Aktuelle Konzepte in der Diagnostik und Therapie des Harnblasenkarzinoms
CME-Beitrag
Sowohl in der Diagnostik als auch in der operativen und der Systemtherapie des Blasenkarzinoms haben wir in den letzten fünf Jahren viele Neuerungen erfahren, die für die Patienten von Vorteil sein werden. In der Diagnostik haben die photodynamische Diagnostik (PDD) sowie das Narrow-Band Imaging (NBI) die Detektion flacher urothelialer Neoplasien verbessert. Mit den En-bloc-Resektionstechniken wird versucht, eine komplette Resektion der Tumoren zu erreichen, die dadurch besser histopathologisch beurteilbar sind. Hinsichtlich der operativen Techniken werden zukünftig die Roboter-assistierten Verfahren eine zunehmende Rolle spielen.
Der größte Durchbruch hat sich in der Systemtherapie fortgeschrittener oder metastasierter Tumoren durch die Einführung der verschiedenen Immun-Onkologika gezeigt. Hiermit konnte sich eine effektive Therapie für dieses komplexe Patientengut mit schlechter Gesamtprognose etablieren. In Zukunft wird man diese Substanzen weiter in klinischen Studien evaluieren und z. B. Kombinationen oder auch den Einsatz in der neoadjuvanten Therapie vergleichen müssen.
Schlüsselwörter: Blasenkarzinom, photodynamische Diagnostik, Narrow-Band Imaging, En-bloc-Resektion, Instillationstherapie, Roboter-assistierte Chirurgie, Lymphadenektomie, Zystektomie, Immuntherapie, Checkpoint-Inhibitoren, Pembrolizumab, Nivolumab, Atezolizumab.
Das Urothelkarzinom der Harnblase ist ein häufiger Tumor des Urogenitaltrakts, wobei klassischerweise zwischen muskelinvasivem Harnblasenkarzinom sowie nicht-muskelinvasivem Harnblasenkarzinom unterschieden wird.
Etwa ein Viertel der Patienten weist bei Erstdiagnose einen muskelinvasiven Harnblasentumor auf, während der Tumor bei drei Viertel der Patienten oberflächlich und nicht muskelinvasiv ist. Risikofaktoren sind Rauchen, eine Exposition gegenüber verschiedenen Chemikalien, chronische Blasenentzündungen sowie – in unseren Breiten selten – eine Bilharziose.
Die klassische Erstsymptomatik eines Tumors der Harnblase ist die schmerzlose Makrohämaturie. Die zentrale Untersuchung zur Diagnosesicherung ist eine Zystoskopie und Entnahme einer Gewebeprobe. Hierbei können Aggressivität des Tumors und Eindringtiefe beurteilt werden. Die klassische Ergänzung der Diagnostik zur Abklärung des oberen Harntrakts und zur Beurteilung des Lokalbefunds ist eine Computertomografie mit urografischer Phase.
Die Therapie hängt von der Histologie sowie der Ausbreitung des Tumors ab. Zentral ist hierbei eine genaue Einordnung des Tumors und die Einschätzung des Progressions- sowie Rezidivrisikos, um dem Patienten eine sachgerechte Therapie anbieten zu können. Diese Therapie sollte leitliniengerecht erfolgen, wobei besonders die europäischen Leitlinien [1, 2] sowie die deutsche S3-Leitlinie [3] Orientierung geben. Aufgrund der verschiedenartigen Verläufe ist eine leitliniengerechte Behandlung und Nachsorge von immenser Wichtigkeit.
Nach aktuellen Zahlen des Robert Koch-Instituts zählt der Blasenkrebs zu den häufigen Krebserkrankungen: So erkrankten im Jahr 2014 15.800 Personen an einem invasiven Harnblasenkarzinom, sowie 13.700 Personen an nicht-invasiven papillären Karzinomen und In-situ-Tumoren der Blase. Männer sind über alle Stadien etwa dreimal so oft betroffen wie Frauen, wobei besonders die Inzidenz bei Frauen zu steigen scheint. Männer haben mit 45% eine höhere absolute 5-Jahres-Überlebensrate im Vergleich zu 38% bei Frauen. Die höheren Überlebensraten von Männern scheinen mit der Verteilung der Tumorstadien zusammenzuhängen, da man hier eine höhere Rate an T1-Befunden sieht (48% gegenüber 35% bei Frauen; [4]).
