Prostatakarzinom: Aktuelle und zukünftige Radioligandentherapie

DOI: https://doi.org/10.47184/tk.2025.02.8

Beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) stoßen herkömmliche Behandlungsstrategien wie Androgendeprivation, Chemotherapie und moderne Androgenrezeptor-Inhibitoren an ihre Grenzen. Vor diesem ­Hintergrund gewinnt die PSMA(Prostataspezifisches Membranantigen)-Radioligandentherapie (RLT) zunehmend an Bedeutung. Mittlerweile belegen zahlreiche Studien die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Therapieform, insbesondere bei ­vorbehandelten mCRPC-Patienten. Die PSMA-RLT ist daher fester Bestandteil bei der Therapie des mCRPC geworden, was sich in ­aktuellen Leitlinien widerspiegelt. Im vorliegenden Artikel wird die PSMA-RLT näher beleuchtet und ein Einblick in ­die Studienlage, die ­Durchführung, strahlenschutzrechtliche Erfordernisse und Patientenvoraussetzungen gewährt. Auch erfolgt ein ­Ausblick auf ein mögliches Vorrücken der Behandlung in der Therapiesequenz des Prostatakarzinoms und auf neue Ansätze der ­PSMA-RLT.

Schlüsselwörter: metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom, PSMA-Radioligandentherapie, Lutetium-177, Alpha-/Betastrahlung, Strahlenschutz

Beim mCRPC handelt es sich um eine späte und aggressive Form des Prostatakarzinoms, bei der die Erkrankung trotz intensiver Androgendeprivationstherapie weiter fortschreitet. Bei Patienten mit mCRPC liegen oft eine hohe Tumorlast und Metastasen vor, zudem leiden die Betroffenen häufig unter einer eingeschränkten Lebensqualität. Zwar stehen mit neuartigen Androgenrezeptor-Inhibitoren (wie Enzalutamid oder Abirateron), Chemotherapien (wie Docetaxel und Cabazitaxel) sowie zielgerichteten Ansätzen wie Inhibitoren der Poly(ADP-Ribose)-Polymerase (PARP) wichtige therapeutische Optionen zur Verfügung [1, 2], jedoch ist deren Wirksamkeit oftmals zeitlich begrenzt. 

Resistenzentwicklungen führen häufig zu einem weiteren Fortschreiten der Erkrankung, was die Notwendigkeit neuer Behandlungskonzepte verdeutlicht [3]. In den aktuellen Leitlinien der European Association of Urology (EAU) [1] und des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) [2] wird daher auf die Bedeutung innovativer Therapieansätze für diese Patientengruppe hingewiesen. Vor diesem Hintergrund rücken nuklearmedizinische Behandlungsansätze – insbesondere die Lutetium(Lu)-177-PSMA-RLT, die unter anderem in der VISION-Studie untersucht wurde [4] – zunehmend in den Fokus als personalisierte Behandlungsoption für vorbehandelte mCRPC-Patienten.

Evidenz zur PSMA-Radioligandentherapie

Die PSMA-RLT basiert auf dem Prinzip der gezielten Zerstörung von Prostatakarzinomzellen durch radioaktiv markierte Liganden, die spezifisch an PSMA binden. Dies ist ein Zelloberflächenprotein, das bei Prostatakarzinomen – vor allem im metastasierten und kastrationsresistenten Stadium – stark überexprimiert ist [5]. 

Bei der Therapie wird ein radioaktives Isotop – meist Lu-177 mit einer physikalischen Halbwertszeit von circa 6,6 Tagen – an einen PSMA-Liganden gekoppelt, der nach intravenöser Gabe gezielt an PSMA-exprimierende Tumorzellen bindet und dort unter der Emission von Elektronen (sog. Betastrahlung) zerfällt. Diese Strahlung führt zur Schädigung der Zell-DNA und zum Tod der Tumorzellen, während umliegendes gesundes Gewebe durch die kurze mittlere Reichweite der Betastrahlung von ungefähr einem Millimeter weitgehend geschont wird [6]. Die PSMA-RLT zielt dabei primär darauf ab, Metastasen zu erreichen, was sie besonders für fortgeschrittene Stadien attraktiv macht [7]. Sie kann allerdings auch auf den Primärtumor effektiv wirken [8]. 

