Standards und neue Aspekte der Therapie von Glioblastomen

Neue WHO-Klassifikation 2021 / Molekulare Testungen erlauben Einteilung in differenziertere Subgruppen zur besseren Abschätzung von Prognose und Therapie

Schlüsselwörter: Glioblastom, MGMT-Promotormethylierung, Temozolomid, Lomustin, Bevacizumab, Immuntherapie

Die aktuellen Leitlinien der European Association of Neuro-Oncology (EANO) definieren ein Glioblastom gemäß der neuen WHO-Klassifikation [1] als ein diffuses astrozytisches Gliom ohne IDH- und Histon-H3-Mutation, mit mikrovaskulärer Proliferation und/oder nekrotischen Arealen und/oder bestimmten molekularen Alterationen, auf die besonders bei Fehlen der typischen histo-morphologischen Befunde jeder Gliom-Patient untersucht werden sollte [2]. 
Folgende molekulare Parameter definieren einen IDH-Wildtyp-Tumor der histologischen Grade 2 und 3 als Glioblastom:

  • eine TERT-Promotormutation und/oder
  • eine +7/-10 zytogenetische Signatur (Gewinn von Chromosom 7 kombiniert mit Verlust von Chromosom 10 und/oder
  •  eine EGFR-Amplifikation.

Glioblastom-Varianten beinhalten Riesenzellglioblastome, Gliosarkome und epitheloide Glioblastome.

Inzidenz und Prognose

Gliome sind die häufigsten primären Hirntumoren des Erwachsenen. Die altersstandardisierte Inzidenz in Europa beträgt 6 pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Bei etwa der Hälfte der Gliom-Patienten liegt deren bösartigste Form vor, ein Glioblastom ZNS-WHO-Grad 4. Das Glioblastom rezidiviert regelhaft und ist nicht heilbar. Die Prognose der Patienten ist nach wie vor sehr ungünstig. Weniger als 10 % der Patienten sind fünf Jahre nach Diagnosestellung trotz einer aggressiven multimodalen Therapie noch am Leben [3]. Das höchste Erkrankungsrisiko bei beiden Geschlechtern liegt zwischen dem 70. und 85. Lebensjahr. 
Einziger derzeit gesicherter Risikofaktor ist eine ionisierende Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich. Die Relevanz mobiler Telefone als Risikofaktor konnte bisher nicht bestätigt werden. Auch existieren keine Screening-Programme zur Früherkennung. Je nach Lokalisation und Tumorgröße sind die Symptome und klinische Präsentation sehr unterschiedlich. Häufig zeigen sich Symptome eines erhöhten Hirndrucks wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Auch epileptische Anfälle und fokalneurologische Ausfälle können auftreten. 

Diagnostik

Auch wenn die Computertomographie (CT) häufig die erste verfügbare Bildgebung bei klinischer Symptomatik darstellt, ist die Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels der diagnostische Goldstandard [2]. Eine Aminosäuren-PET kann zur Bestimmung des Biopsie-Ortes (metabolische Hotspots) oder zur Therapieplanung sowie zur Differenzierung Progression/Pseudoprogression hilfreich sein [2]. 
Wie bereits eingangs erwähnt ist heute eine molekulare Definition des Glioblastoms möglich, auch wenn histologische Kriterien des WHO-Grads 4 nicht erfüllt sind. Darüber hinaus ist bei allen Gliom-Patienten die Bestimmung definierter molekularer Marker unerlässlich, um die Patienten adäquat therapieren zu können. 
Größten Einfluss in der Diagnostik von Gliomen hat die Testung auf das Vorliegen einer IDH-Mutation, da eine solche ein Glioblastom ausschließt. Nachfolgend kommt der Testung auf eine MGMT-Promotormethylierung der größte Stellenwert zu. Sie hat zwar keine direkt diagnostische Bedeutung, ist aber ein prädiktiver Biomarker für das Ansprechen auf eine alkylierende Chemotherapie und damit essentiell für die Therapieentscheidung.

