Neue Behandlungsmethoden für rheumatologische Erkrankungen

Aus der Klinischen Forschung

Das Therapierepertoire für die Behandlung rheumatologischer Erkrankungen hat sich insgesamt signifikant gebessert. Festzustellen bleibt, dass nur etwa 70% der Patienten auf die Behandlung ansprechen. Weiterhin ist keine Heilung möglich, sondern in der Regel muss eine lebenslange Therapie mit diesen neuen Medikamenten durchgeführt werden. Ziel zusätzlicher Studien muss es daher sein, über die Pathogenese weitere Informationen zu erhalten, um so gegebenenfalls vorbeugend behandeln zu können bzw. eine Heilung zu erzielen. In jedem Fall wird die Einführung digitaler Mechanismen die Entwicklung individualisierter Therapien für den Patienten verbessern.
Schlüsselwörter: Rheumatoide Arthritis, monoklonale Antikörper, Immunsuppressiva, Biologika

Einleitung

Zu Beginn meiner Zeit als Direktor der Medizinischen Klinik III am Universitätsklinikum Erlangen-Nürnberg war eine typische „Rheumahand“ noch ein sehr häufiges Erscheinungsbild der rheumatoiden Arthritis. Dabei ist die Deformierung der gezeigten Hände auf eine Zerstörung der Gelenke infolge immunologischer Prozesse zurückzuführen. Zusätzlich hatten Patienten mit einer hochaktiven rheumatoiden Arthritis (RA) eine signifikant erhöhte Mortalität. Dieser progressive Krankheitsverlauf einer RA war den nicht genügend effizienten Therapieoptionen für dieses Krankheitsbild geschuldet. Benutzt wurde die berühmte Therapiepyramide, die anzeigte, dass die Aggressivität der Behandlung mit nichtsteroidalen Antiphlogistika bis zu Immunsuppressiva und Zytostatika sich jeweils an der Krankheitsaktivität des Patienten neu orientierte. Dies ist konträr zu der heutigen Philosophie, die besagt, dass eine rheumatoide Arthritis so früh wie möglich und so aggressiv wie nötig zu behandeln ist, um einen langjährigen Verlauf in einer geringen Krankheitsaktivität zu halten bzw. eine Remission zu erzielen. Dieser signifikante Fortschritt in der Therapie der rheumatoiden Arthritis geht auf eine Intensivierung der Erforschung von gewebszerstörenden Pathomechanismen im Gelenk zurück, verbunden mit der Identifizierung von Zellen wie auch von sogenannten Botenstoffen, sog. Interleukinen, die eine proinflammatorische Eigenschaft besitzen und zentral in die Pathogenese der RA involviert sind.
Zusätzlich war die Entwicklung einer Methodik zur Herstellung monoklonaler Antikörper durch Köhler und Milstein (Nobelpreis 1984) notwendig. Damit war die Möglichkeit zu einem gezielten Eingriff in Pathogenesemechanismen gegeben. Wichtig war ebenso, dass für die Beurteilung der Effizienz neuer Therapieprinzipien Diagnosekriterien sowie Kriterien für die Erfassung der Entzündungsaktivität erstellt wurden.
Derzeit stehen drei neue Optionen zur Therapie von rheumatischen Erkrankungen zur Verfügung.

1. Interferenz mit proinflammatorischen Zytokinen
2. Inhibition eines notwendigen zweiten Stimulus von T-Zellen
3. Depletion von B-Zellen

Anzumerken bleibt jedoch, dass die exakten Wirkungsmechanismen dieser neuen Therapiemöglichkeiten nicht vollständig verstanden sind. Eingriffe in immunpathogenetische Mechanismen erfolgen mit monoklonalen Antikörpern, Rezeptorfusionskonstrukten, die einen zweiten notwendigen Stimulus zur T-Zell­aktivierung blockieren, „Biosimilars“ und „small molecules“ (z. B. Kinase­inhibitoren).

