Der kreative und gekonnte Einsatz digitaler Werkzeuge

Warum an der FAU Erlangen-Nürnberg Lehrveranstaltungen zu diesem Thema eingeführt wurden

Sie haben heute wahrscheinlich den Großteil Ihres Tages am Rechner gesessen und dabei viele unterschiedliche digitale Werkzeuge verwendet, deren Bedienung Sie niemals wirklich gelernt haben. Wir sind der Überzeugung, dass Lebenswissenschaftler im Rahmen ihrer Ausbildung besser auf diese Situation vorbereitet werden müssen. Wir entwickeln daher Übungen zum Erwerb der nötigen fachspezifischen IT-Kompetenz, in denen Anwendungsfälle aus dem Laboralltag praktisch durchgespielt werden. Im Bachelorstudiengang Biologie an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg sind zwei Pflichtübungen zu diesem Thema in das Curriculum aufgenommen worden. Diese Veranstaltungen stehen über die „Virtuelle Hochschule Bayern“ (vhb) auch anderen bayerischen Universitäten und Hochschulen zur Verfügung.

Digitale Werkzeuge sind allgegenwärtig und vielfältig

Die Nutzung von Computern, Software und Internet gehört zum Arbeits- und Lebensalltag der meisten Menschen. Im biomedizinischen Laboralltag sind diese Ressourcen in besonderem Maße spezifisch für das jeweilige Fach, und es existieren zahlreiche On- und Offline-Werkzeuge zur Unterstützung der wissenschaftlichen Arbeit. Von der Hypothesenbildung über die Planung des experimentellen Vorgehens, die Beschaffung von Verbrauchsmaterialien, die Steuerung der Datenerfassung und die Datenauswertung bis zur Präsentation und Publikation der Ergebnisse kommen digitale Werkzeuge zum Einsatz. Das tatsächliche Experiment nimmt oft nur einen geringen Teil der Arbeitszeit in Anspruch. Es ist teilweise schon automatisiert oder gar an externe Dienstleister ausgelagert. Gleichzeitig fallen durch neue Methoden (Next Generation Sequencing, Superresolution Microscopy, GC-MS, eDNA-Barcoding und viele mehr) in der biomedizinischen Forschung ungeheure Datenmengen an, die erst in der Zusammenschau mit Daten anderer Arbeitsgruppen im Rahmen umfangreicher Datenbankrecherchen zu sinnvollen Informationen verknüpft werden können und so ihre Bedeutung offenbaren.

Die Beherrschung digitaler Werkzeuge entscheidet über den Berufserfolg

Dieses Szenario aus hochdifferenzierten Analyse-Werkzeugen, biomedizinischen Datenbanken und Software-Dienstleistungen kombiniert mit Hochdurchsatzverfahren ist nicht nur in der Forschung notwendig, sondern auch Teil aller lebenswissenschaftlichen Berufsfelder. Wer in diesem Bereich tätig ist, muss die richtigen digitalen Werkzeuge kennen und sie schnell, zielgerichtet und kreativ einsetzen, um seine/ihre Aufgaben erfolgreich zu meistern. Gleichzeitig entsteht zurzeit eine „Digital Science Industry“ mit zahlreichen StartUps, die Software und Dienstleistungen entwickeln, die sie in abgespeckten Versionen meist kostenfrei anbieten. Auch hier ist Sachverstand und Erfahrung vonnöten, um die Spreu vom Weizen zu trennen.

Das Erlernen digitaler Werkzeuge ist in der Ausbildung unterrepräsentiert

Nach unserer Analyse verschiedener Life-Science-Studiengänge in Deutschland wird die Nutzung dieser digitalen Ressourcen, wenn überhaupt, nur am Rande gelehrt. Oder aber es handelt sich um besondere Bioinformatik-Veranstaltungen, die sich auf die Sequenzbearbeitung und die dafür verwendeten Algorithmen und Programmierwerkzeuge fokussieren. Das sind wichtige und richtige Veranstaltungen; aber nicht jeder, der sich einer bioinformatorischen Ressource bedient, kann ein ausgebildeter Bioinformatiker sein. Zudem fehlt es an hilfreichen Führern durch die Tausende von digitalen Werkzeugen, die in allen Bereichen der biomedizinischen Wertschöpfungskette zur Verfügung stehen. Als beispielhafte Referenz sei hier auf die Linkliste „Labworm“ (labworm.com) verwiesen.

