Radiotherapie versus Chirurgie für Kopf-Hals-Tumoren (Mundhöhle, Oropharynx, Larynx, Hypopharynx)

Plattenepithelkarzinome im Kopf-Hals-Bereich können mittels Chirurgie, Radiotherapie und Chemotherapie oder einer Kombination der verschiedenen Modalitäten behandelt werden. Während bei Frühstadien meist die unimodale Therapie zur Krankheitskontrolle führt, wird bei fortgeschrittenen Stadien (Stadium III und IV) zur Kuration eine Kombinationstherapie erforderlich. Bei der Wahl der initialen Modalität spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Genauer Ort und Ausdehnung des Tumors, Lymphknoten-Status, allfällige Vorbehandlungen oder -erkrankungen, die erwartete posttherapeutische Funktionalität des betroffenen Organs und nicht zuletzt Patienten-Präferenzen müssen sorgfältig abgewogen werden. Die Entscheidung zur Therapie sollte stets interdisziplinär und erst nach umfassender Diagnostik getroffen werden. 


Schlüsselwörter: Kopf-Hals-Karzinom, Mundhöhlenkarzinom, Plattenepithelkarzinom der Schleimhaut, Chirurgie, Radiotherapie


In diesem Beitrag beschränken wir uns auf Plattenepithelkarzinome von Mundhöhle, Mundrachen (Oropharynx), Kehlkopf (Larynx) und unterem Rachen (Hypopharynx), zumal dies die häufigsten Tumoren sind, die aufgrund ihrer verschiedenen Lokalisationen bereits eine heterogene Gruppe darstellen [1]. Der Nasenrachen-Krebs (Nasopharynxkarzinom) und die sinu-nasalen Karzinome gehören zwar auch zu den Tumoren von Kopf und Hals, werden aber in diesem Artikel aufgrund ihrer eigenen Ätiopathogenese, spezifischen Epidemiologie und Biologie nicht diskutiert werden. 

Gemeinsam ist all diesen Tumoren, dass sie meist in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert werden und eine enge anatomische Beziehung zu funktionell und kosmetisch wichtigen Strukturen aufweisen. Die Erhaltung dieser Strukturen ist bei der Therapie wichtig, zumal dadurch die posttherapeutische Lebensqualität maßgeblich beeinflusst wird. Risikofaktoren für die Entstehung dieser Karzinome ist die langjährige Exposition gegenüber Nikotin und Alkohol. Zudem wurde die Rolle des humanen Papillomvirus bei der Entstehung von Oropharynxkarzinomen erkannt (Einzelheiten siehe Artikel „HPV-Positivität beim Kopf-Hals-Tumor“, S. 429; [2]). 

Die kurative Therapie von Kopf-Hals-Tumoren beinhaltet den Einsatz von Chir­urgie, Radiotherapie und Chemotherapie. Im Frühstadium (Stadium I und II) ist meist eine unimodale Therapie (Chirurgie oder Radiotherapie) ausreichend, während fortgeschrittene Stadien (Stadium III und IV) den kombinierten Einsatz mehrerer Modalitäten wie die chirurgische Resektion mit adjuvanter Radiotherapie oder die primäre Radiochemotherapie erfordern [3, 4]. Die zusätzliche Gabe einer Systemtherapie zur Radiotherapie (in der Regel Cisplatin, alternativ der Anti-EGFR-Antikörper Cetuximab) zeigte in mehreren Studien eine verbesserte loko-regionäre Kontrolle [3], jedoch zum Preis einer erhöhten Toxizität [5]. Gelegentlich kommen auch alle drei Modalitäten zum Einsatz (Chirurgie und adjuvante Radiochemotherapie und/oder primäre Radiochemotherapie gefolgt von Chirurgie). Eine alleinige Chemotherapie wird meist nur als palliative Therapie eingesetzt. Eine selten angewendete Variante stellt der Einsatz einer Induktions-Chemotherapie, gefolgt von einer Radiochemotherapie, dar, zumal die Datenlage für einen breiten Einsatz dieses Konzeptes nicht ausreichend ist. In Tab. 1 sind klinische Indikationen, in denen eine Induktions-Chemotherapie diskutiert werden kann, aufgeführt (siehe Tab. 1; [6]).

