Aktuelle Konzepte in der Diagnostik und Therapie des Nierenzellkarzinoms

In der Therapie des Nierenzellkarzinoms ist nach wie vor die operative Freilegung und Entfernung des Tumors der Goldstandard. In der Diagnostik ist die Schnittbildgebung durch den Kontrastmittel-gestützten Ultraschall erweitert worden, ansonsten beherrscht hier nach wie vor das CT und in speziellen Fragestellungen das MRT die Routine.

Die größten Entwicklungen sieht man in der medikamentösen Therapie des metastasierten Tumorleidens. Hier hat sich durch die Neuzulassung der PDL1-Inhibitoren das Therapiekonzept grundlegend geändert und wird sich mutmaßlich zukünftig auch in der Erstlinientherapie wiederfinden. Auch der Einsatz im adjuvanten Setting wird derzeit erprobt und die Immunonkologie könnte hier neue Maßstäbe setzen.

Derzeit noch fehlend, aber für die weitere Therapie äußerst wünschenswert wäre die Etablierung eines prognostischen Markers bzw. eines Tumormarkers, um ein Therapieansprechen besser beurteilen und verfolgen zu können.

Schlüsselwörter: Nierenzellkarzinom, Kontrastmittel-gestützter Ultraschall, Targeted Therapy, Immuncheckpoint-Inhibitoren, Tumormarker

 


Das Nierenzellkarzinom ist mit einem Anteil von 90% der häufigste bösartige Tumor der Niere und geht vom Epithel verschiedener Nephron-Abschnitte aus (Tab. 1). In der deutschen Krebsstatistik belegt es aktuell bei Männern mit 3,8% der Neuerkrankungen Platz 6 und bei Frauen mit 2,4% Platz 10 der häufigsten Tumorlokalisationen. Unter den urologischen Malignomen ist es bei Männern nach dem Prostatakarzinom und dem Urothelkarzinom der Harnblase der dritthäufigste, bei Frauen sogar der häufigste urologische Tumor [1]. Die Mortalität in Deutschland ist dank früherer Diagnostik und Therapie aktuell sinkend mit 8/100.000 für Männer und 3/100.000 für Frauen; die Inzidenz beträgt etwa 22/100.000 für Männer und 10/100.000 für Frauen [2].

Generell tritt das Nierenzellkarzinom mit einem Verhältnis von 1,5 : 1 häufiger bei Männern auf, mit einem Gipfel zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr. Selten kommt es auch bei Kindern vor. Jüngere Erwachsene sind meist im Rahmen von hereditären Syndromen wie dem von-Hippel-Lindau- oder dem Birt-Hogg-Dubé-Syndrom betroffen oder im Kontext einer tuberösen Hirnsklerose. Eine genetische Veranlagung liegt auch beim hereditären papillären Nierenzellkarzinom (HPRCC) vor. Es wird autosomal dominant vererbt und führt zu papillären Nierenzellkarzinomen (basophil papilläre Histologie, Typ 1). Mutationen im MET-Protoonkogen auf Chromosom 7 sind beschrieben worden; MET kodiert für den Rezeptor für Hepatozyten-Wachstumsfaktor (HGFR). Andere Tumorentitäten außer dem papillären Nierenzellkarzinom sind bei HPRCC nicht gehäuft. 

Allgemein gibt es verschiedene Risikofaktoren für Nierenzellkarzinome wie das Zigarettenrauchen, Adipositas und auch die arterielle Hypertonie, woraus sich wiederum die entsprechenden präventiven Maßnahmen ableiten lassen. Neben Studien, die eine Adipositas als protektiv bewertet haben, gibt es andere, die bei einer bestehenden Adipositas ein um das Zwei- bis Dreifache erhöhtes Risiko für ein Nierenzellkarzinom sehen [3–6].

