Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe 2024
Aktuelle Aspekte beim frühen Mammakarzinom: Individualisierte postneoadjuvante Therapien verbessern die Prognose
Alle zwei Jahre findet der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) statt, das letzte Mal im Oktober 2024 in Berlin. Der folgende Bericht beleuchtet sowohl neoadjuvante und postneoadjuvante Konzepte in der Therapie des Mammakarzinoms als auch komplementärmedizinische Themen, die auf dem Fortbildungskongress erörtert worden sind.
Schlüsselwörter: frühes Mammakarzinom, neoadjuvante Therapie, postneoadjuvante Therapie, Komplementärmedizin
Neoadjuvante Therapien sind ein fester Bestandteil der Therapiekonzepte früher Tumorstadien aller Mammakarzinomsubtypen. Das Ansprechen auf die präoperativen Systemtherapien hat einen nachhaltigen Einfluss auf die nachfolgenden Therapieschritte. Wie individualisierte postneoadjuvante Therapien Heilungschancen verbessern können, erklärte Prof. Andreas Schneeweiss, Heidelberg.
Systemtherapie upfront und individualisierte (De-)Eskalation
Neoadjuvante Systemtherapien könnten die In-vivo-Sensitivitätstestung mit verbesserter Vorhersage des Rezidivrisikos ermöglichen, konstatierte Schneeweiss. Beim frühen hormonrezeptorpositiven (HR+), HER2-negativen (HER2–) Mammakarzinom liefere die kurze präoperative endokrine Therapie (ET) bei unklarer Chemotherapieindikation die Information zum Ki-67-Abfall. Bei eindeutiger Indikation zur Chemotherapie – auch nach einer Genexpressionsanalyse am therapienaiven Stanzgewebe oder nach einer neoadjuvanten ET – solle diese neoadjuvant durchgeführt (NACT) werden. Danach könne der CPS-EG-Score bestimmt werden. Schneeweiss: „Damit können Sie viel besser erkennen, wie die Prognose der Patientin ist, und Sie können reagieren: Bei einem CPS-EG-Score von mindestens 3 sollte ein gBRCA-Mutationstest durchgeführt werden, um adjuvant mit Olaparib behandeln und das Überleben verbessern zu können. Diese Patientinnen verpassen Sie, wenn Sie zuerst operieren.“
Bei HER2+ Tumoren sollte ab dem Tumorstadium II eine NACT mit der dualen HER2-Blockade kombiniert werden. Bei initial nodal-negativen Patientinnen kann bei Erreichen einer pathologischen Komplettremission (pCR) deeskaliert und nur Trastuzumab auf ein Jahr komplettiert werden. Bei initial nodal-positiver Situation wird bei Erreichen einer pCR die duale Antikörpertherapie auf ein Jahr vervollständigt. Etwa 30 % der Behandelten erreichten allerdings keine pCR, so Schneeweiss. „Die neoadjuvante Therapie hat uns ermöglicht, diese resistenten Klone zu identifizieren, und gibt uns die Chance, diese durch die postneoadjuvante Therapie mit Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) zu adressieren und das Überleben nach sieben Jahren um rund 5 % zu verbessern. Das heißt, Sie können jede 20. Patientin vor dem Tod durch Brustkrebs bewahren, indem Sie eine Therapie, die Sie ohnehin machen müssen, neoadjuvant durchführen und so den resistenten Klon zum Zeitpunkt der Operation erkennen.“
Beim triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) solle unbedingt das gleiche Vorgehen verfolgt und ab dem Tumorstadium 1b die NACT in das Therapiekonzept integriert werden, wobei Anthrazykline und Taxane mit Carboplatin ergänzt werden können. Auch hier folgt die adjuvante Therapieindividualisierung anhand des pCR-Status. Ab einer Tumorgröße von 2 cm oder bei einem Lymphknotenbefall in der Axilla wird die NACT mit dem Checkpoint-Inhibitor (CPI) Pembrolizumab (Pembro) ergänzt. Unabhängig vom pCR-Status wird Pembro auf ein Jahr komplettiert. „Grund hierfür ist die KEYNOTE-522-Studie. Durch die zusätzliche Gabe von Pembro kann man das Überleben nach fünf Jahren um etwa 5 % verbessern. Sie können also jede 20. Patientin hierdurch sehr wahrscheinlich heilen“, betonte Schneeweiss. Zum Für und Wider der postoperativen Gabe des CPI bei Erreichen einer pCR resümierte er: „Wir wissen derzeit nicht genau, ob die Verbesserung des OS bei Patientinnen mit pCR auf einem Carry-over-Effekt aus der neoadjuvanten Gabe des CPI beruht, mit der man eine besonders gute Kontrolle der Mikrometastasen erreicht hat, oder nicht. Deshalb lautet derzeit die Empfehlung, auch bei pCR Pembro weiterzugeben.“ Bei problematischen Toxizitäten sollte Pembro niederschwellig abgesetzt werden.