Die begleitende Diagnostik mithilfe von PSMA-Positronenemissionstomografie(PET)/Computertomografie(CT) ermöglicht darüber hinaus eine präzise Patientenauswahl und Verlaufskontrolle sowie ein Therapiemonitoring, welche das Verfahren zu einem Paradebeispiel der sogenannten Theranostik (Kunstwort aus Therapie und Diagnostik) machen (Abb. 1).

Bereits mehrere Jahre vor der formellen Zulassung der Lu-177-PSMA-RLT in der Europäischen Union (EU) sammelten deutsche Zentren erste vielversprechende klinische Erfahrungen mit der PSMA-RLT beim mCRPC. Pionierarbeit haben insbesondere Universitätskliniken wie Heidelberg [6] und das Klinikum Rechts der Isar in München [9] geleistet. In diesen Kliniken wurde die Therapie zunächst im Rahmen von Einzelfallanwendungen oder in frühen Studienprotokollen angewandt. 

Eine der ersten größeren Fallserien wurde im Jahr 2016 von Kratochwil et al. veröffentlicht und zeigte bereits bei stark vorbehandelten Patienten ein Ansprechen auf die Therapie mit PSMA-Radioliganden, darunter signifikante Rückgänge des Wertes für das prostataspezifische Antigen (PSA) und eine gute Verträglichkeit [6]. Ebenso berichteten Ahmadzadehfar et al. frühzeitig über positive Effekte in retrospektiven Kohortenanalysen, darunter eine Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens (OS) und ein akzeptables Sicherheitsprofil [10]. 

Die frühe Anwendung noch nicht zugelassener Radiopharmaka im Rahmen sogenannter individueller Heilversuche in Deutschland profitierte dabei von der engen Verzahnung nuklearmedizinischer Expertise mit urologischer und onkologischer Betreuung. Diese frühen Daten lieferten entscheidende Impulse für die spätere internationale Studienplanung und trugen dazu bei, die PSMA-RLT als vielversprechende Option beim therapierefraktären mCRPC zu etablieren. In Abb. 2 sind der Behandlungsverlauf und die PET-Bilder eines mCRPC-Patienten beispielhaft dargestellt.

Die klinische Wirksamkeit und Sicherheit der PSMA-RLT beim mCRPC wurde bislang in mehreren hochrangigen Studien geprüft, von denen insbesondere die TheraP-Studie [11] und die VISION-Studie [4] internationale Beachtung fanden. Beide Arbeiten lieferten entscheidende Evidenz für die Wirksamkeit der Lu-177-PSMA-RLT (Tab. 1) und führten damit zur formellen Zulassung der Therapie und ihrer Verankerung in aktuellen Leitlinienempfehlungen [12].

Tab. 1 Vergleich der beiden bedeutenden Studien zur PSMA(Prostataspezifisches Membranantigen)-Radioligandentherapie (RLT) TheraP und VISION: Diese Tabelle zeigt auf beeindruckende Weise, dass beide Studien eine robuste Evidenz für die Wirksamkeit und die gute Verträglichkeit der PSMA-RLT beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) liefern – sowohl im direkten Vergleich mit Cabazitaxel (TheraP) als auch als Add-on zur Standardtherapie (VISION) (nach [4, 11]).

KriteriumTheraP-Studie [11]VISION-Studie [4]
StudientypRandomisierte Phase-II-StudieRandomisierte Phase-III-Studie
Patientenzahl200831
Einschlusskriterien

– mCRPC nach Docetaxel

– PSA ≥ 20 ng/ml

– 
PSMA-positive und FDG-negative Läsionen in der PET

– 
mCRPC nach Androgenrezeptor-Signalweg-Inhibitor und taxanhaltiger Chemotherapie