Praktische Übungen mit digitalen Werkzeugen sind notwendig

Wir plädieren hier für Lehrveranstaltungen, die praktische Übungen mit digitalen Werkzeugen an Anwendungsfällen aus dem Laboralltag bieten. Zum Glück ist die Mehrzahl dieser Werkzeuge im Internet kostenlos zugänglich und somit in der Lehre einsetzbar. Eine derartige Veranstaltung sollte die folgenden übergeordneten Bildungsziele verfolgen (eine detaillierte Liste der einzelnen Lernziele würde den Rahmen dieses Artikels sprengen). Die Studierenden ...
... erkennen die enorme Bandbreite an digitalen Werkzeugen sowie deren Bedeutung für die Lebenswissenschaften und sind in der Lage diejenigen Werkzeuge auszuwählen, die zur Lösung einer gegebenen Fragestellung angebracht sind.
... nutzen ausgewählte digitale Werkzeuge verschiedener Kategorien zielgerichtet, effizient und kreativ und können diese Erfahrungen auch einsetzen, um ihnen bis dahin unbekannte Werkzeuge schnell und effektiv zu erlernen.
... konzipieren und optimieren Strategien zur Recherche von biomedizinischen Daten und Informationen über geeignete Portale/Datenbanken, hinterfragen gefundene Quellen und beurteilen deren wissenschaftliche Qualität und Glaubwürdigkeit.
Unserer Meinung nach sollten solche Übungen immer dann angeboten werden, wenn auch die entsprechenden biomedizinischen Themen im Studium gelernt werden; dadurch werden gleichzeitig diese Inhalte gefestigt und in einen praktischen Zusammenhang gestellt. Wir können uns im Rahmen eines Bachelorstudienganges Veranstaltungen mit einem Arbeitsumfang von insgesamt ca. 10  ECTS Punkten vorstellen, durchaus in der Form von Pflichtveranstaltungen.

Digitale Werkzeuge sind ein schwieriger Unterrichtsgegenstand

Die von uns vorgeschlagenen Übungen werden allerdings durch die folgenden Aspekte erschwert: Zum einen handelt es sich hier um ein sehr dynamisches Feld, die Benutzerschnittstellen und Funktionen werden im Monatsrhythmus erneuert und erweitert. Daher ist es wichtig, sich in den Übungen weniger auf die spezifischen Elemente der Bedienung zu konzentrieren, sondern eher generische Herangehensweisen zu trainieren. Zum anderen ist es schwierig, gerade solche Fertigkeiten ohne immensen Aufwand zu prüfen bzw. gar zu benoten. Außerdem ist die allgemeine IT-Kompetenz der Studenten sehr unterschiedlich, daher müssen die Anleitungen zu den Übungen einen möglichst anpassbaren Detailgrad aufweisen, um den schmalen Grat zwischen Langeweile und Überforderung nicht zu verlassen.

Nicht jeder wird so eine Veranstaltung attraktiv finden

Gegen Übungen zum Thema „digitale Werkzeuge“ könnte man zwei Dinge einwenden: Erstens könnte man betonen, dass unsere Studenten ja zu den sogenannten „digital natives“ gehören, die den Gebrauch digitaler Werkzeuge sozusagen mit der Muttermilch aufgenommen haben und unser Ansatz „Eulen nach Athen tragen“ hieße. In der Tat sind die Studierenden privat dauernd von Digitalem umgeben, aber sie beherrschen nur einen winzigen Ausschnitt davon. Auf den wissenschaftlich-professionellen, kritischen und sachgerechten Einsatz digitaler Werkzeuge sind sie ungenügend vorbereitet, möglicherweise sogar weniger als ihre Vorgängergenerationen, die noch nicht mit bequemen Nutzerschnittstellen auf der Basis von Web2.0-Technologien verwöhnt waren. Zweitens wird immer wieder betont, dass die universitäre Ausbildung keine Berufsausbildung sein soll und somit derart praxisbezogene Veranstaltungen dort fehl am Platze seien. Nun, spätestens seit der weitgehend unwidersprochenen Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen und der damit einhergehenden Aufweichung des Unterschiedes zwischen Universitäten und Hochschulen müssen wir uns von dieser schon immer elitären und auch auf viele Studiengänge sowieso nicht zutreffenden Idee verabschieden.

Ausbildung an digitalen Werkzeugen ins Pflichtprogramm aufgenommen

Bei der Erstellung von Übungen zum Thema „digitale Werkzeuge für Lebenswissenschaftler“ kooperieren die JMU-Würzburg, die HAW-Ansbach, die virtuelle Hochschule Bayern und das Institut für Lerninnovation der FAU unter Federführung des Departments Biologie der FAU Erlangen-Nürnberg. Die Initiative wird vom bayerischen Staatsministerium im Förderprogramm „Digitaler Campus Bayern“ in der Förderlinie „Domänenspezifische IT-Kompetenz“ und von der virtuellen Hochschule Bayern (vhb) gefördert. An der FAU wurde im Sommersemester 2017 eine erste Übung (2 ECTS) zu diesem Thema angeboten und mit 160 Studierenden erfolgreich durchgeführt. Für den Winter 2018/19 entwickeln wir zurzeit eine 5-ECTS-Übung für Fortgeschrittene.
Natürlich kann eine solche Veranstaltung nur Erfolg haben, wenn die Studierenden aktiv mit den vorgestellten Werkzeugen an Aufgaben aus dem „richtigen“ Leben üben. Daher ist es nur konsequent, auch die Vermittlung dieser Fähigkeiten ohne Medienbruch im Rahmen einer E-Learning-Übung anzubieten. Wie eine solche Übung realisiert werden kann, und welche didaktischen Konzepte uns dabei geleitet haben ist eine andere Geschichte, die bei Gelegenheit erzählt werden soll.
Eine Demoversion der Übung „Einführung in digitale Werkzeuge für Lebenswissenschaftler“ können Sie unter der folgenden URL einsehen und gerne kommentieren: www.studon.fau.de/crs1816151.html.

Autor
Dr. Heiner Busch, Dr. Christina Müdsam, Dr. Jochen Trauner, Dr. Arman Vinck
Lehrstuhl Zellbiologie, Department Biologie
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
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