Der Einsatz von Reserveantibiotika unterliegt einer strengen Indikationsstellung. Sie werden angewendet bei der Behandlung von Infektionen, die durch multiresistente Bakterien verursacht wurden, oder wenn bei sehr schweren Infektionen eine Wirkung gesichert sein muss. PD Dr. Martin Schmidt-Hieber, Cottbus, erklärte, dass die Kolonisierungen und Infektionen durch multiresistente Bakterien zunehmen und bei Tumorpatient:innen teils mit einer ungünstigen Prognose vergesellschaftet sind. Dennoch sollten Reserveantibiotika seiner Darstellung nach in der empirischen Therapie der febrilen Neutropenie nur in Einzelfällen eingesetzt werden.
In einer aktuellen Studie konnte gezeigt werden, dass das Kombinationsmedikament aus Ceftazidim und Avibactam signifikant das Gesamtüberleben bei Blutstrominfektionen durch Carbapenem-resistente Klebsiella pneumoniae verbessert [1]. Die Kombination Ceftolozan/Tazobactam ist laut einer Metaanalyse bei Harnwegsinfektionen und intraabdominellen Infektionen durch ESBL(„extended-spectrum beta laktamase“)-produzierende Enterobacteriaceae und Klebsiella pneumoniae gegenüber Levofloxatin und Meropenem mit einem höheren Ansprechen assoziiert [2]. Bei Blutstrominfektionen durch Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) sind die Reserveantibiotika Daptomycin und Linezolid vergleichbar [3]. Empirisch eingesetztes Linezolid führte in einer retrospektiven Analyse zu keinem Effekt bei VRE-kolonisierten Patient:innen mit Fieber nach einer Stammzelltransplantation [4]. Tigecyclin als Reserveantibiotikum in Kombination mit dem Kombinationsmedikament Piperacillin/Tazobactam ist nur in Zentren mit hoher Inzidenz von multiresistenten Erregern zur empirischen Therapie der febrilen Neutropenie mit hohem Risiko zu erwägen [5].
Schmidt-Hieber fasste zusammen, dass Kenntnisse über das lokale Erregerspektrum, inklusive der Resistenzprofile, für den Einsatz von Resistenzantibiotika wichtig seien. Eine Zusammenarbeit mit Mikrobiolog:innen und Infektiolog:innen sollte bei Nachweis von multiresistenten Erregern stets angestrebt werden.
Antimykotika und zielgerichtete Therapien
Die Interaktionen von Antimykotika und zielgerichteten Therapien in der Hämatologie beschäftigt eine Schnittmenge aus Expert:innen der Hämatologie, der Infektiologie und der klinischen Pharmakologie, erklärte Dr. Jannik Stemler, Köln, die Komplexität der Thematik. Bei Interaktionen solle erst das Risiko für das Auftreten von invasiven Pilzinfektionen („invasive fungal infection“, IFI) abgewogen und über eine Prophylaxe beziehungsweise über Behandlungsmöglichkeiten unter der hämatologischen Therapie nachgedacht werden. Als Nächstes sollte die Evidenz für Wirkstoffinteraktionen („drug-drug interactions“, DDI) zurate gezogen werden, und schließlich sollte die Wahrscheinlichkeit der gleichzeitigen oder parallelen Administration beider Wirkstoffe überdacht werden.
Patient:innen mit einer Neutropenie sollten laut Stemler dann präventiv behandelt werden, wenn < 500 Zellen/µl vorliegen und die Neutropenie länger als sieben Tage anhält. Das bevorzugte Mittel sei immer noch Posaconazol. Posaconazol – wie auch andere Azol-Antimykotika – ist ein starker Inhibitor von CYP3A4. Substanzen wie Midostaurin, Enasidenib, Ivosidenib, Gilteritinib, Quizartinib, Sorafenib und Venetoclax werden über CYP3A4 metabolisiert, weswegen eine Dosisreduktion oder das Vermeiden der gleichzeitigen Anwendung empfohlen wird.
Die Interaktionen von Anti-Tumor-Medikationen und Antimykotika wurden in klinischen Studien unterschiedlich gut aufgearbeitet, sodass zum Teil auf wenig Evidenz aufgebaut werden könne, bemerkte Stemler. Die European Hematology Association (EHA) hat Dosisreduktionsempfehlungen zur antifungalen Prophylaxe bei Patient:innen mit akuter myeloischer Leukämie (AML), die mit neuen zielgerichteten Therapien behandelt werden, herausgegeben [6]. Es solle auch nicht vergessen werden, die Dosis nach der antifugalen Behandlung wieder zu erhöhen, erinnerte Stemler. Für die Behandlung von IFIs sind neue Substanzen in der Prüfung, wie beispielsweise Rezafungin, das gerade von der FDA zugelassen wurde. Dieses Antimykotikum aus der Klasse der Echinocandine zeigte keine Interaktionen mit Venetoclax und Ibrutinib [7].
Dr. Ine Schmale