Psychopharmaka stellen aus gutem Grund nach wie vor einen zentralen Baustein im Rahmen einer multimodalen Therapie vieler neuropsychiatrischer Erkrankungen dar. Bestimmt man die Number Needed to Treat (NNT), also die Anzahl der Patient:innen, die behandelt werden müssen, damit bei ihnen die gewünschte Wirkung auftritt, dann schneiden Psychopharmaka deutlich besser ab als ihr Ruf. Patient:innen unter Antipsychotika zeigen eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu Placebo, auf die Therapie zu respondieren; die NNT in der betreffenden Studie lag bei nur 6 [1]. Vergleicht man dies beispielsweise mit einer mehrjährigen Behandlung mit Statinen bei koronarer Herzerkrankung, so senken diese die (meist kardiovaskuläre) Letalität nur um 13 % mit einer NNT von 67, wobei die Anzahl der Schlaganfälle um 22 % bei einer NNT von 91 gesenkt wird [2].
Pharmakoepidemiologische Daten zeigen auch folgerichtig einen Anstieg der Verordnungszahlen der allermeisten Substanzgruppen, vor allem von Antidepressiva, Antipsychotika und Antikonvulsiva. Diese werden seit einiger Zeit unter dem Begriff anfallssupprimierende Medikamente (ASM) zusammengefasst [3]. Trotz der zunehmenden klinischen Erfahrung mit Psychopharmaka mangelt es in der täglichen Behandlungspraxis bislang an Instrumenten einer personalisierten Medizin bzw. einer Berücksichtigung der individuellen Eigenschaften der Patient:innen zur Optimierung der Dosierung der angeordneten Psychopharmaka.
So können die pharmakokinetischen Phasen, also alles, was mit der Prozessierung eines Arzneistoffs im Körper zu tun hat (Absorption, Distribution, Metabolisierung und Exkretion), nicht nur bei verschiedenen Patient:innen, sondern auch bei ein und derselben Person in Abhängigkeit von Faktoren wie Alter, Lebensgewohnheiten, Konsumverhalten wie Rauchen, komorbiden Erkrankungen und Komedikation sehr unterschiedlich sein. Folglich ist bei der Einstellung von Patient:innen auf ein Psychopharmakon nicht sicher vorhersagbar, ob sie wirklich eine wirksame Medikamentenkonzentration aufbauen oder nicht.
Daher sind nicht nur bei der medikamentösen Behandlung von Patient:innen mit neuropsychiatrischen Erkrankungen – auch wegen pharmakodynamischer Varianzen – Dosiskorrekturen oder Medikamentenwechsel an der Tagesordnung, nein, auch eine unsichere Adhärenz ist ein Problem bei der Psychopharmakotherapie. Ein geeignetes Mittel zur Therapieoptimierung einerseits und zur Sicherstellung der Arzneimitteltherapiesicherheit andererseits stellt das Therapeutische Drug Monitoring (TDM) dar. TDM ist dabei weit mehr als die bloße Messung einer Wirkstoffkonzentration. Es handelt sich hierbei um den gesamten Prozess von der Anforderung über die Probenentnahme bis hin zu der aus der Wirkstoffkonzentrationsmessung abgeleiteten (möglicherweise veränderten) Vorgehensweise einer bestehenden Psychopharmakotherapie. TDM ermöglicht eine zuverlässige Erfassung der Bioverfügbarkeit eines Pharmakons mittels der Bestimmung von Arzneistoffkonzentrationen im Blut [4]. Als Synonym für die Arzneistoffkonzentration im Blut werden in der Literatur zudem Begriffe wie Plasmakonzentration, Serumkonzentration, Blutspiegel, Plasmaspiegel oder Serumspiegel verwendet.
TDM dient der Dosisoptimierung der Pharmakotherapie, wodurch die Effektivität der Behandlung gesteigert und das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) reduziert wird.
Zur Interpretation der Blutspiegelwerte des jeweiligen Arzneistoffs werden auch Informationen bezüglich der Arzneistoffeigenschaften sowie Patientencharakteristika berücksichtigt, denn die hohe Heterogenität der klinischen Wirkung eines Pharmakons – insbesondere bezüglich Wirksamkeit sowie Sicherheit – kann zumindest teilweise durch die hohe interindividuelle pharmakokinetische Variabilität von Blutspiegelwerten erklärt werden. So kann unter einer Standarddosierung eines Pharmakons oftmals ein mehr als 20-facher interindividueller Unterschied der Wirkstoffkonzentrationen im Blut beobachtet werden [5], der auf die interindividuelle pharmakokinetische Variabilität zurückzuführen ist.
Seine Anfänge hatte TDM dabei in der Kinderheilkunde. Bahnbrechend war hier die Veröffentlichung des Buches „Der Blutspiegel“ von Friedrich Hartmut Dost, der damit die wissenschaftliche Disziplin der Pharmakokinetik wesentlich mitbegründet hat [6]. Seinen unaufhaltsamen klinischen Erfolg aber zeigt das Therapeutische Drug Monitoring heutzutage vor allem im Bereich der Psychiatrie, wo es seit nunmehr 20 Jahren fest in der klinischen Routine verankert ist. Ausgehend von den Übersichtsarbeiten von Baumann et al. 2004 existiert mittlerweile in der dritten Auflage das sogenannte Konsensuspapier zum Therapeutischen Drug Monitoring, das zuletzt 2017 von Hiemke et al. herausgegeben wurde und gegenwärtig einer vollständigen Überarbeitung unterzogen wird [4, 7].
Den Vorgaben der Konsensus-Leitlinien für Therapeutisches Drug Monitoring in der Neuropsychopharmakologie der TDM Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP) zufolge werden unterschiedliche Empfehlungsgrade zur Durchführung von TDM formuliert. Diese reichen grundsätzlich von Level 1 (dringend empfohlen) über Level 2 (empfohlen) bis hin zu Level 4 (potenziell nützlich). In der Praxis hat sich TDM vor allem bei den Empfehlungsgraden 1 und 2 etabliert [4]. Tab. 1 zeigt verschiedene Neuropsychopharmaka, für die ein TDM entsprechend dem Level 1 der Konsensus-Leitlinien dringend empfohlen wird.