Nachteile einer Induktions-Chemotherapie sind die Verlängerung des gesamten Behandlungszeitraums, die erhöhte Toxizität (z. B. lebensbedrohliche hämorrhagische Kolitis bei TCF-Induktions-Chemotherapie: Docetaxel, Cisplatin, 5-Fluorouracil) und das Fehlen eines in randomisierten Studien nachgewiesenen verbesserten Gesamtüberlebens [7, 8]. Außerdem gibt es aus retrospektiven Studien Hinweise, dass die Induktions-Chemotherapie die Verträglichkeit der anschließend geplanten kurativen Radiochemotherapie verschlechtert, was mit prognostisch ungünstigen Therapieunterbrechungen oder Dosisreduktionen einhergehen kann [9]. Eine neoadjuvante Chemotherapie vor einer Operation wird bei Kopf-Hals-Karzinomen in der Regel nicht durchgeführt.

Die Wahl der primären Therapiemodalität (Chirurgie vs. Radiotherapie) hängt von vielen Faktoren ab und sollte im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz und mit dem Patienten besprochen werden. Prinzipiell kann man folgende Vor- und Nachteile für die jeweilige Modalität festhalten:

Die Radiotherapie hat den Vorteil, dass der Tumor durch den Einsatz von ionisierenden Strahlen entfernt wird, ohne das betroffene Organ anatomisch zu zerstören (organerhaltende Therapie). Ferner können die Hals-Lymphknoten zusammen mit dem Primärtumor bestrahlt werden. Ein Nachteil der Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich sind neben den teilweise ausgeprägten akuten Nebenwirkungen (Mukositis, Dermatitis, Geschmacksveränderungen) die zum Teil langfristigeren Nebenwirkungen wie Xerostomie oder Fibrosen. Diese waren in der Vergangenheit oft stark ausgeprägt und trugen zu einer verminderten Lebensqualität bei. Seit der Einführung der Intensitäts-modulierten Radiotherapie (IMRT) mit der Möglichkeit zur gezielten Schonung von Risikoorganen, z. B. den Parotiden, haben die bleibenden Nebenwirkungen der Radiotherapie deutlich abgenommen [10]. 

Ein weiterer Nachteil der Radiotherapie war bisher, dass sie nur in Ausnahmefällen an derselben Lokalisation wiederholt werden konnte (sog. Re-Bestrahlung; [11]). Somit musste bei Tumorrezidiv/Persistenz nach Radiotherapie eine andere Modalität folgen, d. h. entweder eine Operation (sog. Rettungschirurgie – salvage surgery) oder die alleinige palliative Chemotherapie. In den letzten Jahren wird mit den verbesserten Techniken jedoch immer öfter eine Re-Bestrahlung möglich ([12]; Abb. 1), die aber im Einzelfall gut überlegt werden muss, insbesondere bei Persistenzen oder Frührezidiven (weniger als ein Jahr nach Abschluss der Bestrahlung). Letztere weisen oft eine relative Strahlenresistenz auf und die Chance auf eine Kuration ist mit einer nochmaligen alleinigen Strahlentherapie leider gering. 

Neben dem reinen „anatomischen“ Organerhalt bleibt im Weiteren die Evaluation der Funktion eines Organs wichtig. Diese ist – bedingt durch die Nebenwirkungen der Bestrahlung – oft nach wiederholtem Einsatz der Radiotherapie wesentlich eingeschränkt.

Der Einsatz der Chirurgie setzt grundlegend eine Narkosefähigkeit des Patienten voraus. Vorteile der Chirurgie sind die kürzere Behandlungszeit, die höhere Chance auf Tumorkontrolle im Falle von Knochen- oder Knorpel-Infil­tration und der Erhalt einer vollständigen Histologie mit Details zu Tumorgröße, Tumor-Infiltrationstiefe und Ausmaß des Lymphknotenbefalls sowie Angaben zur Tumorbiologie (Grading, Perineuralscheiden-Infiltration). Die chirurgische Therapie kommt auch im Falle eines Rezidivs oder Zweitkarzinoms wieder als Therapieoption infrage. Je nach Lokalisation und Größe kann die Chirurgie dank den heute zur Verfügung stehenden technischen und rekonstruktiven Maßnahmen vermehrt ohne wesentliche kosmetische oder funktionelle Einbußen durchgeführt werden. 