Diagnostik
Besteht der dringende Verdacht auf einen Tumor der Harnblase, sollte eine zeitnahe Diagnostik erfolgen. Das Mittel der Wahl ist hierbei zunächst die Weißlicht-Zystoskopie [1]. Insbesondere das Vorliegen papillärer Tumoren lässt sich auf diese Weise zu einem hohen Prozentsatz feststellen [5]. Besteht nach einer negativen Weißlicht-Zystoskopie und positiver Zytologie weiterhin der Verdacht auf ein Blasenkarzinom (z. B. Carcinoma in situ (CIS)), hat sich der Einsatz von photodynamischer Diagnostik (PDD) und Narrow-Band Imaging (NBI) bewährt [6].
Weißlicht-Zystoskopie
Die Weißlicht-Zystoskopie stellt den Standard in der Diagnostik und Nachsorge beim Harnblasenkarzinom dar [1]. Indiziert ist diese insbesondere beim Auftreten einer schmerzlosen Makrohämaturie, bildmorphologischen Auffälligkeiten (Sonografie, CT, MRT), persistierender Mikrohämaturie oder einem Malignitäts-verdächtigen Spülzytologie-Befund. Harnblasenkarzinome lassen sich so in bis zu 80–90% der Fälle entdecken und im Rahmen einer transurethralen Resektion (TUR-B) histologisch sichern [5].
Bei Patienten mit multifokalen Tumoren und/oder High-grade-Tumoren in der Vorgeschichte und/oder Verdacht auf Carcinoma in situ (z. B. positive Urin-Zytologie) sollte ergänzend eine PDD durchgeführt werden [3].
Photodynamische Diagnostik (PDD)
Bei der photodynamischen Diagnostik wird in aller Regel eine photoaktive Porphyrin-Vorläufersubstanz (z. B. Hexaminolevulinsäure) eingesetzt, die von neoplastischen Zellen intrazellulär verstoffwechselt wird [6]. Diese Substanz sollte über einen Blasenkatheter ca. 60 Minuten vor dem Eingriff in die Harnblase instilliert werden. Die daraufhin entstehenden Metaboliten emittieren rotes Fluoreszenzlicht, das durch Einsatz einer Lichtquelle im Blau-Spektrum sichtbar gemacht werden kann [6]. Somit sind vormals in der Weißlicht-Zystoskopie unauffällige Schleimhautregionen gezielter beurteilbar. Eine 2016 veröffentliche Metaanalyse aus Studiendaten des Zeitraums zwischen 1980 und 2016 untersuchte u. a. die Sensitivität der Weißlicht-Zystoskopie im Vergleich zur PDD. Dabei zeigte sich kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Low-risk-Tumoren, hingegen eine deutliche Überlegenheit der PDD gegenüber der Weißlicht-Zystoskopie bei der Detektion von High-risk-Tumoren und Carcinoma-in-situ-Tumoren (83% vs. 32%; [5]). Ob die erhöhte Detektionsrate der Tumoren mit einer verringerten Rate an Rezidiven korreliert, wird kontrovers diskutiert, und man ist hier bisher noch zu keinem einheitlichen Schluss gekommen [3, 7].
Narrow-Band Imaging (NBI)
Das Narrow-Band Imaging dient der besseren Darstellung der Mikrovaskularisation in der Mukosa der Harnblasen-Schleimhaut. Bei dieser Methode wird das Spektrum des verwendeten Lichts auf zwei Wellenlängen reduziert (415 und 540 nm) und verbessert auf diese Weise die Sichtbarkeit der Gefäßzeichnungen der Harnblasenschleimhaut (Abb. 1; [6]). Dabei konnte eine Sensitivitätssteigerung von 84,8% in der Weißlicht-Zystoskopie auf 94,3% beim NBI erreicht werden. Im Falle eines In-situ-Karzinoms fielen die Unterschiede noch deutlicher aus (76,8% vs. 92,7%; [8]).

Resektion
Ein auffälliger Zystoskopie-Befund sollte zeitnah histologisch gesichert werden. Hierzu ist die transurethrale Resektion der Harnblase (TUR-B) Mittel der Wahl. Dabei ist die komplette und korrekte Resektion mit einer guten weiteren Prognose vergesellschaftet [9], wohingegen eine fehlende Miterfassung der Detrusor-Muskulatur in den Resektionspräparaten mit einer signifikant erhöhten Rate für einen Residualtumor, früheren Tumorrezidiven und einer Unterschätzung des korrekten Tumorstadiums einhergeht [10]. Eine Nachresektion sollte deshalb in Fällen von inkompletten Resektionen, fehlender Erfassung der Muskelschicht der Harnblase (Ausnahme: pTa Low Grade/G1) und bei allen T1-Tumoren erfolgen [1].