MGMT-Promotormethylierung: Prädiktiver Biomarker für alkylierende Chemotherapie 

Das DNA-Reparaturprotein O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT) erkennt und behebt vor allem DNA-Schäden, die durch alkylierende Substanzen wie Temozolomid entstanden sind. Eine Hypermethylierung der Promotorregion von MGMT führt zum Funktionsverlust des Enzyms, da das von dem Promotor gesteuerte MGMT-Gen seltener abgelesen und somit eine geringere Menge an MGMT gebildet wird. Damit kann eine MGMT-Promotormethylierung zu erhöhter Sensibilität gegenüber Alkylanzien führen, sodass diese Patienten in der Regel besser auf eine  alkylierende Chemotherapie ansprechen. So hat die – allerdings relativ kleine – deutsche Phase-III-CeTeG/NOA-09-Studie ein signifikant verbessertes Gesamtüberleben (OS) bei Patienten mit MGMT-Promotormethylierung gezeigt, die eine intensivierte alkylierende Chemotherapie mit Temozolomid und Lomustin erhalten hatten, gegenüber jenen, die mit einer Temozolomid-Monotherapie behandelt wurden [4]. 
Auch der Nitrosoharnstoff Lomustin (Chlorethyl-Cyclohexyl-Nitroso-Urea, CCNU) wirkt als Alkylans. Die Therapie mit dem CeTeG-Protokoll hat sich noch nicht als Standard durchgesetzt und wird v. a. im deutschsprachigen Raum eingesetzt. Sie kann aber bei jüngeren, fitten Patienten mit MGMT-Promotormethylierung erwogen werden. Zu bedenken ist, dass der frühe Einsatz von Lomustin die Therapieoptionen in der Rezidivsituation einschränkt. 

Liquid Biopsies

Im Blut und in der Zerebrospinalflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) von Patienten mit Glioblastomen finden sich zellfreie Tumor-DNA sowie mRNA,  microRNA, Tumorproteine und ganze zirkulierende Tumorzellen, deren Analyse ein Vorteil sein kann, v. a. vor dem Hintergrund der schwierigen Gewinnung von Gewebeproben bei den Patienten. Das größte Potential haben derzeit Liquid Biopsies bei der Überwachung des Therapieansprechens und der Entwicklung des Tumors bzw. der Entwicklung resistenter Klone [5].

Primärtherapie

Die Standardtherapie eines neu diagnostizierten Glioblastoms besteht in der neurochirurgischen Resektion mit nachfolgender fraktionierter Strahlentherapie der erweiterten Tumorregion mit konkomitanter Chemotherapie mit 75 mg/m² täglich Temozolomid während der gesamten Radiotherapie. Danach folgt eine Erhaltungstherapie mit bis zu 6 Zyklen 150–200 mg/m² Temozolomid über 5 Tage, verabreicht alle 28 Tage [2]. 
Ziel der Operation ist eine makroskopische Komplettresektion des Tumors, soweit dies ohne neurologische Defizite möglich ist. Dabei kann auch die möglichst komplette Resektion von Tumor-arealen ohne Kontrastmittelaufnahme im MRT Vorteile bringen [6]. Eine detaillierte Übersicht, die auch Alter und Allgemeinzustand berücksichtigt, gibt Abb. 2. 

Das Armamentarium der Primärtherapie erweitert hat die Therapiemethode der elektrischen Wechselfelder (Tumor Treating Fields, TTFields), wobei diese Methode noch kontrovers diskutiert wird. 

Dauer der Erhaltungstherapie mit Temozolomid

Als endgültig geklärt ist die Frage zu betrachten, ob eine Erhaltungstherapie mit Temozolomid über den zugelassenen Standard von 6 Zyklen hinaus Vorteile für die Patienten bringt. Die Antwort lautet: Nein. Nach Hinweisen aus zwei retrospektiven Analysen [7, 8] hat die randomisierte Phase-II-Studie GEINO 14-01, die 6 Zyklen und 12 Zyklen Temozolomid verglich, bei Patienten ohne Progression nach 6 Zyklen Temozolomid keine Unterschiede im progressionsfreien Überleben (PFS) oder im OS gezeigt, dafür aber eine signifikante Zunahme an – v. a. hämatologischen – Nebenwirkungen [9] (Abb. 1).  