– PSMA-positiv in der PET

VergleichsgruppeCabazitaxelStandardtherapie ohne Lu-177-PSMA-617
InterventionLu-177-PSMA-617 (q6w; bis zu sechs Zyklen)Lu-177-PSMA-617 + bestmögliche Supportivtherapie
Primärer EndpunktPSA-Ansprechen (≥ 50 % Reduktion)Gesamtüberleben
Wichtige 
Ergebnisse

– 
PSA-Ansprechen 66 % (vs. 37 % Cabazitaxel)

– Besseres progressionsfreies Überleben

– Weniger Nebenwirkungen

– Medianes Gesamtüberleben 15,3 vs. 11,3 Monate

– Progressionsfreies Überleben 8,7 vs. 3,4 Monate

– Verbesserte Lebensqualität

NebenwirkungenGeringere Häufigkeit von schweren Nebenwirkungen verglichen mit CabazitaxelHäufig: Fatigue, Xerostomie, hämatologische Toxizitäten

TheraP-Studie

Die TheraP-Studie war eine randomisierte Phase-II-Studie aus Australien, in der man Lu-177-PSMA-617 mit dem Chemotherapeutikum Cabazitaxel bei Männern mit mCRPC verglich, die bereits mit Docetaxel vorbehandelt worden waren [11]. Eingeschlossen wurden Patienten mit progressiver Erkrankung nach Androgendeprivation und Docetaxel, einem PSA von mindestens 20 ng/ml sowie einer intensiven PSMA-Expression in der PSMA-PET/CT. Wichtig war zudem das Fehlen von PSMA-negativen, aber Fluordesoxyglukose(FDG)-positiven Läsionen in der ergänzenden F-18-FDG-PET/CT, da diese Läsionen einer PSMA-RLT nicht zugänglich sind. Insgesamt wurden 200 Patienten randomisiert. 

In den Ergebnissen zeigten sich ein signifikant besseres PSA-Ansprechen unter Lu-177-PSMA-617 (PSA-Reduktion ≥ 50 % bei 66 vs. 37 % Patienten unter Cabazitaxel), ein längeres progressionsfreies Überleben (PFS) und eine geringere Rate an schwerwiegenden therapiebedingten Nebenwirkungen. Eine weitere bedeutende Beobachtung war, dass die Lebensqualität unter der RLT ebenfalls besser war.

VISION-Studie

Die VISION-Studie war eine internationale, multizentrische, randomisierte Phase-III-Studie, in der die Gabe von Lu-177-PSMA-617 zusätzlich zur Standardtherapie im Vergleich zur alleinigen Standardtherapie untersucht worden ist [4]. Eingeschlossen wurden insgesamt 831 mCRPC-Patienten mit PET-nachgewiesener PSMA-Expression, die bereits mit einem Androgenrezeptor-Signalweg-Inhibitor (wie Enzalutamid oder Abirateron) sowie mit mindestens einer taxanbasierten Chemotherapie vorbehandelt waren. Die Patienten bekamen 2:1-randomisiert entweder Lu-177-PSMA-617 alle sechs Wochen für bis zu sechs Zyklen zusätzlich zur bestmöglichen Supportivtherapie oder nur die Supportivtherapie. Die Ergebnisse zeigten ein signifikant besseres Überleben in der Lu-177-PSMA-617-Gruppe: Das mediane OS betrug 15,3 Monate in der Lu-177-PSMA-617-Gruppe gegenüber 11,3 Monaten in der Kontrollgruppe. Auch das radiologische PFS war verbessert (8,7 vs. 3,4 Monate). Die Nebenwirkungen waren insgesamt akzeptabel und größtenteils hämatologischer oder gastrointestinaler Natur (z. B. Fatigue, Übelkeit und Mundtrockenheit [Xerostomie]).

Diese beiden Studien, TheraP und VISION, haben die klinische Wirksamkeit der PSMA-RLT beim mCRPC untermauert. Im Jahr 2022 führten sie zur Zulassung von Lu-177-PSMA-617 durch die Zulassungsbehörden in den USA (FDA) und in der EU (EMA). Damit ist die PSMA-RLT heute fester Bestandteil der Behandlungsoptionen beim mCRPC und wird in den aktuellen Leitlinien der EAU [13] und der NCCN [2] ausdrücklich empfohlen.