Resektionsverfahren
Ziel der Resektion sollte eine komplette Resektion sowie die Erfassung tiefer Schichten inkl. Muskulatur sein. Als Standardverfahren gilt hier seit Jahren die Resektion mittels mono- oder bipolarer Schlinge. Bei einer Tumorgröße von > 7mm (entspricht in etwa der durchschnittlichen Schlingenbreite) ist eine Resektion in einem Stück meist technisch nicht möglich, sodass der Tumor frakturiert reseziert werden muss [11]. Neuere Resektionsverfahren wie die En-bloc-Laser-Technik oder das Hybrid-Knife könnten in diesen Fällen Alternativen darstellen, um auch größere Tumoren en bloc zu resezieren und dem Pathologen die Begutachtung zu erleichtern.
En-Bloc-Laser
Hierunter versteht man den Einsatz von Holmium- (HO:YAG-Laser) bzw. Thulium-Lasern (TM:YAG-Laser). Beide Verfahren zeigen in ersten kleineren Studien gute Ergebnisse. Migliari et al. konnten bei der Verwendung des Thulium-Lasers bei 58 Patienten in 100% der Fälle sowohl Tumorfreiheit in der Nachkontrolle (innerhalb von 90 Tagen nach der ersten Resektion) als auch eine ausreichende Erfassung von Muskelgewebe in den Resektionspräparaten nachweisen [12]. In der Kontrollgruppe nach klassischer Schlingenresektion fanden sich hingegen sieben Patienten mit Tumorpersistenz in der Nachkontrolle, und bei acht Patienten war keine Detrusor-Muskulatur im Resektionspräparat vorhanden. Ähnliche Ergebnisse fanden sich auch beim Einsatz des Holmium-Lasers [13, 14].
Hydrodissektion
Bei dieser Technik werden Tumoren zunächst mit einer monopolaren Sonde markiert, anschließend mit einem Wasserkissen unterhalb der Submukosa unterspritzt, bevor sie letztendlich mit dem eigentlichen Hybrid-Knife reseziert werden. Dabei ließen sich in der histopathologischen Untersuchung Resektionsränder sowie die Eindringtiefe des Tumors anhand der Lamina propria sehr gut beurteilen [15, 16].
Die vielversprechenden neueren Resektionsverfahren wurden bisher noch nicht in die aktuellen Guidelines aufgenommen, sollten aber in Zukunft, wenn sich die Ergebnisse in weiteren randomisierten Studien bestätigen, als Alternative zur klassischen Schlingenresektion Erwähnung finden.
Instillationstherapien
Nach erfolgter TUR-B bei nicht muskelinvasivem Blasentumor besteht die Möglichkeit einer adjuvanten intravesikalen Instillationstherapie. Hierfür ist eine Einteilung in Low-risk-, Intermediate-risk- und High-risk-Blasentumoren vonnöten, um den richtigen Zeitpunkt, das richtige Therapeutikum und die entsprechende Behandlungsdauer leitliniengerecht auswählen zu können.
Mitomycin C
Bei Mitomycin C (MMC) handelt es sich um ein zytotoxisch wirkendes Antibiotikum, das ein relativ geringes Resorptionspotenzial besitzt. Die hauptsächliche Anwendung findet sich als einmalige adjuvante, intravesikale Instillationstherapie bei Low-risk-Tumoren nach einer TUR-B. Die Empfehlung der EAU-Guidelines beruht in diesem Fall auf einer Metaanalyse, die eine Senkung des 5-Jahres-Rezidivrisikos von 59% auf 45% im Vergleich zur alleinigen TUR-B zeigen konnte [17]. Die Instillation sollte zudem zeitnah erfolgen, wenn möglich innerhalb der ersten zwei Stunden nach dem Eingriff. Dies verringert das Risiko einer Re-Implantation und der Bildung einer extrazellulären Matrix durch die Tumorzellen, was die Wirksamkeit des MMC deutlich verringern würde [18]. Ein zweiter Anwendungsbereich von MMC findet sich in der adjuvanten Therapie nach TUR-B bei Intermediate-risk-Tumoren. Hier sollte im Vergleich zu den Low-risk-Tumoren eine Mehrfachgabe über einen Zeitraum von maximal einem Jahr erfolgen, um eine Verringerung der Rezidivrate um 13–14% zu erreichen [19, 20].