Die Entscheidung zwischen Radiotherapie und Chirurgie ist eine komplexe Angelegenheit und sollte auf verschiedenen Patienten- und Tumor-bezogenen Faktoren beruhen, welche in den nächsten Abschnitten in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation (Mundhöhle, Oropharynx, Larynx und Hypopharynx) erläutert werden. 

Mundhöhle

Anatomisch beinhaltet die Mundhöhle Mundvorhof, Mundboden, Zunge bis an die Papillae vallatae, harten Gaumen, Trigonum retromolare sowie die bukkale Schleimhaut. Am häufigsten treten Mundhöhlenkarzinome im Bereich des Zungenrandes und des Mundbodens auf. Mundhöhlenkarzinome zeigen ein erhöhtes Lokalrezidiv-Risiko nach alleiniger Radiochemotherapie. Ferner ist aufgrund der Nähe zum Unterkiefer die Anwendung einer kurativen Bestrahlungsdosis in Falle einer primären Radiatio mit einem erhöhten Risiko für eine Osteo-Radionekrose verbunden. Somit werden Mundhöhlenkarzinome in der Regel primär operiert, wobei sowohl der Primärtumor als auch der Lymphabfluss behandelt werden muss. Bei lokal fortgeschrittenen Befunden oder Vorliegen von mehreren Risikofaktoren (knappe Resektionsränder, nodale Metastasen, L1, pN1) ist zusätzlich die adjuvante Radiotherapie indiziert.

Prinzipien der Chirurgie beim Mundhöhlenkarzinom

Für den Primärtumor ist das Ziel die En-bloc-Resektion des Tumors mit einem mikroskopischen Sicherheitsabstand von mindestens 5 mm. Dies erfordert bei beispielweise einem Zungenrandkarzinom eine Teil-Glossektomie. Ist der chir­urgische Defekt nicht zu groß, kann eine Heilung per secundam abgewartet werden, was bei kleineren Tumoren (T1: 0–2 cm im Durchmesser oder ausgewählte T2: 2–4 cm im Durchmesser) möglich ist.

Bei größeren Tumoren (T3 oder größer) wird durch die Resektion der Defekt zu groß und kann nicht primär abheilen. Diese Fälle werden in der Regel mit einem mikrovaskulären Haut- und/oder Muskeltransplantat gedeckt. Hierzu wird häufig der Vorderarm-/Radialis-Lappen verwendet. Dabei wird eine Hautinsel an der volaren Seite des Vorderarms entnommen und in den Resektionsdefekt eingenäht. Die Blutversorgung der Hautinsel wird durch eine Mikro-Anastomose zwischen der die Hautinsel versorgenden Arterie und Vene und den zervikalen Gefäßen gewährleistet (Abb. 2).

Ist der Kieferknochen bereits durch den Tumor infiltriert, muss die chirurgische Resektion des Tumors mitsamt einem Abschnitt des Kiefers erfolgen. Der knöcherne Defekt wird dann üblicherweise auch mit einem freien mikro-anastomosierten Lappen rekonstruiert, welcher eine Hautinsel (für den mukosalen Defekt) und ein Stück Knochen beinhaltet. Häufig wird dazu der Fibula-Lappen verwendet. 

Prinzipien der chirurgischen 
Behandlung des Lymphabflusses bei Mundhöhlenkarzinomen

Tumoren der Mundhöhle weisen bei der Diagnosestellung häufig Lymph­knotenmetastasen auf. Das Vorhandensein von zervikalen Lymphknotenmetastasen ist der wichtigste prognostische Faktor beim Mundhöhlenkarzinom. Eine genaue Untersuchung des Lymphknotenstatus ist somit essenziell. Bei klinisch manifesten zervikalen Lymphknotenmetastasen wird eine Neck dissection durchgeführt. Es werden alle ipsilateralen Lymphknoten entfernt [13]. Auch bei Fehlen von klinisch manifesten Lymphknotenmetastasen (cN0) erfolgt bei Patienten mit großen Tumoren (T3–T4) eine elektive Neck dissection, da das Risiko für okkulte Lymphknotenmetastasen für ein beobachtendes Vorgehen zu hoch ist [14]. Ferner muss im Fall einer geplanten Rekonstruktion der Zugang zu den Halsgefäßen gewährleistet werden. 