Mit den in den letzten Jahrzehnten immerzu verbesserten und weit verbreiteten diagnostischen Mitteln wie Ultraschall und der CT-Untersuchung stieg die Anzahl der diagnostizierten Nierenzellkarzinome und damit auch die Inzidenz. Positiv zu beurteilen ist dabei, dass die entdeckten Nierenzellkarzinome zunehmend in einem prognostisch günstigeren Stadium diagnostiziert werden [7, 8]. Die früher oft beschriebene klassische Sym­ptom-Trias aus Flankenschmerz, Makrohämaturie und tastbarem Tumor wird in der Klinik aus den genannten Gründen kaum noch beobachtet: Etwa 75% der Nierentumoren werden im Stadium T1 und T2 diagnostiziert, fortgeschrittene T4-Tumoren haben nur einen geringen Anteil von 2% bei Erstdiagnose.

Diagnostik

Die überwiegende Mehrzahl der Nierenkarzinome wird im Rahmen eines Routine-Ultraschalls erkannt. Bei sonografisch vorliegendem Verdacht auf einen Tumor schließt sich in der Regel eine Schnittbildgebung an. Computer- und Magnetresonanz-Tomografie sind hier äquivalent in der diagnostischen Sensitivität, zumeist wird jedoch aufgrund der besseren Verfügbarkeit und der geringeren Kosten das CT bevorzugt. Relativ neu in der Diagnostik der Nierenkarzinome ist der sogenannte Contrast-Enhanced Ultrasound (CEUS), bei dem das Kon­trastmittelverhalten dynamisch beurteilt werden kann und sich insbesondere zystische Läsionen besser beurteilen lassen.

Computertomografie (CT)

Die Computertomografie ist Mittel der Wahl zur Diagnose bei Verdacht auf einen Nierentumor. Neben dem präoperativen Staging kann anhand des Kon­trastmittelverhaltens auch die Nierenfunktion der Gegenseite eingeschätzt werden. Neben der Beurteilung des Lokalbefundes – Größe, Lage, Ausdehnung, Komplexität des Tumors – kann auch eine systemische oder lymphonoduläre Aussaat beurteilt werden. Eine Lymphadenopathie von über 1 cm ist suspekt für eine lymphonoduläre Metastasierung.

Magnetresonanz-Tomografie (MRT)

Das MRT wird in der Routinedia­gnostik insbesondere bei Vorliegen von Niereninsuffizienz und Kontraindikationen für Kontrastmittel verwendet. In der speziellen Diagnostik ist es bei zweifelhaften Befunden im CT und bei V. a. Infiltration von Nachbarorganen oft sensitiver. Auch lipomatöse Tumoren können im MRT besser differenziert werden. Darüber hinaus findet das MRT immer Anwendung, wenn es um die Ausbreitungsdiagnostik eines Tumorthrombus geht. Sowohl die Tumorzapfen-Ausdehnung als auch eine etwaige Venenwand-Infiltration lassen sich mittels MRT sicher diagnostizieren. 

Konventionelles Röntgen

Das konventionelle Röntgen wird oftmals noch zum Ausschluss von Lungenmetastasen bzw. im Rahmen der Nachsorge verwendet. Oftmals wird die Lunge heute jedoch direkt in der CT-Diagnostik mit gescannt, sodass das konventionelle Röntgen meist nur noch in der Nachsorge von Niedrigrisiko-Karzinomen verwendet wird.

Nierenfunktions-Szintigrafie

Die Nierenfunktions-Szintigrafie kommt präoperativ nur in ausgewählten Fällen zum Einsatz. Die Funktion der Gegenseite kann meist durch das initiale CT mitbeurteilt werden. Eine darüber hinausgehende Funktionsdiagnostik ist nur dann nötig, wenn bei Niereninsuffizienz kein Kontrastmittel gegeben werden konnte, die Gegenseite vielleicht schon chronisch geschädigt ist oder bei sehr großen Tumoren die imperative Indikation zum Organerhalt sicher geprüft werden muss.

