Mit den Phase-III-Studien CASSIOPEIA [1] und MAIA [2] hielt der CD38-Antikörper Daratumumab Einzug in die Erstlinientherapie des multiplen Myeloms, und die Prognose der Patient:innen konnte signifikant verbessert werden. Eine Untersuchung mit mehr als 6.500 Patient:innen zeigte aktuell ein medianes Gesamtüberleben (OS) von 8,4 Jahren für die autologe Stammzelltransplantation (ASCT) für geeignete und 3,0 Jahre für ungeeignete Patient:innen [3]. 24,9 % der Patient:innen in der ASCT-Kohorte verstarben innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose an den Folgen des Myeloms gegenüber 7,9 %, die aufgrund anderer Ursachen gestorben sind. In der Kohorte ohne ASCT erlagen 47,6 % dem Myelom gegenüber 22,5 %, die aufgrund anderer Ursachen starben.
„Das Ziel der Myelomtherapie ist die Eradikation der klonalen Evolution“, bemerkte Weisel. Da die konventionellen Ansätze immer noch suboptimal seien, würden neue Strategien gebraucht. Dem Krankheitsverlauf angepasste Therapien sollten so früh wie möglich eingesetzt werden, um eine minimale Resterkrankung (MRD) auszumerzen. Frühe Rescue-Interventionen basierend auf einer frühen Detektion der Resistenz müssten eingesetzt werden, und Immuntherapien mit bispezifischen T-Zell-Engagern und CAR-T-Zellen könnten das Mittel zur Heilung werden. Weisel gab zu bedenken, dass die Behandlung derzeit zwar sehr teuer sei, dass sie aber am günstigsten werde, wenn Patient:innen geheilt würden. Die beste Therapie nicht an den Anfang zu stellen, sei daher ein teurer und frustrierender Ansatz, so Weisel.
Bispezifische Antikörper
Hohe Erwartungen der modernen Myelomtherapie würden auf Immuntherapien der nächsten Generation liegen, konstatierte Dr. Paula Rodríguez Otero, Navarra, Spanien. Dazu gehören bispezifische Antikörper, die einerseits an die Myelomzelle und andererseits über CD3 an eine T-Zelle binden, die T-Zellen darüber aktivieren und den Zelltod der Myelomzelle herbeiführen. Die drei hauptsächlichen Zielstrukturen auf der Myelomzelle sind das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA), FcRH5 und der G-Protein-gekoppelte Rezeptor C5D (GPRC5D).
Die beiden BCMAxCD3-bispezifischen Antikörper Teclistamab und Elranatamab werden in den Phase-II-Studien MajesTEC-1 [4] und MagnetisMM-3 [5] bei Myelompatient:innen mit mindestens drei vorangegangenen Therapielinien untersucht. Die Patient:innen der MajesTEC-1 Studie hatten median bereits fünf Therapielinien erhalten und zeigten unter der Therapie mit dem bispezifischen Antikörper eine Ansprechrate von 63 % mit Komplettremissionen (CR) bei 45,5 % der Behandelten [4]. Im Median wurde – mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14,1 Monaten – ein OS von 21,9 Monaten berichtet, bei insgesamt geringem Auftreten von Neurotoxizitäten. Infektionen vom Grad 3–4 traten allerdings bei 55,2 % und vom Grad 5 bei 12,7 % (COVID-19: 10,9 %) der Teilnehmenden auf. Auch Patient:innen der MagnetisMM-3-Studie hatten median fünf Therapielinien erhalten und zeigten eine Ansprechrate von 61 % mit Komplettremissionen bei 35,0 % der Patient:innen [5]. Laut einer Zwischenanalyse mit 14,9 Monaten Nachbeobachtungszeit waren nach 15 Monaten 50,9 % der Patient:innen ohne Progress und 56,7 % am Leben. Auch hier zeigte sich eine geringe Neurotoxizität, die Rate für Grad-3/4-Infektionen lag aber bei 26,4 %. COVID-19-Infektionen verliefen bei 5,7 % der Patient:innen letal.