Studien bei fehlendem pathologischem Komplettansprechen
Die German Breast Group untersucht in der Studie GBG 102/SASCIA bei Patientinnen mit frühem TNBC oder HR+/HER2– High-Risk-Mammakarzinom ohne pCR nach NACT mit oder ohne Pembro das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) Sacituzumab-Govitecan (Sg) als postneoadjuvante Therapie. Derzeit werden Patientinnen mit frühem TNBC ohne pCR für die Nachfolgestudie ASCENT-05/OptimICE-RD rekrutiert, in der Pembro plus Sg postneoadjuvant untersucht wird.
Außerdem wies Schneeweiss auf die Forschungsplattform COGNITION/COGNITION-GUIDE hin: „Im COGNITION-GUIDE-Netzwerk versuchen wir, den Tumorrest, der die NACT überstanden hat, mittels Whole Genome und Whole Transcriptome Sequencing genauer zu charakterisieren. Die bei etwa zwei Dritteln der Patientinnen so detektierte Alteration wird dann in einer Therapieoptimierungsstudie zielgerichtet behandelt.“
Lebensqualität steigern durch integrative Onkologie
Patientinnen mit frühem Mammakarzinom sind oft hochmotiviert, der Erkrankung den Kampf anzusagen und selbst einen Teil zum Heilungsprozess beizutragen oder zumindest den Nebenwirkungen der Therapie aktiv zu begegnen. Ein DGGG-Symposium blickte daher „über den Tellerrand“ hinaus und widmete sich Konzepten der integrativen Onkologie. Ein häufig nachgefragtes Thema sei hier das sogenannte „Chemofasten“, erklärte Prof. Annette Hasenburg, Mainz. Derzeit ist noch nicht abschließend geklärt, ob und durch welche Form von Fasten sich während der Chemotherapie positive Effekte auf die Lebensqualität, auf Nebenwirkungen oder auf die Wirksamkeit der Chemotherapie erzielen lassen. Intervallfasten (IF) könne eine gut durchhaltbare Option darstellen, so Hasenburg.
IFAST-Studie: Intervallfasten an fünf Tagen pro Woche
Derzeit rekrutiert die deutsche randomisierte Studie IFAST zum IF unter Chemotherapie, in die Frauen mit Ovarial-, Mamma-, Zervix- oder Endometriumkarzinom mit einer geplanten intravenösen Chemotherapie eingebracht werden können [1]. In der Interventionsgruppe muss an fünf Tagen pro Woche ein 16:8-Fastenregime eingehalten werden, und am Tag der Chemotherapie muss für 24 Stunden gefastet werden. „Das Intervallfasten muss nicht an sieben Tagen eingehalten werden. Am Wochenende sollen die Patientinnen normal mit der Familie essen können“, erläuterte Hasenburg den realitätsbezogenen Ansatz der Studie. Die Kontrollgruppe der IFAST-Studie soll sich mediterran ernähren. Die Intervention läuft über drei Monate, gefolgt von einer dreimonatigen Nachbeobachtung. Primärer Endpunkt ist die Veränderung der Fatigue; zu den sekundären Endpunkten gehören die Schlafqualität, das Auftreten von Nebenwirkungen und das Tumoransprechen.
Einmalig in Deutschland: stationäre psychoonkologische Behandlung
Jede Krebserkrankung erschüttert die Psyche der Erkrankten, kann tiefe Ängste und enormen Stress auslösen – und das in jeder Phase der Erkrankung. In der adjuvanten, kurativen Therapiesituation kann das so weit gehen, dass die Therapie nicht begonnen oder fortgeführt werden kann, erklärte Dr. Sabine Schäfer, Leiterin der ersten psychoonkologisch-psychosomatischen Station in Deutschland. Die als Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen an der Klinik Bad Trissl entwickelte Abteilung nimmt Tumorpatienten mit einer psychischen Erkrankung in jeder Krankheitsphase bis zu fünf Jahre nach Abschluss der letzten Therapie auf (https://www.klinik-bad-trissl.de/psychosomatik/). Während der psychoonkologischen Behandlung kann die laufende onkologische Therapie an der dortigen onkologischen Fachklinik weitergeführt werden.
Bericht vom 65. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) vom 16. bis 19.10.2024 in Berlin.