Immuntherapie mit Bacillus Calmette-Guérin (BCG)
Die EAU-Guidelines empfehlen bei Intermediate- und High-risk-Tumoren zur Reduzierung der Rezidivwahrscheinlichkeit den Einsatz von BCG als intravesikale Immuntherapie. Dabei zeigte sich das beste Outcome bei kontinuierlichen, regelmäßigen Applikationen über ein Jahr für Intermediate-risk-Tumoren und Applikationen über mindestens ein bis maximal drei Jahre für die High-risk-Tumoren.
Hyperthermische MMC-Instillation
Aufgrund des ausgeprägten Nebenwirkungsprofils mit Hämaturie, persistierendem Fieber oder Zystitis-Symptomen unter laufender BCG-Therapie kommt es verhältnismäßig häufig zu einem Therapieabbruch durch den Patienten. Als Alternative bietet sich in diesen Fällen u. a. die kombinierte Hyperthermie-Instillation mit MMC an, die auch in das Update der EAU-Guidelines aufgenommen wurde [2]. Arendts et al. konnten in einer prospektiv randomisierten Studie die Wirksamkeit dieser neuen Hyperthermie-Chemotherapie im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit klassischer BCG-Therapie nachweisen [21]. Aktuell gibt es mehrere Anbieter, die mit unterschiedlichen Technologien die Hyperthermie-Behandlung der Harnblase mit MMC ermöglichen.
Operative Therapie beim invasiven Urothelkarzinom
Die radikale Zystektomie mit Lymphadenektomie ist die etablierte Standardtherapie bei rezidiviertem High-grade-Urothelkarzinom sowie beim muskelinvasiven Urothelkarzinom der Harnblase. Die europäischen Leitlinien empfehlen bei fehlenden Kontraindikationen beim lokalisierten Urothelkarzinom der Harnblase (pT2-T4cN0cM0) aufgrund eines verbesserten Gesamtüberlebens eine neoadjuvante Chemotherapie [2].
Die radikale Zystektomie ist ein kurativer Ansatz des muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms. In der retrospektiven Analyse der Ulmer Zystektomie-Kohorte ohne perioperative Chemotherapie konnte eine tumorspezifische 10-Jahres-Überlebensrate von 66,8% gezeigt werden. Der entscheidende Faktor für ein eingeschränktes Überleben schien in dieser Kohorte eine lymphogene Metastasierung zu sein, denn beim Vorliegen befallener Lymphknoten sinkt in diesem Chemotherapie-naiven Kollektiv die tumorspezifische 10-Jahres-Überlebensrate über alle Stadien hinweg auf lediglich 16,7% [17].
Lymphadenektomie
Die europäischen Leitlinien empfehlen eine Lymphadenektomie, wobei das optimale Ausmaß nicht klar definiert ist und prospektive Daten hierzu bisher fehlen. In einem aktuellen Review von Bruins et al., in dem die Daten von insgesamt 20.000 Patienten aus 23 retrospektiven Studien analysiert wurden, schien die pelvine Lymphadenektomie im Vergleich zu keiner Lymphadenektomie vorteilhaft zu sein, wobei sich ein Vorteil beim Überleben durch eine erweiterte Lymphadenektomie nicht klar nachweisen ließ [18].
Zur prospektiven Evaluation dieser Thematik hat die Arbeitsgemeinschaft für Urologische Onkologie (AUO) die deutsche LEA-Studie (Limited versus extended pelvic lymphadenectomy in bladder cancer patients undergoing radical cystectomy: survival results from a prospective, randomized trial) initiiert, und die ersten Auswertungen konnten auf dem ASCO-Kongress 2016 vorgestellt werden [19]. Hierbei wurden Patienten mit invasivem Urothelkarzinom der Blase ohne vorherige Chemotherapie eingeschlossen (cT1-cT4, cNX) und in zwei Gruppen randomisiert (begrenzte vs. erweiterte Lymphadenektomie) und bezüglich der Überlebensparameter verglichen. Insgesamt wurden 373 Patienten in die Studie eingeschlossen, das mediane Follow-up liegt aktuell bei 33 Monaten. In der Gruppe mit begrenzter Lymphadenektomie wurden im Median 19 Lymphknoten entfernt, in der Gruppe mit erweiterter Lymphadenektomie im Median 31, sodass faktisch eine erweiterte und eine super-erweiterte Lymphadenektomie verglichen wurden. In der Überlebensanalyse konnte kein statistisch signifikanter Unterschied nachgewiesen werden, jedoch zeigte sich ein Trend für eine Verbesserung von Gesamt- sowie tumorspezifischem Überleben in der Gruppe der Patienten mit erweiterter Lymphadenektomie (krebsspezifisches 5-Jahres-Überleben: 66,2% (limitiert) vs. 77,6% (erweitert)). Komplikationen durch die erweiterte Lymphadenektomie schienen selten zu sein, und in der Subgruppenanalyse konnte besonders die Gruppe der Patienten mit pT2-Tumoren als eine Subgruppe identifiziert werden, die einen statistisch signifikanten Vorteil durch die erweiterte Lymphadenektomie zu haben schien.
