Die Regulation der Immunantwort von Makrophagen durch den mitochondrialen Metabolismus

Aus der Klinischen Forschung

Die Immunantwort während einer Infektion wird nicht nur durch Zytokine und Chemokine gesteuert, sondern auch durch die Aktivität von metabolischen Stoffwechselwegen der Immunzellen. Makrophagen unterziehen sich dabei einer gravierenden metabolischen Umstrukturierung, weit über den bekannten Warburg-Effekt hinaus, wobei die Synthese und Wirkung von Itakonsäure eine Schlüsselrolle einnimmt.
Anfangs als antibakterielle Substanz klassifiziert ist heute bekannt, dass Itakonsäure auch einen regulatorischen Effekt auf den mitochondrialen Metabolismus hat. Durch Inhibierung der Succinatdehydrogenase (Komplex II) und der daraus resultierenden Succinatakkumulation führt Itakonsäure via Stabilisierung von HIF-1α zur Transkription von IL-1β und glykolytischen Genen. Neueste Studien zeigen, dass Itakonsäure zum einen die mitochondriale ROS- Produktion stimulieren als auch Glutathion alkylieren, und dabei sowohl eine Nrf2-abhängige und -unabhängige Immunantwort induzieren kann.

Schlüsselwörter: Itakonat, Immunmetabolismus, Makrophagen, Massenspektrometrie

Metabolische Reprogrammierung in Makrophagen
Die metabolische Reprogrammierung von Makrophagen während einer Immunreaktion ist bereits seit den 1970er-Jahren bekannt. Gordon C. Hard zeigte, dass aktivierte murine Makrophagen aerobe Glykolyse zur ATP-Generierung nutzen, bekannt als Warburg-Effekt. Zudem wurde ein verstärkter Pentose-Phosphat-Weg (PPP) in aktivierten murinen Makrophagen beschrieben. Der PPP ist der Hauptproduzent für NADPH zur Regenerierung (Reduktion) von oxidiertem Glutathion (GSSG) zu GSH [1]. Darüber hinaus können Makrophagen durch Regulation unterschiedlicher Isoformen der NADPH-Oxidase reaktive Sauerstoffspezies (ROS) produzieren [2]. Reaktive Stickstoffspezies (RNS) werden in Form von Stickoxid als Nebenprodukt bei der Synthese von Citrullin aus Arginin durch die Stickstoffmonoxid-Synthase (iNOS) im Harnstoffzyklus gebildet [1]. Die Hauptfunktion von ROS und RNS dient der Eliminierung von Pathogenen im Phagosom der Makrophagen [3]. Jedoch führt die vermehrte Bildung von Stickoxiden zur Nitrosylierung der Komplexe I und IV der Elektronentransportkette und inhibiert so die mitochondriale Atmung. Die Folge ist eine Verschiebung des Makrophagen-Metabolismus zu verstärkter Glykolyse, um ausreichend ATP zu produzieren [1]. Stickoxide inhibieren zudem alle Eisen-Schwefel-haltigen Enzyme, wie die Isocitratdehydrogenase (IDH), Aconitase und die Succinatdehydrogenase (SDH) aus dem Citratzyklus, deren Regulation maßgeblich an der immunologischen Antwort von pro-inflammatorischen Makrophagen beteiligt ist [4]. Die Herunterregulierung dieser Enzyme führt zur Unterbrechung des Citratzyklus. Die daraus folgende Citrat- und Isocitrat-Akkumulation, insbesondere durch die IDH-Inhibierung, dient dann als Vorläuferreservoir für die Itakonat-Synthese (Abb. 1) [5].
Über diese rein metabolischen Effekte hinaus wird die Polarisierung der Makro­phagen auch maßgeblich durch den Transkriptionsfaktor „hypoxia inducible factor“ (HIF) reguliert. Dabei induziert die Untereinheit HIF-1α neben der Erhöhung der aeroben Glykolyse, der Polarisierung zu einem inflammatorischen Phänotyp sowie der Stickstoffmonoxid-Synthese, auch eine erhöhte Expression des Zytokins IL-1β, nicht aber TNFα. Dies stellt eine Besonderheit der Mitochondrien bei der Zytokinproduktion dar. Die Stabilisierung von HIF-1α wird durch Akkumulation von Succinat [6] und mitochondriale ROS (mROS) induziert [7]. Dieser Prozess wird als pseudohypoxischer Metabolismus bezeichnet und ist als Immunantwort in klassisch aktivierten Makrophagen zu beobachten (Abb. 1) [8]. Im Gegensatz dazu induziert HIF-2α die Ausbildung von anti-inflammatorischen Makrophagen, deren Harnstoffzyklus zur Bildung von Ornithin aus Arginin verschoben wird. Dies dient dann der Polyamin-Synthese und erfüllt Funktionen zur Regenerierung des geschädigten Gewebes. Alternativ aktivierte Makrophagen nutzen im Allgemeinen den oxidativen Metabolismus zur Energiegewinnung. So gewinnen sie Energieäquivalente aus der β-Oxidation und induzieren die Expression von Bestandteilen der Elektronentransportkette. Letzteres führt zur metabolischen Modulation in Richtung oxidativer Phosphorylierung bei moderater glykolytischer Aktivität und damit auch zu erhöhtem Einfluss von Pyruvat in den Citratzyklus [9].
Der Metabolismus LPS-aktivierter Makrophagen hängt demnach von aerober Glykolyse ab. Dies wird durch stabilisiertes HIF-1α, zur Generierung von IL-1β und Itakonat sowie der Transkription proglykolytischer Gene wie dem Glukosetransporter GLUT-1, der Laktat-Dehydrogenase A und der Hexakinase-2, verursacht [10].