Voraussetzungen der PSMA-Radioligandentherapie

Damit eine Lu-177-PSMA-RLT angewandt werden kann, müssen – sowohl aus medizinischer Sicht als auch im Hinblick auf formelle Zulassungsbeschränkungen – bestimmte Voraussetzungen erfüllt und strahlenschutzrechtliche Bestimmungen eingehalten werden.

Vor Beginn der Therapie sind die im Folgenden dargestellten Kriterien als Voraussetzungen des Patienten für die Therapie essenziell.

Expressionsnachweis von PSMA in der PET/CT

Der Tumor muss eine ausreichende PSMA-Expression aufweisen. Hierzu wird die PSMA-PET/CT herangezogen. Es gibt keinen einheitlichen Konsens, welche Intensität der PSMA-Expression der Tumormanifestationen vor Einleitung der PSMA-RLT erforderlich ist. 

In der VISION-Studie wurde eine PSMA-Anreicherung in der PET/CT über Leberniveau in mindestens einer Läsion sowie in allen Lymphknotenmetastasen > 2,5 cm gefordert. Des Weiteren musste diese PSMA-Anreicherungsintensität in allen viszeralen Metastasen > 1 cm beziehungsweise in den Weichteilanteilen von ossären Metastasen > 1 cm vorliegen [4]. 

In anderen Studien wurden teils auch quantitative Parameter, in der Regel die des SUV („standardized uptake value“), herangezogen. In der TheraP-Studie beispielsweise musste die Tumormanifestation des mCRPC in der PSMA-PET eine SUVmax > 20 in irgendeiner Läsion sowie eine SUVmax > 10 in messbaren Läsionen aufweisen. Zudem durfte kein PSMA/FDG-Mismatch vorliegen. Es durfte also keine Tumormanifestation mit einer FDG-Anreicherung vorhanden sein, die über der PSMA-Expression lag [11]. 

Erste Studiendaten weisen darauf hin, dass eine FDG-PET nicht zwingend erforderlich ist, um ein PSMA/FDG-Mismatch aufzudecken, da auch in der PSMA-PET die überwiegende Mehrheit der PSMA-negativen Tumormanifestationen festgestellt werden kann [14]. Konsens besteht darin, dass größere Tumorläsionen ohne PSMA-Anreicherung als Ausschlusskriterium für eine PSMA-RLT gelten.

Allgemeinzustand des Patienten

Der Allgemeinzustand des Patienten sollte gut sein – ein ECOG(Eastern Cooperative Oncology Group)-Performance-Status von 0 bis 2 sollte vorliegen. Patienten mit ECOG ≥ 3 wurden in klinischen Studien ausgeschlossen [15].

Nierenfunktion

Eine ausreichende Nierenfunktion vor Initiierung einer Lu-177-PSMA-RLT ist obligat, da der nicht an den Tumor gebundene Anteil des Lu-177-PSMA überwiegend renal ausgeschieden wird. In der VISION-Studie durfte der Kreatininspiegel maximal das 1,5-Fache des oberen Normwerts betragen beziehungsweise war eine Kreatinin-Clearance ≥ 50 ml/min vorgeschrieben [15]. Sofern eine glomeruläre Filtrationsrate von 50 ml/min nicht erreicht wird, kann die Therapie unter Umständen dennoch durchgeführt werden. Hier muss bedacht werden, dass es sich um eine palliative Therapie bei Patienten mit nur noch eingeschränkten Therapieoptionen handelt. 

Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer Dosisreduktion (z. B. Gabe von ca. 5,5 GBq anstelle der Standarddosis von ca. 7,4 GBq). Zudem weisen erste Studien darauf hin, dass auch bei Patienten mit bereits prätherapeutischer Nierenfunktionseinschränkung keine relevante Verschlechterung der Nierenfunktion nach der Lu-177-PSMA-RLT zu beobachten ist [16].