Die Myelosuppression, v. a. Thrombozytopenien, können die Fortführung der alkylierenden Chemotherapie gefährden. Die unverblindete Phase-II-Studie PLATUM untersuchte den Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten Romiplostim bei Patienten mit Grad-3/4-Thrombozytopenien. Der Romiplostim-Support erwies sich als ausgesprochen erfolgreich. 60 % der Patienten konnten die vollen 6 Zyklen der Erhaltungstherapie mit Temozolomid erhalten [10].

Tumor-Treating Fields

TTFields ist eine antimitotische Therapie mit Wechselfeldern, die zumindest in der Zellkultur einen Zellzyklusarrest induzieren kann. In einer randomisierten unverblindeten Studie mit insgesamt 695 Teilnehmern erhielten die Patienten nach Operation oder Biopsie und Radiochemotherapie in 2:1-Randomisierung als Erhaltungstherapie entweder TTFields plus Temozolomid oder eine Temozolomid-Monotherapie. 
Wie bereits die Interimsanalyse zeigte auch die finale Analyse der Studie, dass die zusätzliche Therapie mit TTFields zu einer signifikanten Verbesserung des PFS und des OS führt [11]. Kosten und Durchführbarkeit der Methode werden noch kontrovers diskutiert [12].

Bevacizumab in der Primärtherapie

Antiangiogene Strategien in der Primärtherapie des Glioblastoms konnten das Überleben der Patienten bisher nicht verbessern. In zwei randomisierten Phase-III-Studien bei neu diagnostizierten Glioblastomen verlängerte zusätzlich zur Radiochemotherapie eingesetztes Bevacizumab zwar das PFS und die Steroid-freie Zeit, nicht aber das OS [13, 14].

Immuntherapie in der Primärtherapie

Während die onkologische Immuntherapie bei einer Reihe von Tumoren die Therapie revolutioniert hat, zeigte sich das Glioblastom gegenüber immunstimulatorischen Therapieansätzen mit Immuncheckpoint-Inhibitoren bisher weitgehend resistent. Typisch für das Glioblastom ist eine geringe T-Zell-Infiltration, eine geringe Tumormutationslast und ein stark immunsuppressives Tumormikromilieu [15]. 
Das Tumormikromilieu von Glioblastomen ist einzigartig – einerseits hinsichtlich seiner zellulären Zusammensetzung und andererseits hinsichtlich der eingeschränkten Erreichbarkeit durch Immunzellen [3]. Tumor-infiltrierende myeloide Zellen sind – oder vielmehr wären – einerseits in der Lage, Immunantworten gegen den Tumor zu initiieren und zu amplifizieren, Krebszellen nutzen jedoch die Tumor-infiltrierenden myeloiden Zellen, um das Tumorwachstum durch Angiogenese und Immunsuppression zu fördern. Eine hohe Dichte dieser Tumor-infiltrierenden myeloiden Zellen ist daher mit einer schlechten Prognose assoziiert [3, 16, 17]. 
Derzeit fehlen noch konkrete Angriffspunkte für eine zielgerichtete Therapie gegen die tumorfördernde Wirkung der myeloiden Zellen. Laufende Untersuchungen befassen sich mit der Entdeckung neuer Ziel-Antigene für die Immuntherapie von Glioblastomen. Es ist wahrscheinlich, dass im Gehirn eigene Immuncheckpoints existieren.
Die Inhibierung bekannter Immuncheckpoints wie PD-1/PD-L1 oder CTLA4 war bei Gliomen bisher wenig erfolgreich. Trotz vielversprechender präklinischer Daten sind die Ergebnisse zur Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren beim neu diagnostizierten Glioblastom bisher enttäuschend [3]. Eine der Ursachen für die begrenzte Wirksamkeit der Immunstimulation mit Checkpoint-Inhibitoren könnte der gleichzeitige Einsatz von Dexamethason u. a. zur Kontrolle von Hirnödemen bei den Glioblastom-Patienten sein [18, 3].
Die unverblindete Phase-III-Studie CheckMate-498 verglich das Standard-Regime, bestehend aus Strahlentherapie und Temozolomid, mit der Kombination von Strahlentherapie und Nivolumab bei Patienten mit Glioblastomen ohne MGMT-Promotormethylierung, einer Patientengruppe also, bei denen der Wert der alkylierenden Chemotherapie fraglich ist. Trotzdem war die Studie negativ. Bereits 2019 informierte Bristol Myers Squibb in einer Pressemitteilung, dass die Studie ihren primären Endpunkt – die Verlängerung des Gesamtüberlebens durch Nivolumab plus Strahlentherapie – nicht erreichte [19]. Die Studie ist derzeit noch nicht publiziert. 
Die als Phase-II-Studie gestartete CheckMate-548 verglich die Hinzunahme von Nivolumab zur Therapie mit Temozolomid und Bestrahlung mit Placebo + Temozolomid + Bestrahlung bei Patienten mit MGMT-Promotormethylierung und wurde später eine randomisierte, verblindete Phase-III-Studie mit insgesamt 693 Patienten. 
Jedoch verfehlte auch diese Studie ihre beiden koprimären Endpunkte. Das OS wurde weder in der Intention-to-Treat-Population noch bei den Patienten ohne Kortikosteroid-Therapie bei Studienbeginn verlängert [20]. Auch diese Studie wurde bisher noch nicht publiziert.