Die antimikrobielle Wirkung von Itakonat  

Itakonat galt lange Zeit nur als chemisches Produkt der Citrat-Destillation und erst vor etwas weniger als 100 Jahren wurde Itakonat zum ersten Mal in vivo in Aspergillus itaconicus detektiert. In den folgenden Jahren erlangte Itakonat große Bedeutung als biotechnologisch produzierbarer Ausgangsstoff für die Herstellung von Plastik-Polymeren. Die heutige globale Produktion von Itakonat in A. terreus liegt bei etwa 40.000 t pro Jahr. Die Biosynthese von Itakonat konnte 1995 von Bonnarme et al. mit Isotopenmarkierung endgültig aufgeklärt werden, nachdem schon in den 1950ern eine Bildung über den Citratzyklus postuliert wurde. Itakonat wird dabei durch die cis-Aconitatdecarboxylase (CAD) aus dem Citratzyklusintermediat cis-Aconitat produziert. Seit den 1970er-Jahren erlangte Itakonat eine immer größere Bedeutung als antimikrobielle Substanz, die den zentralen Stoffwechsel vieler Bakterien inhibieren kann. Es inhibiert dabei das Enzym Isocitratlyase, ein Enzym des Glyoxylat-shunts, der für viele bakterielle Pathogene während einer Infektion eine Möglichkeit bietet, unter Glukose-limitierenden Bedingungen Biomasse zu produzieren [11]. Im Gegensatz dazu konnte gezeigt werden, dass M. tuberculosis mit inaktivem icl1 (eines der zwei Isocitratlyasen des Pathogens) in Irg-/--Mäusen im Vergleich zu Wildtyp M. tuberculosis den gleichen Krankheitsverlauf präsentierten wie Wildtyp M. tuberculosis. Irg1 könnte die Infektion demnach auch unabhängig von der Inhibierung der Isocitratlyase hemmen [12]. 2011 wurde Itakonat zum ersten Mal in Lungen von Mäusen nach Infektion mit M. tuberculosis nachgewiesen, die Autoren vermuteten damals jedoch eine bakterielle Produktion von Itakonat [13]. Im gleichen Jahr konnte erstmals gezeigt werden, dass auch Säugerzellen in der Lage sind, Itakonat zu synthetisieren [14]. Im Jahr 2013 zeigten Michelucci et al., dass Makrophagen während einer Immunreaktion große Mengen an Itakonat produzierten [5] und deckten den biochemischen Syntheseweg in Säugerzellen auf.

