Das Prostatakarzinom als häufigster Tumor beim Mann hat in der Behandlung der metastasierten Erkrankung in den vergangenen zehn Jahren eine bedeutende Entwicklung erfahren, die eine beachtliche Verlängerung des Überlebens ermöglicht hat. Die Hemmung des Testosterons war und ist der Grundstein in der medikamentösen Behandlung. Diese wird jedoch mittlerweile durch spezifische Testosteronhemmungen, zielgerichtete molekulare Therapien und neue Methoden der Nuklearmedizin erweitert. In diesem Schwerpunktheft von Trillium Krebsmedizin greifen wir die aktuellen Entwicklungen in der Behandlung von Patienten mit einem Prostatakarzinom auf.
Die tragende Säule in der Behandlung des metastasierten Prostatakarzinoms war über Jahrzehnte die Hemmung des Testosterons, die auch zur Definition des hormonsensitiven und kastrationsresistenten Stadiums des Prostatakarzinoms geführt hat. Mittlerweile hat sich das Behandlungsspektrum in den unterschiedlichen Phasen des metastasierten Prostatakarzinoms deutlich erweitert – durch neue Androgenrezeptor-Signalweg-Inhibitoren (ARPIs), zielgerichtete molekulare Therapien mit Inhibitoren des DNA-Reparatur-Enzyms Poly(ADP-Ribose)-Polymerase (PARP) und die spezielle nuklearmedizinische Behandlung mit der Radioligandentherapie. Dies hat unter anderem neue Therapiesituationen wie das nichtmetastasierte hormonsensitive Prostatakarzinom (nmHSPC) geschaffen – auch bedingt durch den frühzeitigen Einsatz der verfeinerten Bildgebung, der Positronenemissionstomografie (PET)/Computertomografie (CT) mit dem prostataspezifischen Membranantigen (PSMA).
Frühe Stadien: Diagnostik und Therapie des nmHSPC
Die klinische Situation des biochemischen Rezidivs ist gekennzeichnet durch einen Anstieg des prostataspezifischen Antigens (PSA), in dem jedoch noch keine bildgebenden Metastasen vorliegen. Bislang erfolgte die Bildgebung mit den konventionellen Verfahren der CT und einer Knochenszintigrafie, die dann das Stadium des nmHSPC definiert hatten.
Mittlerweile erlaubt die moderne Bildgebung mittels PSMA-PET/CT hier eine präzisere Stadieneinteilung mit der Differenzierung zwischen einem Lokalrezidiv und einer metastasierten Erkrankung. Entsprechend können die Patienten dadurch einer Salvage-Strahlentherapie mit oder ohne Androgendeprivation oder einer frühen antiandrogenen Therapie in Kombination mit einem ARPI zugeteilt werden.
Der Beitrag von Andriana Rusu, PD Dr. med. Christopher Darr und Prof. Viktor Grünwald fokussiert deshalb auf die medikamentöse Behandlung in dieser neuen nmHSPC-Situation. Das Autorenteam diskutiert darin die neuen Entwicklungen, die eine Kombination von Analoga des LHRH (luteinisierendes Hormon-Releasing-Hormon) mit einem ARPI einschließen. Zudem stellen sie die Ergebnisse der EMBARK-Studie vor, in der die Behandlung mit Enzalutamid – allein oder in Kombination mit Leuprolid – untersucht worden ist. Die aktuelle S3-Leitlinie hat diese Erkenntnisse bereits in ihre Empfehlungen aufgenommen.
Zielgerichtete Therapie beim mCRPC: PARP-Inhibitoren
Durch die Zulassung der PARP-Inhibitoren war erstmals beim kastrationsresistenten metastasierten Prostatakrebs (mCRPC) eine zielgerichtetere Behandlung möglich. Die Medikamente der PARP-Inhibitoren bewirken eine gezielte Hemmung der Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen, die im physiologischen Zustand durch das Enzym PARP vermittelt wird. Gendefekte im homologen Rekombinationsreparatursystem (HRR), zu denen auch die BRCA1/2-Genalterationen zählen, machen die Prostatakrebszellen besonders empfindlich für diese Behandlung.
Es erklären Olivia Steenbock und Prof. Axel Heidenreich in ihrem Beitrag zur zertifizierten Fortbildung (CME) die PARP-Monotherapie sowie die Kombination mit einem PARP-Inhibitor. Sie setzen sich kritisch mit den eindrucksvollen Ergebnissen der PARP-Inhibitoren Niraparib, Olaparib und Talazoparib in Kombination mit den ARPIs Abirateron und Enzalutamid auseinander. Ebenso thematisieren sie die Sinnhaftigkeit einer BRCA1/2-Gentestung, da die Kombinationen von Olaparib und Abirateron sowie Talazoparib und Enzalutamid auch bei Patienten mit einem metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom ohne vorherige Gentestung zugelassen sind.