Monoklonale Antikörper

Im Zentrum der Therapieforschung Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre stand als ein Ziel die CD4+-T-Zelle. Doch zeigten auch eigene Untersuchungen mit einem monoklonalen Antikörper gegen das CD4-Molekül [1–4], dass die Bindung des CD4-Moleküls durch monoklonale Antikörper hat jedoch keine optimale klinische Effizienz gezeigt. Vielmehr waren es Untersuchungen am Kennedy-Institut, die ausgehend von In-vitro-Versuchen sowie Versuchstiermodellen den Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α) als ein zentrales Molekül der Entzündungsreaktion bei der RA definierten. Nach einer Phase-I-Studie wurde eine 4-Zen­tren-Studie mit London, Leiden, Wien und Erlangen durchgeführt [5], die überraschend positive Ergebnisse bei der rheumatoiden Arthritis im Vergleich zu einem Kontrollkollektiv zeigte [5]. Wie die nebenstehende Tab. 1 zeigt, steht heute eine stattliche Zahl von monoklonalen Antikörpern für die Therapie der rheumatoiden Arthritis zur Verfügung. Auch die Situation bei Spondylarthropathien ist außerordentlich günstig, um durch mono­klonale Antikörper gute Therapieerfolge zu erzielen. Viele andere der aufgelisteten Antikörper sind derzeit noch in klinischen Therapiestudien.

Effizienz der monoklonalen Antikörper

Die klinische Effizienz der lizenzierten monoklonalen Antikörper (mAb) ist vergleichbar. Etwa 60 bis 70% der Patienten respondieren mit einer Verminderung der Krankheitsaktivität und damit verbunden einer Retardierung des Krankheitsverlaufes. Etwa 30% der Patienten zeigen eine signifikante Verbesserung der klinischen Symptomatik mit der Entwicklung eines Status, der definiert ist als eine minimale Krankheitsaktivität. Remissionen werden in etwa 10% der Patienten beobachtet. Eine Heilung besteht durch die Anwendung dieser unterschiedlichen monoklonalen Antikörper nicht. Das bedeutet, dass die mAb-Therapie in der Regel eine Langzeit-, möglicherweise lebenslange Therapie ist, und dass es bei einem Abbruch der Therapie innerhalb von 4–8 Wochen zu einer Reaktivierung des Krankheitsgeschehens kommen kann.
Wieso ein bestimmter Prozentsatz an Patienten keine Antwort auf eine Antikörpertherapie zeigt, ist in den meisten Fällen nicht geklärt; man spricht von primären „Non-Respondern“. Auch die Beobachtung, dass nach einem zunächst positiven Ansprechen auf monoklonale Antikörper die klinische Effizienz nachlässt bzw. verschwindet [6], ist nicht gut untersucht. In dieser Situation werden Antikörper gegen das Therapieprinzip (ADA) diskutiert [6].
Von Interesse ist das Phänomen, dass bei einem Nachlassen der klinischen Wirkung eines monoklonalen Antikörpers gegen TNF-alpha ein Wechsel zu einem anderen monoklonalen Antikörper gegen TNF-alpha effektiv sein kann. Besser und von ausgeprägterer klinischer Relevanz ist jedoch die Verwendung eines Antikörpers gegen eine andere Zielstruktur [6].

Monoklonale Antikörper in der Kombinationstherapie

Schon zu Beginn der Anwendung sogenannter Biologika wurde die Möglichkeit einer Kombination mit Immunsuppressiva diskutiert, um die zu dieser Zeit noch nicht messbare, aber durchaus überlegbare Entwicklung von Antikörpern gegen das Therapieprinzip zu verhindern [7]. So zeigte erneut eine Studie der vier genannten europäischen Zentren, dass die konkomitierende Therapie mit Methotrexat offensichtlich zu einer Verminderung von Anti-Drug-Antikörpern (ADA) führt [8], wobei zusätzlich ein positiver, immunsuppressiver Effekt beobachtet wurde, der in seiner Entwicklung bis heute nicht voll geklärt ist, aber durchaus den Krankheitsverlauf günstig beeinflusst [8].
Die Frage einer Effizienz einer Monotherapie im Vergleich zu einer Kombinationstherapie mit immunsuppressiven Medikamenten ist kürzlich in einer großangelegten Studie diskutiert worden [9]. Das Resümee dieser Studie ist, dass im Prinzip eine Monotherapie mit Biologika klinische Effizienz zeigt, und dass bei einigen Patienten eine Kombinationstherapie zu einem besseren klinischen Erfolg führt. Von klinischer Relevanz ist auch der Befund, dass die Durabilität einer Monotherapie einer Kombinationstherapie unterlegen ist. Neben Methotrexat kommen noch andere Immunsuppressiva in der Kombinationstherapie mit Biologika zur Anwendung.