Blutbild

Zur Minimierung hämatologischer Komplikationen werden im Allgemeinen folgende Mindestwerte im Blut vor der Einleitung einer PSMA-RLT gefordert: 

  • Leukozyten ≥ 2,0/nl,

  • Thrombozyten ≥ 75/nl, 

  • Hämoglobin ≥ 8 g/dl

 

Auch hier gilt, dass die individuelle Situation betrachtet werden muss, unter anderem die Dynamik dieser Parameter im Verlauf. Auch können beispielsweise peritherapeutisch Transfusionen von Erythrozyten und/oder Thrombozyten oder die Gabe von G-CSF („granulocyte-colony stimulating factor“) erwogen werden. 

Vortherapien

Gemäß der zulassungsrelevanten Studie VISION sollten Patienten bereits mit einem Androgenrezeptor-Signalweg-Inhibitor (z. B. Abirateron, Enzalutamid, Apalutamid etc.) sowie mindestens einer taxanbasierten Chemotherapie (z. B. Docetaxel) behandelt worden sein. Neuere Daten zeigen, dass die Lu-177-PSMA-RLT auch bei Patienten wirksam ist, die diese Therapiesequenz noch nicht voll durchlaufen haben. Allerdings wird in diesen Fällen die Therapie von den Krankenkassen nicht regelhaft übernommen – in solchen Fällen ist die Therapie daher meist nur nach Einholung von Kostenübernahmen bei der entsprechenden Krankenkasse möglich.

Durchführung der PSMA-Radioligandentherapie 

Verabreichung

Die Lu-177-PSMA-RLT wird als intravenöse Kurzinfusion verabreicht. Die im Folgenden aufgeführten Faktoren sind dabei zu beachten.

Therapiezyklus

Es werden üblicherweise vier bis sechs Therapiezyklen im Abstand von sechs bis acht Wochen durchgeführt, abhängig vom klinischen Verlauf und dem Ansprechen auf die Behandlung.

Strahlenschutz und stationäre Durchführung in Deutschland

Gemäß der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) muss die Therapie in Deutschland unter stationären Bedingungen auf einer nuklearmedizinischen Therapiestation erfolgen. Dabei sind mindestens 48 Stunden stationärer Aufenthalt verpflichtend, da das nicht an Tumorläsionen gebundene Lu-177-PSMA über den Urin ausgeschieden wird und in dieser Zeit eine relevante Strahlenexposition für Dritte bestehen kann. 

Die Entlassung kann zudem erst erfolgen, wenn die Strahlenexposition am Patienten unter den gesetzlichen Grenzwert (meist < 3,5 μSv/h in 2 m Abstand) gesunken ist. Daneben werden Patienten vor ihrer Klinikentlassung über strahlenschutzrelevantes Verhalten im häuslichen Umfeld aufgeklärt (z. B. Abstand zu Schwangeren und Kindern, ggf. separate Nutzung von Toilette und Bett, ausreichende Flüssigkeitszufuhr etc.).

Nebenwirkungen der PSMA-Radioligandentherapie

Die Lu-177-PSMA-RLT ist insgesamt gut verträglich; sie wies in Studien weniger schwere Nebenwirkungen als taxanbasierte Chemotherapien auf [11]. Die häufigsten Nebenwirkungen in der VISION-Studie betrafen vor allem Fatigue, Blutbildveränderungen und eine in der Regel vorübergehende Xerostomie (Tab. 2). 

Tab. 2  Toxizitätsprofil der Lutetium-177-PSMA(Prostataspezifisches Membranantigen)-Radioligandentherapie in der VISION-Studie (nach [4]).

NebenwirkungHäufigkeit (alle Grade)Schweregrad (Grad ≥ 3)
Fatigue (Müdigkeit)43 %7 %
Xerostomie (Mundtrockenheit)39 %< 1 %
Übelkeit35 %< 1 %
Anämie32 %13 %
Thrombozytopenie13 %8 %
Leukopenie15 %3 %
Diarrhö12 %< 1 %

Die meisten Nebenwirkungen waren mild bis moderat und normalerweise reversibel. Besonders die gewöhnlich vorübergehende Xerostomie ist charakteristisch für die Lu-177-PSMA-RLT, da sich die radioaktive Substanz auch in den Speicheldrüsen anreichert.