Bei kleineren Tumoren (T1–T2) ist das Risiko für okkulte Metastasen mit rund 30% geringer, sodass eine elektive Behandlung mit einer Neck dissection in 70% der Fälle eine Überbehandlung darstellen würde. Ein abwartendes Vorgehen wurde in der Vergangenheit auch vorgeschlagen – aktuelle Studien haben jedoch gezeigt, dass dies zu einem schlechteren Überleben der Patienten führt [14]. 

Gewisse Autoren empfehlen, das nodale Risiko bei Frühstadien (cT1–T2 cN0) anhand der Infiltrationstiefe des Primärtumors abzuschätzen (analog zur Breslow’schen Dicke bei Melanom). Diese korreliert nachweislich stark mit dem Risiko von Lymphknotenmetastasen [15]. In der Regel wird eine elektive Neck dis­section bei Infiltrationstiefe von mehr als 4–5 mm empfohlen. 

Die aktuelle Methode der Wahl ist jedoch vielerorts eine Wächter-Lymphknotenbiopsie (Sentinel). Dabei wird ein Radionuklid um den Primärtumor he­rumgespritzt. Das Radionuklid fließt in den ersten „Wächter“-Lymphknoten, welcher danach im Lymph-Szintigramm und im SPECT dargestellt und intraoperativ mit einer Gamma-Sonde lokalisiert und exzidiert wird. Dies ermöglicht eine genaue pathologische Untersuchung des primären Lymphabflusses des Tumors mit minimaler Morbidität [16]. Diese Methode hat sich in vielen akademischen Zentren in Europa und zunehmend auch in den USA etabliert [16]. 

Rolle der Radiotherapie beim Mundhöhlenkarzinom

Da Mundhöhlenkarzinome in der Regel primär chirurgisch angegangen werden, kommt die Radiotherapie meist im postoperativen Setting zum Einsatz. Prinzipiell dient sie dabei dazu, das Risiko eines Rezidivs zu senken. Dabei können sowohl der Primärtumor (lokal) als auch die Lymphknoten (regionär) bestrahlt werden. Bei hohem Risiko (positive Schnittränder: R1/R2, extrakapsuläres Wachstum der Lymphknotenmetastasen) erfolgt zeitgleich mit der Radiotherapie eine Chemotherapie, meistens auf Platin-Basis. 

Eine postoperative Radiotherapie bzw. Radiochemotherapie wird beim Mundhöhlenkarzinom in folgenden Situationen empfohlen (Tab. 2; [17]). 

Aus Tab. 2 geht hervor, dass bei kleineren Tumoren (pT1, pT2), welche in sano operiert wurden und keine zusätzlichen Aggressivitätsmerkmale aufweisen, keine lokale Radiotherapie indiziert ist. Beim Lymphabfluss kann auf eine Radiotherapie verzichtet werden, wenn keiner oder nur ein Lymphknoten befallen waren – ohne extranodale Ausbreitung. 

Eine Alternative zu der postoperativen externen Radiotherapie stellt die lokale Brachytherapie dar. Diese wird nur in gewissen Zentren eingesetzt und kommt meist zur Anwendung bei älteren polymorbiden Patienten, bei denen eine externe Radiotherapie nicht durchgeführt werden kann, oder in der Rezidivsituation. Auf diese Sondertechnik wird mit ihren spezifischen Indikationen und Besonderheiten in diesem Beitrag nicht eingegangen.

Oropharynx

Der Mundrachen (Oropharynx) beinhaltet anatomisch folgende Strukturen: den weichen Gaumen inklusive Uvula, den vorderen und hinteren Gaumenbogen, die Tonsillae palatinae, den Zungengrund und die Pharynx-Hinterwand. Am häufigsten treten bösartige Tumoren des Oropharynx im Bereich der Tonsille und des Zungengrundes auf. Einen Sonderfall des Oropharynxkarzinoms stellt das sogenannte Carcinoma-of-Unknown-Primary-(CUP-)Syndrom dar, bei welchem sich ein Patient klinisch mit einer zervikalen Lymphknotenmetastase vorstellt, ohne dass der Ursprungstumor klinisch manifest wird. Oft versteckt sich in den tonsillären Krypten ein kleiner Primärtumor, welcher bei der diagnostischen Tonsillektomie gefunden wird. 