Kontrastmittel-gestützter Ultraschall (CEUS)

Dieses Ultraschallverfahren kann insbesondere zur Differenzierung bzw. Diagnose solider Tumoren in zystischen Befunden verwendet werden und zeigt hier eine größere Sensitivität als das klassische Kontrastmittel-CT [9]. Prinzipiell könnte es wie das Kontrastmittel-CT in der Routinediagnostik verwendet werden, allerdings ist das Verfahren derzeit noch aufwendiger und die Ergebnisse insbesondere im Sinne eines präoperativen Stagings noch nicht gut vergleichbar.

Weitere Bildgebung

Der Einsatz weiterer bildgebender Verfahren wird in der Regel nur bei klinischem Verdacht empfohlen. Eine Schädel-Bildgebung gehört (noch) nicht zur Routine-Ausbreitungsdiagnostik und eine Knochenszintigrafie wird nur bei entsprechendem Verdacht angewandt.

Labordiagnostik

Unabhängig von der Bildgebung sollte jeder Patient eine Standard-Labordiagnostik sowie einen Urin-Status erhalten. Einen spezifischen Tumormarker gibt es bislang nicht, jedoch scheinen insbesondere im metastasierten Stadium die Laktatdehydrogenase (LDH) und das Kalzium von prognostischer Relevanz zu sein.

Biopsie

Eine Tumorbiopsie wird präoperativ meist nicht durchgeführt, da eine relativ hohe Rate an falsch-negativen bzw. nicht auswertbaren Resultaten beobachtet wird und sich durch die Biopsie in der Regel keine Änderungen im Therapiekonzept – der Nierenfreilegung – ergeben.

Indiziert ist eine Biopsie jedoch z. B. zur histologischen Sicherung im meta­stasierten Stadium vor Einleitung einer Systemtherapie oder zur Differenzialdiagnose bei V. a. eine Metastase eines anderen Primarius, ein Lymphom oder ein Urothelkarzinom, also in den Fällen, wo unter Umständen nicht die primäre Dissektion die Therapie der Wahl wäre. 

Die aktuellen EAU-Guidelines [10] empfehlen eine Biopsie vor geplanter ablativer Therapie oder Systemtherapie, wenn noch keine histologische Sicherung vorliegt. Darüber hinaus wird die Biopsie empfohlen, wenn eine aktive Überwachung stattfinden soll. Die Biopsie zystischer Tumoren wird nicht empfohlen.

Therapie des lokal begrenzten Karzinoms

Operative Verfahren

Die organerhaltende Nierentumor-Chirurgie stellt die leitlinienkonforme Therapie der Wahl für Patienten mit einem organbegrenzten Nierentumor von bis zu 7 cm Durchmesser dar [10]. Die radikale Tumor-Nephrektomie sollte entsprechend den Leitlinien größeren Tumoren oder Tumoren ≤ 7 cm und anatomisch komplizierter intrarenaler Lage mit potenziell hohem Komplikationsrisiko bei elektiver Indikation vorbehalten bleiben. Aktuelle Untersuchungen lassen vermuten, dass ein organerhaltendes Vorgehen trotz gesunder Gegenniere mit einem si­gnifikant reduzierten kardiovaskulären Mortalitätsrisiko assoziiert ist, sodass von einigen Arbeitsgruppen eine organerhaltende Nierentumorresektion unabhängig von der Tumorgröße als Therapie der Wahl gefordert wird [11, 12]. Ein konservatives Vorgehen oder minimal invasive Verfahren wie z. B. die Radiofrequenzablation sollten nur bei Patienten mit einem hohen operativen Risiko wegen signifikanter Komorbiditäten oder bei kleinen Nierentumoren unklarer Dignität angewandt werden.

Die Nierentumor-Enukleation verfolgt die drei Ziele der onkologischen Kontrolle des Karzinoms: (1) die lokale komplette Tumorresektion mit negativen Schnitträndern im histologischen Präparat, (2) die Aufrechterhaltung der Nierenfunktion i. S. einer stabilen GFR und (3) eine möglichst geringe Therapie-assoziierte Morbidität bzw. möglichst geringe perioperative Komplikationen.