Itakonat als Regulator der angeborenen Immunantwort

Eine zentrale Rolle während der pro-inflammatorischen Aktivierung von Makrophagen spielt der Metabolit Itakonat. 2013 konnte unser Labor den Biosyntheseweg dieser organischen Säure in Makro­phagen aufdecken und auch eine anti-bakterielle Aktivität nachweisen. Des Weiteren wurde das „immun-responsive gene 1“ (Irg1) als Genort für die cis-Aconitase identifiziert, welche die Itakonatproduktion katalysiert [5]. Itakonat inhibiert kompetitiv die SDH, was zu einer Akkumulation von Succinat führt (Abb. 1) [15]. Succinat agiert als Signalmolekül und kann vom „G-protein-coupled receptor“ GPR91 erkannt werden. Dieser wird auf der Zellmembran von dendritischen Zellen und Makrophagen ausgebildet und fördert die Expression der pro-inflammatorischen Zytokine IL-1β und TNF-α [16]. Die inflammatorische Kon­trolle von Itakonat durch Regulation von HIF-1α konnte in Makrophagen aus Irg1-/--Mäusen bestätigt werden. Hier wurde nach LPS-Aktivierung eine deutlich geringere Succinatakkumulation, verglichen mit Wildtyp-Makrophagen, nachgewiesen [1]. Weiterhin präsentierten diese eine verstärkte inflammatorische Antwort. Die Überexpression von Irg1 hingegen führt zur verminderten Expression von TNFα, IL-6 sowie Interferon β [17].
Itakonat ist in der Lage, spezifisch pro-inflammatorische Zytokine wie IL-6 und IL-12 zu inhibieren, nicht jedoch den „tumor necrosis factor“ (TNF). In neueren Studien hat sich gezeigt, dass die Behandlung von „Bone marrow derived macrophages“ (BMDMs) mit Dimethyl­itakonat (DI), einem Derivat von Itakonat, zu einer Nrf2-vermittelten Zellantwort führt [18,19]. Nrf2, ein Transkriptionsfaktor, reguliert die oxidative und elek­trophile Stressantwort und induziert ein anti-inflammatorisches Programm. Elektrophiler Stress entsteht durch Metaboliten, welche als Elektrophil agieren können. Diese sind besonders reaktiv gegenüber Thiolgruppen. Durch elektrophilen Stress werden außerdem der „heat-shock response“ und der „autophagy-
lysosomal pathway“ aktiviert. Nrf2 wird kontrolliert durch das „Kelch like-ECH-associated protein 1“ (KEAP1), welches in der Degradation von Nrf2 involviert ist. KEAP1 ist der Sensor für elektrophilen Stress auf Grund seiner thiolhaltigen Cysteinreste [20]. Itakonat selbst ist ein Elektrophil im Sinne der Michael-Reaktionen. Endogenes Itakonat führt durch Alkylierung der Cysteinreste von KEAP1 und somit dessen Inaktivierung, zur Aktivierung von Nrf2 in LPS aktivierten Makrophagen, vergleichbar mit KEAP1 defizienten Makrophagen [21], was die Entstehung von globalem elektrophilem Stress impliziert. Der durch Itakonat verursachte elektrophile Stress wird durch GSH reguliert, indem es mit Itakonat zu methylsucciniertem GSH reagiert (Ita-GSH). Dies führt zur Abnahme intrazellulärer GSH-Level und verursacht vermehrt ROS [22].
Es hat sich gezeigt, dass Itakonat-vermittelter elektrophiler Stress auch Nrf2-unabhängig die Zytokinproduktion via Inhibierung des Transkriptionsfaktors IκBζ moduliert. Dieser vermittelt die Expression von IL-6, IL-12 etc. auf sekundärer Transkriptionsebene (Abb. 1). TNF wird während der primären Transkriptionsantwort exprimiert und daher von Itakonat nicht inhibiert. IκBζ ist assoziiert mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen, insbesondere Schuppenflechte [23]. Es wird bei der Behandlung von Epithelzellen mit IL-17 induziert und verursacht Folgereaktionen des Immunsystems. Es wurde untersucht, ob DI in der Lage ist, die IκBζ-vermittelte Immun­antwort zu unterdrücken. In vivo-Untersuchungen an Mäusen haben bestätigt, dass bei Imiquimod-induzierter Schuppenflechte durch die Behandlung mit DI die IκBζ-Zielgene deutlich reduziert sind und keine krankhaften Hautveränderungen auftreten. Es konnte gezeigt werden, dass DI als IκBζ-Inhibitor agiert und somit einen neuen Behandlungsansatz in IL-17-IκBζ-vermittelten Autoimmunerkrankungen darstellt [22].  Dies zeigt die immunsysteminhibierende Wirkung von Itakonat, welche in der Lage ist, die LPS-vermittelte Immunaktivierung zu neu­tralisieren.
Die Eigenschaften des zellpermeablen DI ermöglichen eine genau definierte Untersuchung der Itakonat-vermittelten Reaktion der Zelle. Durch die Estergruppe weist DI jedoch eine verminderte Elektronegativität auf. Dies führt zu gesteigerter Reaktivität im Sinne der Michael-Addition und verursacht folglich eine stärkere Nrf2-Aktivierung als Itakonat selbst. Des Weiteren wird DI in den Zellen sehr schnell degradiert, ohne dabei Itakonat freizusetzen. Als Alternative zu DI wurde 4-Octyl Itakonat (OI) beschrieben. OI hat eine vergleichbare Thiol-Reaktivität zu Itakonat, und es wurde gezeigt, dass es in Mausmakrophagen von Esterasen zu Itakonat hydrolysiert wird. Auch mit OI konnten erhöhte Nrf2-Level, sowie die nachfolgende Aktivierung von Zielgenen in Makrophagen erzeugt werden. Dies macht das zellpermeable OI zu einem geeigneten Ersatz für Itakonat [21].  Allerdings wurde sowohl von Cordes et al. als auch von Shen et al. gezeigt, dass unmodifiziertes Itakonat direkt zellgängig ist [15, 24].
Neben seiner Rolle in der pro-inflammatorischen Zellantwort durch Deaktivierung der SDH zeigt Itakonat vor allem anti-inflammatorische Eigenschaften, vermittelt durch Nrf2-Aktivierung und IκBζ-Inhibierung. Die Itakonatproduktion in pro-inflammatorischen Makro­phagen führt demnach eine Verlagerung zu einer anti-inflammatorischen Immunantwort herbei [17]. Dies demonstriert die komplexe regulatorische Funktion, die Itakonat zur Ausbalancierung des Immunsystems erfüllt.

