Neues zur Therapie (nicht-kolorektaler) gastrointestinaler Tumoren
ASCO 2017, Chicago/19th WCGC 2017, Barcelona
Der World Congress on Gastrointestinal Cancer (WCGC) in Barcelona findet immer wenige Wochen nach der Jahrestagung der American Society for Medical Oncology (ASCO) in Chicago statt, und wir berichten hier von beiden Kongressen über die Neuigkeiten zu gastrointestinalen Tumoren – wobei wir auf die kolorektalen Lokalisationen verzichten, weil es dazu im nächsten Heft von Trillium Krebsmedizin einen eigenen Schwerpunkt geben wird.
Das Pankreaskarzinom liegt in Deutschland bei der Inzidenz laut Robert-Koch-Institut bei Männern an zehnter, bei Frauen an sechster, bezüglich der Mortalität aber jeweils an vierter Stelle [1]. Dieses Missverhältnis zwischen Inzidenz und Sterblichkeit illustriert die nach wie vor schlechten Therapiemöglichkeiten: Das Pankreaskarzinom wird gegen alle bisher getesteten Therapien rasch resistent oder ist bereits primär refraktär dagegen.
Ein Grund dafür ist ein erhöhter intratumoraler Druck, u. a. durch Anreicherung des hochmolekularen Polysaccharids Hyaluronan im Tumorstroma. Dadurch werden die Gefäße komprimiert und der Einstrom von Medikamenten mit dem Blut behindert; die Hyaluronan-Akkumulation ist ein negativer Prädiktor für das Überleben dieser Patienten. Das Polysaccharid kann durch Hyaluronidase abgebaut werden; eine pegylierte Form dieses Enzyms (PEGPH20) wurde in einer Phase-II-Studie getestet, die Sunil Hingorani, Seattle, in Chicago und Andrew Hendifar, Los Angeles, in Barcelona vorstellten [2, 3]: Darin erhielten 279 Patienten mit nicht vorbehandeltem metastasiertem Pankreaskarzinom randomisiert eine Kombination aus nab-Paclitaxel und Gemcitabin alleine oder zusammen mit PEGPH20.
Beim primären Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS) erreichte die Enzymtherapie im Gesamtkollektiv einen signifikanten Vorteil (Hazard Ratio 0,73; p = 0,045). Wirklich erfolgreich war die Behandlung aber bei den etwa 30% der Patienten mit hoher Hyaluronan-Konzentration im Tumorstroma, wie Andrea Bullock, Boston, beim WCGC in einer Subgruppenanalyse zeigte: Hier wurde das mediane PFS von 5,2 auf 9,2 Monate verlängert (HR 0,51; p = 0,048); bei Patienten mit niedrigen Werten war kein Unterschied erkennbar [4]. Das Gesamtüberleben (OS) zeigten einen deutlichen Unterschied bei den Medianwerten (11,5 vs. 8,5 Monate), aber keine Signifikanz (HR 0,96).
Dieser erste Ansatz, bei dem ein Marker aus dem Tumor-Microenvironment zur Selektion von Patienten für die Behandlung mit einem Medikament mit molekularem Ansatz verwendet wird, soll nun in einer Phase-III-Studie weiter untersucht werden: Darin werden auch in deutschen Zentren mehr als 400 Patienten mit hohem Hyaluronan-Gehalt im Pankreaskarzinom im Verhältnis 2 : 1 die Dreierkombination oder die Chemotherapie alleine erhalten. Primäre Endpunkte sind PFS und OS [5].
Pegyliertes Interleukin-10 mit Chemotherapie
Auch Immuntherapien wie Checkpoint-Inhibitoren oder Vakzinen haben die Prognose des Pankreaskarzinoms bislang nicht nennenswert verbessert. Ein neuer Ansatz ist eine Stimulation von T-Lymphozyten mit Interleukin 10 (IL-10), das in niedriger Konzentration antiinflammatorisch wirkt, in hoher Konzentration aber tumorinfiltrierende, CD8-positive T-Zellen zu Proliferation und Zytotoxizität stimuliert. Außerdem wurde bei einer Reihe maligner Tumoren die klonale Expansion neuer T-Zell-Klone induziert, und für eine pegylierte Form von IL-10 (AM0010) konnte in präklinischen Modellen die Eradikation solider Tumoren nachgewiesen werden.
Besonders interessant erscheint eine synergistische Wirkung von AM0010 mit Standard-Chemotherapien: Oxaliplatin etwa induziert zwar den Zerfall von Tumorzellen, wobei immunogene Stoffe freigesetzt werden, treibt andererseits aber auch CD8-positive T-Zellen in die Apoptose, sodass es zu keiner nennenswerten immunologischen Anti-Tumor-Antwort kommt. Gleichzeitig gegebenes AM0010 schützt die T-Zellen vor der Apoptose und aktiviert in ihnen zytotoxische Mechanismen, die eine starke Immunreaktion gegen den Tumor bewirken (Abb. 1).