Der GPRC5DxCD3-bispezifische Antikörper Taquetamab zeigte in der Phase-I/II-Studie MonumenTAL-1 vielversprechende Wirksamkeit bei Personen mit einem rezidivierten oder refraktären Myelom [6]. Ein Ansprechen wurde unter zwei Dosierungen (0,4 mg/kg qw oder 0,8 mg/kg q2w) bei 72 beziehungsweise 74 % der Patient:innen beobachtet. Mindestens eine CR erreichten 28,7 beziehungsweise 33,6 % der Patient:innen. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 13 und 19 Monaten betrug die 12-Monats-Rate des progressionsfreien Überlebens (PFS) 54,4 beziehungsweise 34,9 % und die 12-Monats-OS-Rate 77,4 beziehungsweise 76,4 %. Triple-refraktäre Erkrankte waren nach zwölf Monaten in 38,1 % der Fälle progressionsfrei und in 62,9 % noch am Leben. Das Immuneffektorzell-assoziierte Neurotoxizitätssyndrom (ICAN) trat bei etwa 11 % der Patient:innen auf, und Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen wurden für 5–8 % berichtet. Grad-3/4-Infektionen traten bei 15–20 % der Patient:innen auf (opportunistische Infektionen 4–6 %).
Mit dem FcRH5xCD3-bispezifischen Antikörper Cevostamab wurden in einer Phase-I-Studie bei ebenfalls intensiv vorbehandelten Patient:innen Ansprechraten von bis zu 56,7 % erreicht. 85 % der Teilnehmenden waren tripel-refraktär, und ein Drittel war bereits mit einer BCMA-gerichteten Therapie behandelt worden. Eine therapieassoziierte Neutropenie (im Wesentlichen vom Grad 3–4) wurde bei 40 % und therapieassoziierte Infektionen bei 28 % (Grad 3–4: 19 %) der Patient:innen gesehen.
Zusammenfassend handele es sich bei den bispezifischen Antikörpern um hocheffektive Medikationen, die hohe Ansprechraten mit tiefen und anhaltenden Remissionen bei intensiv vorbehandelten Patient:innen bewirken. Das Nebenwirkungsprofil sei relevant und wichtig – auch, um ein optimales Management zu gewährleisten und therapieassoziierte Morbidität zu vermeiden. Teclistamab, Elranatamab und Talquetamab wurden von der FDA, Teclistamab und Talquetamab auch von der EMA für die Behandlung des multiplen Myeloms zugelassen. Dennoch gebe es offene Fragen, erklärte Rodríguez Otero. So seien die optimale Dauer der Therapie sowie das Nebenwirkungsmanagement nicht klar, mit der die Toxizität reduziert und eine T-Zell-Erschöpfung verhindert werden könne. Auch stelle sich die Frage, ob mit dem Angreifen dualer Zielstrukturen dem Antigenverlust oder der Heterogenität der Antigenexpression entgegengewirkt werden könne und ob Kombinationstherapien dabei helfen könnten, eine negative Mikroumgebung zu überkommen.
CAR-T-Zell-Therapie
Prof. Hermann Einsele, Würzburg, stellte fest, dass mit der Verwendung nahezu aller effektiver Myelomtherapien von der ersten bis zur dritten Therapielinie die Anzahl an triple-refraktären Patient:innen wächst. Bei dieser schwer therapierbaren Klientel könnten mit CAR-T-Zell-Therapien erstaunliche Ergebnisse erreicht werden, meinte er.
In der KarMMa-Studie [8] wurden Patient:innen mit dem BCMA-gerichteten Idecabtagen Vicleucel (Ide-cel) behandelt, die bereits median sechs Therapielinien erhalten hatten und von denen 94 % refraktär gegenüber einem CD38-Antikörper, 84 % triple-refraktär waren und 39 % eine extramedulläre Erkrankung aufwiesen. Im Ergebnis sprachen drei Viertel der Behandelten auf die Therapie an, und ein Drittel erreichte eine ≥ CR. Das PFS für die Subgruppe mit Komplettremissionen dauerte im Median länger als 20 Monate an. Ide-cel wurde im Jahr 2021 von der FDA und der EMA für die Behandlung des multiplen Myeloms nach ≥ 3 Vortherapien zugelassen.