Rezidivtherapie

Für die Rezidivtherapie von Glioblastomen gibt es keinen definierten Standard. Sie richtet sich nach Vortherapien, Alter, Karnofsky Performance Status (KPS) und dem Muster der fortschreitenden Erkrankung (siehe Abb. 2). Mangels wirksamer Therapien besteht ein großer Bedarf an innovativen Therapieoptionen. Patienten mit epitheloiden Glioblastomen und einer BRAFV600E-Mutation können in der Rezidivtherapie mit einem BRAF-Inhibitor (+/- MEK-Inhibitor, analog zur Vorgehensweise beim malignen Melanom) behandelt werden [2].

Rezidiv-OP und Re-Radiatio

Prospektive Studien zur erneuten Operation eines rezidivierten Glioblastoms fehlen, eine erneute Operation kann für 20–30 % der Patienten eine Option sein [2]. Die DIRECTOR-Studie zeigte, dass die Rezidiv-Resektion bei Patienten mit rezidiviertem Glioblastom nur mit längerem Überleben assoziiert war, wenn die Kontrastmittel-aufnehmende Läsion vollständig entfernt werden konnte [21].
Auch eine Re-Radiatio ist möglich und abhängig von Größe und Lage des Zielvolumens, der vorangegangenen Bestrahlungsdosis und dem zeitlichen Abstand zwischen erster Strahlentherapie und Rezidiv. Hauptrisiko einer erneuten Bestrahlung ist die Strahlennekrose. In diesem Fall können Patienten von Bevacizumab profitieren. Die derzeit rekrutierende GLIAA-Studie (NOA10) untersucht prospektiv und randomisiert die Wertigkeit einer Hochpräzisions-Re-Bestrahlung nach FET-PET gegenüber einer Hochpräzisions-Re-Bestrahlung nach MRT bei Patienten mit Rezidiv-Glioblastom [22].
Die Kombination einer Re-Radiatio mit Bevacizumab untersuchte eine Phase-II-Studie. Gegenüber alleinigem Bevacizumab verbesserte die Kombination das PFS, aber nicht das OS [23].

Systemische Therapien

Obwohl die Überlegenheit von Lomustin gegenüber anderen Therapien nie in Studien belegt wurde, gilt die Substanz heute vielfach als Standard-Rezidivtherapie und wird in klinischen Studien zur Rezidivtherapie als Kontrollarm eingesetzt [24]. Bisher konnte noch keine andere Substanz ihre Überlegenheit über Lomustin belegen. Allerdings ist dieses Alkylans wie auch Temozolomid v. a. bei Tumoren mit MGMT-Promotormethylierung wirksam. Problematisch ist die Hämatotoxizität. Insgesamt konnten  systemische Therapien die Prognose von Patienten mit rezidiviertem GBM nicht relevant verbessern. 