Massenspektrometrische Analyse der metabolischen Immunantwort 

Zur Aufklärung der metabolischen Zusammenhänge während einer Immun­antwort in Makrophagen wenden wir Techniken der Massenspektrometrie an, mit deren Hilfe mehrere hundert Metaboliten gleichzeitig gemessen werden können. Die Substanzen werden zu verschiedenen Zeitpunkten nach Aktivierung der Immunreaktion aus den Zellen extrahiert und anschließend mithilfe von Gas- oder Flüssig-Chromatographie gekoppelt mit Massenspektrometrie (GC-MS, LC-MS) analysiert (Abb. 2). Isotopen-basierte Markierungsexperimente erlauben den Stoffwechsel einzelner Metaboliten gezielt zu verfolgen und sogar deren Umsatzraten (metabolische Flüsse) zu bestimmen. Dabei werden den Zellen 13C- oder 15N-markierte Substrate zugesetzt. Der Einbau der markierten Atome in die nachfolgenden Substanzen im Stoffwechsel kann genau verfolgt werden. Die markierten Metaboliten sind je nach Häufigkeit der enthaltenen 13C- bzw. 15N-Atome unterschiedlich schwer und können durch unterschiedliches Retentionsverhalten in der Gaschromatographie getrennt werden. Zudem weisen die markierten Metaboliten im Massenspektrometer einen spezifischen Fingerabdruck der Massenverteilung auf und können anhand beider Verfahren identifiziert und quantifiziert werden.
Eine Herausforderung in der Analyse von metabolischen Flüssen in eukaryotischen Zellen ist die Kompartimentalisierung der Zellen. Bei der Extraktion der Metaboliten war es bisher nicht einfach möglich, bestimmte Organellen zu separieren. Um dennoch die Mitochondrien-spezifischen metabolischen Flüsse zu erfassen, haben wir eine spezielle Methode entwickelt. Bei dieser werden die Zellen mit Digitonin selektiv permeabilisiert, sodass die Mitochondrien noch vollständig intakt und aktiv sind, das Zytosol der Zellen jedoch herausgewaschen wird [25] (Abb. 2). So ist es möglich, mithilfe von stabilen Isotopen die mitochondrialen Flüsse unabhängig vom Gesamtzellmetabolismus zu bestimmen.
Für die Analyse dieser hochdimensionalen massenspektrometrischen Rohdaten entwickeln wir spezielle Algorithmen und Computerprogramme (MetaboliteDetector, NTFD, MIA) (https://md.tu-bs.de, ntfd.bioinfo.nat.tu-bs.de, mia.bioinfo.nat.tu-bs.de). Diese unterstützen uns, um die komplexen Zusammenhänge des Gesamtzell­metabolismus während der Immunantwort zu verstehen.
Neben der Analyse von Makrophagen können die hier dargestellten Verfahren auch auf komplexe lebende Systeme übertragen werden. So ist es möglich, sowohl Blut- als auch Speichelanalysen nach Verabreichung von 13C-markierter Glukose im menschlichen System durchzuführen, um ernährungsspezifische Fragestellungen zu beantworten. Zudem können Stoffwechselveränderungen nach Infektionen oder Autoimmunerkrankungen festgestellt werden, da nicht nur das menschliche Metabolom abgebildet, sondern auch das natürliche Mikrobiom betrachtet werden kann.
Zusammengefasst zeigen die immunrelevanten Veränderungen, sowohl durch den oxidativen bzw. reduktiven Stoffwechsel als auch durch die immunregulatorischen Eigenschaften von Itakonat als Metabolit und Elektrophil, die bedeutende Rolle des Metabolismus in der Immunantwort von Makropagen. Itakonat wird dabei seit einigen Jahren als zentraler immunregulatorischer Metabolit betrachtet, und hat darüber hinaus aufgrund seiner anti-inflammatorischen Eigenschaften Potential in der medizinischen Anwendung zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen. 

Autoren
Jasmin Elisabeth Hanke
Dr. Kerstin Schmidt-Hohagen
Prof. Dr. Karsten Hiller (korr. Autor)
emie, Biotechnologie & Bioinformatik Abteilung Bioinformatik & Biochemie, BRICS
Rebenring 56, 38106 Braunschweig
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