In einer Phase-Ib-Studie wurde AM0010 in Monotherapie sowie in Kombination mit Chemo- oder Immuntherapien bei verschiedenen Tumoren (Pankreas-, triple-negatives Mamma-, nicht-kleinzelliges Lungen und Nierenzellkarzinom sowie Melanom) getestet. 22 Patienten mit Pankreaskarzinom erhielten als mindestens dritte Therapielinie das Zytokin in Monotherapie, 21 weitere Patienten in Zweit- oder höherer Linie eine Kombination daraus mit einer FOLFOX-Chemotherapie. Letztere durften vorher Gemcitabin, aber kein Platin erhalten haben.
Wie Randolph Hecht, Santa Monica, in Barcelona, berichtete, zeigte die Sicherheitsauswertung, dass AM0010 keine Autoimmun-Reaktionen zu verursachen scheint; die häufigsten Toxizitäten waren Anämien und Thrombozytopenien, die aber durch die Änderung des Dosierungsschemas mit zwei Tagen Pause pro Woche gut kontrollierbar waren [6].
AM0010 in Monotherapie führte lediglich zu einer Krankheitsstabilisierung in etwa der Hälfte der Fälle, und medianes PFS und OS lagen mit 1,7 bzw. 3,8 Monaten im gleichen Bereich wie in einer historischen Kontrollkohorte unter alleiniger FOLFOX-Therapie. Die Immun-Chemotherapie-Kombination hingegen führte neben drei Remissionen (davon zwei komplette) zu zehn Krankheitsstabilisierungen und konnten PFS und OS mehr als verdoppeln (auf median 3,5 bzw. 10,2 Monate). Die Überlebenskurve könnte auf ein Langzeitüberleben bei einigen Patienten hindeuten, enthält aber noch zu viele zensierte Patientendaten, um eine sichere Aussage zu gestatten. Auch die CA19-9-Titer wurden in dieser Kohorte bei mehr als der Hälfte der Patienten um mehr als 20%, bei 42% sogar um mehr als 60% reduziert. Das Gesamtüberleben korrelierte in einer vorläufigen Auswertung mit der Häufigkeit tumorinfiltrierender CD8-positiver T-Zellen im Tumor vor Beginn der Therapie, und auch die Expansion dieser Zellen ging mit einer besseren Prognose einher. In einer globalen Phase-III-Studie wird die Kombination nun randomisiert gegen die FOLFOX-Therapie alleine getestet [7].

Magenkarzinom: Hier zeigen Checkpoint-Inhibitoren Wirkung
Pembrolizumab …
Der PD-1-Inhibitor Pembrolizumab hatte in einer Phase-Ib-Studie vielversprechende Aktivität bei Magenkarzinomen oder Tumoren des Magen-Ösophagus-Übergangs (GEJ) gezeigt. Er wurde deshalb in der großen internationalen Phase-II-Studie KEYNOTE-059 bei 259 Patienten mit metastasierter Erkrankung Pembrolizumab mindestens in der Drittlinie getestet. Wie Charles Fuchs, New Haven, in Chicago berichtete, erfolgte die Behandlung mit 200 mg alle drei Wochen für bis zu zwei Jahre oder bis zum Auftreten inakzeptabler Toxizitäten [8].
Ein primärer Endpunkt war neben der Sicherheit die Ansprechrate, und mit 11,6% (bei 2,3% Komplettremissionen) fiel sie für die fortgeschrittenen Stadien nicht schlecht aus. Eine positive PD-L1-Expression im Tumor (≥ 1% im „Combined Positive Score“ – CPS) verbesserte das Ergebnis auf 15,5% (6,4% Komplettremissionen), ebenso wie eine Behandlung in der Drittlinie (16,4%) gegenüber der Viert- oder einer noch höheren Therapielinie (6,4%). Am besten schnitten Patienten ab, die Pembrolizumab in der Drittlinie und bei einem CPS von ≥ 1% erhalten hatten – mit einer Ansprechrate von 22,7% bei 8,6% kompletten Remissionen. Ebenfalls als positive Faktoren erwiesen sich ein hoher Status bezüglich der Mikrosatelliten-Instabilität (MSI high, allerdings waren das insgesamt nur 4% aller Patienten) sowie eine Genexpressions-Signatur, die auf eine T-Zell-vermittelte Entzündung hinwies (p = 0,014 zwischen Respondern und Non-Respondern). Immun-vermittelte Nebenwirkungen traten bei 17,8% der Patienten auf, aber nur bei 4,6% waren sie vom Grad 3/4.
Die Daten einer Kohorte von 31 Patienten mit fortgeschrittenen, PD-L1-positiven Tumoren aus KEYNOTE-059, die Pembrolizumab in der Erstlinie bekommen hatten, stellte Daniel Catenacci, Chicago, beim WCGC in Barcelona vor [9]: Die Ansprechrate lag hier bei 26% (mit 3% Komplettremissionen); insgesamt zeigten 86% der Patienten eine Reduktion in der Größe ihrer Zielläsionen. Das PFS lag bei median drei Monaten, beim Gesamtüberleben ist der Medianwert noch nicht erreicht, aber nach einem Jahr waren noch 61,7% der Patienten am Leben. Immunvermittelte Reaktionen wurden bei neun Patienten (29%) gesehen, davon je eine Pneumonitis, eine Kolitis und ein Hausausschlag vom Grad 3. Vier Patienten (13%) erhielten wegen solcher Nebenwirkungen Kortikosteroide.