In Abhängigkeit vom primären Tumorstadium kann das Ziel einer onkologischen Kontrolle und Kuration, gemessen an den 5-Jahres-Überlebensraten, bei organbegrenzten Tumoren (pT1) in über 90% der Fälle realisiert werden. Fortgeschrittene Tumoren können in Abhängigkeit vom Tumorstadium noch in 32–74% der Fälle (pT4–pT2) kuriert werden, dann allerdings in den meisten Fällen mittels radikaler Tumor-Nephrektomie [13].

Die Aufrechterhaltung der Nierenfunktion wird durch einen größtmöglichen Erhalt gesunden Nierengewebes gewährleistet. Im klinischen Alltag bedeutet dies, das operative Vorgehen anhand der vorliegenden Bildgebung (meist CT oder MRT) optimal zu planen und die Indikation zum Organerhalt immer zu prüfen.

Sowohl die Nierentumor-Enukleation als auch die radikale Tumor-Nephrektomie können minimal-invasiv laparoskopisch bzw. robotisch-assistiert oder offen durchgeführt werden. Der Hauptvorteil der offenen gegenüber der laparoskopischen Entfernung eines Nierentumors besteht in der kürzeren bzw. fehlenden Ischämie-Zeit. Im laparoskopischen Setting werden die Nierengefäße standardmäßig vor Beginn der Enukleation ausgeklemmt, während sie bei der offenen Operation nur im Bedarfsfall kurzfristig unterbunden werden. Die aktuellen Guidelines sprechen derzeit keine Empfehlung bzgl. des Zugangsweges aus.

Ablative Verfahren

Die gängigen ablativen Therapien sind die Kryoablation oder die Radiofrequenzablation (RFA). Bei der Kryoablation wird der Tumor durch extreme Kälteeinwirkung zerstört, während bei der RFA der gleiche Effekt durch die Applikation von Hitze entsteht. Beide Verfahren sind minimal-invasiv über einen perkutanen Zugangsweg anwendbar und insbesondere bei kleinen, peripher liegenden Tumoren bei multimorbiden Patienten indiziert, bei denen eine höhere perioperative Morbidität zu erwarten ist. In der Realität führen die meisten radiotherapeutischen Kliniken den Eingriff allerdings in Vollnarkose durch, sodass Belastung und Dauer des Verfahrens für den Patienten nahezu denen einer operativen Maßnahme entsprechen.

Sowohl die Kryoablation als auch die RFA werden über einen perkutanen Zugang oder laparoskopisch-assistiert durchgeführt. Die Komplikationsrate ist für beide Zugangswege nahezu identisch, jedoch ist die mittlere Länge des Krankenhausaufenthaltes beim perkutanen Verfahren kürzer [14–16].

Im Vergleich beider Verfahren mit der partiellen Nephrektomie scheinen die ablativen Verfahren mit einer geringeren Komplikationsrate einherzugehen. Dafür wird nach Ablation häufiger das Auftreten von Lokalrezidiven beobachtet, aber es scheint dennoch nicht häufiger zur metastatischen Erkrankung zu kommen [17].

Active Surveillance (Aktive Überwachung, AS)

Die aktive Überwachung ist definiert als ein Monitoring der Tumorgröße durch regelmäßige Schnittbildgebung mit eventueller verzögerter Intervention, falls sich im Follow-up ein Progress zeigen sollte. Insbesondere kleine Tumoren (< 4 cm) sind hierfür geeignet, da sie in 22–46% der Fälle gutartig sind und die bösartigen Befunde in weniger als 10% der Fälle ein aggressives Wachstumsmuster aufweisen. Weniger als 2% der sogenannten „small renal masses“ werden im Verlauf der Erkrankung Metastasen bilden. Die Wachstumsrate beträgt in der Regel etwa 0,1 cm/Jahr, wobei eine höhere Wachstumsrate auch meist mit einer ungünstigeren Pathologie korreliert [18–20]. Dementsprechend profitieren insbesondere ältere, komorbide Patienten von der aktiven Überwachung und können somit u. U. ohne weitere invasive Maßnahmen sicher überwacht werden. Im kurzfristigen und mittleren Follow-up ist die aktive Überwachung der partiellen Nephrektomie nicht unterlegen [21].

