Systemtherapie bei Tumoren des Kopf-Hals-Bereichs
Die Immuntherapie ist nun Bestandteil der Therapie von lokal rezidivierten oder fernmetastasierten Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs (r/mHNSCC). Standard in der Erstlinie ist eine Chemoimmuntherapie mit einer Platindoublette und dem EGFR-Antikörper Cetuximab. Bisher präsentiert bzw. publiziert sind außerdem Daten für platinresistente Tumoren, für die Nivolumab aufgrund seiner Wirksamkeit und Verträglichkeit als Standardtherapie gilt, aber auch Pembrolizumab ist mittlerweile in der Europäischen Union bei Tumoren mit hoher PD-L1-Expression (TPS ≥ 50%) zugelassen. Beim ESMO-Kongress 2019 werden erste Resultate der Studien zur Erstlinientherapie erwartet, in denen Checkpoint-Inhibitoren entweder mit einer Chemotherapie oder mit einem zweiten Checkpoint-Inhibitor kombiniert werden. Weitere Studien rekrutieren, in denen Checkpoint-Inhibitoren sowohl in weiteren Kombinationen in der Palliativsituation wie auch als Teil einer potenziell kurativen multimodalen Behandlung in Kombination mit Radio(chemo)therapie getestet werden.
Schlüsselwörter: Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom, r/mHNSCC, Chemoimmuntherapie, Checkpoint-Inhibition
Trotz intensiver multimodaler Therapie kommt es bei ca. 30% der Patienten mit lokal fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs zu Lokalrezidiven oder Fernmetastasierung (r/mHNSCC). Diese Patienten befinden sich also in der Regel in einer Palliativsituation, denn nur in wenigen Fällen ist in diesen Stadien eine Salvagetherapie mit kurativer Intention möglich. Die Kombination des monoklonalen Antikörpers Cetuximab mit Platinsalzen und 5-Fluorouracil gilt seit rund zehn Jahren aufgrund der Daten der randomisierten Phase-III-Studie EXTREME als Standardbehandlung in dieser Situation [1].
Für die Behandlung nach Progression unter der platinhaltigen Erstlinientherapie gab es lange keinen Therapiestandard. Am häufigsten wurden hier Taxane, Methotrexat, Vinorelbin oder Cetuximab eingesetzt. Wie bei verschiedenen anderen Tumoren stehen nun zunehmend mehr Daten zur Wirkung von Immuntherapien bei den Kopf-Hals-Tumoren zur Verfügung. Die bisher publizierten Studien untersuchten die Wirksamkeit von Immuncheckpoint-Inhibitoren in der palliativen Situation.
KEYNOTE-012, eine Phase-Ib-Studie, die beim ASCO-Kongress 2015 präsentiert wurde, zeigte zum ersten Mal eine Wirksamkeit eines Checkpoint-Inhibitors bei r/mHNSCC. Die Ansprechrate betrug 24,8% bei HPV-negativen und 20,6% bei HPV positiven Patienten. Aufgrund dieser Resultate erhielt Pembrolizumab eine beschleunigte Zulassung in den USA [2].
Check-Mate-141 war eine randomisierte Phase-III-Studie mit Nivolumab bei Patienten mit r/mHNSCC und Progredienz nach einer Cisplatin-haltigen Chemotherapie [3]. Die Patienten waren intensiv vorbehandelt, ein wesentlicher Anteil (34,6%) mit zwei, ein weiterer Teil (19,9%) sogar mit drei Therapielinien. Auch Patienten, welche innerhalb von sechs Monaten nach einer kurativ intendierten, Cisplatin-haltigen Radiochemotherapie progredient waren, konnten eingeschlossen werden.
Insgesamt wurden 361 Patienten im Verhältnis 2 : 1 entweder in einen Arm mit Nivolumab (3 mg/kg alle zwei Wochen) oder in einen Kontrollarm randomisiert, in dem sie entweder Docetaxel, Methotrexat oder Cetuximab erhielten. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben.
