Die akute myeloische Leukämie (AML) ist eine aggressive hämatologische Neoplasie mit ausgeprägter genetischer und phänotypischer Heterogenität. Trotz bedeutender Fortschritte in der molekular zielgerichteten Therapie bleibt die Prognose vieler Patienten insbesondere im höheren Lebensalter weiterhin schlecht.
Während Tyrosinkinase-Inhibitoren (z. B. Midostaurin, Quizartinib und Gilteritinib), Isocitrat-Dehydrogenase(IDH)-Inhibitoren (z. B. Ivosidenib) sowie die Kombination aus Venetoclax und hypomethylierenden Substanzen die therapeutische Landschaft in den vergangenen Jahren deutlich erweitert haben, setzt eine kurative Behandlung den Einsatz einer intensiven Chemotherapie voraus, häufig gefolgt von einer allogenen Stammzelltransplantation (alloSZT). Ein substanzieller Anteil der Erkrankten kommt für solch intensive Therapien jedoch nicht infrage – insbesondere bei höherem Lebensalter und/oder bei Vorhandensein relevanter Komorbiditäten.
Gleichzeitig belegt die alloSZT als „Mutter der Immuntherapie“ den Stellenwert T-Zell-vermittelter Immunität in der AML: Der Haupteffekt der Transplantation wird durch eine Immunreaktion des Spenders gegen die Leukämie vermittelt – den T-Zell-abhängigen Graft-versus-Leukemia(GvL)-Effekt [1]. Im Gegensatz zu lymphatischen Neoplasien – etwa der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) oder B-Zell-Lymphomen – sind T-Zell-rekrutierende Behandlungsstrategien bislang nicht Teil des Standardtherapierepertoires bei der AML. Erste klinische Studien mit bispezifischen Antikörpern und CAR-T-Zellen erreichen zwar bei einzelnen Patienten ein Ansprechen, jedoch keine anhaltenden Remissionen.
Auch Immuncheckpoint-Inhibitoren wie PD-(L)1-Inhibitoren spielen bislang keine Rolle in der klinischen Versorgung. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So erschweren die häufig breite Expression von myeloischen Zielstrukturen wie CD33 oder CD123 auf gesunden Zellen beispielsweise der Myelopoese und das stark immunsuppressive Mikromilieu im Knochenmark die Entwicklung effektiver Immunstrategien. Dennoch schreitet die Entwicklung neuer Plattformen, Targets und Kombinationstherapien voran. Neben bispezifischen Antikörpern rücken multispezifische Engager, neue Zielstrukturen (z. B. CD70 und ILT3) und der gezielte Einsatz im Kontext der MRD zunehmend in den Fokus. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den aktuellen Stand immuntherapeutischer Strategien in der AML, diskutiert neue klinische Daten und skizziert Perspektiven für eine zukünftige Integration in personalisierte Therapiekonzepte.
Zielantigene bei der AML
Die Auswahl geeigneter Zielstrukturen ist ein zentraler limitierender Faktor für die Entwicklung wirksamer Immuntherapien bei der AML. Im Gegensatz zu B-Zell-Neoplasien (z. B. CD19, CD20 und CD22) findet sich eine Expression vieler potenzieller AML-Zielantigene auch auf normalen myeloischen Vorläuferzellen, was das Risiko einer dauerhaften Knochenmarkaplasie im Anschluss an die Therapie mit sich bringt. Anders als eine teils lang anhaltende B-Zell-Depletion nach der Therapie zum Beispiel mit CD19-CAR-T-Zellen, deren Auswirkungen durch Immunglobulinsubstitution abgemildert werden können, ist eine solche Knochenmarkaplasie jedoch nicht längerfristig mit dem Leben vereinbar.
Die wichtigsten immuntherapeutischen Zielantigene in der Behandlung der AML sind in Tab. 1 zusammengefasst.