Therapie des Lokalrezidivs

Lokalrezidive treten in der Regel in der Fossa renalis bzw. bei primärem Organerhalt an der Niere selbst oder in seltenen Fällen auch als isoliertes Vena-cava-Rezidiv auf. Rezidive können prinzipiell nach jeder Form von lokaler Primärtherapie – organerhaltende Chirurgie, radikale Nephrektomie oder ablative Verfahren – auftreten.

Die Rezidivrate nach pT1-Nieren-Teilresektion beträgt etwa 2,2% [22]. Nach ablativen Verfahren werden Rezidivraten von bis zu 12% beschrieben [23]. Positive Schnittränder scheinen mit der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Lokalrezidivs zu korrelieren, jedoch besteht keine Korrelation zum Gesamtüberleben [24]. Das Überleben wird überwiegend durch das Auftreten von Fernmetastasen bestimmt, welche in der Regel ohne lokales Rezidiv entstehen.

Therapeutisch besteht letztlich immer die Indikation zur chirurgischen Sanierung. Bei Patienten, die eine Operation ablehnen oder aufgrund signifikanter Begleiterkrankungen nicht narkosefähig sind, kann eine Ablation mittels Radiofrequenzablation (RFA) oder Cyber-

Knife diskutiert werden, stellt aber keinen Standard dar. Auch die medikamentöse Systemtherapie kann im Zweifelsfall eingeleitet werden, aber ähnlich wir beim Primärtumor sind die Ansprechraten hier sehr schlecht bzw. es liegt wenig Evidenz vor, sodass der operativen Sanierung hier immer der Vorrang gegeben werden sollte.

Therapie des primär metastasierten Nierenzellkarzinoms (mRCC) – zyto­reduktive Nephrektomie

Die Rolle der zytoreduktiven Ne­phrektomie wurde in der Ära der Zytokine gut untersucht. Insbesondere zwei große prospektive Studien (SWOG-8949 [25] und EORTC-3047 [26]) bewiesen eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) von 13,6 vs. 7,8 Monaten und zusätzlich ein verbessertes progressionsfreies Überleben (PFS) für Patienten, die sich einer zytoreduktiven Nephrektomie unterzogen hatten, gegenüber denen, die nur Zytokine erhalten hatten.

Nach dem Paradigmenwechsel in der Systemtherapie von Zytokinen auf die Targeted Therapy wurde auch die Rolle der zytoreduktiven Nephrektomie neu untersucht. Mit Neueinführung der Targeted Therapy und der damit verbundenen Hoffnung auf längerfristiges Therapieansprechen nahm die Rate der durchgeführten zytoreduktiven Eingriffe zunächst drastisch ab. Bis 2005 wurden etwa 50% der Patienten mit einem T4-Tumor operiert, während es anschließend bis 2008 nur noch 38% waren [27]. Spätere Studien zeigten jedoch wieder den Vorteil der zytoreduktiven Nephrektomie: Choueri et al. [28] demonstrierten einen Überlebensvorteil von zehn Monaten zugunsten der Patienten, die vor Beginn einer Systemtherapie nephrektomiert wurden. Auch Heng et al. [29] konnten in einer Datenbank-Analyse einen Überlebensvorteil der zytoreduktiven Nephrektomie mit median 20,6 Monaten gegenüber 9,5 Monaten unter der alleinigen Systemtherapie darlegen. In derselben Arbeit wurden auch potenzielle Selektionskriterien für Patienten, die von einer zytoreduktiven Nephrektomie profitieren würden, beschrieben: Die IMDC-Kriterien (International Metastatic Renal Cell Carcinoma Database Consortium) umfassen sechs präoperative Risikofaktoren, nämlich einen Karnofsky Score < 80%, einen Hämoglobin-Wert unterhalb der Norm, Neutrophilen- und Thrombozyten-Zahlen oberhalb der Norm, eine Zeit zwischen Erstdia­gnose und Beginn der Systemtherapie von weniger als einem Jahr und ein korrigiertes Serum-Kalzium oberhalb der Norm. Die Autoren arbeiteten heraus, dass bei Vorliegen von mindestens vier dieser Faktoren kein signifikanter Benefit der zytoreduktiven Nephrektomie besteht. Dieser Zusammenhang zwischen dem Vorliegen der Risikofaktoren und dem Nephrektomie-Status war statistisch signifikant, sodass diese Kriterien heute in der Klinik meist angewandt werden.

Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms

Trotz verbesserter Diagnostik durch den vermehrten Einsatz von Ultraschall im Rahmen der Routinediagnostik und dann frühzeitiger weiterführender Dia­gnostik mit CT oder MRT ist jeder dritte Patient bei der Erstdiagnose bereits metastasiert. Darüber hinaus werden etwa 30% der Patienten mit einem primär lokalisierten Tumor nach der entsprechenden Lokaltherapie im weiteren Verlauf metastasieren [30, 31].

Die Metastasen-Ausbreitung verläuft in der Regel hämatogen und lymphogen an folgenden Lokalisationen:

- Lunge 45%

- Knochen 30%

- Lymphknoten 20%

- Leber 20%

- Sonstige 10%.

Als prognostisch günstig werden Lungenmetastasen angesehen, als pro­gnostisch ungünstig Knochen-, Lymphknoten-, Leber- und Gehirnmetastasen.

Metastasektomie

Trotz des verbesserten Überlebens metastasierter Patienten durch die Einführung der Targeted Therapy hat die Meta­stasen-Chirurgie nach wie vor einen hohen Stellenwert im multimodalen Therapiekonzept des metastasierten Nierenzellkarzinoms – zumindest in einem selektierten Patientengut: Es gibt viele re­trospektive Analysen, die einen Benefit der Entfernung von Metastasen bei geringer Komplikationsrate belegen, jedoch existiert in Ermangelung randomisierter klinischer Studien bis dato keine Level-1-Evidenz für diesen Ansatz.

Alt et al. [32] konnten einen Überlebensvorteil für die komplette Metastasen-Resektion zeigen, wenn es sich um zwei oder mehr Metastasen handelte. In dieser Studie hatten Patienten ohne Metastasen-Resektion ein dreifach höheres Sterberisiko, unabhängig von der Metastasen-Anzahl, dem ECOG-Performancestatus oder der Metastasen-Lokalisation. Insbesondere Patienten mit Lungenmetastasen profitierten mit einer krebsspezifischen 5-Jahres-Überlebensrate von 74% am meisten von der Metastasen-Chirurgie. Sowohl diese als auch diverse andere Studien belegen einen Überlebensvorteil für Patienten, deren Metastasen komplett reseziert wurden, im Vergleich zu denen mit inkompletter Resektion. Naito et al. [33] z. B. evaluierten dies retrospektiv an 556 Patienten, wobei sich ein Überlebensvorteil von median 109,8 vs. 31,9 Monaten für die komplette Resektion zeigte.

Im klinischen Alltag präsentieren die Patienten sich meist nicht nur einmalig mit einer singulären Metastase, sondern das Therapiekonzept wird meist als multimodales Konzept mit einer Kombination aus Systemtherapie und Lokaltherapie durchgeführt.