Aufgrund dieser positiven Ergebnisse läuft derzeit die Phase-III-Studie KEYNOTE-062, in der Patienten mit nicht vorbehandeltem, fortgeschrittenem Magenkarzinom Pembrolizumab entweder in Monotherapie oder in Kombination mit einer Cisplatin/5-FU-Chemotherapie bzw. diese Chemotherapie alleine erhalten sollen [10].
… und Nivolumab
Auch der andere zugelassene PD1-Inhibitor, Nivolumab, zeigt Wirkung beim fortgeschrittenen Magenkrebs: In der Phase-I/II-Studie CheckMate-032 wurden gegen Chemotherapie refraktäre Patienten mit Nivolumab alleine oder in zwei verschiedenen Kombinationen mit dem CTLA-4-Inhibitor Ipilimumab behandelt. Die Kombination mit 1 mg/kg Nivolumab und 3 mg/kg Ipilimumab schien am wirksamsten zu sein, so Jelena Janjigian, New York, beim ASCO-Kongress, beispielsweise beim primären Endpunkt Gesamtansprechrate (24% im Gesamtkollektiv, 40% bei einer PD-L1-Expression von ≥ 1% [11]). Auch beim OS schnitten die Patienten mit PD-L1-Expression am besten ab: Bei ihnen war der Medianwert noch nicht erreicht (unter Nivolumab alleine 6,2 Monate), die 12- und die 18-Monats-Rate lag bei 50% gegenüber 34% bzw. 13% unter Nivolumab alleine. Diese Wirksamkeit, so Janjigian, rechtfertigt die Testung von Monotherapie und Kombination in einer Phase-III-Studie.
Neuer peripoperativer Chemotherapie-Standard für Magenkarzinom
Die perioperative Standard-Chemotherapie für das resezierbare Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs ist seit etwa einem Jahrzehnt aufgrund der Ergebnisse der MAGIC-Studie die Kombination aus Epirubicin, Cisplatin und 5-FU oder Capecitabin (ECF oder ECX) – mit allerdings unbefriedigenden 5-Jahres-Überlebensraten von 36% [12]. Das FLOT-Regime (5-FU, Leucovorin, Oxaliplatin, Docetaxel, alle zwei Wochen gegeben) der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) hatte in Phase-II-Studien deutlich bessere pathologische Remissionsraten gezeigt und wurden deshalb in der Phase-III-Studie FLOT4 im experimentellen Arm mit jeweils vier Zyklen vor und nach der Resektion des Tumors gegeben, während die Patienten im Kontrollarm je drei Zyklen ECF oder ECX erhielten.
Primärer Endpunkt war nach den Worten von Salah Al-Batran, Frankfurt, der die Ergebnisse in Chicago und in Barcelona präsentierte [13, 14], das Gesamtüberleben, und es fiel mit Medianwerten von 50 gegenüber 35 Monaten und einer Hazard Ratio von 0,77 (p = 0,012) ebenso deutlich zugunsten des neuen Regimes aus wie das progressionsfreie Überleben (median 30 vs. 18 Monate, HR 0,75; p = 0,004). Bei 88% der Rezidive waren Fernmetastasen zumindest mit im Spiel. Der Nutzen der FLOT-Therapie war in allen untersuchten Subgruppen gleichermaßen zu sehen, ebenso bei Patienten mit frühen sowie mit Barrett-Tumoren und bei solchen mit einer Signetzell-Komponente. Es gab auch keine Erhöhung der operativen Morbidität und Mortalität oder der Notwendigkeit von Re-Operationen.
Daher, so Al-Batran, kann das FLOT-Protokoll als neuer Standard in der perioperativen Behandlung dieser Patienten gelten. Seit 2006 haben sich damit die 5-Jahres-Überlebensraten beim resektablen Magenkarzinom von einst 23% mit alleiniger Operation auf nun 45% mit der perioperativen FLOT-Behandlung beinahe verdoppelt.
Josef Gulden
Literatur
1. Krebs in Deutschland 2011/2012, 10. Ausgabe, 2015.
2. Hingorani S et al. ASCO 2017, Abstract #4008.
3. Hendifar A et al. 19th WCGC 2017, Abstract #O-003.
4. Bullock A et al. 19th WCGC 2017, Abstract #O-028.
5. ClinicalTrials.gov No. NCT02715804.
6. Hecht JR et al. WCGC 2017, Abstract #O-004.
7. ClinicalTrials.gov No. NCT02923921.
8. Fuchs C et al. ASCO 2017, Abstract #4003.
9. Kang YK et al. 19th WCGC 2017, Abstract #LBA-009.
10. ClinicalTrials.gov No. NCT02494583.
11. Janjigian J et al. ASCO 2017, Abstract #4014.
12. Cunningham D et al. N Engl J Med 2006; 355: 11-20.
13. Al-Batran S et al. ASCO 2017, Abstract #4004.
14. Al-Batran S et al. 19th WCGC 2017, Abstract #LBA-008.