Perioperative Therapie/Staging
Nach aktuellen Leitlinien sollte Patienten ohne Nachweis einer lymphogenen oder Fernmetastasierung zunächst eine neoadjuvante Chemotherapie angeboten werden und hiernach eine radikale Zystektomie mit Lymphadenektomie erfolgen [2]. Bei einem guten Ansprechen und Erreichen einer pT0-Situation haben die Patienten eine exzellente Prognose, wobei aktuell die Selektion der Patienten kontrovers diskutiert wird, da die Prognose von Patienten mit Residualtumor nach radikaler Zystektomie durch eine Verzögerung der operativen Therapie aufgrund der Systemtherapie eingeschränkt werden könnte [20].
Auch die Güte des präoperativen Stagings, welches nach aktuellen Leitlinien mittels einer computertomografischen Schnittbildgebung durchgeführt wird, scheint begrenzt zu sein, da das CT besonders im Erkennen kleiner Lymphknotenmetastasen eingeschränkte Sensitivität hat [21].
Alternativen zur radikalen Zystektomie
Immer wieder wird der Ansatz eines multimodalen Therapiekonzepts mittels kompletter TUR-B und nachfolgender kombinierter Radiochemotherapie zur Behandlung des muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms postuliert, wobei prospektive randomisierte Daten dazu bisher fehlen. Es werden allerdings vergleichbare tumorspezifische 5-Jahres-Überlebensraten von etwa 75% beschrieben, wobei aufgrund eines fehlenden Ansprechens oder von Komplikationen wie einer rezidivierenden Makrohämaturie oder einer subvesikalen Obstruktion eine relevante Anzahl an Patienten in den beschriebenen Kollektiven auch eine Salvage-Zystektomie erhalten musste [22].
Robotische Chirurgie
Aktuell ist die offene radikale Zystektomie der Goldstandard und mit Sicherheit die am häufigsten angewendete operative Technik zur radikalen Entfernung der Harnblase. Allerding ist die robotische Chirurgie auch hier zahlenmäßig auf dem Vormarsch, und erste Fallreihen, die publiziert wurden, zeigen vergleichbare onkologische sowie funktionelle Ergebnisse [23]. Besondere operative Schwierigkeiten der robotischen Technik scheinen hierbei in der Rekonstruktion der Harnblase zu liegen, sodass teilweise eine Kombination aus robotisch assistierter Zystektomie sowie offener Rekonstruktion durchgeführt wird. Auch wenn die primäre Zielsetzung eine onkologisch adäquate Resektion des Tumors ist, so sollte auch die Lebensqualität nach Zystektomie beachtet werden, da z. B. der postoperative Kontinenz-Status einen relevanten Einfluss auf die Patientenzufriedenheit sowie die langfristige Lebensqualität zu haben scheint [24, 25].
Systemtherapie des Urothelkarzinoms
Nach aktuellen Leitlinien sollte allen Patienten mit lokalisiertem und nicht metastasiertem Blasentumor eine neoadjuvante Chemotherapie angeboten werden. Im Falle einer lymphogenen Metastasierung im endgültigen histologischen Präparat sollte eine adjuvante Chemotherapie aus Gemcitabin sowie Cisplatin angeboten werden, sofern die Nierenfunktion adäquat ist [2, 3].
Der wichtigste Effekt der neoadjuvanten Chemotherapie ist ein Downstaging bzw. das Erreichen einer T0N0-Situation, welche mit einer sehr guten Prognose einhergeht. Allerdings ist momentan die Stratifizierung der Patienten ein kritischer Punkt: Ein kleiner Teil von ihnen zeigt einen Progress der Erkrankung unter der Systemtherapie, was die Hinauszögerung der Zystektomie in diesen Fällen problematisch erscheinen lässt, wie eine aktuelle Fall-Kontroll-Studie aus der Mayo Clinic nahe legte [20].