Ätiologisch spielen bei Oropharynxkarzinomen die langjährige Exposition gegenüber extrinsischen Noxen (Nikotin und Alkohol) eine Rolle. In den letzten Jahren wurde eine besondere Subgruppe von Patienten identifiziert, bei welchen das Karzinom auf eine HPV-Infektion zurückzuführen ist. Diese Ätiologie betrifft eher jüngere Patienten und nimmt in der Inzidenz zu (Einzelheiten s. Artikel „HPV-Positivität beim Kopf-Hals-Tumor“, S. 429). 

Der Oropharynx ist physiologisch eine Schlüsselstelle der oberen Speise- und Atemwege. Das subtile Zusammenspiel zwischen dem weichen Gaumen, dem Zungengrund und dem Kehlkopfdeckel (Epiglottis) ermöglicht den sicheren Transport von Nahrung und Flüssigkeit in den Oesophagus ohne Aspiration, während wiederum der weiche Gaumen eine Abdichtung des Nasopharynx bei der Phonation gewährleisten muss. 

Somit kann naturgemäß eine ausgedehntere chirurgische Resektion in diesen Arealen mit schweren funktionellen Einbußen einhergehen. Zudem sind gewisse Tumoren nur schwer transoral zugänglich und müssen über morbiditätsträchtige (z. B. trans-mandibuläre oder trans-zervikale) Zugänge reseziert werden.

Die Wahl zwischen primärer Radiochemotherapie und Chirurgie bleibt für Oropharynxkarzinome, insbesondere in Frühstadien, ein kontroverses Thema zwischen Experten der verschiedenen Fachdisziplinen [18]. 

Prinzipien der Bestrahlung beim Oropharynxkarzinom

Aufgrund der oben genannten Besonderheiten ist die primäre Radiotherapie beim Oropharynxkarzinom eine häufig angewandte Therapiemodalität (Abb. 3).

Außer bei Frühkarzinomen (T1, kleine T2) sollte die Radiotherapie mit einer Chemotherapie kombiniert werden. In den fortgeschrittenen Stadien ist der primäre Einsatz einer Radiochemotherapie aus mehreren Gründen sinnvoll: Oropharynxkarzinome sind strahlensensibel, d. h. sie zeigen ein gutes Ansprechen auf die Radiotherapie. Zudem behandelt die Radiotherapie zeitgleich den Primärtumor und den Hals, und zwar dank moderner Technik mit integrierten Dosisabstufungen, die eine lokalisierte Dosis-Aufsättigung im Tumor erlauben, bei niedrigerer Dosis in den elektiven – makroskopisch nicht befallenen – Lymphabflussgebieten. Der Lymphabfluss sollte aufgrund des hohen Risikos okkulter Metastasen stets mitbehandelt werden. 

Bei größeren Tumoren des Oropharynx mit Ausdehnung über mehrere Subregionen und/oder Übergreifen auf benachbarte Areale (Mundhöhle, Larynx und/oder Hypopharynx) ist zwar eine chirurgische Resektion häufig noch technisch möglich, ginge aber mit wesentlichen funktionellen Einbußen einher, besonders für die Schluckfunktion. Hier bietet die Radiotherapie den Vorteil, organ- und potenziell funktionserhaltend zu behandeln.

Karzinome der Tonsille oder des weichen Gaumens metastasieren bevorzugt in den retro-pharyngealen Lymphabfluss (Rouvière-Lymphknoten), der aufgrund der Nähe zur A. carotis interna und fehlenden anatomischen Landmarken chirurgisch nicht so einfach zugänglich ist; deshalb wird auch in diesen Situationen oft eine primäre Radiotherapie favorisiert. 