Die Resultate zeigen die Überlegenheit der Immun-, verglichen mit einer Chemotherapie: Die mediane Überlebensdauer war im Nivolumab-Arm mit 7,5 Monaten höher als im Kontrollarm mit 5,1 Monaten, was bei einer Hazard Ratio von 0,70 (95%-Konfidenzintervall 0,51–0,96) und mit einem p-Wert von < 0,01 statistisch signifikant war (Abb. 1). Die Gesamtüberlebensrate nach einem Jahr war im Nivolumab-Arm mehr als doppelt so hoch wie im Chemotherapie-Arm (36% vs. 16,6%). Die Patienten mit einer PD-L1-Expression von ≥ 1% profitierten am meisten von der Nivolumab-Therapie. Hier betrug die mediane Überlebenszeit 8,7 im Vergleich zu 4,6 Monaten im Chemotherapie-Arm (HR 0,55; 95%-KI 0,36–0,83). Beim progressionsfreien Überleben war kein Unterschied zwischen den beiden Armen erkennbar (Abb. 1).

Sowohl Patienten mit HPV-assoziierten wie auch solche mit HPV-negativen Tumoren profitieren von der Immuntherapie, wobei der Nutzen bei HPV-Positivität in dieser Analyse höher war. In Bezug auf die Lebensqualität konnte bei diesen intensiv vorbehandelten und häufig polymorbiden Patienten im Nivolumab-Arm für alle untersuchten Bereiche eine Stabilisierung oder Besserung gezeigt werden, während es im Kontrollarm zu einer Verschlechterung kam [4].
Die Überlegenheit von Nivolumab konnte auch nach einer längeren Beobachtungszeit bestätigt werden [5]: Nach zwei Jahren lag das Gesamtüberleben im Nivolumab-Arm bei 16,9% und im Chemotherapie-Arm bei 6% (HR 0,68; 95%-KI 0,54–0,86), und zwar unabhängig von HPV-Status bzw. PD-L1-Expression [6].
CheckMate-141 ist somit die erste und bisher einzige randomisierte Phase-III-Studie beim platinrefraktären r/mHNSCC, die eine statistisch signifikante und klinisch bedeutsame Verbesserung des Gesamtüberlebens zeigen konnte. Aufgrund dieser Resultate erhielt Nivolumab eine Zulassung für die Behandlung des platinrefraktären r/mHNSCC in den USA und in Europa.
Eine ähnlich konzipierte, randomisierte Phase-III-Studie (KEYNOTE-040) für Patienten mit r/mHNSCC verglich Pembrolizumab mit einer Kontroll-Monotherapie (Docetaxel, Methotrexat oder Cetuximab) nach Wahl des Prüfers. Bei der ersten Präsentation der Daten beim ESMO-Kongress 2017 war die Verlängerung des Gesamtüberlebens statistisch nicht signifikant (8,4 vs. 7,1 Monate; HR 0,81; 95%-KI 0,66–0,99; p = 0,0204), wohl aber bei den Patienten mit einer PD-L1-Expression von ≥ 50% (11,6 vs. 7,9 Monate; HR 0,54; 95%-KI 0,35–0,82; p = 0,0017; [7]). Bei der Präsentation der kompletten Daten beim AACR-Kongress 2018 zeigte sich eine statistisch signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens (8,4 vs. 6,9 Monate; HR 0,80; 95%-KCI 0,65–0,98; p = 0,0161). Bei Patienten mit hoher PD-L1 Expression (TPS ≥ 50% betrug das Gesamtüberleben 11,6 Monate im Pembrolizumab- und 6,6 Monate im Kontrollarm (HR 0,53; 95%-KI 0,35–0,81; p = 0,0014; [8]).