Zielgerichtete Therapie beim mCRPC: PSMA-Radioligandentherapie
Vor der Therapie kommt die Diagnostik. Eine sehr spannende Entwicklung beim Prostatakarzinom ist die Bildgebung mit der PSMA-PET/CT. Dabei handelt es sich um ein nuklearmedizinisches Verfahren, bei dem der radioaktiv markierte Tracer an PSMA bindet und auf diese Weise Prostatakarzinomzellen sehr sensitiv detektiert.
Prof. Christoph Rischpler zeigt die weitere Entwicklung auf, in der diese Diagnostikmethode mit der Behandlung in Form der Radioligandentherapie kombiniert wird. Bei der Radioligandentherapie wird das mit einem Betastrahler radioaktiv markierte Isotop zielgerichtet zur Tumorzelle gebracht. Diese Behandlung ist insbesondere bedeutsam, da nun neben dem rein medikamentösen Ansatz mit ARPIs, PARP-Inhibitoren oder einer Chemotherapie eine komplett neue Therapiemodalität zur Verfügung steht.
In diesem Artikel können Sie sich über Themen von der aktuellen Zulassung bis hin zu zukünftigen neuen Anwendungsbereichen und aktuellen klinischen Studien der Radioligandentherapie informieren. Die Integration dieser Methode in das therapeutische Armamentarium hat mit der aktuellen Zulassung von 177-Lutetium-PSMA – basierend auf den Daten der VISION-Studie – gerade erst begonnen und wird sich weiter fortsetzen bis hin zum Einsatz der Radioligandentherapie auch in früheren Therapiesituationen des hormonsensitiven sowie des kastrationsresistenten metastasierten Prostatakarzinoms. Dieser theranostische Ansatz weist den interdisziplinären Behandlungspfad in der Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms, der zukünftig eine noch höhere Bedeutung bekommen dürfte.
Zukünftige Entwicklungen beim Prostatakarzinom
Das diesjährige Schwerpunktheft „Prostatakarzinom“ erscheint in einer Phase des Therapieumbruchs beim Prostatakarzinom. Ein entscheidender Aspekt in der Zukunft ist das Finden der optimalen Therapiesequenz: Welche Therapie beziehungsweise Therapieform muss wann eingesetzt werden? Gerade die bereits zugelassenen Behandlungsmöglichkeiten der ARPIs, der PARP-Inhibitoren und der Radioligandentherapie verändern hier den Behandlungsalltag stetig.
Aktuell ist der Beginn einer Kombinationstherapie beim hormonsensitiven Prostatakarzinom mit einem LHRH-Analogon und einem ARPI der empfohlene Leitlinienstandard, der jedoch ebenfalls einer Veränderung unterliegt. Auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2025 sind mit der ARANOTE-Studie erstmals positive Daten zur Kombination eines ARPI mit einem PARP-Inhibitor vorgestellt worden: Der PARP-Inhibitor Niraparib kombiniert mit Abirateron konnte das radiografische progressionsfreie Überleben im metastasierten hormonsensitiven Stadium verlängern.
Zukünftige Entwicklungen sind die weitere Integration der modernen PET-Bildgebung und der neueren zielgerichteten Therapien. So sind die PARP-Inhibitoren die erste Substanzklasse einer molekularen Behandlung beim Prostatakarzinom; sie haben unzweifelhaft eine Zunahme der genetischen Testung bei dieser Entität bewirkt. Zu den weiteren zielgerichteten Therapien gehören AKT-Inhibitoren, die bei PTEN(„phosphatase and tensin homolog“)-defizienten Prostatakarzinompatienten anhand von ersten positiven Phase-III-Studienergebnissen Wirkung gezeigt haben. Diese sind jedoch derzeit (noch) nicht zugelassen.
Andere neue Entwicklungen umfassen die noch stärkere Hemmung des Testosteronsignalwegs durch eine Degradierung des Androgenrezeptors. Aktuelle Studien mit bispezifischen Antikörpern sind ein Hoffnungsschimmer in der spezifischen Immuntherapie, da mit der Immuncheckpointbehandlung mit Antikörpern gegen PD-1 („programmed death 1“) und CTLA-4 („cytotoxic t-lymphocyte-associated protein 4“) beim Prostatakarzinom bislang keine positiven Ergebnisse erreicht werden konnten.
Es bleibt also spannend – zum Wohle unserer Patienten! Die Zukunft gehört einem integrativen Behandlungskonzept, das molekulare Erkenntnisse, bildgebende Präzision und innovative Wirkmechanismen vereint.