Ebenfalls zugelassen ist Ciltacabtagen autoleucel (Cilta-cel), ein CAR-T-Zell-Produkt der zweiten Generation mit zwei Anti-BCMA-Bindungsdomänen. In der CARTITUDE-1-Studie [9] wurden mit median sechs Therapien vorbehandelte Erkrankte untersucht, von denen 88 % triple-refraktär waren. 97,9 % der Patient:innen sprachen auf die Therapie an, 82,5 % mit mindestens einer CR. Nach 36 Monaten betrug die PFS-Rate für die Intention-to-treat(ITT)-Population 47,5 % (medianes PFS 34,9 Monate). Bei mindestens einer CR waren 59,8 % der Patient:innen nach 36 Monaten progressionsfrei, und das mediane PFS betrug 38,2 Monate. In der CARTITUDE-2-Studie [10] konnte bei 60 % der Patient:innen, die bereits eine BCMA-gerichtete Therapie erhalten hatten, ein Ansprechen beobachtet werden; das mediane PFS lag bei 9,0 Monaten.
Eine Optimierung der CAR-T-Zell-Therapie könnte über eine „Fernsteuerung“ mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Dasatinib erfolgen, erklärte Einsele [11]. Die Gabe von Dasatinib kann die CAR-T-Zelle in vivo ausschalten, ohne sie zu eliminieren. Damit könnte es möglich sein, bei einem Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS) oder ICANs schnell in vivo einzugreifen oder auch, die CAR-T-Zell-Funktion transient anzuhalten, um einer CAR-T-Zell-Erschöpfung vorzubeugen und so die Persistenz der CAR-T-Zellen zu erhöhen.
Ein früherer Einsatz der CAR-T-Zell-Therapie oder der bispezifischen Antikörper könnte vorteilhaft sein, da die T-Zellen dann noch fitter sind und die Immunogenität des Tumors höher ist als im späteren Krankheitsverlauf. In der CARTITUDE-4-Studie [12] wurden daher Lenalidomid-refraktäre Myelompatient:innen mit ein bis drei Vortherapien eingeschlossen und randomisiert mit Cilta-cel versus der Standardtherapie (PVd oder DPd) behandelt. 99,4 % der Patient:innen sprachen auf Cilta-cel an (86 % ≥ CR). Nach zwölf Monaten betrug die PFS-Rate 90 %. Im Vergleich zur Kontrolltherapie wurde eine Verringerung des Progressionsrisikos um 74 % beobachtet (Hazard Ratio 0,26; 95%-Konfidenzintervall 0,18–0,38; p < 0,0001). Das beste Ergebnis wurde für Patient:innen mit nur einer Vortherapie im Cilta-cel-Arm gesehen. Auch in der KarMMa-2-Studie [13] bei Patient:innen mit inadäquatem Ansprechen nach autologer Stammzelltransplantation wurden mit Ide-cel PFS-Raten von 90,1 % nach zwölf Monaten und 83,1 % nach 24 Monaten erreicht. In den Phase-III-Studien KarMMa-9, CARTITUDE-5 und CARTITUDE-6 werden Ide-cel und Cilta-cel in der Erstlinientherapie beim multiplen Myelom geprüft.
Weitere CAR-T-Zell-Therapien mit neuen Zielstrukturen oder einer bispezifischen Strategie mit BCMA- plus GPRC5D-, SLAMF7- oder CD19-Antigenen sind in der klinischen Entwicklung. Denkbar für die Optimierung der CAR-T-Zell-Therapien ist zudem eine Modulation der Knochenmark-Mikroumgebung vor der Gabe einer Immuntherapie.
Dr. Ine Schmale