Antiangiogene Therapie im Rezidiv

Auch antiangiogene Strategien sind bei Patienten mit rezidiviertem Glioblastom bisher gescheitert [25, 26]. In der EU ist Bevacizumab nicht zugelassen, in den USA besteht eine Zulassung in der Zweitlinie. Einen gewissen Stellenwert hat der Antikörper zur Symptomlinderung und bietet so die Möglichkeit einer Einsparung von Kortikosteroiden.
Mit Regorafenib wurde eine weitere antiangiogene Substanz untersucht. Der Multikinase-Inhibitor hemmt u. a. die VEGF-Rezeptoren 1–3. Die italienische unverblindete Phase-II-Studie REGOMA verglich in einer 1:1-Randomisierung bei 119 Patienten mit rezidiviertem Glioblastom Regorafenib mit Lomustin. Das Gesamtüberleben war in der Regorafenib-Gruppe mit 7,4 Monaten signifikant länger als in der Lomustin-Gruppe (5,6 Monate; HR 0,50; 95%-KI 0,33–0,75; p = 0,0009) [27]. Allerdings war die Patientenzahl der Studie klein, und die Patienten-Charakteristika bzw. prognostischen Faktoren in den beiden Studienarm waren nicht ausgewogen verteilt. So waren die Patienten der Regorafenib-Gruppe jünger, wiesen häufiger eine MGMT-Promotormethylierung auf, nahmen bei Studieneinschluss weniger häufig Steroide ein und der Zeitraum bis zum ersten Rezidiv war länger als im Lomustin-Arm. Um den Stellenwert von Regorafenib beurteilen zu können, ist eine adäquate Phase-III-Studie notwendig.

Immuntherapie im Rezidiv

Als erste prospektive klinische Studie untersuchte die Multikohortenstudie CheckMate-143 zunächst als Phase-I-Studie Nivolumab sowohl als Mono-therapie als auch in Kombination mit dem CTLA4-Antikörper Ipilimumab [28] und verglich dann als unverblindete Phase-III-Studie in einer 1:1-Randomi-sisierung bei 369 Patienten mit rezidiviertem Glioblastom Wirksamkeit und Sicherheit einer Nivolumab-Monotherapie mit Bevacizumab [29]. Nach einem medianen Follow-up von 9,5 Monaten zeigte sich mit einem medianen OS von 9,8 Monaten unter Nivolumab und 10,0 Monaten unter Bevacizumab kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des Überlebens. Allerdings verdeutlichten Subgruppen-Analysen eine Assoziation zwischen Kortikosteroid-Einsatz zu Studienbeginn und einem schlechteren Outcome bei den mit Nivolumab behandelten Patienten. Kein Einsatz von Kortikosteroiden bei Studienbeginn und eine MGMT-Promotormethylierung waren in einer multivariaten Analyse mit einem längeren OS unter Nivolumab assoziiert. Mit Kortikosteroiden behandelte Patienten ohne MGMT-Promotormethylierung überlebten dagegen unter Bevacizumab länger [29]. Hier scheint es also auf durch klinische und biologische Charakteristika bestimmte Subgruppen anzukommen, sodass die Studie, obwohl sie ihre primären und sekundären Endpunkte verfehlt hat, nicht als durchweg negative Studie zu betrachten ist. 

Kombination von Anti-Angiogenese und Immunstimulation

Glioblastome zeichnen sich durch eine hohe Expression von VEGF aus, dem primäreren Treiber der Tumor-Angiogenese, der vermutlich auch zur Glioblastom-induzierten Immunsuppression beiträgt und sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem inhibiert. Von einer Anti-VEGF-Therapie erhofft man sich eine Normalisierung des Tumor-Mikroenvironments und der den Tumor umgebenden chaotischen Gefäßstruktur, von der Kombination von Immuncheckpoint-Inhibitoren und Anti-VEGF-Therapien eine Normalisierung des Crosstalks zwischen Tumor-Blutgefäßen und Immunzellen [30, 31]. Außerdem bietet Bevacizumab die Möglichkeit, zur Kontrolle von Hirnödemen eingesetzte Steroide einzusparen – ein wichtiger Punkt, da Kortikosteroide die Wirksamkeit von Immuncheckpoint-Inhibitoren bei Glioblastomen offenbar reduzieren, wie u. a. in der CheckMate-143-Studie deutlich wurde [18, 29, 32].
Eine solche Kombination von Immuncheckpoint-Inhibitor und Anti-VEGF-Antikörper untersuchte eine Phase-II-Studie, die bei 80 Patienten mit rezidiviertem Glioblastom, die noch nicht mit Bevacizumab behandelt worden waren, Pembrolizumab + Bevacizumab (n = 50) mit einer Pembrolizumab-Monotherapie (n = 30) verglich [33]. Primärer Endpunkt war das PFS nach 6 Monaten, das unter der Kombination bei 26 % lag, unter alleinigem Pembrolizumab bei 6,7 %. Allerdings war das OS bei den nur mit Pembrolizumab behandelten Patienten besser (10,3 Monate vs. 8,8 Monate unter der Kombination). Immunologische Biomarker wie z. B. die PD-L1-Expression oder die TIL-Infiltration waren nicht mit dem OS assoziiert, jedoch korrelierten der Einsatz von Steroiden bei Therapiebeginn sowie eine fehlende MGMT-Promotormethylierung wiederum mit einem schlechteren OS.  

