Neue Therapiestrategien beim Glioblastom

Kongress der European Association of Neuro-Oncology (EANO), Stockholm

Das Glioblastom ist ein aggressiv wachsender Hirntumor mit immer noch schlechter Prognose. Trotz chirurgischer Entfernung, Chemo- und Strahlentherapie kommt es bei den meisten Patienten zum Rezidiv; die mediane Überlebenszeit nach Erstdiagnose beträgt nur 15 Monate. Daher besteht großer Bedarf an neuen Behandlungsoptionen. Verschiedene Therapieansätze wurden auf einem Symposium beim Kongress der European Association of Neuro-Oncology (EANO) präsentiert.

Die Therapie des Glioblastoms habe in den letzten Jahren nur langsam Fortschritte gemacht – „mit vielen negativen und wenigen positiven Studien“, sagte Prof. Matthias Preusser, Wien. So seien die Studien mit Bevacizumab beim Glio­blastom enttäuschend ausgefallen, da zwar das progressionsfreie Überleben (PFS) verlängert werden konnte, aber nicht das Gesamtüberleben (OS). Bei Patienten mit neu diagnostiziertem Glio­blastom zeigten dagegen in einer randomisierten Studie Tumor-Therapiefelder (TTF) zusammen mit Temozolomid (TMZ) einen Vorteil hinsichtlich PFS und OS gegenüber TMZ allein [1].

Preusser präsentierte beim Symposium mögliche künftige Strategien für die Glioblastom-Therapie, die derzeit in klinischen Studien geprüft werden. Demnächst publiziert werde beispielsweise die Phase-III-Studie CeTeG/NOA-09: Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom und einer Methylierung des Promoters der Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT) erhielten entweder die Standardtherapie aus Bestrahlung und TMZ alleine oder in Kombination mit Lomustin. Das mediane Gesamtüberleben betrug im Standardarm 31,4, im Lomustinarm 48,1 Monate. „Lomustin zusätzlich könnte daher eine Therapieoption bei diesen Patienten sein“, so Preusser. 

Auch verschiedene Checkpoint-Inhibitoren werden beim Glioblastom derzeit geprüft – „leider bislang mit negativen Ergebnissen“, sagte der Onkologe. So wurde in der CheckMate-143-Studie Nivolumab mit Bevacizumab im Rezidiv verglichen: Der primäre Endpunkt, eine Verbesserung des Gesamtüberlebens, wurde in dieser Phase-III-Studie nicht erreicht [2]; andere Studien laufen noch.

Ein mögliches Therapieziel ist das Proteasom, das beim Proteinabbau in der Zelle eine Rolle spielt. Ein Proteasom-Inhibitor wird derzeit auch in einer Phase-III-Studie bei Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom untersucht: Marizomib, das die Blut-Hirn-Schranke passiert [3]. 

Eine weitere Therapiestrategie sind Vakzinen und virale Therapien, die in mehreren Studien getestet werden. Als „interessantes Konzept“ bezeichnete Preusser Toca 511: Dieser retrovirale Vektor enthält das Gen für die Cytosin-Deaminase; er wird in die Tumor-Resektionshöhle injiziert. Patienten erhalten dann oral Toca FC (enthält 5-Fluorocytosin), das die Blut-Hirn-Schranke passieren kann. Die Cytosin-Deaminase aktiviert Toca FC zum Zytostatikum 5-FU (Fluorouracil). Eine Phase-II/III-Studie dazu läuft [4].

EGFR als Therapieziel

Prof. Andrew B. Lassman, New York, präsentierte einige Studien, die den Rezeptor für epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR) als Therapieziel haben. EGFR wird von mehreren Liganden aktiviert, gibt deren Signale ins Zellinnere weiter – dies stimuliert das Zellwachstum und verhindert die Apoptose. Rund 90% der Glioblastome weisen eine EGFR-Überexpression auf Proteinebene auf, bei der Hälfte der Glioblastome liegt eine EGFR-Genamplifikation vor, bei rund 25% die Mutante EGFRvIII: Bei dieser Variante ist der Rezeptor unabhängig von einer Liganden-Bindung konstitutiv aktiviert. 

Als „im Allgemeinen enttäuschend“ hätten sich EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren als Monotherapie bei Glioblastom-Rezidiven erwiesen, so Lassman, ebenso Anti-EGFR-Antikörper. Auch eine Vakzine gegen EGFRvIII führte bisher bei neu diagnostiziertem Glioblastom (mit dieser Mutation) nicht zu einem längeren Überleben [5].

Ein „logischer Ansatz“ ist nach Lassman die CAR-T-Zell-Therapie. Derzeit laufe eine Phase-I/II-Studie mit Gliom-Patienten mit EGFRvIII-Mutation [6]. Ihre T-Zellen werden mit chimären Antigen-Rezeptoren (CAR) ausgestattet, die an EGFRvIII binden. 

EGFR ist auch das Ziel für das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Depatuxizumab-Mafodotin (Depatux-M, ABT-414), das zurzeit in klinischen Studien geprüft wird. Das Konjugat besteht aus dem Anti-EGFR-Antikörper Depatuxizumab und einem Toxin, dem Spindelgift Monomethyl-Auristatin F [7]. Der Antikörper führe das Toxin zum Ziel – an Tumorzellen mit vielen EGF-Rezeptoren, erklärte Lassman. Nach Bindung an den aktivierten Rezeptor wird es internalisiert und gibt das Toxin in der Zelle frei. 

An der randomisierten Phase-II-Studie INTELLANCE-2 nahmen 260 Patienten mit Glioblastom-Rezidiven teil: Sie erhielten entweder die Kombination aus Depatux-M und TMZ, Depatux-M als Monotherapie oder Lomustin bzw. TMZ (Kontrolle). Beim Kongress der Society for Neuro-Oncology (SNO) 2017 in San Francisco wurde die primäre Analyse vorgestellt, berichtete Lassman [8]: Die Überlebenskurven seien nach einem medianen Follow-up von 15 Monaten zwar auseinandergelaufen, ohne dass aber beim Unterschied Signifikanz erreicht worden wäre. Beim ASCO-Kongress 2018 in Chicago wurden weitere Daten präsentiert [9]: Nach einem medianen Follow-up von 18 Monaten seien die Kurven weiter auseinandergelaufen, so Lassmann – und ein signifikanter Unterschied beim OS unter der Kombination gegenüber der Kontrolle gezeigt worden; dabei habe es sich jedoch nur um eine explorative Analyse gehandelt.

Zurzeit läuft eine weitere Studie mit Depatux-M: In der randomisierten Phase-III-Studie INTELLANCE-1 werden Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom nach Resektion, Radiotherapie und TMZ entweder mit Depatux-M und TMZ oder Plazebo und TMZ behandelt [10]. 

Maren Schenk

Symposium „Current perspectives on treatment-related challenges in glioblastoma“ im Rahmen des 13. Kongresses der European Association of Neuro-Oncology (EANO) am 13.10.2018 in Stockholm, unterstützt von AbbVie, Wiesbaden.