Nukleinsäureimmunität
Nukleinsäuren definieren das Erbgut eines jeden Lebewesens. Das Eindringen fremder Nukleinsäuren stellt daher eine Gefahr dar. Die Abwehr fremder Nukleinsäuren ist somit eine der grundlegendsten Aufgaben des Immunsystems. Deshalb entwickelten Lebewesen auf verschiedensten Stufen Mechanismen, um diese gezielt zu erkennen und zu eliminieren. Die Gesamtheit dieser Mechanismen wird heute als Nukleinsäureimmunität bezeichnet [1, 2].
Fremde Nukleinsäuren werden durch das angeborene Immunsystem identifiziert, das mit seinen genetisch angelegten Rezeptoren hochkonservierte molekulare Strukturen erkennt. Diese Rezeptoren werden als Mustererkennungsrezeptoren (Pattern Recognition Receptors, PRR) bezeichnet [3]. Vertreter dieser Rezeptorfamilien sind die Toll-like Rezeptoren (TLR), RIG-I-like Rezeptoren (RLR), Nod-like Rezeptoren, Lectin-like Rezeptoren und andere [4]. Die von ihnen erkannten hochkonservierten molekularen Strukturen werden in Indikatoren für Pathogene, also „Pathogen Associated Molecular Patterns“ (PAMP), und für Gefahren, also „Danger Associated Molekular Patterns“ (DAMP), unterteilt. Das bekannteste Beispiel für eine Pathogen-assoziierte molekulare Struktur sind die Lipopolysaccharide (LPS) gramnegativer Bakterien. LPS ist unserem Organismus fremd und somit durch TLR4 eindeutig als PAMP erkennbar [5]. Wie jedoch erkennt unser Immunsystem Nukleinsäuren von fremden Organismen, wenn sie doch ebenso unser eigenes Erbgut definieren?
Prinzipien der Nukleinsäureerkennung
Nukleinsäuren haben eine universelle Grundstruktur und können daher nicht durch diese grundlegenden molekularen Strukturen als eigene oder fremde DNA oder RNA identifiziert werden. Um fremde von eigenen Nukleinsäuren unterscheiden zu können, nutzt das Immunsystem die folgenden Prinzipien: Zugänglichkeit und Konzentration, Lokalisation und spezielle strukturelle molekulare Muster. Die lokale Zugänglichkeit von Nukleinsäuren wird durch deren Konzentration in Verbindung mit der Degradation durch Nukleasen und der Bindung an weitere Komponenten wie Proteine und dem daraus folgenden Einfluss auf Stabilität und Erkennbarkeit beeinflusst. Beispielsweise baut DNase II phagozytierte DNA von apoptotischen Zellen oder Bakterien ab und macht die kurzen DNA-Fragmente für TLR9 verfügbar. TLR9 wird durch kurze DNA-Fragmente aktiviert, die unmethlyierte CpG-Motive enthalten, wie sie vor allem in bakterieller DNA vorkommen. Ebenso weist die Lokalisation von Nukleinsäuren in Kompartimenten einer Zelle, die in ihrer Form ungewöhnlich ist, zum Beispiel DNA im Zytoplasma, auf einen nicht-physiologischen Kontext hin. Strukturell können fremde Nukleinsäuren anhand spezieller Sequenzmotive, besonderer Konformation und fremdartiger chemischer Modifikationen erkannt werden. So sind zum Beispiel die Enden humaner mRNA und viraler RNA mit anderen Cap-Modifikationen versehen, oder die zuvor genannten CpG-Motive nicht wie bei humaner DNA zumeist methyliert [6].
Rezeptoren der Nukleinsäureimmunität
Die Nukleinsäure-spezifischen Immunrezeptoren, die dem Immunsystem die Erkennung fremder Nukleinsäuren ermöglichen, werden auf Basis ihrer Funktion in zwei Gruppen unterteilt: Rezeptoren mit Effektorfunktionen wie 2'-5'-Oligoadenylatsynthetase 1 (OAS1) oder doppelsträngige RNA-spezifische Adenosin-Desaminase (ADAR1) erkennen fremde Nukleinsäuren und führen eigenständig zum Abbau oder Umbau der Nukleinsäuren. Proteinkinase R (PKR) hingegen hemmt die allgemeine Proteinsynthese. Außerdem kann ein weiterer Effekt dieser Rezeptoren die Steigerung der Sensitivität der zweiten Gruppe der Nukleinsäure-Rezeptoren sein. Diese zweite Gruppe von Rezeptoren induzieren vornehmlich indirekt antivirale Effekte über die Aktivierung von Signalketten. Vertreter dieser Gruppe erkennen Nukleinsäuren außerhalb der Zelle (TLR3), in Endolysosomen (TLR7, TLR8, TLR9) und im Zytosol (RIG-I, MDA5, cGAS, AIM2) [6]. Charakteristisch für die Aktivierung dieser Rezeptoren ist die Induktion von Typ-I-Interferon und den Interferon-induzierbaren Genen [7]. Die Aktivierung von AIM2 hingegen führt zur Bildung eines sogenannten Inflammasoms und der Sekretion von IL-1 beta [8, 9]. In der Folge werden erkannte Erreger in Abhängigkeit des induzierten Signals in ihrer Vermehrung gehemmt oder direkt, beziehungsweise zusammen mit den von ihnen infizierten Zellen, abgetötet.