Besonders interessant wäre eine molekulare Charakterisierung der Patienten zur Vorhersage, welcher Patient von einer neoadjuvanten Systemtherapie bzw. von einer frühen Zystektomie profitieren würde. Aktuelle Ansätze teilen das Urothelkarzinom anhand verschiedener genetischer Expressionsprofile in einen basalen sowie einen luminalen und einen „p53-like“ Typ ein, wobei basale Tumoren eine schlechtere Prognose haben, aber relativ gut auf die Chemotherapie ansprechen [26]. Zukünftig werden diese Marker sicher eine relevante Rolle spielen, müssen aber für den klinischen Alltag noch auf eine praktikable Anzahl reduziert und anschließend validiert werden.
Bei limitierter lymphogener Metastasierung sollte man mit den Patienten eine induktive Chemotherapie besprechen, wobei im zweiten Schritt bei gutem bildmorphologischem Ansprechen eine Zystektomie angestrebt werden sollte [2, 3]. In einer aktuellen Arbeit von Moschini et al. zeigte sich bei bildmorphologisch begrenzt lymphogen metastasierten Patienten, die zunächst zystektomiert wurden, in der pathologischen Aufarbeitung eine lymphogene Metastasierung in lediglich 51,6% der Fälle [27]. Insgesamt zeigte sich eine hohe tumorspezifische Sterblichkeit von 53% nach fünf Jahren, wobei eine adjuvante Chemotherapie eine deutliche Verbesserung auf das Überleben zeigte.
Metastasierte Erkrankung
In der Therapie des metastasierten Urothelkarzinoms haben wir im letzten Jahr einen grundlegenden Wandel der Therapie durch die Immunonkologie erfahren. Verschiedene Studien haben zur Zulassung dreier Substanzen (Pembrolizumab, Atezolizumab sowie Nivolumab) in der Therapie des metastasierten oder lokal fortgeschrittenen Urothelkarzinoms nach vorheriger platinbasierter Systemtherapie bzw. bei Kontraindikationen für eine klassische Chemotherapie geführt. Insgesamt zeigen sich für alle Substanzen Ansprechraten von etwa 25% sowie ein medianes Gesamtüberleben von rund zehn Monaten, bei einem günstigeren Nebenwirkungsprofil im Vergleich zur Zweitlinien-Chemotherapie. Der PD-L1-Expressionsstatus wird in den verschiedenen Studien unterschiedlich bewertet.
Die Ergebnisse von KEYNOTE-045, die eine Therapie mittels Pembrolizumab und einer Zweitlinien-Chemotherapie verglich, zeigte ein medianes Gesamtüberleben unter Pembrolizumab von 10,3 Monaten verglichen mit 7,4 Monaten unter einer sekundären Chemotherapie (Paclitaxel, Docetaxel oder Vinflunin) mit klarem statistischem Unterschied (Hazard Ratio 0,73; 95%-Konfidenzintervall 0,59–0,91; p = 0,002). Die Rate an relevanten Nebenwirkungen (Grad ≥ 3) war geringer in der Gruppe von Patienten, die mittels Pembrolizumab therapiert wurden (15,0% vs. 49,4%; [28]).
In der KEYNOTE-052-Studie erfolgte eine einarmige Evaluation von Pembrolizumab in der Therapie eines metastasierten oder lokal fortgeschrittenen Urothelkarzinoms in der Erstlinien-Therapie bei Patienten, die nicht für eine platinhaltige Chemotherapie geeignet waren. Hierbei zeigte sich bei einem hohen PD-L1-Expressionsstatus von mindestens 10% eine gute Ansprechrate von 38% [29].
Auch für Nivolumab konnten in der einarmigen CheckMate-032-Studie ein gutes Ansprechen sowie kontrollierbare Nebenwirkungen bei Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom nach platinhaltiger Vortherapie gezeigt werden. Insgesamt wurde eine Ansprechrate von 24,4% sowie eine Rate an relevanten Nebenwirkungen (Grad ≥ 3) von 22% gefunden [30].
In den präliminären Daten der IMvigor-210-Studie zeigte sich bei der einarmigen Evaluation von Atezolizumab in der Erstlinien-Therapie eines metastasierten oder lokal fortgeschrittenen Urothelkarzinoms bei Patienten, die nicht für eine platinhaltige Chemotherapie geeignet waren, eine Ansprechrate von 23% bei gutem Nebenwirkungsprofil [31].