Nebenwirkungen

Auch nach 20 Jahren Erfahrung mit der Therapie mit blockierenden Biologika gegen den Tumornekrosefaktor-alpha bzw. mit der Medikation von Inhibitoren, ist das „safety profile“ akzeptabel. Die anfänglich beobachteten erhöhten Inzidenzen von Reaktivierung von Tuberkulose konnten durch entsprechende Voruntersuchungen abgestellt werden. Zu erwähnen ist noch eine leicht erhöhte Inzidenz von Infektionen im Bereich des oberen und unteren Respirationstraktes. Eine zunächst befürchtete Inzidenz von malignen Erkrankungen konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Möglicherweise ist ein leicht erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Melanomen vorhanden. Was Komorbiditäten und die Entzündungsaktivität, und damit auch die Mortalität, insgesamt anbelangt, scheinen die TNF-alpha-Blocker diese möglichen Komplikationen im Verlauf einer rheumatoiden Arthritis zu vermindern [10].

Monoklonale Antikörper bei Spondylarthropathien und anderen rheumatischen Erkrankungen

Die Situation, was den Einsatz von monoklonalen Antikörpern bei anderen rheumatischen Erkrankungen anbelangt, ist unterschiedlich. Bei den Spondyloarthritiden werden sehr gute Ergebnisse mit einem Anti-TNF-alpha-Therapieprinzip, z. B. bei dem Morbus Bechterew, erzielt [11, 12]. Gleiches gilt für die Psoriasis und die Psoriasis-Arthritis mit Antikörpern gegen TNF-alpha bzw. gegen IL-17 oder das p40-Molekül von IL-12 und IL-23 [13, 14]. Für die restlichen Autoimmunerkrankungen des rheumatischen Formenkreises inklusive des SLE sind die Möglichkeiten einer Therapie mit monoklonalen Antikörpern nicht zufriedenstellend. Eine Ausnahme sind antiinflamma­torische Erkrankungen, die sich gut mit einem Antikörper gegen Interleukin-1 behandeln lassen [15, 16], und gleiches gilt für periodische Fiebersyndrome. Bei der chronischen juvenilen Arthritis waren sowohl Antikörper gegen Interleukin-6 wie gegen Interleukin-1 therapeutisch sehr erfolgreich (Behandlungsmöglichkeiten des SLE, siehe Artikel von Reinhard Voll in dieser Ausgabe). Hier kommt ein Antikörper gegen B-Zellen zum Einsatz, der aber noch nicht die klinische Effizienz zeigt, die man sich versprochen hat. Studien laufen mit Proteasom-Inhibitoren, die sich im Versuchstiermodell sehr erfolgreich gezeigt haben [17].

Biosimilars für Biologika

Unter Biosimilar versteht man eine Kopie, die zwar ähnlich aber nicht komplett identisch ist mit dem Originalprodukt, z. B. mit einem Antikörper gegen TNF-alpha, einem Originalprodukt das nicht länger einen Patentschutz genießt. Die WHO hat ein Biosimilar qualifiziert als: biotherapeutisches Produkt, das ähnlich im Sinne von Qualität, Sicherheit und Wirkung im Vergleich zu einem schon lizenzierten referenzbiologischen Therapieprodukt ist [18]. Similarität ist ebenso definiert als das Fehlen relevanter Referenzen in Parametern, die von Interesse sind. Ein Biosimilar hat dieselbe Aminosäuresequenz wie das Referenzprodukt und hat einen strengen analytischen und klinischen Test mit einer Vergleichsstudie zum Referenzprodukt durchlaufen [19]. Das Biosimilar Infliximab DYYB wurde in klinischen Studien intensiv auch gegen den Innovator Infliximab getestet, mit Ergebnissen, die schließlich zu einer Zulassungsbehandlung von RA-Patienten führten [20]. Weitere Biosimilars sind für Etanercept, Adalimumab und Rituximab entwickelt worden. Die Hoffnung besteht, dass mit der Verfügbarkeit von Biosimilars sich eine drastische Reduktion der Behandlungskosten auf längere Sicht ergeben wird [24].

Kinaseinhibitoren

Kinaseinhibitoren sind keine Proteine und werden daher auch nicht als Biologika bezeichnet. Der Vorteil von Kinaseinhibitoren ist, dass sie oral verabreicht werden können. Kinaseinhibitoren (z. B. Tofacitinib oder Baricitinib) werden bei Patienten mit einer rheumatoiden Arthri­tis eingesetzt, die sich resistent gegen eine Therapie mit Biologika (monoklonale Antikörper in Kombination mit Methotre­xat) gezeigt haben [21–23].

Abrufbare Therapieempfehlungen: European League against Rheumatism (EULAR), American College of Rheumatology (ACR) und Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh).

Autor
Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. Joachim R. Kalden
Abteilung für Molekulare Immunologie an der Medizinischen Klinik 3 mit Poliklinik Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
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