Karzinome des Zungengrunds sind transoral oft schwer zu resezieren, weshalb in den letzten Jahren die transorale roboter-assistierte Tumorchirurgie (TORS) entwickelt wurde. Durch den Einsatz des Roboters wird die Resektion von transoral schlecht zugänglichen Tumoren möglich und die Morbidität durch die Resektion möglichst gering gehalten [18]. Alternativ kommt ein transzervikaler (über eine laterale Pharyngotomie) oder transmandibulärer Zugang (d. h. mit Spaltung der Mandibula) infrage, wobei diese relativ morbiditätsträchtigen Zugänge aktuell vor allem in Salvage-Situationen (d. h. zur Operation eines Rezidivs nach Bestrahlung) Verwendung finden.

Aufgrund der nicht unerheblichen Morbidität der aktuellen Therapieregimes wird insbesondere auch im Zusammenhang mit HPV-assoziierten Tumoren versucht, die Therapieintensität zu reduzieren (Deeskalation) mit dem Ziel, die Nebenwirkungen bei gleichwertigem rezidivfreiem und Gesamtüberleben zu reduzieren [11]. Verschiedene Strategien werden aktuell untersucht ([19]; Tab. 3).

Wichtig ist hier anzumerken, dass eine Deeskalation aufgrund der aktuellen Datenlage nicht außerhalb von klinischen Studien durchgeführt werden sollte.

Prinzipien der Chirurgie bei Oropharynxkarzinom

Oropharynxkarzinome können unter gewissen Bedingungen auch gut primär chirurgisch angegangen werden. Liegt der Tumor in der Tonsilla palatina und ist auf diese begrenzt, kann eine chirurgische Resektion des Tumors problemlos über eine erweiterte Tonsillektomie erfolgen. Der postoperative Verlauf ist ähnlich wie bei einer gewöhnlichen Gaumenmandel-Entfernung, mit Schluckschmerzen für ca. zehn bis vierzehn Tage. Die Gefahr von Nachblutungen besteht auch bei Tumor-Tonsillektomien. Nach Entfernung des Primärtumors sollte auch der Hals im Sinne einer Neck dissection mitbehandelt werden. 

Tumoren des weichen Gaumens werden nur in Ausnahmefällen primär chirurgisch angegangen, da der entstehende Defekt und die Narbenbildung häufig zur Malfunktion führen. Es folgen offenes Näseln (Rhinolalie) und nasale Regurgitation, welche häufig nur unzufriedenstellend mit konservativen und chirurgischen Maßnahmen rehabilitiert werden können. 

Tumoren im Bereich des Zungengrunds sind transoral nur schwer zugänglich. Wenn sie klein sind, ist eine chirurgische Resektion ohne größere postoperative Schluckdefizite möglich. Früher wurden diese Tumoren selten operiert, da der chirurgische Zugang selbst schon zu hoher Morbidität führte. Ein transmandibulärer Zugang setzt eine Spaltung der Unterlippe voraus und geht mit dem Risiko eines Fehlbisses einher. Weiter muss vorübergehend ein Luftröhrenschnitt angelegt werden, da die entstehende Weichteilschwellung den Atemweg bedrohen könnte. Alternativ kann ein transzervikaler Zugang gewählt werden mit der Gefahr einer Speichelfistel. Ferner sind der N. hypoglossus und N. laryngeus superior gefährdet, was im Falle einer Verletzung die postoperative Schluckrehabilitation deutlich erschwert. 

HPV-positive und -negative Tumoren des Oropharynx im Frühstadium weisen unabhängig von der primär durchgeführten Therapie eine vergleichbar gute Prognose auf. Eine aktuell laufende randomisierte Studie soll klären, bei welcher Modalität die Funktionalität bei gleichwertigem onkologischem Outcome besser ist [20].

Ein Sonderfall: das “Carcinoma of Unknow Primary”-(CUP-)Syndrom 

Nicht selten ist das Leitsymptom eines malignen Kopf-Hals-Tumors eine schmerzlose, derbe Schwellung am Hals ohne weitere Begleitsymptome. Wird mittels Feinnadelpunktion das Vorhandensein von Lymphknotenmetastasen eines Plattenepithelkarzinoms nachgewiesen, ohne dass klinisch ein Primarius erkennbar ist, spricht man von einem Carcinoma of Unknown Primary (CUP). 