Pharmakotherapeutische Optionen

Im Gegensatz zu den meisten bekannten Tumorentitäten spricht das metastasierte oder fortgeschrittene Nierenzellkarzinom nicht auf eine klassische Chemotherapie an. Goldstandard ist die sogenannte Targeted Therapy mit Tyrosinkinase-Inhibitoren, mTOR-Inhibitoren oder einem VEGF-Antikörper. Dem Wirkmechanismus zugrunde liegt eine Interaktion zwischen den Wachstumsfaktoren TGF-α (Transforming Growth Factor α), EGF (Epidermal Growth Factor), PDGF (Platelet-derived Growth Factor) und VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) und ihren entsprechenden Rezeptoren. In der Regel setzt eine Rezeptorstimulierung eine Signalkaskade in Gang, die zu Neoangiogenese und Zellproliferation und darüber zu vermehrtem Tumorwachstum führt. Die genannten Substanzklassen blockieren die Signaltransduktion auf unterschiedlichen Ebenen. Unter sequenzieller Therapie mit den verfügbaren Medikamenten können derzeit Überlebensraten von etwa 34 Monaten erreicht werden [34–36].

Relativ neu auf dem Markt und ebenfalls bereits mit starker Empfehlung in die Leitlinien aufgenommen ist der monoklonale Antikörper Nivolumab. Er blockiert den sogenannten Programmed Death Receptor-1 (PD-1) auf T-Zellen und hemmt dadurch die Interaktion mit den Liganden PD-L1 und PD-L2 auf den Tumorzellen, durch die die anti-tumorale Aktivität der T-Zellen gehemmt würde. Nivolumab ist somit ein immunstimulierender und indirekt anti-tumoraler Wirkstoff. In der Zulassungsstudie CHECKMATE 25 [37] konnte ein signifikant längeres Gesamtüberleben (median 25 vs. 19,6 Monate) unter Nivolumab im Vergleich zu einer Therapie mit dem mTOR-Inhibitor Everolimus nachgewiesen werden. 

Derzeit befinden sich noch weitere Wirkstoffe in der Erprobungsphase, die medikamentöse Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms ist also noch nicht ausgereizt. Insbesondere wird die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab in der Erstlinie als neuer Goldstandard diskutiert, ist aber derzeit in Deutschland noch nicht zugelassen.

Die Wahl der Erstlinientherapie richtet sich nach dem individuellen Risikoprofil entsprechend den IMDC-Kriterien (Tab. 2; [38]).

Die aktuellen Leitlinien der European Association of Urology (EAU) sprechen die in Tab. 3 angegebenen Empfehlungen zum Einsatz der Systemtherapie aus [10]. Allen Therapien gemeinsam ist neben der zwar nachgewiesenen anti-tumoralen Wirkung leider auch ein relativ ausgeprägtes Nebenwirkungsspektrum, sodass eine Metastasen-Resektion bei entsprechenden Grundvoraussetzungen immer in Betracht gezogen werden sollte.


Summary:
Current concepts in diagnosis and therapy of renal cell carcinoma

Surgical dissection and removal of the tumor is the therapeutic gold standard of renal cell carcinoma. Regarding diagnostics computed tomography and for certain purposes magnetic resonance imaging are dominating the field which has, however, been expanded by the use of contrast-enhanced ultrasound.

Major developments have been made concerning systemic therapy of metastatic disease. Approval of PD-1 and PD-L1 inhibitors has dramatically changed the therapeutic concepts, and these substanc­es are supposed to be found in first-line treatment very soon. In addition, immunotherapy is currently being tested in the adjuvant setting, where immuno-oncology is expected to set new standards.

Missing at the moment, but very de­sirable would be the establishment of prognostic markers or tumor markers to permit better assessment and follow-up of therapeutic responses.

Keywords: renal cell carcinoma, contrast-enhanced ultrasound, targeted ther­apy, immune checkpoint inhibition, tumor markers

Autor
Dr. med. Caroline Kauffmann
Klinik für Urologie, Uro-Onkologie, spezielle urologische und roboter-assistierte Chirurgie
Klinikum der Universität Köln
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