterschied war nicht signifikant (p = 0,11). In der multivariaten Analyse konnten wir die Tumordicke und die Tumorlast im Sentinel-Lymphknoten als unabhängige Prognosefaktoren für alle drei Überlebensparameter ausmachen

Die radikale Ausräumung des regionären Lymphknoten-Betts beim Nachweis eines positiven Sentinel-Lymphknotens wird daher in Zukunft wahrscheinlich an Bedeutung verlieren, zumal wenn sich im Sentinel-Knoten nur Mikrometastasen (< 1 mm) finden – dies umso mehr, als sich überdies die Möglichkeiten der adjuvanten Therapie laufend weiterentwickeln. Wenn die Patienten also schon nicht von der Lymphknotendissektion profitieren, brauchen sie zumindest auch nicht mehr deren Nebenwirkungen – vor allem Lymphödeme in den abhängigen Körperpartien – in Kauf zu nehmen.
Adjuvante Therapie des malignen Melanoms
Im Jahr 2018 gab es drei Neuzulassungen für die adjuvante Behandlung des Melanoms ab Stadium III, nämlich für die beiden Checkpoint-Inhibitoren Nivolumab und Pembrolizumab sowie für die Kombination des BRAF-Inhibitors Dabrafenib mit dem MEK-Inhibitor Trametinib (letztere Kombination nur beim Melanom mit BRAF-V600-Mutationen; Tab. 2):

• Die Zulassung von Nivolumab für die adjuvante Situation, die im August 2018 erfolgte, ist die am weitesten gefasste von allen drei Therapien: Sie bezieht sich auf die AJCC-Stadien III und IV (mit resezierbaren Metastasen) und beruht auf der bereits 2017 publizierten Phase-III-Studie CheckMate-238, in der der PD-1-Inhibitor gegen die damals in den USA bereits zugelassene adjuvante Therapie mit Ipilimumab getestet wurde [7]. Die 906 Patienten mit komplett reseziertem Melanom der Stadien IIIB–IV wurden randomisiert, entweder Nivolumab mit 3 mg/kg Körpergewicht im Abstand von zwei Wochen über insgesamt ein Jahr oder Ipilimumab mit 10 mg/kg alle drei Wochen für insgesamt vier Zyklen zu erhalten; ab Woche 24 wurde Ipilimumab alle zwölf Wochen als Erhaltungstherapie gegeben. Das Studiendesign war doppelblind, d. h. für das jeweils andere Medikament wurde zu den entsprechenden Zeitpunkten ein Placebo verabreicht.
Nach zwölf Monaten Follow-up waren im Nivolumab-Arm 70,5% der Patienten rezidivfrei am Leben, im Ipilimumab-Arm 60,8%, nach 18 Monaten waren es 66% versus 53%; das entspricht einer Reduktion des Risikos für Rezidiv oder Tod um etwa ein Drittel (HR 0,65; p < 0,0001). Auch beim Fernmetastasen-freien Überleben zeigte Nivolumab sich überlegen (HR 0,73; 95%-Konfidenzintervall 0,55–0,95). Darüber hinaus waren Nebenwirkungen vom Grad 3–4 im Ipilimumab-Arm mit 45,9% etwa dreimal häufiger als unter Nivolumab (14,4%), sodass das Nutzen-Risiko-Verhältnis eindeutig zum Vorteil von Nivolumab ausfiel.
• Im September 2018 wurde die Kombination aus Dabrafenib und Trametinib neu als adjuvante Therapie für das Melanom der Stadien IIIA–C zugelassen; sie kommt aber nur für etwa die Hälfte der Patienten infrage – wenn ihr Tumor nämlich eine BRAF-V600-Mutation aufweist. Grundlage für diese Zulassung war die Phase-III-Studie COMBI-AD, in der 870 Patienten mit komplett reseziertem, BRAF-V600-mutiertem Melanom randomisiert worden waren, ein Jahr lang Dabrafenib plus Trametinib oder Placebo zu erhalten. Bereits in der primären Analyse nach knapp drei Jahren war das Risiko für ein Rezidiv oder den Tod halbiert worden (nach einem Jahr 88% vs. 56%, nach zwei Jahren 67% vs. 44%, nach drei Jahren 58% vs. 39%; HR 0,47; p = 1,53 x 10-12; [8]), und in einer Interimsanalyse war auch das Gesamtüberleben bereits signifikant verlängert worden (HR 0,57; p = 0,0006; [9]).
In der aktuellsten Analyse nach median 44 Monaten betrug die Rate für das rezidivfreie Überleben 54% für den Verumarm, verglichen mit 38% im Placeboarm (HR 0,49; 95%-KI 0,40–0,59; [10]), und das Fernmetastasen-freie Überleben war ebenso signifikant verlängert (HR 0,53; 95%-KI 0,42–0,67). Die mit einem speziellen statistischen Modell bestimmbaren Raten potentiell geheilter Patienten errechneten sich zu 54% für den Verum- bzw. 37% für den Placeboarm. Auch in nahezu allen Subgruppenanalysen war dieser Unterschied konsistent und signifikant.