Ausblick

Ein vielversprechender Trend in der Behandlung des mCRPC ist die in der Therapiesequenz frühere Anwendung der Lu-177-PSMA-RLT. Bisher ist diese Behandlung vor allem Patienten vorbehalten, bei denen eine Androgenrezeptor-Signalweg-Inhibition sowie eine taxanhaltige Chemotherapie versagt hatten. Neuere Studienergebnisse legen jedoch nahe, dass die PSMA-RLT bereits früher im Therapieverlauf wirksam eingesetzt werden kann. So hat sich in der PSMAfore-Studie ergeben, dass eine frühzeitige Gabe von Lu-177-PSMA-617 im Vergleich zu einem Wechsel auf einen alternativen Androgenrezeptor-Signalweg-Inhibitoren das PFS signifikant verlängern konnte (11,6 vs. 5,6 Monate) [17]. 

Darüber hinaus hat in der ENZAP-Studie die kombinierte Gabe von Enzalutamid und Lu-177-PSMA im Vergleich zur alleinigen Gabe von Enzalutamid zu einem signifikant besseren PFS im Hinblick auf den PSA-Spiegel geführt (13,0 vs. 7,8 Monate) – bei vergleichbaren Raten von unerwünschten Ereignissen vom Grad 3 bis 4 [18]. 

Diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass sich die Rolle der PSMA-RLT in Zukunft verändern könnte – weg von der späten Anwendung hin zu einer frühzeitigen Integration in multimodale Therapiekonzepte. Damit würde die personalisierte Nuklearmedizin im onkologischen Therapieportfolio weiter an Bedeutung gewinnen.

Ein nochmaliger innovativer Ansatz in der PSMA-RLT ist der Einsatz von Alphastrahlern wie Actinium-225. Alphastrahlen sind Heliumkerne mit einem sehr hohen linearen Energietransfer. Das heißt, sie haben eine sehr kurze Reichweite von weniger als einem Millimeter im Gewebe, da sie einen großen Teil ihrer Energie an die umgebenden Zellen abgeben und diese dadurch schädigen – unter anderem durch Auslösung von Doppelstrangbrüchen. 

Erste Studienergebnisse zeigen beeindruckende Ansprechraten, insbesondere bei Patienten, die auf Betastrahler wie im Lu-177-PSMA nicht mehr ansprechen [19]. Die klinische Etablierung dieser Therapieform könnte das Spektrum der nuklearmedizinischen Optionen beim mCRPC künftig erheblich erweitern, beispielsweise bei Progress nach Lu-177-PSMA-RLT und weiterhin intensiver PSMA-Expression der Tumormanifestationen.

Fazit

Die PSMA-RLT stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Behandlung des mCRPC dar. Die Zulassung durch EMA und FDA basiert auf überzeugenden Studiendaten, die sowohl einen Überlebensvorteil als auch eine gute Verträglichkeit belegen. Durch die gezielte Anreicherung der verwendeten Radiotracer in PSMA-exprimierenden Tumorzellen vereint die PSMA-RLT zielgerichtete personalisierte Diagnostik und Therapie (Theranostik). 

Die hohe Wirksamkeit bei einem gleichzeitig akzeptablen Nebenwirkungsprofil machen sie zu einer vielversprechenden Alternative zu konventionellen Chemotherapien und erweitern das Therapiespektrum des Prostatakarzinoms. Aktuelle Entwicklungen deuten darauf hin, dass die Indikation für eine frühere Anwendung in der Therapiesequenz erweitert werden könnte. Insgesamt eröffnet die PSMA-RLT neue Perspektiven für die individualisierte Behandlung von Patienten mit mCRPC.

Interessenkonflikte
Der Autor erklärt, dass er sich bei der Erstellung des Beitrags von keinen wirtschaftlichen Interessen leiten ließ.

Autor
Prof. Dr. Christoph Rischpler
Ärztlicher Direktor
Klinik für Nuklearmedizin
Klinikum Stuttgart – Katharinenhospital
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