Physiologisch ist der Dünndarm mit 103 bis 105 koloniebildenden Einheiten (KBE) pro Milliliter im Vergleich zum Dickdarm mit 1012 KBE pro Milliliter relativ gering besiedelt. Im anatomischen Verlauf des Dünndarms nimmt das Ausmaß der bakteriellen Besiedelung vom proximalen (Jejunum) zum distalen Kompartiment (Ileum) schrittweise zu.
Das Small-Intestinal-Bacterial-Overgrowth(SIBO)-Syndrom ist eine Erkrankung, die durch eine übermäßige Besiedelung des Dünndarms insbesondere mit Bakterien der Dickdarm-Mikrobiota gekennzeichnet ist. Bei vielen Betroffenen führt diese abnorme Anwesenheit von Bakterien zu einer Störung der normalen Dünndarmfunktion, die verschiedene Verdauungssymptome wie Blähungen, Bauchschmerzen, Unwohlsein, Völlegefühl, Verstopfung oder Durchfall bis hin zu ungewollten Gewichtsverlust zur Folge haben kann [1].
Die Angaben zur generellen Prävalenz von SIBO sind sehr variabel. Sie scheint insbesondere bei Menschen mit Erkrankungen, die die Darmmotilität einschränken, erhöht zu sein [2]. Oft wird die Prävalenz von SIBO über seine Assoziation mit anderen Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom (IBS) abgeschätzt, dessen Prävalenz weltweit bei 12 bis 15 % liegt [3]. Entsprechend einer kürzlich veröffentlichten Metaanalyse sind etwa 36,7 % der IBS-Fälle SIBO-assoziiert [6].
Da sich die Symptome des Reizdarmsyndroms und SIBO überschneiden, ist SIBO somit eine wichtige Differentialdiagnose im Rahmen der Abklärung der Reizdarmsymptome. In den USA beispielsweise ist die Prävalenz des IBS mit 16 bis 24 % der erwachsenen Bevölkerung (ca. 42 Millionen Menschen) besonders hoch. Von diesen leiden wiederum 31 % an SIBO [4–7].
In Deutschland betrug die Prävalenz von SIBO in der Altersgruppe der 24- bis 59-Jährigen etwa 5,9 % und in einer Patientengruppe von Altenheimbewohnern bis zu 16 % [8]. Neben SIBO ist bei Personen mit Symptomen eines Reizdarmsyndroms auch an eine Kohlenhydrat-Malabsorption wie Laktose-, Fruktose- oder Sorbit-Malabsorption zu denken (Abb. 1).