• Die Zulassung von Pembrolizumab vom Dezember 2018 schließlich basiert auf der großen, doppelblinden Phase-III-Studie KEYNOTE-054, in der der PD-1-Inhibitor randomisiert mit Placebo verglichen wurde [11]. Eingeschlossen wurden 1.019 Patienten mit reseziertem Hochrisiko-Melanom, die ein Jahr lang Pembrolizumab (200 mg alle drei Wochen) oder Placebo erhielten. Beim primären Endpunkt rezidivfreies Überleben war Pembrolizumab mit 75,4% versus 61,0% nach zwölf und 71,4% versus 53,2% nach 18 Monaten hochsignifikant überlegen (HR 0,57; p = 0,0001), d. h. das Risiko für Rezidiv oder Tod wurde durch den Antikörper beinahe halbiert. Nebenwirkungen vom Grad > 3 traten unter Pembrolizumab bei 14,7% der Patienten auf, aber insgesamt war das Nebenwirkungsprofil mit dem in der palliativen Situation vergleichbar; es gab einen Todesfall aufgrund einer Myositis. Zum Endpunkt Gesamtüberleben gibt es aus dieser Studie bisher noch keine Daten.
Noch nicht zur Verfügung stehen die Ergebnisse zur Kombination von Ipilimumab und Nivolumab, die in der adjuvanten Situation derzeit in der CheckMate-915-Studie (ClinicalTrials.gov No. NCT03068455) untersucht wird. Ein indirekter Vergleich der drei bisher verfügbaren adjuvanten Therapieoptionen lässt keine dramatischen Unterschiede bezüglich der Wirksamkeit erkennen, sodass bei der Wahl einer Option andere Kriterien den Ausschlag geben werden: Abgesehen von Unterschieden bei der Indikationsstellung (Dabrafenib/Trametinib nur bei BRAF-V600-Mutation, Nivolumab auch im Stadium IV) wird man sich wohl an Eigenschaften wie dem Toxizitätsprofil oder an der Applikationsform (oral versus i. v.) orientieren; beim letzteren Kriterium verläuft die Trennlinie wieder vor allem zwischen Kinase-Inhibitoren und PD-1-Inhibitoren. Zur Beantwortung der Frage, ob eine adjuvante Therapie Patienten wird heilen können, die ansonsten in ein fortgeschrittenes Stadium übergehen würden, muss man wohl noch langfristigere Auswertungen der Überlebensdaten abwarten.
Eine ganze Reihe weiterer Fragen harrt noch der Beantwortung in klinischen Studien, etwa die nach dem Einsatz adjuvanter Therapieprinzipien auch im AJCC-Stadium II. Auch hier wird es vor allem um die Abwägung zwischen dem Rezidivrisiko und der zu erwartenden Toxizität durch die Therapie gehen. Ebenfalls untersucht werden muss die Frage, ob es unter der adjuvanten Therapie zur Entwicklung einer Resistenz kommen kann, die dann den Einsatz der gleichen Medikamente im Fall eines Rezidivs behindert.
Im Zeitalter der personalisierten Medizin wird es natürlich auch interessant sein zu erforschen, ob bestimmte Biomarker Therapieansprechen und Nebenwirkungen vorhersagen können. Solche Fragen werden heute häufig in einem neoadjuvanten Setting untersucht, weil man in diesem Fall das Ansprechen des Tumors auf eine Therapie direkt beobachten und am Operationspräparat anschließend zahlreiche biologische Aspekte im Detail analysieren kann. Ein weiterer Vorteil einer neoadjuvanten Behandlung, der etwa beim Mammakarzinom bereits in großem Umfang genutzt wird: Ein unter der systemischen Therapie geschrumpfter Tumor ist leichter operierbar, und damit geht wiederum eine geringere Morbidität einher.
Eine neoadjuvante Therapie mit der Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab haben niederländische Kollegen bereits in der Pilotstudie OpACIN getestet, in der sie 20 Patienten mit einem tastbaren Melanom im Stadium III randomisiert hatten, adjuvant vier Zyklen Ipilimumab (3 mg/kg) und Nivolumab (1 mg/kg) oder zwei dieser Zyklen bereits vor und die restlichen beiden nach der Operation zu erhalten [12, 13]. Die hohe pathologische Ansprechrate von 78% unter der neoadjuvanten Behandlung ermutigte die Kollegen zu der Folgestudie OpACIN-NEO, in der bislang 86 Patienten auf eines von drei neoadjuvanten Therapieprotokollen randomisiert wurden: zwei Zyklen Ipilimumab 3 mg/kg plus Nivolumab 1 mg/kg, zwei Zyklen Ipilimumab 1 mg/kg plus Nivolumab 3 mg/kg oder jeweils zwei Zyklen beider Antikörper in einer Dosierung von 3 mg/kg. Von den ersten Ergebnissen, die beim ESMO-Kongress 2018 in München präsentiert wurden [14], war am eindrucksvollsten wiederum die pathologische Ansprechrate, die im zweiten Arm (1 mg/kg Ipilimumab plus 3 mg/kg Nivolumab) bei 77% lag – mit 57% Komplettremissionen, d. h. bei über der Hälfte der Patienten waren im Operationsmaterial keine Tumorzellen mehr nachweisbar. Diese Werte sind weitaus besser als die radiologischen Ansprechraten, die bei 60% mit lediglich 10% kompletten Remissionen lagen.
Mit dieser Kombination waren auch die niedrigsten Raten an Grad-3/4-Nebenwirkungen zu verzeichnen (20%), und bislang ist bei keinem der Patienten, die ein pathologisches Ansprechen gezeigt hatten, ein Rezidiv aufgetreten. Ipilimumab 1 mg/kg plus Nivolumab 3 mg/kg scheint also in der neoadjuvanten Anwendung hocheffektiv zu sein. Aktuell laufen verschiedene Studien zu neoadjuvanten Ansätzen auch mit zielgerichteten Therapien, und die Ergebnisse mit diesem für das Melanom neuen Therapiekonzept werden mit Spannung erwartet.