Diese Daten führten zu einer Zulassung von Pembrolizumab als Zweitlinientherapie für die Patienten mit einem TPS ≥ 50% in den USA und EU. Die Publikation wird erwartet [9].
Rekrutierende und vor Kurzem abgeschlossene Studien
Der Stellenwert der Immuntherapie in der Erstlinienbehandlung ist in mehreren Studien geprüft worden, und die Resultate werden erwartet. In diesen Studien werden die Checkpoint-Inhibitoren nicht nur als Monotherapie, sondern auch in Kombinationen eingesetzt, und zwar entweder mit einer Chemotherapie oder mit einem zweiten Checkpoint-Inhibitor.
KEYNOTE-048 ist eine randomisierte Phase-III-Studie bei Patienten mit r/mHNSCC, bei denen das Rezidiv frühestens sechs Monate nach Ende der kurativen Therapie auftrat. Die Patienten wurden auf eine Kombination aus Pembrolizumab und Chemotherapie (Platin und 5-Fluoruracil), eine Pembrolizumab-Monotherapie oder in einen Kontrollarm mit dem EXTREME-Schema (Platin, 5-FU und Cetuximab) randomisiert. Die ersten Ergebnisse wurden soeben beim ESMO-Kongress 2018 präsentiert [9]:
Bezüglich des Gesamtüberlebens war Pembrolizumab sowohl als Monotherapie wie auch in Kombination mit Chemotherapie dem bisherigen Standard überlegen. Von der Pembrolizumab-Monotherapie profitierten insbesondere Patienten mit hoher PD-L1-Expression – für den Kombinationsarm stehen die Daten bezüglich dieses Biomarkers noch aus. Die Ansprechraten waren unter Pembrolizumab-Monotherapie niedriger als im Standardarm.
Man kann nach diesen Ergebnissen davon ausgehen, dass Pembrolizumab als Monotherapie sowie in Kombination mit Chemotherapie in absehbarer Zukunft zugelassen und zur Standard-Erstlinientherapie für Patienten mit r/m HNSCC wird.
CheckMate-651, eine weitere Phase-III-Studie für eine vergleichbare Population, rekrutiert zurzeit noch. Hier wird die Kombination von Nivolumab und Ipilimumab gegen das EXTREME-Schema in der Erstlinie geprüft [10].
In der KESTREL-Studie werden die Patienten entweder in einen Arm mit einer Durvalumab-Monotherapie oder in einen Kombinationsarm mit Durvalumab und Tremelimumab randomisiert, während sie in einem Kontrollarm auch hier nach dem EXTREME-Protokoll behandelt werden [11].
Bei platinrefraktären r/mHNPCC werden Kombinationen der Checkpoint-Inhibitoren in Phase-I-Studien geprüft, z. B. Nivolumab in Kombination mit Anti-LAG-3- oder Anti-GITR-Antikörper. Zurzeit prüfen außerdem mehrere Studien Kombinationen von Immuntherapie und Radiotherapie bzw. Radiochemotherapie in einer kurativen Situation.
Systemic therapy for head and neck cancer
Summary
Immunotherapy is now an integral part of the treatment for locally recurrent or metastatic squamous-cell carcinomas of the head and neck (r/mHMSCC). The current standard for the first-line is chemoimmunotherapy including a platinum doublet and the EGFR antibody cetuximab. For the platinum-resistent situation data have been presented or published which proved efficacy and tolerability of nivolumab, and for tumors with high PD-L1 expression (TPS ≥ 50%) pembrolizumab has also been approved within the European Union. For 2018/2019 results of trials are anticipated in which checkpoint inhibitors have been given in the first-line setting in combination with either chemotherapy or with a second checkpoint inhibitor. In addition, studies are recruiting in which patients are treated in the palliative setting as well as with multimodal protocols (combinations with radio(chemo-)therapy) in a curative intention.
Keywords: squamous-cell carcinoma of the head and neck, r/mHNSCC, chemoimmunotherapy, checkpoint inhibition