In dieser Situation gilt der erste Teil der Behandlung der Suche nach dem Primärtumor. Bei HPV-positiven Lymphknotenmetastasen liegt der Primärtumor oft versteckt in der Tonsille oder im Zungengrund. In Südostasien, wo der EBV-assoziierte Nasenrachen-Krebs häufig ist, sollte im Feinnadelpunktat nach dem Epstein-Barr-Virus gesucht werden.

Ein CUP-Syndrom kann sowohl primär chirurgisch als auch primär radioonkologisch angegangen werden. Wird der Primärtumor in der Tonsille oder im Zungengrund nachgewiesen, erfolgt die Behandlung nach den Prinzipien beim Oropharynxkarzinom. Bei fehlendem Primärtumor-Nachweis hängt es vom Ausmaß der Hals-Lymphknotenmetastasen ab, ob eine chirurgische oder eine Strahlentherapie bevorzugt wird. Eine Pan-Pharynx-Bestrahlung zur Behandlung eines okkulten Primärtumors wird in der Regel nicht mehr empfohlen [21].

Larynx und Hypopharynx

Der Larynx und Hypopharynx werden anatomisch folgendermaßen aufgeteilt: Der Larynx beinhaltet die Supra­glottis mit dem Kehlkopfdeckel, den ary-epiglottischen Falten, den Ary-Höckern und den Taschenfalten, die Glottis mit den Stimmlippen und die Subglottis, welche den Übergang zur Trachea bildet. 

Der Hypopharynx teilt sich in den Sinus piriformis, die post-krikoidale Region und die Pharynx-Hinterwand auf. Der M. cricopharyngeus bildet die untere Grenze des Hypopharynx zum Ösophagus. 

Der Larynx ist physiologisch für die Trennung der oberen Luft- und Speisewege zuständig. Er spielt eine wesentliche Funktion in Respiration, Phonation und Deglutition. Der Hypopharynx grenzt an den Oropharynx, den Larynx und den Ösophagus, und bildet somit auch eine wichtige Station des Schluckaktes. Tumoren in diesem Bereich präsentieren sich klinisch meist mit einer Störung dieser Funktionen. 

Transorale Laser-Mikrochirurgie

Bei kleinen Tumoren auf einer Stimmlippe kann der Befund mit einer Mikro-Laryngoskopie in Suspension exponiert und mit dem Laser exzidiert werden (Abb. 4). Tumoren im Bereich der Stimmlippe werden aufgrund der persistierenden Heiserkeit oft frühzeitig erkannt und können dann im Frühstadium behandelt werden. Auch kleine Tumoren (T1, evtl. T2) im Bereich der Supraglottis oder des Hypopharynx können über eine Mikro-Laryngoskopie bzw. -Pharyngo­skopie in Suspension exzidiert werden. Außer bei Karzinomen der Stimmlippen, welche aufgrund ihres dürftigen Lymph­abflusses nur im Spätstadium Lymphknotenmetastasen aufweisen, sollte immer der Hals ein- oder zweizeitig mitbehandelt werden.

Surgery versus Radiotherapy in Head and Neck Cancer

Summary

Squamous cell carcinomas of the mucosal linings of the head and neck are usually treated with a combination of surgery, radiotherapy and chemotherapy. Early stage disease is usually treated with a single modality (surgery or radiotherapy), while advanced-stage disease requires the combination of several modalities. For choosing the initial modality, several factors have to be considered: Exact local­ization and extension of the primary tumor, lymph node status, previous medical history including previous treatment in the head and neck, the expected post-therapeutic functional outcome, and also the patient preferences should all be taken into consideration for making the final decision. Treatment recommendations should always be made after interdisci­plinary discussion and comprehensive diagnostic work-up.

Keywords: head and neck cancer, oral carcinoma, squamous cell carcinoma, surgery, radiotherapy

Autoren
Dr. med. Grégoire B. Morand
Dr. med. Helena I. Garcia Schüler
Klinik für Radio-Onkologie UniversitätsSpital Zürich
PD Dr. med. Martina A. Broglie
Korrespondierende Autorin
Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie UniversitätsSpital Zürich
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