Neoadjuvante Immuntherapie

Einen interessanten Ansatz stellt die „neoadjuvante“ Therapie im Rezidiv dar, bei der der Checkpoint-Inhibitor vor einer geplanten Rezidivoperation eingesetzt wird. In einer kleinen Studie erhielten 35 Patienten mit operablem Glioblastom-Rezidiv Pembrolizumab entweder vor und nach der Operation (n = 16) oder nur nach der Operation (n = 19) [34]. Das mediane OS der auch neoadjuvant behandelten Patienten war mit 13,7 Monaten signifikant besser als das der Patienten, die nur nach der Operation Pembrolizumab erhalten hatten (7,5 Monate; HR 0,39; 95%-KI 0,17–0,94; p = 0,04). Zudem ergaben sich Hinweise, dass die neoadjuvante Immuntherapie die lokale und systemische Anti-Tumor-Immunantwort verbesserte. Auch eine weitere kleine Studie mit Nivolumab lieferte Daten, die eine neoadjuvante Immuntherapie beim Glioblastom stützen [35]. Die Validierung in größeren kontrollierten, prospektiven klinischen Studien steht noch aus. 

Ausblick

Um die Prognose von Patienten mit Glioblastom durch pharmakologische Therapien zu verbessern, gilt es noch eine Reihe von Problemen zu lösen. Dazu gehören die Identifizierung hirnspezifischer Immun-Checkpoints für die Immuntherapie und die Überwindung des immunsuppressiven Tumormikromilieus. Zielgerichtete Therapien blieben beim Glioblastom aus vielerlei Gründen bisher überwiegend erfolglos. Neben der intratumoralen Heterogenität der Tumoren schlägt hier zu Buche, dass die Zielstrukturen aufgrund der Blut-Hirn-Schranke nicht ausreichend erreicht werden und, die Blockade eines einzigen onkogenen Pathways aufgrund multipler Kompensationsmechanismen beim Glioblastom vermutlich nicht ausreicht. Während derzeit nur ein Bruchteil der Patienten mit therapierelevanten Veränderungen wie BRAF-Mutationen und NTRK-Genfusionen von zielgerichteten Therapien profitiert, wird weiter an zielgerichteten Ansätzen beim Glioblastom geforscht.

Summary

Glioblastoma is the most common and at the same time the most aggressive primary brain tumor in adults and still cannot be cured. According to the new WHO classification 2021, glioblastomas are exclusively tumors without isocitrate dehydrogenase (IDH) mutation, the IDH-mutated glioblastoma has thus been abolished. Today, molecular tests allow a division into more differentiated molecular subgroups, which enable a better assessment of the prognosis and more targeted therapies. In order to improve the prognosis of patients with glioblastoma through pharmacological therapies, a number of problems remain to be solved. These include the identification of brain-specific immune checkpoints for immunotherapy and the overcoming of the immunosuppressive tumor microenvironment. While currently only a minority, namely the fraction of patients with therapy-relevant changes such as BRAF-mutations and NTRK-gene fusions, benefit from targeted therapies, research is still being conducted into targeted approaches in glioblastoma.

Autor
Prof. Dr. med. Michael Weller
Klinik für Neurologie
Universitätsspital Zürich
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